22.12.2024

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Auf mehrfachen Wunsch ! Auszug von meiner Recherche zur Externstein-„Irminsul“-Entstehung:

KREUZ und PALMBAUM-IDOL am EXTERN­STEIN

(in der Rubrik Irminsul-Irrtum)

Absatz: DIE ENTSTEHUNG DES RELIEFS VOM EXTERNSTEIN

(Alle Quellenangaben im Original-Artikel)
 

Die zunehmende Macht des mönchischen Netzwerkes im Reich gab sich zu keiner Zeit mit dem Erreichten zufrieden. Allen voran der Benediktinerorden des Klosters Cluny, im französischen Burgund, war Herd und Ausgangspunkt der mön­chischen Bewegung für die Erhöhung des Pap­stes und Schaf­fung eines „Gottes­staa­tes“, also einer Theokratie, bei notwendiger Zurückdrängung oder Aus­schaltung der weltlichen Macht­ha­ber, wobei man in allererster Linie die mächtigsten Herrscher des Abendlandes im Auge hatte, die deutschen Könige und Kaiser. Schon der aggressive, zänkische Bonifatius (673-755), der als päpstlicher Legat und „Apostel der Deutschen“ sich einen umstrittenen Ruf erwarb, war bedingungslos bemüht, die Menschen in seiner Reichweite dem päpstlichen Stuhl zu unterwerfen. Ihren Hauptfeind mussten die Mönche des 11./12. Jahr­hunderts in den deutschen Kai­sern und deren waffenstarrenden ritterlichen Gefolgschaften sehen, die einzig in der Lage waren, diesem päpstlichen Macht­anspruch dauer­haft entgegen­zutreten. Die älteste und berühmteste Benediktinerabtei Deutschlands war Cor­vey - die Missions­zentrale des Nordens - die im geisti­gen Le­ben des mittelalter­lichen Niedersachsens eine führende Stel­lung erwarb. Corvey wich von der Benediktinerregel insofern ab, indem es keine Mönche aus niederen Gesellschaftsschichten aufnahm, alle Brüder kamen aus dem hohen Adel germanischer Lande. Dadurch wurde die Abtei in Höxter im 9./10. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Zentren der christlichen Missionsantriebe in ganz Nordwesteuropa. Die „Reform von Cluny“, im Zusammenhang mit den „Gregorianischen Reformen“, griffen auch nach Deutschland in Gestalt der „Hirsauer Reform“, die zwar die Klosterorganisation mitbetrafen, doch in ihren Hauptlinien Partei für die Überhöhung der Päpste gegen die weltlichen Herrscher nahmen, die in Gestalt und Wirkkraft des Papstes Gregor VII. (Amtszeit: 1073-1085) ihre nachdrücklichste Ausprägung fand. Im Jahre 1048 trat er als Mönch ins Benediktinerkloster Cluny ein, doch schon im nächsten Jahr agierte er wieder in Rom. Seine Zeitgenossen und sogar Mitarbeiter belegten ihn mit Begriffen wie: „Heiliger Satan“, „Zuchtrute Gottes“, „Höllenbrand“, man verglich ihn mit dem Tiger, Löwen und reißenden Wolf. Albert v. Hofmann sagt dazu in seiner „Politische Geschichte der Deutschen“, Bd. 2, S. 248: „In Hildebrand [Papst Gregor VII.] hatte sich die Reformtheorie zu einem Bilde verdichtet, welches ihm eine neue Weltordnung zeigte, die er nun mit der Starrheit des Fanatismus durchzusetzen bestrebt war. In seinem Gottesreich gab es nur einen Herrscher, den Papst, von dem alles andere in der Welt abhängig sein sollte. Die Aufgaben des weltlichen Staates schrumpften in seinem System der geistlichen Hoheit zusammen. Der Papst ist der Kopf der Welt, das Königtum ist nur sein Arm. Eine konstruierte Phantasiewelt, die aus der Klosterzelle stammt, setzt sich hier allem wirklich Gewordenen gegenüber, behauptet diesem gegenüber starrköpfig ihr alleiniges Recht und die faule stumpfe blinde Menge wird wie immer durch ein Paar Schlagworte auf die Seite der schreienden Agitatoren gezogen, um somit Hand anzulegen und das Unglück durchzusetzen.“ Im Investiturstreit zwischen Kirchen- und Kaisermacht stellten sich diese mönchisch-schwärmerischen Bewegungen, zusammengefasst unter der Parteiung der „Gregorianer“, auf die antistaatliche Seite. Zuerst gegen Kaiser Heinrich IV., dann gegen dessen Sohn Heinrich V.. Der ganz vom gregorianischen Anspruchsdenken erfüllte französische geld- und machtbesessene Papst Urban II. (1035-1099), vom Kloster Cluny als Prior nach Rom geschickt, folgte seinem Vorbild, dem fanatischen Gregor VII.. Er hat jede Moral beiseite gesetzt, wenn es gegen den deutschen König zu arbeiten galt. Diese Politik wurde auch von seinem Nachfolger, dem Italiener Paschalis II. (1099-1118) fortgesetzt. Nachfolger von Paschalis II. wurde im Januar 1118 der Benediktinermönch Gelasius II., der in nicht endender Schnödigkeit den Bannfluch über den Kaiser nochmals bekräftigte, bevor er zum Beginn 1119 im Kloster Cluny starb. Cluny sah Corvey immer zurecht als eine Art Filiale an und Corvey blickte zu seinem vorbildgebenden Cluny hinauf nach Burgund. K.H. Krüger schreibt in „Das Kloster Corvey“: „Zunächst Verhandlungsort zwischen den Parteien des sogenannten Investiturstreites, den Getreuen Heinrichs IV. und der sächsischen Opposition, wurde das Kloster ein Stützpunkt der Anhänger des Papstes Gregor VII.. Das änderte sich zeitweise unter Heinrich V..“ Dass sich das gegenüber Heinrich V. nur vorübergehend änderte, so lange man glaubte er sei ein manipulierbarer Strohmann der Kurie, werde ich nachweisen. Schon der Corvey-Abt Warin II. (Amtszeit 1071-1079) stand gegen seinen Kaiser auf Seiten des Papstes und ließ zu, dass einer seiner Frater namens Bernhard die Hetzschrift verfasste, in der er den Kaiser als Schismatiker, also als Ketzer, verunglimpfte. Wir müssen uns das Ausmaß des Landesverrats in seiner ganzen perfiden Ungeheuerlichkeit vorzustellen versuchen. Die Äbte des reichsunmittelbaren Klosters Corvey besaßen als Reichsprälaten, wie die Fürsten, eine Viril- bzw. Kuriatsstimme im Reichstag. Sie vermochten also im Innersten der Machtzentrale die Funktion einer mehr oder weniger verdeckten „Fünften Kolonne“ für fremde Interessen auszuüben, nämlich jener des geistlichen Herrschers in Rom. Die altheilige Stät­te der Externsteine war dem Weser-Kloster, wie wir hörten, wohl vertraut, hatte man ja ur­sprünglich beabsichtigt, be­deutend näher bei den auf­fälligen und geistig bedeutenden Steinen die Kloster­gründung vorzu­nehmen. Die Corveyer hatten im weiten Umkreis ihre Besitzungen, pflegten persönliche Verbindungen und trieben ihre Machtzuwachspolitik. Klosterarchive vergessen ihre Geschichte so gut wie nie, es sei denn, es geschehen Brandkatastrophen.

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Silbermünze von Kaiser Heinrich V. - Goslar. Das Münzprägebild beweist die Bedeutung der Lebensbaum-Lilie als Machtsymbol von Heinrich V.

Sämtliche ernstzunehmenden Kunstsachverständigen datierten das Kreuz­ab­nahme­bild im Felsen 1. der Externsteingruppe aufgrund stili­sti­scher Kriterien in den An­fang oder die Mitte des 12. Jahr­hunderts. Wer Sinn und Zweck des Kunstwerkes zu ergründen wünscht, muss sich mit den Turbulenzen dieses Zeitraumes auseinandersetzen ! Eine gewaltige Rolle spielte damals jenes „Heidentum“ der mächtigen deutschen Könige und Kaiser, die dem Papst die ersehnte Univer­salherrschaft verwehrten, wie sie von vielen mönchischen Fa­natikern ange­strebt wurde. Das wa­ren die Brenn­punkte dieser Zeit, über die die Gei­ster aneinandergerie­ten. Der innerlich von der Kirche völlig freie „neuheidnische Un­hold“, der es wagte, den Papst Pa­schalis II. - mitsamt sei­nen Kardinälen - mitten in der Peterskirche gefangen­ zu nehmen, um verwei­gertes Kai­ser­recht und Kaiser­krönung zu er­zwingen, war der Salier Heinrich V. (1081-1125). Diese auf­sehener­regende Ungeheu­erlichkeit geschah am 12. Februar 1111. Nach den vertraglichen Zusagen des Papstes vom 09.02. hatten die Feierlichkeiten zur Kaiserkrönung begonnen. Heinrich küsste dabei in großer Öffentlichkeit vor der Peterskirche die Füße des geistlichen Herrschers. Dann rebellierten die Bischöfe, die Krönung musste abgebrochen werden, auch in der Stadt kam es zum Aufruhr, da erst, nachdem der Papst nicht mehr zu seinem Wort stehen wollte, ließ ihn der König in Haft nehmen. Mit 30.000 wohlgewappneten deutschen Rittern und Mannen war er über den Großen Sankt Bernhard nach Italien hineinmarschiert, hatte Rom eingenommen und seine Forderungen gestellt. Damit war er in die Fußstapfen seines Ketzervaters Heinrich IV. getreten, welcher im Jahre 1084 das Gleiche getan hatte, nämlich Papst Gregor VII. anzugreifen. Dieser hatte den König mit dem Bann belegt, dessen Untergang bis zum 1. August 1080 vorhergesagt, gleichzeitig die Gläubigen zu dessen Vertreibung aufgefordert. Deshalb zog Heinrich IV. 1081 vor die Mauern Roms und im folgenden Jahr noch einmal, bis es ihm 1084 endlich gelang, in die Stadt einzudringen, den Papst abzusetzen, um sich von dem neuen Clemens III. zum Kaiser krönen zu lassen.

Nun wieder, nach Heinrich V. Übergriff, hasteten die mön­chi­schen Parteigänger und die Legaten des rö­mischen Oberpriesters - der doch nach ihrer Auf­fas­sung Herr aller Kö­nige und Kaiser sein sollte - durch die Gaue des Reiches, ver­breite­ten schlimme Kunde, hetzten und wühlten für Heinrichs Entmachtung. A. v. Hofmann (S. 311): „Es wird wohl kaum einen vorurteilsfreien Deutschen geben, dem es nicht im Stillen Freude macht, wie im Jahre 1111 der deutsche König vor dem Papst gestanden hat; aber ein großer dauernder Erfolg konnte auf diese Weise nicht errungen werden. Schon die Lateransynode im Jahre 1112 hat das Investiturprivileg des Vorjahres für ungültig erklärt und es konnte nicht ausbleiben, dass die Kurie auch mit allen Mitteln in Deutschland an die Arbeit ging, um die Folgen des Gewaltakts vom Februar 1111 ungeschehen zu machen.“ Ganz selbstverständlich tobten auch alle die päpstlichen Trabanten, besonders in Südfrankreich, im hassvollen antideutschkaiserlichen Cluny, in Burgund, wo der heißblütige Erzbischof von Vienne sich schon selbst herausgenommen hatte, den deutschen König zu bannen, aus tiefster Empörung über die der Kirche angetane Schmach.

Einer der unermüdlichsten Hetzer gegen Heinrich V. und die Interessen des Reichs, war der fanatische Gregorianer Kardinalbischof Kuno von Praeneste (um 1050-1122). Als päpstlicher Legat in Frankreich und Deutschland, als Berater des französischen Königs Ludwig VI. und Vertrauter der Päpste Paschalis II., Gelasius II. und Kalixt II., betrieb er seine unheilvollen prorömischen, antideutschen Aktivitäten. Gustav Schoene erklärt: „Wenn wir sehen, wie K. um diese Zeit und weiterhin in Frankreich und Deutschland schaltete, Synoden berief, Bischöfe mit Zensuren belegte, sie suspendierte, bannte, absetzte, Rechts- und Glaubensstreitigkeiten vor sein Forum zog und entschied, so begreifen wir, dass damals Stimmen laut wurden, welche die Anmaßung solcher Legaten als Verfall der Kirchenzucht beklagten und denselben zuriefen, sie würfen sich zu zweiten Päpsten auf.“ Sofort nach den Geschehnissen in Rom, ohne dazu ermächtigt zu sein, lediglich kraft seiner Eigenschaft als Legat, berief er - damals von Jerusalem aus - eine Synode und verhängte den Bann über Kaiser Heinrich als „kirchenschänderischen Tyrannen“. Es blieb das unverrückte Ziel dieser Partei, die Kurie zum vollen Bruch mit dem Kaisertum zu treiben, ein Ziel, das besonders von Frankreich aus durch Erzbischof Guido von Vienne und dessen Anhänger eifrig betrieben wurde. Kuno verkündete am 6.12.1114 zu Beauvais, am 28.03.1115 zu Reims und noch öfter an anderen Orten Bann und Absetzung gegen Heinrich und seine Anhänger. Damit machte er sich zur Seele der Bestrebungen, im Geiste Papst Gregors VII., den alten Bund zwischen deutschem König- und dem Papsttum zu zerschlagen. Zahlreiche Kirchenfürsten des Reiches fielen nun von Heinrich V. ab, zuerst Erzbischof Konrad von Salzburg und Bischof Reinhard von Halberstadt. Auch der Kanzler und Erzbischof von Mainz, Adalbert von Saarbrücken, brach 1112 mit dem Kaiser. Heinrich setzte sofort den abtrünnigen Fürsten auf der Reichsburg Trifels gefangen. Der Kölner Erzbischof fiel im Frühjahr 1114 vom Kaiser ab. Als dieser im gleichen Jahr einen Zug gegen die aufständischen Friesen plante, erhoben sich die päpstlich gesinnten Kölner und vereiteln dadurch eine Reichskonsolidierung im niederdeutschen Nordwesten. Wenig später schon hatten die antisalischen Kräfte ihr Traumziel erreicht, eine Für­stenkoalition, angeführt von dem sächsischen Grafen Lothar von Supplinburg, bekriegte den Kaiser -; zu den unverhüllten Unterstützern gehörten die antikaiserlichen Erzbischöfe von Köln und Mainz. Nachdem der Mainzer Bürgeraufstand die Freilassung des Letztgenannten aus der Trifelshaft erzwungen hatte, exkommunizierte dieser seinen Kaiser an Weihnachten 1115 auf einer Synode in Köln, während Heinrich im Kreise von nur wenigen Getreuen das Fest in Speyer beging. Welcher Seite sich der ungetreue Adalbert dauerhaft zugehörig fühlte, zeigt seine weitere Karriere, 1117 erhielt er das Amtsabzeichen des Papstes, das Pallium, 1119 wurde er zum päpstlichen Botschafter (Legat) für Deutschland ernannt. Das Glück von Heinrich V. schien mit der Niederlage in der Schlacht vom Welfes­holz bei Hettstedt am 11.02.1115 endgültig gebrochen. Danach fiel auch wirklich seine Stellung im ostsächsischen Raum zusammen, ohne sich davon wieder erholen zu können. Sein früher Tod beendete die bisherige Reichsentwicklung. Die nächsten beiden deutschen Herrscher sind, wie man so sagt, „Pfaffenkö­nige“ gewesen. Die Päpstlichen bzw. die Gregorianer haben dem Reich der Deutschen auf Dauer großen Schaden zugefügt, sie sind mitschuld an seiner territorialen Zersplitterung.

Die einstige hohe Be­deu­­tung der Externstein-Felsengruppe musste im damaligen Sachsen noch un­eingeschränkt bekannt gewe­sen sein. So liegen Sinn und Zweck des Externstein-Reliefs klar auf der Hand: Nach dem Sieg am Welfes­holz 1115 ist im Auftrag der Benediktinermönche von Corvey und Abdinghof dieses Triumphbild für die „in­ne­re Mis­sion“ in Sachsen ganz bewusst und willentlich am altgläubig-säch­si­schen Zen­tral­heiligtum (neben dem Tiuberg-Marsberg bei der Eresburg) ange­bracht wor­den. Es muss für das Wirken der Mönche mit ihrem weitreichenden Einfluss auf die politische Kultur Sachsens ein ungeheurer Triumph gewesen sein, dass es ein sächsischer Aufstand war, welcher die Speer­spitze Heinrichs V., näm­lich dessen Feldhauptmann Hoyer I. Graf von Mansfeld am Welfes­holz bei Gerbstedt am Ostharzsaum, zerbrach. Der Feldhauptmann verlor hier Schlacht und Leben - im Zweikampf gegen Markgraf Wiprecht III. von Groitzsch (um 1050-1124) - im gleichen Monat, vier Jahre nachdem sein Herr mit „ruchloser Hand“ nach dem Papst, dem „Stellvertreter Gottes“ auf Er­den, gegriffen hatte. Auch der Askanier Otto von Ballenstedt (1070-1123), Herzog von Sachsen (Vater von Albrecht I., dem Bären) beteiligte sich am sächsischen Aufstand. Auf seinem Weg zur Schlacht hörte er vom Einfall ostelbischer Scharen, kehrte um, bereitete denen am 09.02. eine vernichtende Niederlage und eilte dann wohl zur Schlacht gegen den Kaiser. Seine Verbundenheit mit den Benediktinern erweist sich aus dem Umstand, dass er kurz vor seinem Tod das Ballenstedter Kollegiatstift „St. Pancratius und Abundus“ in ein Benediktinerkloster umwandelte, wo er auch als Mönch verstarb. Auch für einen anderen damaligen Kaisergegner ist engste Verbundenheit mit Kloster Corvey nachweisbar. Friedrich von Arnsberg, „der Streitbare“ (1075-1124) war Regent der Grafschaft Arnsberg-Werl. Er hatte 1112 das Hoflager in Münster aufgesucht und dort dem Kaiser seine Gefolgschaft geschworen. Trotzdem schloss er sich der Empörung des Sachsenherzogs Lothar III. von Supplinburg (1075-1125) an. Im Zuge der gemeinsamen Unternehmungen gegen den Kaiser befreundete sich Friedrich derart eng mit Abt Erkenbert, dass er sich sogar in die Corveyer Gebetsbruderschaft aufnehmen ließ. Erkenbert bat seinen Freund im wirren Kriegsjahr 1115 für ihn eine private Schmutzarbeit zu verrichten, nämlich die unbotmäßig gewordene Reichsfeste Obermarsberg bestrafend anzugreifen, die Bürger des altheiligen Irminsul-Standortes. Ich gehe darauf später näher ein. Der Sohn Kaiser Karls, Ludwig der Fromme, hatte sie dem Reichs-Missionskloster Corvey überantwortet, doch die Einwohner der dazugehörenden Gemeinden wollten die Klosterherrschaft abschütteln und hatten sich dagegen erhoben. Friedrich der Streitbare führte den Wunsch Erkenberts aus, er zerstörte die Befestigungen in Obermarsberg, und schaltete dabei auch vorsorglich ein Bollwerk in seinem eigenen Grenzgebiet aus. Erkenbert schien auf ganzer Linie zu triumphieren. Dieser herrliche sächsische Sieg, diesmal - nach Meinung der Mönche - auf richtiger Seite errungen, sollte unvergessen bleiben, als belehrende, warnenden Mah­nung für kommende Geschlechter. Die dreizüngige Siegesfahne im Relief, dem Siegeszeichen auch der Sachsen-Herzöge (z.B. Albrecht I. von Brandenburg, der Bär / 1100-1170 - Heinrich I. + II., Fürst von Anhalt, 1170-1252 - Schwerin-Siegel, Heinrich der Löwe, 1298 - Pfalzgraf Rudolf I. von Tübingen, 1160-1219 - Dietrich, der Bedrängte, Markgraf von Meißen, 1162-1221 - Wizlaw I., dän. Vasall, Fürst von Rügen, 1180-1250), unterstreicht diese Bildaus­sage (siehe Abb. 1). Dass es sich dabei um mehr als um ein innenpolitisches Reichsgezänk gehandelt hat, nämlich die Dimension eines Weltanschauungskampfes angenommen hatte, und wie groß der Hass auf den ränkevollen, gefährlichen sog. Ketzerkönig tatsächlich gewesen ist, ersieht man aus dem Vorgehen des sächsischen Bischofs Reinhard von Halberstadt, der Heinrichs gefallenen Kriegern nach der Welfesholzschlacht ein christliches Begräbnis verweigerte, damit ihre Seelen auf ewig verdammt blieben.

Be­stäti­gung für diesen Zeitraum der Reliefherstellung erhalten wir auch durch die Weihe-Inschrift in der Grotte des 1. Felsens, wel­che die Jahreszahl 1115 beinhaltet. Dabei ist es nun völlig unwichtig, ob die Anbringung der Inschrift aus gleicher Zeit stammt - was bestrit­ten wurde - oder ob sie ein über die Zusam­men­hänge noch unterrichteter Mönch in späte­ren Jahrhunder­ten dort eingrub als einen un­miss­ver­ständlichen Hinweis für Wis­sende und Suchende. Aus der nur schlecht lesbaren Inschrift scheint mit etwas Kombinationsgabe hervorzugehen, dass der Paderborner Bischof Heinrich II. von Werl (1050-1127) „am vierten Tag vor dem 1. September“ 1115 hier eine Kapelle einweihte. Welcher andere Grund könnte vorgelegen haben, als die fromme Dankbarkeit für den „sächsischen“ Sieg gegen den „heidnischen“ Herrn des Reiches, ein halbes Jahr zuvor ?!

Zu diesem Zeitpunkt wird man den außerordentlichen äußeren Schmuck der Kapellenwand durch ein grandioses Reliefbild geplant haben. W.E. Giefers schreibt dazu 1854 auf Seite 16: „So legten denn auch die Benediktiner von Abdinghof unter dem merkwürdigsten Felsen der Heimat eine Heilgrabkapelle an, die dem heil. Kreuze im Jahre 1115, also kurz nach Beginn der Kreuzzüge, geweihte ward, und haueten an der Außenseite desselben die Abnahme Christi vom Kreuze aus der lebendigen Felswand heraus, ein Denkmal der Sculptur, das seiner Größe und der darin herrschenden dramatisch bewegten Handlung wegen für eine Zeit, wo Bildhauerkunst selbst über das Gebiet statuarischer, mehr monumentaler Leistungen nicht hinausging, als einzig in seiner Art dasteht.“ Zu anderem Schluss kommt auch J. Mundhenk nicht, der als Resümee seiner Datierungsstudien schreibt (Seite 42): „Soweit die Äußerungen der bedeutendsten Repräsentanten der Kunstgeschichte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wir dürfen uns eine ähnlich ausführliche Kommentierung der Kunstgeschichtler aus der zweiten Hälfte des 19. und der ersten des 20. Jahrhunderts ersparen, da die Datierung des Reliefs auf die Zeit um 1115 keine Korrektur mehr erfährt.“ Der Kunsthistorikers Rolf G. Fritz gab eine Expertise zum Externsteinrelief in „Deutsche Kunst“, 1926, ab, unter dem Titel „Das Relief der Kreuzabnahme an den Externsteinen - um 1115“. Sie lautet auszugsweise: „In der Tat ist das Relief an den Externsteinen in vielfacher Beziehung eine außerordentliche und bewundernswerte künstlerische Leistung. Denn dieses Bildwerk ist ohne Beispiel in der europäischen Plastik seiner Zeit. Nach unserer heutigen Kenntnis der Denkmäler scheint es in Deutschland bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts eine monumentale Steinplastik nicht gegeben zu haben. Um das Jahr 1115 beginnt die Reihe der deutschen Steinbildwerke urplötzlich mit einem so gewaltigen Auftakt, wie ihn das Relief der Kreuzabnahme an den Externsteinen darstellt. Die Frage, woher dem deutschen Bildhauer die Kraft zu solcher Leistung gekommen sei, gibt immer neue Rätsel auf….“

Dass es kein deutscher oder lombardischer Meister gewesen sein kann, führte ich aus. Eine wichtige Bestätigung für diesen Zeitansatz lese ich auch aus der Nichterwähnung des Externstein-Großreliefs in der „Schedula diversarum artium“, dem kunsthandwerklichen Lehrbuch, als dessen Verfasser ein Theophilus Presbyter verantwortlich zeichnete, hinter welchem aber der Benediktinermönch Rogerus von Helmarshausen vermutet wurde. In seiner Schrift werden in einer umfassenden enzyklopädischen Sicht des Wissens alle Facetten der verschiedenen Kunsthandwerkstechniken des Mittelalters ausführlich dargestellt. Sie muss ca. zwischen 1100 und 1120 entstanden sein. Wäre das Externsteín-Kreuzabnahme-Relief nicht gerade erst in dieser Spanne entstanden, wäre es etwa in lange zurückliegender karolingischer Zeit geschaffen worden, hätte es der Autor unter einer Besprechung von Felsengroßreliefs in irgendeiner Art und Weise erwähnen müssen. Das geschah nicht, weil das Relief zu seiner eigenen Spätzeit erst realisiert wurde und zwar unter politisch heiklen Aspekten.

Wir erfuhren es bereits, unmittelbar eingebunden in die Geschehnisse am Externstein sind die Benediktiner-Abtei Abdinghof bei Paderborn, die nach einer auf das Jahr 1093 datierten Urkunde sich als Besitzer der Externsteine auswies, und das Benediktiner-Kloster Corvey bei Höxter. Die genannten drei Stätten liegen in einem Dreieck damals bereits sehr guter Straßenverbindungen. Paderborn ist von Höxter nur um 40 km entfernt, die Externsteine von Paderborn um 20 km und von der Weserabtei Höxter um 30 km (Luftlinien !). Als Planer, Initiator und Auftraggeber bzw. Hauptakteur für das Relief kommt kein anderer in Frage als der Corveyer Abt Er­kenbert von Homberg (Amtszeit 1107-1128), denn allein bei ihm treffen persönliche Motivation und Ver­mögen mit dem pas­senden historischen Hintergrund zusammen. Seinen ersten Anstoß dazu wird er vom einflussreichen Koordinator, dem Gregorianer Kardinalbischof Kuno von Praeneste (um 1050-1122) erhalten haben. Der Antrieb Erkenberts für diese Tat war groß und brennend. Er war der Nach­folger des un­versöhnlichen Kaisergegners und päpstlichen Parteigängers, des Abtes Markward, der in seiner Amtszeit 88 neue Frater in Cor­vey aufnahm. Wir dürfen davon ausgehen, dass das Kloster ein Hort der antisalischen Par­tei war. Fachautor H.H. Kaminsky schreibt (S. 260): „In den wirren Zeiten der Sachsenkriege und des Investiturstreites, als die alte Ordnung zer­brach, ent­wickelte sich Corvey zur Machtbasis der antisalischen Kräfte, kon­zentriert in der Person des Ab­tes Markward, der bis zu seinem Tode die Fahne der Gregoria­ner hochhielt.“ Kaiser Heinrich V., welcher von eben diesen gregori­anischen Kräften mit in die Macht geho­ben worden war, änderte sehr bald, zum Ver­druss der Kirchli­chen, die Richtlinien seiner Politik und betrieb die glei­chen antipäpstlichen Bestrebungen, zur Abwehr überzogener Zumutungen seitens der Kurie, die sein Vater verfolgen musste. Abt Er­kenbert wurde gar gezwungen, diesem seinem König Heerfolge zu leisten. Noch im Jahre 1107 war das Verhältnis zwischen Heinrich V. und Corvey so sachlich nüchtern, wie die reichsunmittelbaren Klosterleute mit ihrem Herrscher umzugehen hatten. Der König verweilte dort und stellte dem Kloster ein Diplom aus. Dem Heeraufgebot 1107/1108 gegen die „heidnischen Slawen und Ungarn“ hat sich Abt Erkenbert angeschlossen, laut Corveyer Annalen. Schon unter den Ottonen im 10. Jahrhundert hatte die Abtei Corvey ein Kriegsaufgebot von ca. 50 Panzereitern dem Reichsheer zu stellen. Der Abt, als Führer seines Kontingents, begleitete den König beim Feldzug nach Ungarn 1108 und ging mit ihm im August 1110 nach Italien, wo sein oberster Kriegsherr den Papst ge­fan­gen setzen ließ. Es blieb ihm - umgeben von weltlichen Kai­servasallen - nichts an­de­res übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu zeigen. Innerlich aber stand der Corveyer Mönch seitdem bedingungslos auf Seiten seines geistli­chen Herrn, des Papstes. Un­schwer ist die seeli­sche Situa­tion des frommen Mannes zu erfas­sen: Gefühle erlittener Demüti­gung, von Schuld und Hass sowie Ver­gel­tungs­pläne muss er auf seinem Rückweg nach Corvey getra­gen haben. Schon ein Jahr später hatte die Intrigen­politik der Päpstlichen, unmittelbar ausgelöst durch das Eingreifen Hein­richs V. in sächsi­sche An­gele­genheiten, eine Ver­schwörung der Sach­senfür­sten zur Folge -, und Februar 1115 kam es zu der bedeutsa­men Niederlage am Welfesholz im Südharzgebiet zwischen Saale und Wip­per. Zeitgenössische Chronisten bezeichneten das Zusammentreffen von Sachsen und kaiserlichen Rittern als „proelium famosissimum illud nostrae aetate“ („das größte Treffen unseres Zeitalters“). Wie schon erwähnt, ging die Schlacht für die Kaiserlichen verloren, Heinrich V. musste Sachsen verlassen. Natürlich focht der krieg­stüchtige Abt auf Seiten der Kaisergegner mit, zumindest war er im Schlachtfeldbereich anwesend. Abt Erkenbert von Corvey wurde um den oder am 25.03.1115 von einem „quidam ... scelestus Burchardus“ gefangen genommen und musste 200 Mark Lösegeld zahlen, bevor er auf freien Fuß gesetzt wurde, wie es die Corveyer Annalen ausweisen. Sein Häscher Burkhard, ein kaiserlicher Parteigänger, hatte einen dicken Fisch an der Angel und machte mit dem Corvey-Abt ein gutes Geschäft. Auf Seiten des Kaisers kann er nie und nimmer gefochten haben, sonst hätte Papstlegat Kuno nicht so einvernehmlich mit ihm verkehrt. Am 11. Juni, so ersehen wir aus einer Urkunde, legte Erkenbert neue Markt­­geldre­gelungen fest, sicher um die finanziellen Mittel seiner Abtei - welche durch seinen Frei­kauf stark beansprucht worden waren - wieder aufzubes­sern. Die enge Verbindung von Kloster Corvey und der Propstei Marsberg (dem altgläubigen Irminsul-Standort) sind seit karolingischen Zeiten bekannt, die Marsberger Pröpste waren Vollmitglieder im Corveyer Konvent. Ausgerechnet 1115 empörten sich die - offenbar kaisertreuen - Bewohner von Obermarsberg gegen die Mönche, so dass der aggressive Abt Erkenbert von Homburg den Arnsberger Grafen Friedrich I. bat, die Siedlung anzugreifen und ihre Befestigungen zu zerstören. Während sich Kaiser Heinrich V., diesmal ohne Heer, un­terwegs auf dem Weg nach Italien befand, traf sich der Abt am 29. September 1116 auf der Für­sten-Ta­gung zu Frankfurt mit anderen Kaisergeg­nern, reiste von dort nach Mainz, wo ein anti­kaiserli­cher Bischof für das Bistum Verden er­hoben wurde, beteiligte sich dann an der Bela­gerung der kaisertreuen Abtei Limburg und kehrte schließlich, von Mainzer Bürgern, die ihn wohl als Kaiserfreund vermuteten, in die Flucht geschla­gen, nach Cor­vey zu­rück. In seinen Privatangelegenheiten nicht gerade glor­reich en­dete dieses Jahr für den Herrn der Weserab­tei. Um wie­viel mehr musste er die Bedeutung des Sieges am Welfes­holz vom Vor­jahre überhö­hen, den er - zumindest durch Intrigentätigkeit und Koordinationsanstregungen- selbst miter­stritten hatte.

Die rührigen Kaisergegner witterten Morgenluft, keine vollen dreieinhalb Jahre nach der Schlacht am Welfesholz (11.02.1115) rief der päpstliche Botschafter Kuno von Praeneste zur Versammlung deutscher Bischöfe am 28.07.1118 ins nordhessische Fritzlar, um den päpstlichen Bann gegen Kaiser Heinrich V. zu bekräftigen. Der inzwischen verstorbene Papst Paschalis II. hatte Heinrich mit dem Bann belegt, die Fritzlar-Synode bestätigte und verkündete den Bann des neuen Papstes Gelasius II. gegen den deutschen Kaiser. Fritzlar liegt nur um 80 Kilometer südlich vom Externstein. Auf dieser Synode wurde der Franke und Fürstbischof Otto von Bamberg (1060-1139) seines Amtes enthoben, weil er als Reichskanzler von Heinrich V., im Streit gegen Rom, treu geblieben war. Wer war dieser Kuno, der bischöfliche Kardinallegat und scharfe Kaiser-Gegner ? Er fungierte als Vertrauter von drei Päpsten (Paschalis II., Gelasius II., Kalixt II.), von 1114 bis 1121 als Papstgesandter in Frankreich und Deutschland, als entschiedener Gregorianer (die meinten, der Papst stünde über dem Kaiser und müsse neben der geistlichen ebenso die säkulare Weltherrschaft ausüben) war er grundsätzlicher Feind der deutschen Kaisermacht und gleichzeitig einflussreichster Berater des französischen Königs Ludwig VI. (1108-1137). Das kennzeichnet ihn zur Genüge. Im gleichen Jahr, Juni 1118, hatte Kuno die Dreistigkeit, sogar eine Synode ins Marienkloster vom Gandersheim, im niedersächsischen Harzgebiet, einzuberufen, obwohl dort Agnes (1090-1125) Äbtissin war, eine Enkelin von Kaiser Heinrich IV. (ihre Mutter war Schwester Heinrichs IV.) und Vetterin/Base Heinrichs V., die sehr wohl die antipäpstliche Politik ihres Verwandten unterstützte, weswegen sie auch schon im folgenden Jahr, beim Konzil von Reims, am 03.10.1119 gebannt wurde. Gandersheim liegt nur um 80 Kilometer östlich der Externsteine. Mit diesen beiden antikaiserlichen Kirchenversammlungen im nordhessischen und sächsischen Raum machten nach der Welfesholz-Schlacht der Papst-Agent Kuno, im Verein mit den Benediktinern, ihren weitergehenden Kampf gegen kaiserliche Ansprüche und den aus ihrer Sicht geglückten Niedergang des kaiserlichen Einflusses offenkundig.

Um den innenpolitischen Zustand des Reiches - was die energischen Gegenkräfte anbelangt - in ganzer Bedeutung zu verstehen, muss die mit vielen Vollmachten gerüstete, weltgewandte, böswilligste Hauptpersonen einer genaueren Beobachtung unterzogen werden. Besonders gern und häufig wurden Franzosen ins römische Kardinalskollegium berufen und als Legaten verwendet, schon wegen ihrer antideutsch-kaiserlichen Haltung. Ob Kuno (Conon) von Praeneste wirklich ein Deutscher bzw. Schwabe, „Graf von Urach“, gewesen sei, blieb fraglich. Wahrscheinlich war er ein Franke und es liegt eine Verwechslung mit einem späteren Legaten Kuno von Urach vor, der 1227 verstarb. Noch im Jahre 1106 unterschreibt er mit „Cono de Aridagamantia“ (siehe Gustav Schöne, „Kardinallegat Kuno, Bischof von Praeneste“, 1857, S. 2ff). Er ordnete für den Papst Kosterprobleme im nordwestfränkischen Arroasia (Arras). Kuno wurde auch Legat für das „Heilige Land“. Paschalis schickte ihn nach Syrien und Palästina zu König Balduin I., wo er Ende 1108, Anfang 1109 angekommen sein muss und erst 1111 nach Europa zurückkehrte. König Heinrich war am 12.02.1111 in Rom eigezogen, um die Kaiserkrone zu erwerben. Im sich zwischen Römern und Deutschen entspinnenden Streit wurde der Papst, mitsamt seinen Kardinälen, gefangen genommen und weggeführt. Wie bereits erwähnt, hörte davon Kuno in Jerusalem, wie er auf dem Lateran-Konzil 1116 jammervoll zu berichten wusste. Mit Seufzen habe er vernommen, wie die Deutschen „die Glieder der Kirche, die Kardinäle, ihrer Gewänder beraubt, fortgeschleppt und übel behandelt, wie vornehme Römer gefangen und hingeschlachtet, und unter dem Volke ein Blutbad angerichtet worden sei.“ (S. 14) Noch in Jerusalem habe er ein Konzil einberufen und „König Heinrich als einen gottlosen, grausamen, kirchenschänderischen Tyrannen mit dem Bannfluch belegt.“ Dementsprechend schreibt der italienische Kirchenhistoriker Ferdi Ughelli (1595-1670): „Kuno durchbohrte den vertragsbrüchigen Heinrich mit dem Speer des Glaubens“. Jedenfalls trat er verstärkt an die Spitze der starren und hassvollen Partei der Gregorianer, wie Gustav Schöne schreibt: „in seiner hartköpfigen und unbeugsamen Energie einem Mauerbrecher vergleichbar“. Aus Palästina brachte Kuno Reliquien seiner Klosterstiftung in Arras, die er am 07.05.1112 überbrachte. (S. 19) Im Jahre 1114 ist er Papstlegat in Frankreich. Auf dem nordfranzösischen Konzil von Beauvais, am 06.12.1114, sprach Kuno die Exkommunikation über Kaiser Heinrich V. aus. Von dort ging Kuno nach Soissons wo er am 06.01.1115 eine Unterredung mit Franzosenkönig Ludwig hatte. 28.03.1115, auf der Synode zu Reims, wiederholte Kuno stur und starr die Bannung Kaiser Heinrichs mit allen seinen Gefolgsleuten, ebenso in Köln am zweiten Osterfeiertag, dem 19.04.1115. Mit diesen Aktionen erhielt der Kampf der kirchlichen Königsgegner seine grausame Schärfe, um den fanatischen Hass in ganz Deutschland anzufachen. Ein Riss ging durch die deutschen Gaue: Für oder gegen das Reichsoberhaupt ? In solchen klerikalen Machtrausch wurden viele Päpstliche, Glaubensfanatiker, Wankelmütige und Reichsfeinde mit hineingezogen, und nicht wenige königstreue Städte und Burgen sind mit Gewalt zerstört worden. Brand, Verwüstung und Mord waren die Folge von Kunos Hass und Hetze. Er habe Heinrich in Griechenland, Ungarn, Sachsen, Lothringen, Frankreich, auf fünf Konzilen gebannt, verkündete er stolz auf der Lateran-Versammlung in 1116. Im Brief Kunos an Erzbischof Friedrich von Köln argumentiert er für seine angemaßte Bevollmächtigung, den deutschen Kaiser zu exkommunizieren, er hätte gehört, Friedrich wolle „mit dem König in Eintracht leben“, was er gar nicht glauben möge und rät dem Kirchenmann er solle nicht auf „falsche Brüder hören“. Ende 1116 ging Kuno nach Rom und Praeneste zurück. Auf der Lateran-Versammlung bestätige der sich windende, wortbrüchige Papst Paschalis, nach Kunos Aufforderung, dass alle dessen Bannflüche und Exkommunizierungen im Namen Paschalis geschehen wären. In einem Brief Kunos an den unwilligen, zaudernden Theoger, dessen Bestellung als Bischof von Metz er eindringlich erwünscht, schreibt er in einer Passage: „Stelle Dich als eine Mauer vor das Heiligtum Israels und die Kirche Christi, die zwischen den wütenden Verfolgungen ihrer Feinde hin und her geworfen wird, wie ein Schiff zwischen rasenden Wogen …“. Schließlich begab sich Kuno nach dem sächsischen Corvey, wo er am 06.07.1118 eine Versammlung von kaiserfeindlichen Geistlichen leitete. Ganz natürlich hat er sich dort mit dem anwesenden Corveyer Abt Er­kenbert von Homberg besprochen. Wer nicht teilnehmen wollte wurde, wie gewöhnlich bei Kuno, exkommuniziert. Was hier im Juli unter anderen Planungen beratschlagt wurde, war, den Indizien entsprechend, die Erschaffung des Kreuzabnahme-Reliefs im altheiligen Externstein. Die nötigen Fachkräfte wird Kuno aus seinem Syrien-Aufenthalt mitgebracht haben. Dann folgte das Konzil von Fritzlar 28.07.1118, wo der Besessene die Unverfrorenheit beging, wie er es schon vorher in Frankreich getan hatte, den deutschen König und Kaiser jetzt auf deutschem Reichsboden zu exkommunizieren. Petrus Abaelard (1079-1142), war ein hochgelehrter französischer Philosoph, Theologe, Aufklärer und Mahner zur Vernunft, dessen Liebesaffäre mit seiner Schülerin Heloisa ihn so menschlich sympathisch erscheinen lässt. Er beschreibt den in die Jahre gekommenen Kuno als einen unwissenden, verdummten, wohlgenährten, rotnasigen Prälaten, der für andere Leute den Popanz abgeben habe.

In Sachsen war die Stellung des Kaisers dau­erhaft verloren, er war exkommuniziert und es war anzunehmen, dass er ausgespielt haben würde. Nicht viel zu sagen hatte die Zusage den Abgesandten Heinrichs gegenüber, unter ihnen Herzog Welf von Bayern, die in Corvey erschienen, dass die Aufständischen auf einer Reichsversammlung in Mainz am 01.11.1115 mit dem Kaiser in Verhandlungen eintreten würden. Im Jahre 1117 machte sich Erkenbert auf Pilgerfahrt nach Jerusalem, dem Kreuzfahrer-Königreich von Balduin I. von Boulogne (1058-1118), wie es die „Annales Hildesheimenses“ und die „Annales Patherbrunnenses“ ausweisen (Kaminsky, S. 123). Balduin hatte ihm schon im Jahre 1108 „Reli­quien vom Kreuz und Grab Christi“ zugeschickt, nachdem durch Räuberhand ein Kreuzreliquiar in Corvey abhandengekommen war. In Corvey zeigte man 21 Heiltümer bzw. Reliquiare, wie Tumben, Schreine, Kreuze, Monstranzen, einige enthielten Überreste oder den ganzen Körper eines „Heiligen“. Die Rituale schrieben vor, alle Heiltumsweisungen für das Publikum mit einer „Herrenreliquie“ zu eröffnen, weil „alle Heiligkeit aus dem Leiden Christi entspringe“. Es gab Reliquien vom Kreuz, Kreuznagel, Windeln Christi, Kleid der Gottesmutter, Stab Aarons, Leichnam des hl. Vitus und etliche weitere „Heilige“, die bei Prozessionen herumgetragen wurden. (Hedwig Röckelein, „Der Corveyer Heiligenkult des Mittelalters …“, S. 87, in „Heilige - Liturgie - Raum“, 2010) Das „Kreuzesleiden Christi“ stand den Corveyern im Zentrum ihres missionarischen Denkens -, deshalb auch das Kreuzabnahmebild an ihrem Externstein !

Helmut Lahrkamp schrieb in „Mittelalterliche Jerusalemfahrten und Orientreisen westfälischer Pilger und Kreuzritter“, S. 273: „Im Jahre 1117 pilgerte dann der Abt Erkenbert von Corvey mit vielen Sachsen zu den heiligen Stätten, wie die ,Annales Hildesheimenses‘ berichten. Wahrscheinlich schloss er sich der Fahrt der Kölner Waller an, die am 15. Mai 1117 abreisten. Röhricht hat vermutet, dass die Reise vielleicht infolge der furchtbaren Naturerscheinungen und Erdbeben unternommen wurde, die 1117 Europa in Schrecken versetzten.“

Was trieb den Corvey-Abt in dieser heiklen Phase des Reiches ins Morgenland ? Wollte er Werkmeister für sein Triumpf-Relief anheuern, nach den diesbezüglich würdigsten Vorbildern forschen, oder neue Reliquien beschaffen ? Jedenfalls reiste er. In der syrischen Stadt Antiochia hielt er sich et­was länger auf, das ist belegt. Hier könnte er einen Bild­hauer mit Gesellen angeworben und für das geplante Großrelief am Externstein dienst­verpflichtet ha­ben. In dieser Metropole waren sol­che erfahrenen Fachkräfte sehr wohl zu finden, welche damals in Sachsen nicht vorhanden sein konnten. Das Naturfelsen-Großrelief basierte in Vorderasien - was im Abendland völlig fehlte - auf einer sehr alten Tradi­tion. Ein orientalischer christlicher Meister muss als Schöpfer vermutet werden. Was den Initiator des Externstein-Reliefs bewogen hat, ausgerechnet dieses Thema der Kreuzabnahme zu wählen, wissen wir. Es erschien den Benediktinern von Corvey als ihr Heils-Konzept schlechthin. Es ist unter allen biblischen Motiven eins der seltensten und spä­testen. Selbst das Hauptthema der Kreuzigung ist nicht vor dem 5. Jahrhundert nachgewiesen. Zögernd folgte vom 9. Jahrhundert an die Grablegung mit den beiden Gestalten des Nikodemus und des Joseph von Arimathia, aber noch ohne Maria und Johannes. Sicherlich kannte Erken­bert Kreuzabnahmebilder aus der Kleinkunst, aber könnten sie den Ausschlag bei seiner Wahl gegeben haben ? Ein Kreuzgang-Kapitell der nordspanischen Benediktiner-Abtei „Santo Domingo de Silos“ zeigt ebenso ein Kreuzabnahme-Steinmetzbild. Da es bereits aus der Abtszeit des Dominikus von Silos (1005-1073) zu stammen scheint, könnte es Erkenbert - oder einer seiner Brüder - kennengelernt haben. Pedro de Palol datiert die Entstehungszeit (Bild 88) auf „um 1085/1100“. Zufällig wissen wir jedoch, dass Erkenbert, als Jerusalempilger, das Großbild einer Kreuzabnahme gesehen haben muss. Der russische Abt Daniel, der diese Stadt auf seiner Pilgerfahrt kurz zuvor in den Jahren 1113-1115 besuchte, berichtete von einem dortigen Kreuzabnahmemosaik, das sich zwischen Mosaiken der Kreuzigung und der Höllenfahrt befunden habe und so um die Mitte bis Ende des 10. Jahrhunderts gefertigt worden sein muss. Die sich aufdrängende Frage noch einmal: Warum reiste der Abt trotz hochgespannter innenpoliti­scher Si­tua­tion des Reiches, bei der es auf die Wirk­kraft jedes gregorianischen Mitstrei­ters ankam, mit einer kaum fassbaren Schnelligkeit ins „Hei­lige Land“ und wieder zurück nach Hause ? Ein touri­stisches Vergnügen war dies keinesfalls. Er muss einen wichtigeren Zweck mit dieser Reise ver­folgt ha­ben, als dem König Balduin I. für des­sen Reliquiensen­dung ein Dankeschön zu sagen.

Bei einer Wall­fahrt zu den Gnadenstätten seines Glau­bens dürfte er sich aber der genüsslicheren Ru­he, einer ausgiebigen Beschau­lichkeit hin­gegeben haben. Die möglichst rasche Besorgung von Fachkräf­ten - oder neuen Weihereliquien - bie­­tet sich aber als eine der weni­gen einleuchtenden Erklärungen für diese Un­ternehmung an. Am 07.07.1118 war Er­ken­bert bereits wieder in seinem Weserkloster, wo führende Grego­ria­ner zusammentra­fen, um einem brisanten antikaiserlichen Akt beizuwoh­nen. Der nimmermüde Papstge­sandte Kar­dinallegat Kuno von Praeneste, weihte einen gregoriani­schen Gegenbischof für Metz. Anzu­nehmen ist also, dass mit der Herstellung des Externstein­reliefs im Sommer 1118 be­gon­nen wurde. Zu diesem Zeitpunkt vermochte kaum ein politisch Informierter glauben und kaum ein Gregorianer oder kirchenfrommer Christ mochte hoffen, dass Heinrichs Thron noch Bestand haben würde. Zu stark war die Koalition seiner Feinde. Während der Gespräche mit dem fanatischen Kuno, dem Papstlegaten auch für Palästina - zu Corvey und Fritzlar im Juli 1118 - dürften die letzten Einzelheiten des Großunternehmens besprochen worden sein. Ob Kuno die dafür nötigen Bauleute schon im Jahr 1111 aus Palästina nach Italien mitgebracht hatte, oder ob sie sich Erkenbert erst auf seiner Syrien-Reise beschaffen wollte, bleibt freilich ungewiss. Man war sich einig - welch eine gewaltig Werbe-Wirkung das Sieges-Relief am altheidnisch-sächsi­schen Haupt­heiligtum des Externsteins wird haben müssen. Um das richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass die aufständischen Ostsachsen gegen die salischen Kaiser, zwar mit den Mönchen der Gregorianer streckenweise gemeinsame Sache machten, doch nicht etwa weil sie papstgläubig gewesen wären, im Gegenteil, sie waren gegen die Heinriche IV. und V., der salischen Sippschaften aus dem deutsch-fränkischen Südwesten, weil deren Herrscht im niederdeutschen Raum ihnen wie eine Fremdherrschaft erschienen war. So wenig wie die Ostsachsen damals echte Christen waren, waren es die meisten Nord- und Ostvölker. Der kaisertreue Franke und Bischof von Bamberg, Otto I. von Mistelbach (1060-1139), den Kuno von Praeneste in Fritzlar 1118 aller seiner Ämter enthoben hatte, begann erst 1124-1125 und 1128 das heidnische Pommernland zu missionieren, er zerstörte die Tempel und machte sich den Namen „Apostel der Pommern“. Nur eine heilige Eiche der Stettiner Wenden ließ Otto unbeschädigt -, auf Bitten oder Drohen ? Das nach Osten blickende Kreuzesbild am Extenstein hatte für die Gregorianer seinen tiefen und weitblickenden Sinn.

Trotz seiner verheerenden Niederlagen in Norddeutschland und der Empörung der Mainzer Bürgerschaft gegen ihn, hatte sich Heinrich V., ohne seine Gewappneten, im Jahre 1116 nach Italien auf den Weg begeben, um seine Erbansprüche auf Ländereien der 1115 verstorbenen Mathilde von Tuszien (von Canossa) durchzusetzen. Geschickt und ränkevoll, den italienischen Städten gegenüber aber großzügig entgegenkommend, gelang es ihm tatsächlich, der Kurie etliche der erhofften Beutestücke aus der Erbschaft abzutrotzen. Man hatte in Italien Respekt vor der kaiserlichen Ritterschaft, die jederzeit wieder aufgeboten werden konnte, so erlebte der nervenstarke Mann sogar die Genugtuung, auf Ostern 1117, zusammen mit seiner jungen Gemahlin, in der Peterskirche feierlich nochmals gekrönt zu werden. Im darauffolgenden Jahr ist Heinrich wiederum in Rom, im Januar 1118 starb Papst Paschalis II., im Herbst kehrte Heinrich ins Reich zurück. A. v. Hofmann führt aus (S. 321): „Als Heinrich im Jahre 1118 nach Deutschland zurückkam, war das Land im vollen Bürgerkrieg, den die Kurie geschürt hatte. Man hielt große Synoden, auf denen der Legat des Papstes den Kaiser exkommunizierte; man plante einen Hoftag in Würzburg um den Kaiser abzusetzen. Sachsen unter seinem Herzog stand in unberührter Vollkraft da wie ein eigenes Land für sich. Überall hatte die Kurie die Hand im Spiel.“ Doch der Kaiser war schmiegsamer und hartnäckiger zugleich, also widerstandswilliger als es sich seine Feinde erhofft hatten. Am 24. Juni 1119 gelang ihm auf der Reichsversammlung zu Mainz ein Ausgleich mit mehreren seiner Gegner, so dass sich seine Posi­tion verbesserte und er neue Ver­handlungen mit dem Papst aufnehmen konnte. Ende des gleichen Jah­res gingen die Köl­ner Bürger ins Lager des Kaisers über. Das Weihnachtsfest beging er in Münster. Zu Jah­resbeginn zog er, wie es üblich war, auf dem alten Helweg über Corvey nach Goslar. Dort trat am 21. Januar 1120 ein Hoftag zusammen, währenddem der Kaiser erle­ben durfte, dass die meisten seiner weltlichen Gegner zu ihm übertraten. Der Cor­veyer Abt muss dabei gewesen sein, denn er war zur Hoffahrt verpflich­tet. Die Großen des Reiches legten Heinrich im „Würzburger Fürstenspruch“ von 1121 den dringenden Ausgleich mit dem Papst nahe. Diese wider Erwarten günstige Ent­wicklung für den tatkräftigen Kaiser war unvorhersehbar; der Ober­herr des Rei­ches, ein rüsti­ger ränkevoller Gegner, schien den intri­ganten, fanatischen gregoriani­schen Mön­chen tat­sächlich gewach­sen. Am 23.09.1122 schloss er das sog. Konkordat zu Worms - korrekt als „Pactum Calixtinum sive Heinricianum“ bezeichnet - wo ausgemacht wurde, dass der Kaiser auf die Investitur Verzicht leistet. Mit diesem Vertrag zwischen dem deutschen Kaiser und der Papstmacht, personifiziert durch Calix II., sollte der Investiturstreit beigelegt werden, durch eine Kompromisslösung, sehr zum Nachteil des deutschen Kaisertums. Erst nach diesem Vertragswerk wurde Heinrich V., ohne die förmlichen Demütigungen des Buß- und Unterwerfungsaktes, durch einen päpstlichen Legaten wieder in die „kirchliche Gemeinschaft“ aufgenommen. Doch Papst Calixt II. stärkte nochmals die antikaiserlich-päpstliche Opposition im Reich, indem er dem Mainzer Erzbischof Adalbert, Heinrichs ehemaligem Kanzler, die päpstliche Legatenwürde verlieh. Von diesem Augenblick an müsste, meiner Theorie zufolge, die Steinmetzarbeit am Siegesmal über Heinrich V. geruht haben, denn keiner konnte wissen, wie die Macht Heinrichs weiter gedeihen könnte. Das Bildwerk wurde nie vollendet. Das untere Register blieb nur roh pro­filiert - ohne den letzten Feinschliff und ohne Endglättung der Grundfläche. Seit 1123 versuchte Heinrich auf Bitten seines englischen Schwiegervaters in das normannisch-französische Ringen um die Normandie einzugreifen, doch dem gewaltigen Heer Ludwig VI. hatte der ohne Unterstützung der Großen im Reich nichts entgegenzusetzen, so wurde der Feldzug schon 1124 bei Metz erfolglos abgebrochen, was bei den Franzosen einen aufbrandenden nationalen Enthusiasmus auslöste. Am 23. Mai 1125 starb Hein­rich V. 39-jährig in Utrecht und am 7. Oktober 1128 segnete Abt Erkenbert das Zeitli­che.

Im span­nungsgeladenen Zeitraum vom 11. Februar 1115 bis zum 21. Januar 1120 oder 23. September 1122 könnte das Extern­steinrelief entstanden sein. Da aber - meiner Arbeitsthese folgend - erst nach der Kleinasienreise des Abtes im Sommer 1117 ein Werkbeginn denkbar ist, kommen lediglich drei bis 4 Fertigungsjahre in Betracht. Die Indizienkette erscheint annähernd lücken­los. Ist aber ein absoluter Beweis für die Ver­bin­dung zwischen der We­serabtei und ihrem Abt mit dem Externstein zu erbringen ? Das Kloster verfügte wäh­rend der uns interessieren­den Zeitspanne über einen ausge­dehnten Terri­torialbesitz und ver­suchte, einen weitgehenden Einfluss auf die Nachbarab­teien zu gewinnen. H.H. Kaminsky schreibt (S. 136): „Wir stellen fest, dass es die Corveyer Äbte Markward und Erkenbert ver­stan­den haben, in fast allen wichti­gen Klöstern in und um die Corveyer Einflusszone mehr oder min­der Fuß zu fassen.“ Dem nimmermüden Abt Erkenbert gelang es bekanntlich, die kirchliche Verwaltung von Obermarsberg an sich zu ziehen, er ist der erste namentlich bekannte Chef der dortigen Propstei, obgleich seit Ludwig des Frommen Zeiten die Corveyer Mönche dort ein Konvent unterhielten. Im Jahre 1083 wurde der Corveyer Mönch Gum­bert zum Abt des Pa­der­bor­ner Bischofsklosters Abdinghof erhoben. Bis 1096 lebte dort auch noch der Mönch Erken­bert, bis er Abt in Aldenberg bei Merseburg und schließlich 1107 Oberhaupt von Corvey wur­de. Aus der schon besprochenen Ur­kun­den-Abschrift des 13. Jhs. geht her­vor, dass Abt Gumbert von Abdinghof den nahen Externstein im Jahre 1093 an­g­e­kauft hat. An dieser Er­werbung muss der spätere Abt Erkenbert, da­mals noch einer der füh­renden Mönche Ab­dinghofs, beteiligt gewesen sein. Das freundli­che Einvernehmen zwi­schen Corvey und Pader­born - beide ja Benediktiner-Hochburgen und traditionell im Lager der Grego­rianer stehend - ist seit den Zeiten des Abtes Mark­ward urkundlich belegt. Abt Gumbert war 1114 gestorben, der neue Abt Ha­muco wurde erst 1118 geweiht. Es scheint undenkbar, dass sich dieser gerade erst inthroni­sierte Abt, in des­sen Amtszeit die Relieferschaffung fiel, ei­nem missionarisch-werbewirksamen Wun­sche von so einflussreichen Persönlichkeiten, wie Erken­bert von Corvey und Papst-Legaten Kuno von Praeneste, jenen starken welter­fahre­nen Au­to­ritäten, entgegengestellt hätte - warum sollte er auch ?! Die befreundete mächtige Benediktiner-Abtei Werden an der Ruhr, deren Äbte das Recht besaßen, an den Externsteinen einen Rastplatz zu unterhalten, was aus der Bernhard-Urkunde (1125-1140) hervorgeht, hätten ebenfalls keinen Grund gehabt, dagegen zu opponie­ren. Jauchzte doch mit Sicherheit die ge­samte mön­chi­sch-gregorianische Partei über diese Idee und schließlich das Werk jenes grandio­sen gregoria­ni­schen Sieges­bildes am „erschrecklich“ dämonischen altsächsischen Haupt­heiligtum, welches damit gleichzeitig entdämonisiert und christlich geweiht würde.