14.09.2024
Das Rathaus von Bürgstadt am Main
(Die Mutter meines Vaters Karl Hess war eine geboren Klara Elbert vom Elberthof in Wenschdorf, einem heutigen Stadtteil von Miltenberg -, in Unterfranken, zwischen Spessart und Odenwald.
Aus der Familienchronik der Elberts
Und wieder war ein Elbert, Josef mit Vornamen, Bürgermeister von Bürgstadt am Main. Es war die Zeit der beginnenden Industralisierung in dieses Gegend, die Zeit, in der Bargeld im Hause der Bauern sehr knapp war, wo wirklich auf den einzene Höfen Käsematte und Pellkartoffeln das Nachtessen darstellte, wo die gute selbstgeschlagene Butter auf den Markt kam, wo das Ei eineinhalb Kreuzer kostete und der Gulden die landläufige Währung war. Das älteste Kind des Bürgermeisterhaushaltes, die Tochter Klara, meine Großmutter, ging nach Miltenberg in die Schule und nahm dabei für die „besseren Stadtfamilien“ frisches Gemüse, den ersten Salat im Frühjahr und den letzten Blumenkohl im Spätherbst, Eier und Butter mit, um diese nach dem Unterrichtsschluss dort zu verkaufen, denn außer bei diesem Kleinhandel gab es nur Geld zur Zeit des Ernteverkaufs, und der Verpflichtungen waren das Jahr über viele. Genussmittel, wie Kaffee, Schokolade. Zigretten waren in keinem Bauernhaus zu finden. Selbst der Bürgermeister genehmigte sich höchsten hin und wieder ein Pfeifchen Tabak. Mancher Bauer geriet in Schulden, und da und dort in den Nachbargemeinden kam ein Hof unter den Hammer.
Besorgt saßen die Dorfältesten beisammen und berieten sich über die schlechten Zeitläufe. Gewöhnlich fing der Ruin eines Bauernhofes etwa folgendermaßen an: Wenn irgendeine größere Geldschuld, Pacht oder Handwerkerrechnung, fällig war und der Bauer nicht genug Barged hatte, erschien ei n Geldausleiher und bot mit freindlichen Worten an, das Geld zu bezahlen gegen Ausstellung eines sonderbaren Papierchens. Er sagte dann etwa: „Hier schreibst deinen Namen hin, damit die Sache ihre Ordnung hat. Wenn die Ernte verkauft ist, bezahlst du mich dann.“
In vielen Fällen wurde der Geldverleiher geradzu als Abgesadter des Himmels betrachtet. Machmal ging die Sache auch gut, meisten aber hatte der Bauer mit Zinsen und Zinseszinsen nicht gerechnet. Es kam auch vor, dass das Papierchen, ein Wechsel, beim Präsentieren eine Null mehr zeigte, als bei der Ausstellung. Lesen und Schreiben war ja noch nicht Allgemeingut.
Dann kam der Geldverleiher und plünderte die beste Kuh, möglichst ein trächtiges Stück. Als Abgeltung der Zinsen erbot er sich, einen Umtausch vorzunehmen. Vom nächsten Viehmakt brachte er dann, nachdem er die Kalbin fortgeführt hatte, ein abgerackertes Stück Vieh, dem die Knochen aus dem Fell standen, Statt des Kalbes und der vielen Milch hatte der Bauer nun die doppelte Futterlast, um die ausgemerkelte Kuh wieder einigermaßen in Fleisch zu bringen.
Auf die Ernte wurde Beschlag gelegt, den Verkaufspreis bestimmte nun der Gläubiger. Wer einmal in die Klauen dieser Blutsauger geriet, der kam nie wieder frei. Wie viele Bauern griffen noch vor der Versteigerung zum Strick.
Das alles stand den Dorfältesten vor Augen, als sie hörten, dass auch bei ihrem Mitbürger Andreas Meisenzahl [Wahrscheinlich Bürger von Miltenberg] die Kalbin weggeführt worden war und dass sein Anwesen nächstens zur Versteigerung kommen sollte. Es war schön zentral im Ort gelegen, deshalb gedachte einer dieser Blutsauger sich hier heimisch zu machen und sprach wegen des Übernahmetermins in der Bürgermeisterei vor.
Josef Elbert sah seine Dorfgemeinde in höchster Gefahr. Den Blutsauger im Dorf ? Nein, das durfte nicht sein. Hier musste Abhilfe geschaffen werden. Man musste das Übel an der Wurzel bekämpfen. Er rief den Gemeindevorstand zusammen und schlug die Gründung einer Hilfskasse vor. Er zeichnete für diesen Fonds selbst 500 Gulden [aus einer Erbschaft] und erbat und erhielt weitere Zuschüsse vom Gemeindevorstand wie auch von anderen Ortsansässigen.
Das Anwesen Meisenzahl war somit gerettet. Aus dem freiwilligen Hilfsfonds entwickelte sich später ein Darlehensverein. Jedermann, der in finanzielle Not geriet, sollte sich hierhin wenden können, und er sollte sich hier bei gerechtem Zinsfuß und geregeten Rückzahlungsbedingungen Hilfe finden. Gleichzeitig wurde in die Gemeindesatzung aufgenommen, dass kein XXXX jemals Mitbürger oder Besitzer von Grund und Boden in Bürgstadt werden könne.
Die Raiffeisenkasse, in die der Darlehensverein später überging, wirkt noch heute zum Segen aller, die gezwungen sind, sie in Anspruch zu nehmen.
Miltenberg – Auszug aus der Topographia Hassiae von Matthäus Merian dem Jüngeren, 1655 - Die Familie Meisenzahl (Weingut) ist bis heute in Bürgstadt und Miltenbeg zahlreich vertreten.