Copyright © Gerhard Hess - 03.03.2025
Der Speer-Gott Wodan-Odin im bronzezeitlichen Weltenschiff (eigener Felsbild-Handabrieb, Sotetorp, Tanum-Hede / Bohuslän / Schweden)
Die Irreleitungen des Snorri Sturluson
Ich setze mich im Folgenden mit einer Darlegung Prof. Dr. Bernhard Kummers auseinander und korrigiere ihn. Bernhard Kummer (1897-1962) war ein deutscher Germanist und Spezialist für altnordische Sprachen sowie germanische Religionsgeschichte. Er studierte Religions- und Altnordische Wissenschaft. Er promovierte 1927 mit seiner Arbeit „Midgards Untergang - Germanischer Kult und Glaube in den letzten heidnischen Jahrhunderten“. 1933 engagierte sich Kummer für die Deutsche Glaubensbewegung von Jakob Wilhelm Hauer. 1935 erhielt er einen Lehrauftrag an der Hochschule für Politik in Berlin. 1936 wurde Kummer an der Universität Jena zum Lehrbeauftragten für altnordische Sprache und Kultur und zum Leiter des dortigen „Altnordischen Seminars“ ernannt. Er schrieb für den „Völkischen Beobachter“, die NS-Schulungsbriefe und Aufsätze zum „nordischen Gedanken“. Von 1942 bis 1945 war er ordentlicher Professor für nordische Sprache und Kultur und germanische Religionsgeschichte an der Universität Jena. Nach dem Krieg wurde er ein Opfer der alliierten Bücherverbrennungen. In der SBZ/DDR wurden die von ihm verfassten und herausgegebenen Schriften aus den Jahren 1933 bis 1939 auf die „Liste der auszusondernden Literatur“ gesetzt. Ab 1950 war er Mitarbeiter von Jakob Wilhelm Hauer in der „Arbeitsgemeinschaft für freie Religionsforschung und Philosophie.“ Kummer war auch Herausgeber der Monatszeitschrift „Forschungsfragen unserer Zeit“, die im vaterländisch gesinnten „Verlag Hohe Warte“, des Franz von Bebenburg erschien. Dort wurde im Jahr 1952 die Schrift verröffentlicht „Gott Odin, sein Chronist und sein Gefolge - Ein missionsgeschichtliches Problem und eine politische Gefahr“. Kummer war also ein hoch potenter germanistischer Fachmann und aller Ehren wert, doch seine Schlüsse im genannten Buch sind zwar nicht als abwegig, aber schlicht und einfach als nachweisbar falsch zu bewerten.
Zunächt muss konstatiert werden, dass die Arbeit der unmittelbaren Nachkriegszeit und Nach-NS-Zeit geschuldet ist, in der es politisch ratsam erscheinen musste, eine Distanzierung vom kriegerischen Aspekt des Wotan-Odin-Kultes vorzunehmen. Deshalb eröffnet Kummer seinen Text mit einer Relativierung: „Man nennt ihn den höchsten Gott der einst freien Germanen und streitet erneut um sein Wesen und seinen Wert für uns. Als Wallhallgott wie als Dämon und wilder Jäger in den ,zwölf Nächten' ist er gewiss Vergangeneit, und die Religionsgeschichte und Volkskunde mögen ihn deuten ohne Romantik und Hass. Aber er ist Gegenwart als ein unglöstes Problem der deutschen Seele und eurpäischen Geschichte, und er erscheint in Götterdämmerungszeiten immer wieder als Verführung, Aufgabe und Gefahr.“ (S. 1) Als Verführung, Gefahr und als Dämon erschien der alte Gott jedoch ganz allein wegen des kurz zuvor verlorenen Krieges, mit all dem Schrecken welchen die Sieger über das deutsche Volk gebracht hatten. Hätte die grandiose Kraftentfaltung, die der NS-Staat und seine Doktrin entwickelten, zu einem Siegfrieden geführt, wären Kummers Warnungen völlig unverständlich und gegenstandslos geblieben. Und welche erstaunliche Stabilisierung dieses „wodanische“ Dritte Reich in die Seelen der Deutschen getragen hatte, davon wussten die englischen Gefangenen-Verhörspezialisten zu berichten, die sich darüber verwunderten, dass sich die überwiegende Mehrzahl der in Gefangenschaft geratenen Landser in unwandelbarer Treue zu „Führer, Volk und Vaterland“ bekannten, obwohl sie damit rechnen mussten, dass ihnen eine gegenteilige Aussage Vorteile verschafft hätte. Und dass die einigenden und befriedenden Grundprinzipien des NS-Gedankens - die Verbrüderung zum „Volksgenossen“, mit Überwindung vom marxistischen Klassenhass und „Klassenkampf“, seitens der KP-ler und Sozis - heilsam und sinnstiftend waren, steht außer jedem Zweifel.
Er fährt fort: „Jede Forschung ringt sich durch Irrtümmer und Widersprüche zu einem bestimmten Stand. Der Unterschied etwa zwischen der früheren ,Mythologie‘ und der religionswissenschaftlichen Vertiefung in späteren Werken (Wilhelm Grönbech z.B.) muss im Bewusstsein der Sprechenden sein. Wenn es bisher nicht möglich ist, eine bestimmte Forschungsmeinung zu widerlegen, darf man auch nicht versuchen, an ihr vorbeizureden. Bezüglich Odin hieße das z.B.: Wilhelm Grönbech hat im Anschluss an eine namhafte Reihe von Gelehrten (Petersen-Mogk u.a.) im Rahmen einer alle Religionen umfassenden Arbeit vieler Fachleute als Darsteller der germanischen Religion geschrieben: ,Alles deutet darauf hin, dass er (Odin) von Süden her in den Norden gekommen und niemals über die Königshöfe hinaus ins Volk gedrungen ist, wie das vollständige Schweigen auf Island zeigt, und seine Geschichte im Norden liegt darin angedeutet, dass er vornehmlich an den Ländern sammelnden Fürstenhöfen verehrt wird. Solange man das nicht widerlegt, hat man es zum Ausgangspunkt der Herkunftsfrage zu nehmen, sonst drehen wir uns ewig im Kreise.“ Die gleiche irrige These vertrat auch Herman Wirth in seinen Werken. Das Fehlen von Odin-Vornamen und Odin-Örtlichkeiten auf Island erklärt sich aber dadurch, dass die isländischen Siedler zumeist Bauern waren, denen der schlichtgeistige Dreinschläger, der Hammer-Gott Thor, empfindungsmäßig näher stand als der sensibel zu verstehende Geistgott der Intellektuellen, Wodan-Odin. In Schweden gibt es den Odensberg, Onsberg, Odenshög -, in Norwegen Odinsberg -, in Dänemark Onshöj, Oddenshöj und viele mehr.
Der einfache Grund, warum der Odin-Kult von Süden nach Norden gedrungen erschien, ist doch der, dass ihn die kirchenchristliche Geistigkeit als so tief und fest im germanischen Volk verwurzelt erkannte, und ihn gerade deshalb als Fremden und Zugereisten diffamierte. In Deutschland hat die Kirche selbst den Wotans-Tag (Wednes-Day, Ons-Dagr) als Mittwoch deklariert, um den Namenspatron vergessen zu machen. Und wie geradezu gierig hat das germanische Volk der Deutschen und der Langobarden in Italien den kirchlichen Ersatz-Spieler für Wodan, den Erzengel Michael, ergriffen.
Wie die Kirche über uns Deutsche denkt, wissen wir. Kummer führt auf S. 3 aus: „Die Rutenbündel und der Kaiserkult sind antigermanisch, und Armin hat gesagt, die Germanen würden es ,nie verzeihen, dass sie zwischen Rhein und Elbe Rutenbündel und Henkersbeile und römische Zwingherren hätten sehen müssen. (Tacitus, Annalen I.) ,Seht wie das wilde deutsche Tier zu seiner wahren germanischen Natur zurückkehrt‘, sagte der römische Freund im Zank um Österreich. Und der Unterrichtsminister 1935 schrieb: ,Wer leugnen wollte, dass Rom die geistige Mutter ganz Europas ist, müsste die Geschichte selbst leugnen.‘ Denn wir lebten in Urwäldern und ,Finsternis‘ (Faulhaber), als Rom schon seinen Cäsar, seinen Augustus hatte.‘ Das ,furor teutonicus‘, die germanische Wut, musste man also fürchten, wenn Deutschland sich auf sein germanisches Seelenerbe besann. Ein Dichter ließ dann den alten Gott Wode persönlich die Bomben auf England werfen: ,Wir sind Herren geworden !‘ Hohnvoll warf die englisch-amerikanische Luftherrschaft dieses Gedicht in Millionen ihrer Flugblätter dann uns in die verwüsteten Heimatgärten, und die neue Götterdämmerung war da. Das ,germanische Wiederbesinnen‘ war uns schlecht bekommen.“ Dass es bei uns in Mittel- und Nordeuropa nicht ganz so finster zuging, wie es sich die romgeistigen Kleriker vorzustellen belieben, beweisen die Funde der Nebra-Himmelsscheibe (ihr Alter beläuft auf 3700 bis 4100 Jahre) und die vielen astronomischen Ringheiligtümer (ihr Alter beläuft sich auf ca. 7000 Jahre) der jüngeren deutschen Spatenkunde. Und den wahren Furor brachten die gesitteten demokratischen Briten und US-Amerikaner mit ihren „aerial bombings“ und Atombomben in die Welt.
Von dem Edda-Autor Snorri Sturluson, über den Kummer besonders detailreiche Kenntnisse vorweist, heißt es ab S. 7: „Der große Sohn des Isländers Sturla, nach dem die Sturlungen heißen, ist als Gelehrter und besonders als lebendiger Geschichtsschreiber sehr zu achten und zu bewundern. Man hat ihn mit Thukydides verglichen. Er war 1179 geboren, am Hofe Oddi von einem gelehrten Manne aufgezogen, heiratet zwanzigjährig eine sehr reiche Frau, gewinnt sich im Laufe der Zeit 16 Höfe und - ränkevoll - ehrgeizig sehr viel Macht, hat Kinder von zwei Ehefrauen und drei von anderen Frauen, beschäftigt sich mit der Geschichte seiner Vorfahren und schreibt von ihnen die ,Egilsaga', in der manche schon befremdliche Züge eines gemischtrassigen Geschlechtes sehen. Dann schreibt er ein Dichterlehrbuch für die Dichter seiner Zeit, die sogenannte ,Edda' des Snorri, oder Prosa-Edda, mit Zitaten aus einer Liederhandschrift, die man erst 1643 wiederfand und dann die ,ältere Edda' nannte. Er schreibt darin Mythen und Erzählungen von den alten Göttern auf, umgewertet natürlich, wie er ausdrücklich betont, und dann eine Dichterschule, endlich eine 100 Strophen umfassende, in wechselndem Versmaß gedichtete Lobpreisung auf den Herzog Skule und den König Hakon von Norwegen. Endlich schreibt er um 1230 sein berühmtes ,Königsbuch", die sogenannte ,Heimskringla", die die nordische Geschichte von Urzeiten - wie Snorri sie gesehen hat - bis zum Jahre 1177 darstellt.“
Wie Snorri, im Geist seiner Zeit, die Verfremdung Odins selbst bewusst oder dem scheingelehrten Mainstream folgend, befeuerte, bekundet Kummer auf S. 9: „Im Vorwort seiner ,Edda' beginnt Snorri: ,Der allmächtige Gott schuf im Anfang Himmel und Erde ... und zuletzt zwei Menschen, Adam und Eva ...' ,Nach der Noahflut' zeigt er dann Troja, die prächtigeste Stätte der Welt, im ,Türkenland', wo 12 Fürsten wohnen. Des einen Sohn ist Priamos, und dessen Sohn ist Thor (aus Hek-tor, wie es anderswo heißt). Dieser Thor heiratet im Norden der Welt die Sif, ,aller Frauen Schönste, mit Haaren wie Gold'. ,Nicht kann ich die Abstammung der Sif sagen.' Nach einer längeren Reihe von erfabelten Nachkommen Thors folgt dann ,Voden, den wir Odin nennen', mit seiner Frau Frigida (!), ,die wir Frigg nennen.' Nun schildert er Odins Kommen von Türkenland über Sachsen, Fanken und Dänemark nach Schweden. Und wo die ,Asienmänner', ,die Asen genannt werden', hinkamen, gibt es gute Zeit. Sie bringen die Sprache, die nun im Norden heimisch ist und richten wie in Troja 12 Herrschersitze auf. Diesem seltsamen Prolog folgt dann also Teil 1 das Edda-Buches: ,Die Verblendung des Gylfi.'“ Was nach solchem hirnrissigen Prolog vom Gesamtwerk des Snorri zu halten ist und mit welcher Vorsicht der gesamte Inhalt der Edda zu bewerten ist, muss nicht besonders betont werden.
Die Bezeugungen des Wotan-Odin
Für die uralte, schon arische bzw indogerm. Existenz Wodin-Odin gibt es eine umfänglich Reihe von wissenschaftlichen Argumenten. Im Hinduismus ist Vaiu, der Gott des Windes, ethymologisch mit Wotan verwandt. Es gibt zahlreiche Hinweise auf Vaiu in den arioindischen Upanishaden, insbesondere in der Brijad-araniaka-upanishad , welche die Geschichte der Gottheiten erzählt, die die Lebensfunktionen kontrollieren, und von ihrem Kampf, herauszufinden, welche davon lebenswichtig ist. Wenn eine Gottheit, beispielsweise die Sehgottheit, den Körper des Menschen verlässt, lebt dieser weiter und passt sich der neuen Situation der Blindheit an. Dies geschieht mit jeder einzelnen Funktion, die von den Göttern geregelt wird, die den Körper kontrollieren, mit Ausnahme von Vaiu, der sich in dieser Geschichte als der lebenswichtige Atem erweist, der es den übrigen Gottheiten ermöglicht, ihre Funktion zu erfüllen und so das Leben aufrechtzuerhalten. Laut dem Sanskrit-Text Ramayana (3. Jh. v.0) spielte Pavan - ein weiterer Aspekt von Vaiu - eine wichtige Rolle bei der Geburt des Menschen Anyana ihres Halbgott-Sohnes Hanuman. Aus diesem Grund wird Hanuman auch Pavan Putra (Sohn von Pavana) und Vaiu Putra (Sohn von Vaiu) genannt. In einigen Texten wird er als teilweiser Avatar von Vaiu angesehen. Vaiu war sein spiritueller Mentor.
Der röm. Autor der „Germania“ C. Tacitus führt im 1. Jh. n.0 als höchste verehrte germ. Gottheit in röm. Interpretation den Mercurius an. Aus Benennung der zwei weiteren Hauptgottheiten Hercules und Mars für Donar/Thor und Tiwas/Tyr wird für Mercurius der Wodan/Odin erschlossen. In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten wurde Wodan in der „Germania inferior“ durch Weihesteine geehrt, die in der Regel von Germanen gestiftet wurden, die in röm. Militär- oder Staatsdiensten standen. Die Steine tragen Inschriften, die den Namen des Mercurius mit germ. Begrifflichkeiten paaren, seien es Bezüge zu Örtlichkeiten, zu einzelnen Stämmen oder Namensformen mit anderen Bezügen. Beispielhafte Inschriften sind „Mercurius Cimbrianus“ bzw. „Wodan der Kimbern“ und „Mercurius Leudisius“ „Wodan von Lüttich“. Besonders der Fund des Weihesteins des „Mercurius Hranno“ (Bornheim-Hemmerich, zwischen Köln u. Bonn) ist mit dem literarischen Beleg eines Odins-Beinamens in Verbindung zu bringen.
Nach der „Origo Gentis Langobardorum“ und der „Historia Langobardorum“ (I 3, 7, 8) des Paulus Diakonus oder Paul Warnefried (ca. 725-795) wird Gambara als Mutter der mythischen Alken, den (dioskurischen) Stammesanführer Ybor (Ibor) und Agio (Ajo) geschildert. Paulus’ Familie stammte aus dem Friaul. Sein Ururgroßvater Leupchis, so gibt der Geschichtsschreiber selbst an, hatte dort im Frühjahr 568 zu den ersten langobardischen Siedlern gehört. In der „Gesta Danorum“ (VII, 28) des „Saxo Grammaticus“ erscheint Gambara in einer namentlichen Variante als Gambaruc und als Mutter von Aggo und Ebbo. Gambara rettet die Langobarden durch ihren Einsatz bei der Göttin Frea vor dem Angriff der den Wodan verehrenden Wandalen und erwirkte dadurch den Sieg ihrer Söhne. Der langobardische Ursprung, noch unter dem Namen „Winniler“, erfolgte durch einen Losentscheid zur Bestimmung welcher Teil des Volkes aus dem skandinavisch-südschwedischen Stammland - wegen Überbevölkerung - unter Führung von Ybor und Agio abwanderte. Man liest: „Der Teil also, den das Los getroffen hatte, aus der angestammten Heimat fortzuziehen und in der Fremde Land zu suchen, gab sich zwei Anführer, Ibor und Agio. Sie waren Brüder, standen in der Blüte ihrer Jugend und waren vor allen anderen befähigt, Land, das für eine Ansiedlung in Frage kam, zu erkunden und Wohnsitze zu gründen. Dann verabschiedeten sie sich von ihren Angehörigen und ihrem Heimatland und machten sich auf den Weg. Die Winniler (spätere Langobarden), stammen demnach aus Skandinavien, von wo sie auswanderten. Die Mutter der beiden Anführer hieß Gambara, eine nach den Verhältnissen ihrer Umgebung sehr gescheite Frau von wegweisenden Rat. Durch ihre Klugheit ließen sie sich in schwierigen Situationen maßgeblich leiten“. Die Langobarden/Winniler unter Führung von Ybor und Agio und der mitwirkenden Gambara, gelangten in weiterer Erzählung in Auseinandersetzung mit den Wandalen.Die Winniler (spätere Langobarden), stammen demnach aus Skandinavien, von wo sie auswanderten. Sie stießen dabei auf die Wandalen, und diese „sagten zu den Winnilern: 'Zahlt uns entweder Tribut, oder macht euch zum Kampf bereit und kämpft mit uns!'“ Bei der Verortung des Geschehens trennt sich die Überlieferung. In der „Origo Langobardorum“ ist die Situation in Schonen (Scadanan) angesiedelt, hingegen bei Diaconus, in der Historia, bei dem in der Forschung ungeklärten Ort Scoringa. „Die Wandalen seien vor Godan getreten und haben bei ihm um Sieg über die Winniler gefleht. Er habe geantwortet, dass er denen den Sieg verleihen wolle, die er zuerst bei Sonnenaufgang erblicke.“ „Darauf sei Gambara vor Frea, Godans Gemahlin, getreten und habe bei ihr um Sieg für die Winniler gefleht. Frea habe den Rat erteilt, die Weiber der Winniler sollten ihr Haar wie ein Bart ins Gesicht hängen lassen, dann in aller Frühe mit ihren Männern auf dem Platze sein und sich zusammen da aufstellen, wo Godan sie sehen müssen, wenn er wie gewöhnlich aus dem Fenster gen Morgen schaue. Und so sei es auch geschehen. Als sie Godan bei Sonnenaufgang erblickte, habe er gefragt: „Wer sind diese Langbärte?‛ Da sei Frea eingefallen, er solle denen den Sieg verleihen, welchen er jetzt selbst den Namen gegeben. Und so habe Godan den Winnilern den Sieg verliehen.“ Durch Gambaras Handeln und Wirken zur Umsetzung des göttlichen Rats, wurde nicht nur das Bestehen der Vinniler durch den Sieg gesichert, sondern auch ihre Benamung gestiftet zum neuen Namen der Langobarden. In der jüngsten Überlieferung der Historia aus dem 9. Jh., der sogenannten „Historia Langobardorum Codicis Gothani“ wird Gambara (zu I, 3) als Seherin (Pythia, Sibylle) bezeichnet. Zur Etymologie des Namens der Gambara vertraten Karl Hauck sowie Dag Strömbeck, den Namen mit altnordisch gand-bera = Stabträgerin. Hauck interpretierte Gambara als Priesterin und irdische Repräsentantin der und vermutet dadurch einen Bezug zu einer vormals wanischen der Vinniler. Rudolf Simek stellte die etymologische Anbindung an gandbera, Stabträgerin als Funktionsnamen der germ. Seherinnen her. Jedenfalls geht aus den Legenden hervor, dass beide skandinavischen Völker - Winniler/Langobarden wie Wandalen/Wenden - dem Wotan-Glauben anhingen. Die schwedischen Könige nannten sich noch im 17. Jahrhundert „König der Schweden, Goten und Wenden.“
Eine Stelle bei dem Benediktinermönch Kero (um 720), der im Kloster St. Gallen wirkte bzw. dem Verfasser des altdt. Glossars „Abrogans“, dokumentiert den christlichen Verdrängungskampf gegen die Runenbuchstaben. Da wird den Mönchen verboten von irgendjemand etwas in Runen, „rûnstaba“, Geschriebenes anzunehmen. (W.C. Grimm, „Üb. dt. Runen“, 1821, 70f).
Zu dem tragischen Prozess des Glaubensumbruches schrieben die Grimm-Brüder: „Das Christentum war nicht volksmäßig. Es kam aus der Fremde, und wollte althergebrachte einheimische Götter verdrängen, die das Land ehrte und liebte. Diese Götter und ihr Dienst hingen zusammen mit Überlieferungen, Verfassung und Gebräuchen des Volks. Ihre Namen waren in der Landessprache entsprungen und altertümlich geheiligt, Könige und Fürsten führten Stamm und Abkunft auf einzelne Götter zurück; Wälder, Berge, Seen hatten durch ihre nähe lebendige Weihe empfangen. Allem dem sollte das Volk entsagen, und was sonst als Treue und Anhänglichkeit gepriesen wird, wurde von Verkündigern des neuen Glaubens als Sünde und Verbrechen dargestellt und verfolgt. Ursprung und Sitz der heiligen Lehre waren für immer in ferne Gegenden entrückt und nur eine abgeleitete, schwächere Ehre konnte auf heimatliche Stätten übertragen werden. - Der neue Glaube erschien im Geleit einer fremden Sprache, welche die Bekehrer ihren Zöglingen überlieferten und dadurch zu einer die herabgewürdigte vaterländische Zunge in den meisten gottesdienstlichen Verrichtungen ausschließenden Priestersprache erhoben.“ („Deutsche Mythologie“, Kap. 1)
Das altsächsische Taufgelöbnis aus dem 8. Jh. verlangte die Unterwerfung des Täuflings unter den kirchenchristlichen Bibel-Gott. Die Fragen und Antworten, die ein Sachse vor der Taufe zu bestehen hatte, sind dabei wahrscheinlich von einem angelsächsischen Missionar vom Lateinischen ins Altsächsische im Verlauf der Sachsenkriege (772-804) übersetzt worde. Der Täufling hatte dem Teufel (unholdun) und den heidenvölkischen germ. Gottheiten Donar, Wodan, Saxnot abzuschwören. Die Quelle für die Form Uuoden für Wodan ist dieses Taufgelöbnis. Die Schreibung des Altsächsischen schwankt dabei zwischen der ostfränkischen Lautung des Althochdeutschen und angelsächsischem Einfluss. Letzterem verdankt sich die Schreibung Uu für W.
In dem zweiten, aus dem des 9./10. Jh. stammenden Handschriften der „Merseburger Zaubersprüche“, wird der Gottesname Wotan erwähnt. Ebenso findet sich der Wotan vermerkt auf der alemannischen Bügelfibeln von Nordendorf, des 6. Jh., aus einem alemannischen Reihengräberfeld in der Nähe von Augsburg. Ausgestellt sind sie im Römischen Museum in Augsburg. Dort lesen wir die Worte woðana(z), þonara(z) und leubvinus könnte der Verfertiger, Auftraggeber oder Besitzer gewesen sein. Auch fand sich der Gottesnamen aus der Zeit der Völkerwanderung, zwischen dem 5./6. Jh., belegt. Auf einem Brakteaten (Amulett) des Schatzfundes von Vindelev (Goldfund von Jelling) wurde 2020 auf einem Feld in Vindelev in Dänemark, etwa acht Kilometer nordöstlich von Jelling im Osten der jütischen Halbinsel, der Schatz gehoben. Zum Fund gehören einige römische Münzen, sechzehn einseitig aus Goldblech geprägte Medaillen, sogenannte Brakteaten, teils ungewöhnlicher Größe mit einem Durchmesser von fast 14 cm und der goldene Beschlag einer Schwertscheide. Bedeutung haben die Fundstücke nicht nur wegen ihrer Größe und der hohen Verarbeitungsqualität, sondern auch wegen der bisher frühesten Erwähnung des nordischen Gottes Wodan/Odin. Inschrift: iz Wōd[a]nas weraz = „Er ist Wodans/Odins Mann“.
Óðr/Od ist in der nordischen Mythologie ein abgesunkener Gott, der, wie Jan de Vries in seiner „Altgermanischen Religionsgeschichte“ ausführte, als Vorläufer von Wodin-Odin zu verstehen ist. Die verwandte altnordische Form Ullinn war höchstwahrscheinlich ursprünglich mit Ullr verbunden (wie in der Dublette Óðr-Óðinn). Der Philologe de Vries vermutet, dass der Gott der Gemütswallung Óðr-Óðinn dem Gott der glorreichen Majestät Ullr-Ullinn in ähnlicher Weise gegenüberstand wie der vedische Gegensatz zwischen Varuna und Mitra. Laut Gylfaginning und Skáldskaparmál ist er der Ehemann der gemeingermanischen Göttin Freyja und hat mit ihr die Töchter Hnoss und Gersimi. Gott Od ist der Namensgeber des 24 Stäbe umfassenden Ur-Runen-Systems, worüber ich im Jahr 1992 die Entschlüsselung „ODING-Wizzod - Gottesgesetz und Botschaft der Runen“ schrieb. In dem rechtsbeginnend zu lesenden Runenverband steht der Ase Wotan-Odin auf herbstlicher 21. Position, was ihn zahlenmythologisch als herausragenden Zaubergott auszeichnet. Da die Schöpfung der Runen ins letzte Jahrhundert vor der kirchenchristlichen Zeitrechnung fällt, muss das Alter dieses germ. Gotteskultes als identisch betrachtet werden. Óðr verlässt Freyja, die ihm Tränen nachweinte, die zu Gold wurden, wenn sie auf Stein fielen. Sie zieht daraufhin in die Welt hinaus, um ihn zu suchen. Der Gote Jordanes, Autor der „Gotengeschichte“, schreibt im 6. Jh. vom Volk oder der Kultgemeinschaft der „Odingi“ in Zentralschweden, zwischen den beiden Seen. Der Begriff gleicht auffällig dem Namen des 24er Ur-Runensystems.
Der 2021 gefundene Runen-Stein-Block, bestehend aus rotbraunem Ringerike-Sandstein, vom Gräberfeld am norwegischen Tyrifjord in der Gemeinde Svingerud, Kommune Ringerike, gilt derzeit als die bisher älteste Runeninschrift und wird als „Traum eines Runengelehrten“ bezeichnet. Verbrannte Knochen und Holzkohle aus dem Grab zeigen, durch Radiokarbondatierung, dass die Runen zwischen 25-250 n.0 eingeritzt wurden, aber die menschlichen Knochenreste wurden mit Radiokohlenstoff auf 25-120 n.0 datiert; jedenfalls ist die Grabstätte, mit ihrem Runenfund, um 2000 Jahre alt. Sie stammen aus recht frühesten Tagen der 24-er Ur-Runenschrift. Der Stein wurde nach dem Fundort benannt und heißt heute Svingerud-Stein. Svingerud liegt ca. 50 km nordwestlich von Oslo.
Überhaupt fällt auf, dass die alten Odin-Kultstätten und Runen-Zentren, wie Svingerud (Norwegen) Gallehus-Rosengaard (nahe Tondern), in Südjütland, wie Jellinge und Odense (auf Insel Fünen), zum dänischen Raum gehören -, die Ausbreitung die runischen Odin-Begeisterung eher von Norden nach Süden verlaufen sein könnte und nicht umgekehrt. Nach heutigem Erkenntnisstand ist also die Theorie von Bernhard Kummer und Herman Wirth, der Odin-Kult habe sich von Süd nach Nord ausgebreitet, nicht mehr recht haltbar. Insbesondere der Autor Karl Helm, mit seinem Buch „Wodan - Ausbreitung und Wanderung seines Kultes“ (1946), war es der diese umstrittene bis irrige Theorie zu untermauern versuchte.
Die vielen volkskundlichen Brauchtümer um Wode, den Erntegott, lassen die Annahme höchst fraglich erscheinen, ob die Gottheit allein an den Fürstenhöfen gastliche Aufnahme und Ehrung erhalten haben könnte und keinen Rückhalt im niederen, einfachen Bauerntum. Der in sehr vielen Denkmälern der Kleinkunst (Gürtelschnallen, Fibeln) sich zeigende Doppelschlangen-Kult des Merkurius-Wodan spricht ebenso wie die von Karl Hauck ergründete germ. Brakteaten-Religion, von Wodan, dem Heil- und Zaubergott der Volksmasse, auf den die Gläubigen vertrauten, mit großer Glaubensinbrunst, wie sie sich im zweiten Merseburger Zauberspruch kundtut. Es schien doch so gewesen zu sein, dass jeder biedere germanische Krieger sich als das baldurische Rösslein verstand, das vom großen Vatergott Wodan-Odin, dem Seelengeleiter (Psychopompos), Heilung und Auferstehung von den Toten versprach. In seinem Werk „Gold aus Sievern - Goldbrakteaten aus Sievern“ (1970) hat der Mediävist Hauck die germ.-völkerwanderungszeitliche, und darüber weit hinausreichende, Wodanische Hochreligion aus den vielen erhaltenen Brakteaten-Bildchen rekonstuieren können; die Brakteaten-Ikonographie ist weitgehend durchschaut.
Was die Ersetzung Wodans durch den Erzengel Michael betrifft, so ist diese für die Zeit der angelsächsischen Mission im ostfränkischen Reich vielfach belegt. Nach Zentraleuropa kam die Verehrung Michaels durch die Langobarden in Italien, deren Schutzpatron er war, und aus Westen durch die angelsächsischen Missionare. Im Zuge der Christianisierung des ostfränkischen Reiches wurde das Michaels-Fest auf dem Konzil von Mainz 813 durch „Ludwig den Frommen“ (Sohn von Kaiser Karl) auf die Woche ab Herbstbeginn festgelegt. Hier ersetzte er die Verehrung des Gottes Wotan. Unter den vielen dem Heiligen Michael geweihten Bergkirchen werden grundsätzlich alte Kultstätten für Wotan vermutet. Sein Patronat für das Fränkische Reich setzte sich über das des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis in unsere Tage fort, wo er als Schutzheiliger Deutschlands („der deutsche Michel“) angesehen wird. Die Stiftung von Kirchen des Erzengels Michael setzte in Deutschland erst im 8. Jh. ein, besonders massiv im Herzogtum Sachsen. Ein Echo hatte diese Praxis in der Zeit der christl. Mission in Skandinavien. So wird berichtet: „Allein in der ältesten Missionslandschaft Norwegens, am Oslofjord, gab es 20 Michaelskirchen“. Diese Ersetzung ist durch die Wodan und dem Erzengel Michael gemeinsame Rolle als Anführer eines himmlischen Heeres begründet, auch durch ihren Bezug zu den Seelen der Toten. Nach heidnisch-germanischer Vorstellung war Wodan Anführer der „Wilden Jagd“. So erscheint er im „Münchner Nachtsegen“. Zu dieser gehören neben transzendenten Wesenheiten auch die Seelen Verstorbener. Der Erzengel Michael gilt als Begleiter der Seelen ins Jenseits und als „Seelenwäger“ beim Tod. Es ist bemerkenswert, dass diese Eigenschaft als „Seelenführer“ Grundlage der spezifischen Ersetzung Wodans durch den Erzengel Michael wurde. Sie gibt etwas von der damaligen Wahrnehmung Wodans zu erkennen. Der Michaelistag wurde dementsprechend in die Zeit gelegt, die ursprünglich dem Wodan geweiht war. Hätte Gott Wotan nicht diese starke, breite Verankerung in den deutschen Volksmassen besessen, hätte die Kirche keine Veranlassung gesehen, für ihn eine hohe, verehrungswürdige Ersatz-Gestalt anzubieten!
Die Herkunftsagen der Goten und Langobarden - Jordanes und Paul Warnefried - berichteten vom Herkommen ihrer Völker aus Skandinavien. Diese Auffassung wird von der heutigen Wissenschaft bestätigt. Alle diese niederdeutschen Völker, mit ihrem runengläubigen Odinkult oder odinischem Runen-Glauben, kamen zunächst aus dem Elbsuebischen Großraum, wo der altehrwürdige „Fesselhain“ der Semnonen lag, da sich einmal im Jahr ihre Abordnungen trafen (Tacitus, Germania, 39). Sie waren, rassisch betrachtet nicht anders geartet wie die Germanen Skandinaviens, die sämtlich aus dem Trichterbecherreich (4.000 bis 2.700 v.0) hervorgegangen waren. Eine paläogenetische Studie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“, vom September 2018, stellte starke Ähnlichkeiten im erhaltenen Erbgut der Langobarden Italiens und der mutmaßlichen Langobarden Mitteleuropas fest. Während letztere mit den Vorgängerpopulationen in ihrem Gebiet keine besonderen Gemeinsamkeiten aufwiesen, zeigen sie starke genetische Ähnlichkeiten zu bronzezeitlichen Skandinaviern auf. Langobardische Männer trugen überwiegend Y-Chromosomen der Haplogruppen R1b und I2a2a1, die beide bei altgermanischen Völkern häufig waren. Weiterhin zeigen Männer eine größere genetische Gleichförmigkeit als Frauen, was sich als Hinweis auf verbreitete Einheirat fremder Frauen in den Stammesverband verstehen lässt. Die Studie legt nahe, dass die Langobarden aus Nordeuropa stammten, männerrechtlich organisiert waren und durch ihre Wanderungsbewegungen zumindest in wesentlichen Teilen als geschlossene Abstammungs-Gemeinschaft über Mitteleuropa nach Italien gelangten. Eine andere genetische Studie, erschienen in „Science Advances“, ebenfalls im September 2018, untersuchte die Überreste eines Langobarden auf einem alemannischen Friedhof. Bei ihm wurde die väterliche (Y-chromosomale) Haplogruppe R1b1a2a1a1c2b2b und die mütterliche (mitochondriale) Haplogruppe H65a ermittelt. Auf demselben Friedhof fanden sich Überreste eines fränkisch und eines byzantinisch gedeuteten Mannes, beide ebenfalls Träger der väterlichen Haplogruppe R1b1a2a1a1. Alle drei waren eng verwandt und wiesen Erbgutbeziehungen nach Nordeuropa auf, insbesondere ins Baltikum und Island. Im Januar 2019 untersuchte eine Studie im „European Journal of Human Genetics“ die Mitochondrien-DNS zahlreicher mutmaßlich langobardischer Gräber in Mitteleuropa und Italien. Die Bestatteten waren einander relativ nah verwandt und weisen genetische Ähnlichkeiten mit Nordeuropäern jener Zeit auf, sodass die Forscher eine Einwanderung von Männern und Frauen aus dem Norden als Ursache der langobardischen Siedlung in Italien ansehen.
Trotz dem „Fesselhain“ der Semnonen waren sich die germanische Völker dauerhaft niemals einig, dafür sorgten schon die erklügelten röm. Staatsintrigen und röm. Bestechungsgelder. Wie hätte auch eine politische Einigung stattfinden sollen, bei so viel eigensinnigem Willen zur Macht der führenden Köpfe?! Wir erlebten es ja in unserer Zeit erneut, wie der germanische Konsolidierungsversuch des Adolf Hitler an der Vereitelung durch den angelsächsischen Germanen Winston Churchill zerbrach. Scheinmoralische Ablehnungsgründe lassen sich allemal finden. Dass aber der vernünftige und verantwortliche Gedanke eines germanischen Zusammengehens gegen den gemeinsamen Feind, nämlich Rom, gefasst worden war, zeigen die diesbezüglichen Bestreben des Ostgotenkönigs Theoderich der Große (454-526). Sie wurden konterkariert durch die katholischen Franken, denen, aufgrund ihres hebräischen Bibelglaubens (seit 496 unter Chlodwig I.), die Blutsbande bedeutungslos geworden waren.
Theorie der Runen-Erfindung v. u. Z.
Aus der Beschriftungsweise des Helms von „Negau-A“ geht hervor, dass Hauptmann Erul der zeitweilige und letzte Träger des Helmes war. Ist er tatsächlich ein Angehöriger der nordgermanisch-keltischen Invasionsarmee gewesen (113 bis 101 v.0), dann wird ersichtlich und verständlich warum er möglicherweise eines Tages zurückfand nach Norika, wo sein Volk den ersten triumphalen Sieg über die Römer erfochten hatte, wo das Gottesheil noch bei den Seinen war. Gehörte er - was anzunehmen ist - zur Heeresabteilung der Kimbern, so hatte er Norika wenige Monate vor seiner Gefangennahme ein zweites Mal kennenlernend durchzogen. Es ist kaum anzunehmen, dass der Hundertschaftsführer Erul seinen Militärdienst in der Spartakus-Armee regulär beendet hat, andererseits müsste er lange genug dabei gewesen sein, um seinen Dienstgrad zu erringen. Er wird sich nicht legal von der Truppe entfernt haben, um seinen Kriegshelm im gleichen Weihtum abzulegen wie sein einstiger Mitstreiter nach dem Sieg von Noreia. Wie lange und wo er Aufenthalt nahm, um sich seinen Schriftstudien und sonstigen Wissenschaften zu widmen, bleibt uns verborgen. Aber aus der Sprache seiner Schöpfung, des 24-er Runen-Systems, geht zweifelsfrei seine Kenntnisnahme der pythagoreischen Buchstaben- und Zahlenmystik hervor. Der damaligen Denkweise folgend, begriff er sein geniales Werk als einen Beschwörungs- und Bitt-Hymnus, gerichtet an die göttlichen Mächte des Diesseits und des Jenseits.
Der Kimmerier-Kimber Erul könnte den Sklavenaufstand unter Führung des Thrakers Spartakus (73 -71 v.0) erlebt und Anschluss gefunden haben. Vielleicht ist er erst im sehr wohl disziplinierten Befreiungsheer zu seinem Hauptmann-Diplom gekommen, so dass er ein „c / k“ vor seinen Namen setzen lassen mochte. Zwischen Kelten, Germanen und Thrakern gab es eine ethnische und kulturelle Urverwandtschaft. Letztere errichteten auch beachtliche Hügelgräber zu Ehren ihrer vornehmen Toten. Zudem werden sie als trinkfeste und raubeinige Haudegen von den Griechen gezeichnet. Archilochos verwünschte einen Freund: „Schiffbruch soll er erleiden und in Salmydessa sollen ihn die Thraker holen … mit struppigem Schopf.“ „Er trinkt wie ein Thraker“ war ein beliebter abfälliger Spruch. So galt den Griechen auch Dionysos, der Gott des Rausches, des Weines, als thrakisch. Singen und Tanzen sowie Instrumentalmusik und Lyrik beschrieb man als Domäne der Thraker. Xenophanes beschrieb sie als blauäugig und blond. Es waren also alle Voraussetzungen gegeben, sich gut zu verstehen, soweit sich tatkräftige, waffenfähige Kerle zeitweise zu arrangieren vermögen. Spartacus beabsichtigte keinen politischen Umsturz und die Beseitigung des mörderischen röm. Sklavenhaltersystems, so hoch gespannt waren seine Pläne nicht, er wollte mit den Befreiten die sich ihm angeschlossen hatten, nach Norden ziehend, über die Alpen entkommen. Sein keltischer Genosse Krixos versuchte mit etwa zehntausend gleichgesinnten, auf Rache bedachten Galliern, Rom anzugreifen, um die Sklaverei abzuschaffen. Spartakus aber lenkte sein Heer nach Norden, der Freiheit entgegen, bis in die voralpine Provinz „Gallia Cisalpina“, die das heutige Norditalien und kroatische Istrien (Histria) umfasste. Jene röm. Armee, deren Aufgabe die Sicherung der Bergpässe war, gab diese auf, um Spartakus anzugreifen. Sie wurde im Frühjahr 72 n.0 ebenso bei Mutina (heute Modena) vernichtend geschlagen wie auch die Truppen eines zweiten herbeigeeilten Konsuls. Zweifellos eine herausragende militärische Leistung und ein Beweis für die Fähigkeit des sicherlich in Überzahl aus Germanen bestehenden Sklavenheeres. Der Weg über die Alpen ins westliche Gallien oder zurück nach Norden war freigekämpft. Aber Spartakus wendete sich, ohne dass wir seine Beweggründe ahnen, wieder Richtung Süden. Den tragischen Ausgang des Aufstandes kennen wir.
Von Mutia führten direkte Wege in die keltischen Berge, über das Etschtal, den Brennerpass zur Donau hin -, oder auch über ca. 250 km zum keltischen Udine und von dort über den Plöckenpass, den alten ostalpenländischen Handelsweg, nach Noricum und darüber in die freie Keltika und Germanika. Erul wird die Chance genutzt haben, er wird nicht im überschäumenden Siegestaumel des Sklavenheeres mit in den Süden gegen Rom und in den Tod gezogen sein, er wird die Truppe verlassen haben und über die Bergsteige nach Norikum gewandert sein, um das zu tun was wir schon beschrieben. Wann und wo wird er seinen Helm „Negau-A“ abgegriffen haben ? Jedenfalls brachte er ihn während einer Etappe seiner Heimfahrt - als Dankopfer, als Bittgabe für eine glückliche Heimkehr - in das gleiche Tempel-Depot in das, nach dem Triumph der Schlacht von Noreia, ein hochrangiger Kimbern-Kamerad den Helm „Negau-B“ abgelegt hatte. „Hochrangig“, weil ein gemeiner Wandersoldat keine Dankesgabe an die Himmlischen für den Heeresverband, oder Teilverbänden, in Sakralgebäuden abzulegen befugt ist. Prof. Dr. Markus Egg führte während eines Interviews aus: „Ich habe wegen der Verbreitung der Inschriften der späten Negauer Helme vermutet, dass dieser Kultplatz möglicherweise nicht im Umfeld von Negau, sondern irgendwo im italienisch-slowenischen Grenzgebiet gestanden haben könnte.“
Es wäre gut denkbar, dass dem Erul in den Bergen die ehemaligen keltischen Waffengefährten, die Tiguriner, weiterhelfen konnten. Alles ist offen, manches ist wahrscheinlich, oder nur möglich. Ob er als 15-jähriger 101 v.0 die Invasoren-Niederlage von Vercellae, oder ob er als 45-jähriger 72 v.0 den Rebellen-Sieg bei Mutina (Modena) erlebte, wie er von dort die ca. 400 km (Luftlinie) nach Noreia überwinden konnte -, wir werden es wohl nie erfahren. Allein wird er nicht gewesen sein, zusammen mit kimbrischen Kameraden wird er das große Abenteuer der langen Wanderung in die Nordheimat Jütlands gemeistert haben. Auf diesem gefahrenvollen Weg, der eine Gruppe von Verschworenen zusammenschweißen kann, unter Eruls Führung, wird der Kern der kimbrisch-herulischen Wodan-Anhänger gediehen sein. Wann der Runenmeister von seiner aufwühlenden Vision ergriffen wurde, die zur runischen Schrifterfindung führte, vermögen wir ebenfalls nicht zweifelsfrei zu ergründen. Gesichert bleibt allein, dass dieser Mann existierte und dass er als Namenspatron anzusehen ist für die späteren Erilari, die Runenmagier, wie ebenso für die beweglichen, kampffrohen Wanderscharen der Eruli/Heruler.
Nach abenteuerlichen Gefangenschafts-, Lehr-, Militär- und Wanderjahren wird der Runenvater sein, auf germanische Bedürfnisse zugeschnittenes Sinnbild- und Lautzeichensystem, entwickelt haben. Er verwendete dafür die ihm bekannten urnordischen Begriffszeichen sowie alpenländische vorlateinische Alphabetbuchstaben einer dort beheimateten kelto-germanischen Bevölkerung, deren Lautsystem dem Nordgermanischen noch näher stand. Die angenommene Verwandtschaft entzieht sich der Beweisbarkeit, einige Autoren halten sie für möglich, auch wegen der Vergleichbarkeit von skandinavischer Felsbildkunst der Hällristningar und den Felsbildern der Camunni im lombardischen Val-Camonika: „So kamen wir zu dem Ergebnis, dass die Verbindung von Sinnbildern und Alphabet, wie sie vor allem in der Val Camonica deutlich ist, der Grund für die Übernahme gerade des norditalischen Alphabets durch die Kimbern gewesen sei.“ (Franz Altheim / Erika Trautmann, „Kimbern und Runen“, 1941, S. 10) Ob es sich bei den „Alpengermanen“, wie behauptet, wirklich um einen Mythos handelt, sei dahingestellt, doch die von Caesar erwähnten, den Helvetiern benachbarten „Tulingi“, machen einen germ. Eindruck durch das germ. Suffix -inga-. Das Val Camonica liegt westlich der Grenzen des keltischen Königreiches Noricum, welches ebenso eine sehr alte, bereits vorrömische und voretruskische Schriftkultur besaß; das erweist auch der von mir genannte urnenfelderzeitliche Schriftstein von St. Andrä. Erul lehnte sich aber an keines der vorhandenen Alphabete an, sondern griff jeweils heraus, was ihm für sein Vorhaben geeignet erschien. Die Abweichungen seiner Runenschrift von den Vorlagen sind zwar erheblich, doch die Verwandtschaft ist nicht zu übersehen. Die Lautwerte der Runen entsprechen den Alphabetzeichen F R H I S T B, das könnte kaum ein Zufall sein. Er ging eigene Wege, hatte eigene Gedanken, so wählte er z.B. nicht das kantige alpenländische R, sondern eine R-Rune bei der sich nie der Beistrich an den Hauptstrich anlehnt. Neun seiner Zeichen sind keinesfalls aus diesen Vorlagen ableitbar: Er schuf ein ganzheitliches Verständnissystem in dem Lautwerte, Zahlensymbolismen und Bildkürzel in einer umfassenden sakralkalendarischen Schau zusammenwirken. Seinem Werk lag unverkennbar - in jener düsteren Stimmung, welche die germanische wie die keltische, also die große gallo-germanische Niederlage, die Demütigung durch das imperiale Rom ausgelöst hatte - die inbrünstige Idee einer Glaubensvertiefung, oder religiösen Neugestaltung zu Grunde. Seiner Schöpfung - dem ODiNG-FUÞARK - wohnt eine in sich geschlossene, rekonstruierbare Botschaft, ein inbrünstiges Evangelium inne. Für dieses reformierte Verständnis steht nicht mehr der uralte indogermanische „vanische“ Himmelsgott ai. Dyaus Pita, gr. Zeus pater, lat. Jupiter / Diēspiter, germ. Tiwaz / Tiu (8. Rune ) im Mittelpunkt - dessen vernichtenden Gottesurteil die verlorenen Schlachten zugerechnet werden mussten - sondern der „asische“ Seelen-Geist-Kriegsgott Wodanaz (21. Rune ) - wie ich hinreichend nachgewiesen habe. Mit den von Runen-Meistern missionarisch gelehrten Runen griff unter den Germanen die Wodan-Religion um sich. In ihr rückte der alte Himmelsgott zwar an zweite Stelle zurück, obwohl ihm noch hohe Ehrung erhalten blieb (3x8=24). Aus der Geisteshaltung dieser Od-Gott- / Wodanreligion - die seelenstärkende, seelenbewegende - erwuchs den germanischen Völkern die Kraft für weitere Auseinandersetzungen, und bereits wenige Generationen später, zum endgültigen Sieg über die infame, so oft verschlagen und trügerisch handelnde - eben imperialistische - römische Sklavenhaltergesellschaft. Die Seelenhaltung der Wodan-Religion ist mithin auch das Ergebnis eines germanischen Lernprozesses. Das Vertrauen in die Gerechtigkeit des himmlischen Gottesurteils musste zwangsläufig für die Überlebenden Teutonen und Kimbern nachhaltig erschüttert worden sein. Sie erkannten, dass Lug und Trug weiterhilft als ihre typische aus Schlichtheit und Naivität geborene, auch noch urdeutsche gutgläubige Redlichkeit. Die neue Wodan-Religion erlaubte - hieß sogar gut, zumindest gegenüber Gegnern - die geistvoll-listreichen Ränke bis hin zur trügerischen Übertölpelung. Bezeichnend ist ein altnordischer Beiname des Runengottes: „Vilir“ (Überlister).
Der germ. Name eines „Irila“ (Erila) erscheint sogar im 2. Jh. n.0 unter den Inschriften der buddhistischen Krypta zu Junnar, Bezirk Pune, östlich Bombay. (RS S.143) Vielleicht brachte dieser Weltfahrer die auf Helgö im schwed. Mälarsee gefundene bronzene Buddha-Statuette des angeblichen 5./6. Jhs. mit. Bei etlichen der bekannt gewordenen Runenritzungen gibt sich ein „Eril“ als Urheber zu erkennen. Der Begriff „erilar“ galt als Standesbezeichnung der Runenmeister und hat vermutlich das Grundwort für den altnord. Adelstitel „Jarl“, angels. „eorl“, engl. „earl“ geliefert. „Der erulische Anteil an Runenschrift und -inschriften ist jedenfalls älter als die Eril-Denkmale des 5./6. Jhs.“ (KRS S. 143) Die mehrfachen Nachweise eines schreib-befähigten „Erilar“ in den Runenfunden ließ die Forschung schon sehr bald zu dem Schluss kommen, dass das Wort Eruler ursprünglich kein Stammesname gewesen sein konnte, sondern die Bezeichnung der Angehörigen eines vornehmen Standes. (WJK S. 43ff) „Die Sprache dieser Inschriften weist auf den eingeweihten Runenmeister und auf sein magisches oder kultisches Werk; der Eril weiht eine Waffe, malt ein listenreiches Runenwerk, macht einen Herdfeuerstein (Steinaltar ?) […] stellt sich mit ek ,ich’ nachdrücklich vor und nennt außer seinem Titel Eril - Standesbezeichnung, wie man glaubt - sprechende, z.T. dunkle Namen. Die Schrift dieser Denkmale versteht sich nicht als profane Mitteilungsschrift […]. Hier interessiert zunächst die wiederkehrende Selbstbezeichnung erilar, irilar, die auf den Beruf des eingeweihten Runenmeisters und auf seine Teilhabe am Runenmysterium deutet. […] Der ,erulische’ Anteil an Runenschrift und -inschriften ist jedenfalls älter als die Eril-Denkmale des 5./6. Jhs. Um 200 n.Ch. beginnt die historische 24-Runen-Zeit und die ältesten Runenlandschaften decken auch die alten Verbreitungsgebiete und Einflussbereiche der ,Eruler’ …“, schreibt der kongeniale H. Klingenberg. (KRS § 48ff) - Miriam Blümel in „Weißt Du zu ritzen? Weißt Du zu raten … “, 2014, S. 10ff: „Der Name Erilar bedeutet Jarl, verwandt mit dem englischen „Earl“, war er ab der Germanischen Eisenzeit bis ins Hochmittelalter ein Fürstentitel in den nordischen Ländern. Die früheste Verwendung des Jarlsbegriffs taucht in Runen-Inschriften aus dem 5. Jahrhundert auf. Die Inschriften sind von der Mitte Norwegens bis nach Südschweden und Fünen zu finden. In diesen Texten heißt der Jarl erilaR. Alle haben vor erilaR ein betontes ek (= ich) stehen. Oft nennt sich der erilaR mit seinem Namen, woraus sich ergibt, dass es sich um einen Titel handelt. Die Seltenheit der Inschriften weist auf einen kleinen Kreis der Nutzer und damit auf den hohen Rang verbunden mit einer Bildung hin, die die Kenntnis der Runenschrift beinhaltet. Oft stellen die Texte die Schriftkundigkeit des erilaR besonders heraus. Der erilaR war auch Runenmeister. Da die Runen einen magischen Kontext hatten, muss der Jarl auch u.a. eine religiöse Funktion ausgeübt haben. Hier und da ist auch von Weihehandlungen durch den erilaR die Rede. In seiner gesellschaftlichen Funktion hatte der Jarl oder Erilar also sowohl weltliche als auch religiöse Aufgaben inne.“
Der Gründer und Verkünder der Runenreligion muss sich ausreichend lange im Dunstkreis gnostisch-religiöser und philosophischer Schulen aufgehalten haben, um sie studieren und innerlich verwerten zu können. Es ist aber viel eher oder zusätzlich anzunehmen, dass der Runenerfinder einen weisen keltischen Informator fand, dem er kameradschaftlich verbunden war. Möglicherweise ein Verwandter der Bestla, wie es die Sagen andeuten, in denen dieser schriftkundige Weisheitslehrer „Mimir“ genannt wird. Ein Name der verwandt ist mit lat. memor und altengl. mimorian („erinnern, eingedenk“) bzw. angelsächs. māmrian („grübeln“) und norweg. meima („messen“), so dass Mimir als der wägende, sinnende Grübler zu deuten wäre, zu dem der Runenschöpfer engste Bindung unterhielt, um immer wenn ihm eine kniffelige Frage aufging, seines Mentors Rat zu erlangen. Es steht geschrieben, Mimir sagt „klug das erste Wort und nannte wahre Runen“ (Lieder-Edda, Sigrdrífumál 14). Die mythisch verklärte Erinnerung vermeldet, dass manche Wissenschaft aus dem „Weisheitsbrunnen Mimirs“ getrunken wurde. In einer der Auseinandersetzungen mit Anhängern herkömmlicher Kulte („Asen- und Wanenkrieg“), kam es zur tragischen Tötung und Köpfung des gelehrten Mimir, dessen Haupt durch Zauber und mittels Kräutern auf lange Zeit konserviert worden sein soll. („Ynglinga saga“ 4, 7)
Wohl als gereifter Mann war Erul mit seinen Meisterschülern und der sich hauptsächlich aus Kimbern rekrutierenden Anhängerschar in die jütländisch-dänische Heimat zurückgelangt, um eine wodinische Sammlungsstätte der Glaubensgemeinschaft zu errichten, als deren Einweihungskerbstock und Glaubenslehrbuch die ODING-FUÞARK-Runen dienten. Die Heimat jener sich formierenden, scheinbar unstet durch Europa schweifenden Männerbünde, lokalisierte die Forschung vor allem auf dem dänischen Seeland, Fünen und den angrenzenden Teilen von Schleswig -, des weiteren von Südnorwegen, über Schonen, bis zur Insel Gotland. Hätte dem Runen-Mysterium kein zündender, Begeisterung auslösender religiös-weltanschaulicher Impuls zugrunde gelegen -, lediglich die Information über ein neues Schriftsystem, an welchen durchaus kein Mangel herrschte, könnte man die rasend schelle Verbreitung über die gesamte germanisch bestimmte Welt überhaupt nicht erklären.
Aber die Rauschgott-Religion, einhergehend mit rituellen Ekstase-Feiern - wohl ähnlich den Dionysos-Kulten - vermochte wie ein Waldbrand um sich greifen. (Otto Höfler, „Kultische Geheimbünde der Germanen“) Von kultischen Trinkgelagen hören wir noch in der Lebensgeschichte des irischen Wandermönchs Kolumban. Der traf i.J. 611 alamannische Männer am Bodensee, bei Bregenz, die zu Ehren ihres Gottes „Vodano, quem Mercurium“ ein kultisches Trinkgelage hielten, wobei sie um ein großes Gefäß herumlagerten, das sie Kupa nannten und etliche Maß Bier enthielt. („Vitae Columbani“) Dazu merkt einer der sensibelsten Kenner der germ. Seele, Wilhelm Grönbech, an: „Die gesamten Erzeugnisse der lustigen Brüder und der gestrengen Heiligen beweisen uns nicht, dass das Trinkblot zu irgendeiner Zeit die einzige Form germanischer Götterverehrung war, sie deuten nur an, dass der Trank im ganzen germanischen Bereich bis zu den letzten Tagen des Heidentums den Mittelpunkt des alten Kultes bildete, und das tat er wahrscheinlich von der Zeit ab, wo Götter unsern Vorfahren das mächtige Geheimnis des Bieres offenbarten. Es erschien offenbar Tacitus’ germanischen Zeitgenossen ganz natürlich, sich im heiligen Hain zu einem Trinkgelage zu versammeln, und wir gehen kaum zu weit in unsern Schlüssen, wenn wir annehmen, dass die Germanen, als die gewaltigen Trinker, die sie waren, sich in dieser Kunst unter den Auspizien der Götter selbst geübt hatten.“ („Kultur und Religion der Germanen“, II., S. 150
Epilog
Zusammenfassung der Ablehnung, warum die Theorie von Gott Wôðanaz-Wodin-Odin, als beschränkter „Heerkönig-Gott“ der Fürstenhöfe, einer genauen Überprüfung nicht Stand halten kann. Für eine solche Sichtweise des Odin, als junger, eingewanderter Gott, machten sich besonders stark die Autoren Snorri Sturluson, Bernhard Kummer, Karl Helm und Herman Wirth. Sturluson tat es weil er als Christ darauf bedacht war, das germ. Urkonzept zu verfälschen, Helm und Kummmer taten es als geistige Nachkriegserschütterte und Wirth tat es aus seiner Frauenkult-Neigung heraus, seit dem er Johann Jakob Bachofens „Das Mutterrecht“ gelesen hatte. Dafür brachte Wirth eine Reihe weiterer gewagter, angreifbarer Manipulationen hervor. Der germ. Geistgott Odin scheint aber schon konzeptionell zum ur-arischen Pantheon gehört zu haben, wie die indogerm. Götter Vayu und Vai Hinweise geben können. Vayu der vedische Gott des Windes und des Lebeshauches Prana. Die Lebenskraft Prana ist vergleichbar mit Qi in Altchina oder dem germ. Od. Varuna ist mit Indra, Vayu und Agni der wichtigste Gott der arischen Veden. Der All-Gott Varuna ist zu vergleichen mit Dyaus, Zeus, Jupiter, Tiu-Tyr und Vayu-Odin ist der darin wirksame Lebenshauch-Spender, gewissermaßen der Heilige Geist. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um Herkommen handelt, die aus der Zeit stammen, als die Indogermanen ein einziges Volk waren, zur Phase der nordischen Trichterbecherkultur (ca. 4200–2800 v.0), vor ihrer Zersplitterung in die diversen arischen Völker. Ebenso wie auch die Gleichklänge zwischen den Gott-Thor- und Indra-Sagen, wie die Heimholung des Dichtermetes, von der gemeinsamen Volkszeit Zeugnis ablegen. Alles an der Begrifflichkeit des frühen Mercurius-Wodan zeugt von einem ur-arischen Gepräge, das nicht künstlich ins späte Germanentum hineingetragen worden sein kann, vielmehr eines seiner urgeistigen Glaubenspositionen umfasst.
Wäre Gott Odin im Schwerpunkt nur an den Fürstenhöfen verehrt worden, hätte er niemals diese Brauchtumsfülle als Erntegott und Heilberater im Bauern- und im einfachen Kriegervolk der Völkerwanderungszüge erringen können. Dann hätte sich die Christenkirche auch keinen Ersatzspieler ausdenken müssen, was sie in der Gestalt des hebräischen Erzengels Michael tat. Dann wäre ihr Erzengel - als Odin-Ersatz - auch nicht mit diesem dauerhaften Enthusiasmus vom Germanenvolk angenommen worden. Das stärkste Argument für Odin als germ. Urgott hat Gerhard Hess geliefert, mit seiner Runenreihen-Struktur-Analyse „ODING-Wizzod“ (1993). Die zahlenmythologische Bestandsaufnahme der 24er Ur-Runenreihe beweist die konzeptionelle Sonderstellung des Asen Odins auf 21. (QS 3) Position und seine, dem Runenkonzept innewohnenden, sonnentheologischen Ausdeutungen. Das bedeutet, dass seit Beginn der Runenverbreitung der Odin-Glaube, davon nicht getrennt gesehen werden kann, also untrennbar dazu gehörte.
Die Frage nach dem Alter des Ur-Runenkonzeptes - einschließlich Odin-Religion - ist seit kurzer Zeit, mit dem Ringerike-Fund, auf ca 2.000 Jahren anzunehmen. Seit Beginn heutiger Zeitrechnung gibt es die runische Schreibweise und Mythologie, mit ihrer Odin'schen-Missionskonzeption.