IRRE IM IRRENHAUS

Die Irren sind im Irrenhaus,
das Irrenhaus ist drinn' und drauß’.
Tausende Sirenen sirren,
die die Wärter mitverwirren.

Die da lauschten, die da sangen,
all’ vom gleichen Wahn umfangen,
saugen ihres Wahnes Fluch
aus einem alten Lügenbuch.

Und kaum ein Irrer ist so frei,
durchschaut die Eulenspiegelei,
die einer, der vom Wahn gehetzt,
als Irrwitz in die Welt gesetzt.

Irrer geht es freilich nimmer,
diese Welt ein Tobsuchtszimmer,
mit dem Irrsinn neuer Götter,
irrer, wirrer Heidenspötter.

Gar nicht irr sind die Erlauchten,
die den Irrsinn schlau gebrauchten,
jene Herrscher die ihn nutzten,
  des Volkes Flügel damit stutzten.

Denn Irre sind leicht zu regieren,
ihre Augen zu verschmieren,
ist so leicht mit einer Quaste
und der speziellen Bibel-Paste.

„Gebe was des Kaisers ist“,
lautet jene Herrscher-List,
darum wird, im Wahn beflissen,
das Irrenhaus nie abgerissen.

 
 
„So gebt dem Kaiser [Herrscher], was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist !“ Markus 12, 13-17 - Das eine geschieht im realen Diesseits, das andere im unkontrollierbaren Irrealen.
 
 
„Neue Götter“ = Die Christenkirche erfand zahllose neue Götter, indem sie tote Menschen zu anbetungswürdigen „Heiligen“ erklärte -, eine jüdische Dienstmagd zur Gottesmutter und einen jüdischen Zimmermann zum Gottessohn machte.
 
Friedrich II. der Große (1712-1786) über das Christentum: „Ein altes metaphysisches Märchen voller Wundergeschichten, Widersprüche und Widersinn, aus der glühenden Einbildungskraft des Orients entsprungen, hat sich über Europa verbreitet. Schwärmer haben es ins Volk getragen, Ehrgeizige sich zum Schein davon überzeugen lassen, Einfältige es geglaubt, und das Antlitz der Welt ist durch diesen Glauben verändert worden. Die heiligen Quacksalber, die diese Ware feilboten, haben sich zu Ansehen gebracht, sie sind Herrscher geworden.“ – „Politisches Testament“, [1768], Zeeden 191)

 
Bild: William Hogarth (1697-1764), „Szene in einem Irrenhaus“