Ferdinand Konrad Rittmeyer
 
ICH KANNTE ECHTE MÄNNER
 
Ich danke meines Schicksals Weben,
durft‘ ich doch einst - zu meiner Zeit -
noch echte Männer sehen und erleben.
 
Das ist vorbei, gestorben und vergessen,
ein Virus führt die Massen ins Verderben,
längst wird mit falschem Maß gemessen.
 
Nestbescheißer, Memmen, Deserteure,
im Hintergrund geldschwere Finanziers,
sie lenken jetzt die lauten Narren-Chöre.
 
Aufrechte Männer durfte ich betrachten,  
als Vorbilder verschenkten sie uns Kräfte,
drum kann ich niemals allesamt verachten.
 
Ich kannte eine Reihe großer Generale,
Haudegen, Fernspäher, Fallschirmjäger
und unbeirrbar feste Deutsche allzumale.
 
Das trag‘ im Herzen ich als gute Zehrung,
das Bild von Führern und von Kameraden,
Vaterlandsliebe, das war unsere Währung !
 
Alle soldatische Ehre und menschliche Achtung
meinem geliebten Vorgesetzten
Major Ferdinand Konrad Rittmeyer !
 
Bevor ich Fernspäher im Dienst des Major K. Rittmeyer in Altenstadt-Schongau wurde, hatte ich als Chef des Fotolabors der Stabskompanie der 1. Luftlandedivision zu Esslingen, privat und geschäftlich mit vorbildlichen Kameraden und Offizieren zu tun, wie Generalmajor Hans Kroh (1907-1967) und Generalmajor Gericke (1907-1991). Hans Kroh war in Weltkrieg II. Teilnehmer der Kreta-Luftlandung und konnte später mit seiner Einheit den Stadtteil St. Pierre in Brest nördlich des U-Boot-Stützpunktes bis zum 18. September 1944 halten, geriet danach in US-Gefangenschaft, aus der er 1948 entlassen wurde. Er trug das „Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern“. Er diente nach dem Kriege in der Bundeswehr, wo er am 1. Juni 1944 mit der Führung der 1. Fallschirmjäger-Division beauftragt wurde. Generalmajor Walter Gericke war Bataillonskommandeur der Fallschirmjäger, als er ebenfalls in Weltkrieg II. an der Luftlandeschlacht um Kreta teilnahm. Für diesen Einsatz wurde er mit dem „Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ ausgezeichnet. Später kommandierte er das Fallschirmjägerregiment 11 und nahm in Italien an der Schlacht von Anzio teil, wofür er das „Eichenlaub zum Ritterkreuz“ erhielt. Nach dem Krieg trat er in die Bundeswehr ein und befehligte von 1962 bis 1965 als die 1. Luftlandedivision. Er verfasste eine Reihe von Schriften über das Fallschirmspringen. 1961 erfolgte seine Ernennung zum Brigadegeneral und am 1. Oktober 1962 löste er Generalmajor Hans Kroh als Kommandeur der 1. Luftlandedivision ab.
 
Ferdinand Konrad Rittmeyer (1919-2009) wurde in Schwandorf geboren, einem kleinen Städtchen das noch knapp vor Kriegsende, am 17.04.1945, von den Alliierten platt gemacht wurde, wobei mindestens 1.250 Zivilisten (Schwandorfer, Flüchtlinge, Heimatvertriebene) ermordet worden sind. Weit über 1.000 Häuser wurden völlig sinnlos ganz oder teilweise zerstört. K. Rittmeyer war Oberstleutnant der Bundeswehr und führend am Aufbau der deutschen Fernspähtruppe beteiligt. Er trat 1937 in die Wehrmacht ein und nahm von Beginn an am Weltkrieg II. teil, zuerst beim Polenfeldzug dann, nach der Kriegserklärung Frankreichs und Englands an Deutschland, beim Westfeldzug. Mit seiner Panzeraufklärungskompanie war der verwegene Rittmeyer nicht selten hinter den feindlichen Linien auf Erkundungstour, in Afrika und Russland, zuletzt in der Heeresgruppe Schörner als Bataillonskommandeur. Rittmeyer wurde für seinen Mut und seine Tapferkeit mehrfach ausgezeichnet. Mit seinem Panzerspähwagen hatte er beispielsweise in einem Hafenbecken von Tobruk ein englisches U-Boot zur Übergabe gezwungen. Kurz vor Ende des Krieges geriet er als Hauptmann in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde von den Amis an die Russen ausgeliefert, aus deren mörderischen Gefangenschaft, in verschiedenen Lagern Sibiriens, er erst 1955 entlassen wurde. Tschechen hatten seine Frau und seine beiden kleinen Töchter gefoltert und zu Tode vergewaltigt, eine schreckliche Begebenheit, die er in Andeutungen uns einmal mitteilte. Ich liebte und verehrte diesen ernsten, stattlichen und schneidigen Mann. Uns verband weitgehend die gleiche Weltanschauung. Wir tauschten uns über Literaturen aus, die wir beide verschlungen hatten. Mich hatte Rittmeyer, als Major und Führer der „Fernspähkompanie 200“ in Altenstadt-Schongau, einige Monate in die Schreibstube beordert und zwar für die Zeit, bis der Fotoausrüstungs-Unimog an die Truppe ausgeliefert wurde, denn ich war als Leiter für den Fernspäh-Fotozug bestimmt. Er hatte bei einem Spind-Appell einige unzeitgemäße politische Schriften bei mir entdeckt und fragte mich streng: „Hess, stehen Sie dazu ?“ Ich nahm Haltung an und antwortete keck, ohne zu wissen was mir daraus Nachteiliges erwachsen würde: „Jawohl Herr Major !“ Widererwarten schmunzelte aber Rittmeyer und sagte zu meiner Verblüffung: „Melden Sie sich nach dem Appell in der Schreibstube, ich habe Verwendung für Sie !“ Da ging mir das Licht auf, dass der von mir bewunderte Haudegen meine Weltanschauung teilte, dass wir Genossen im Geiste waren. Damit wurde Rittmeyer mein Bürochef, der ein großes persönliches Vertrauen in mich setzte, was ich unbedachterweise durch eine Ferienfahrt nach der Insel Elba/Italien enttäuschte. Wir durften - als militärische Geheimnisträger der Stufe 1 - nicht ins Ausland reisen und hatten es wegen eines Tauchurlaubes doch getan. Als wir aus Italien zurückkamen wurden wir - zu unserem großen Erstaunen - zunächst verhaftet.
 
Rittmeyer war bereits kurze Zeit nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft in die Panzeraufklärungstruppe der Bundeswehr eingetreten. Seinem guten Ruf als hervorragender Mensch und Offizier vermochte Rittmeyer auch in der Bundeswehr zu entsprechen. Nicht zuletzt dieser Eigenschaften wegen erhielt er am 16. November 1961 vom Heeresamt den Auftrag, unter der Arbeitsbezeichnung „Lehrgruppe R“ an der Luftlande- und Lufttransportschule Altenstadt-Schongau mit dem Aufbau der Fernspähtruppe zu beginnen.
 
Zu diesem Zweck reiste er durch die Bundeswehrstandorte der Fallschirm- und Gebirgsjäger, um sich seine Mannschaft zusammen zu suchen. Mit 43 Jahren absolvierte er selbst den Fallschirmspringerlehrgang. Nach seiner eigenen Aussage suchte er „die 2.000 härtesten Männer der Bundeswehr“. Ich wollte dazugehören und wurde angenommen. Sein Feindbild war klar gegen Osten gerichtet, wie es - laut US-Anweisungen - damals in der gesamten Bundeswehr üblich war. Der Major begann 1962 mit seinem Freiwilligen-Kader mit der Ausbildung von Soldaten für die neuaufgestellte Fernspähtruppe. Ich gehörte zu den ersten 20 Mann die diese Truppe in einer stacheldrahtumzäunten Baracke in der Fallschirmjäger-Kaserne Altenstadt aufbauten. Unser Wahlspruch lautete „oculus exercitus“ („Auge des Heeres“). Bald wurde unsere „Lehrgruppe R“ in „Fernspähkompanie 200“ umbenannt, ofiziell aber erst am 1. Oktober 1963. In seiner Truppe befanden sich eine Menge harter Hunde, der Major meinte: „Ich habe 30 % Verbrecher in der Truppe, das sind zwar im Ernstfall die besten Soldaten, aber im Frieden können wir sie nicht gebrauchen.“ Er besaß zuweilen eine übertriebene Ausdrucksweise, „Verbrecher“ waren die Betreffenden nicht aber es waren echte, starke Kerle, die sich nicht scheuten, Gegensätze mit den Fäusten auszutragen. Ständig musste sich der Chef die Klagen anhören, dass seine Jungs wieder einmal buchstäblich über die Stränge geschlagen hatten. Es hagelte unehrenhafte Entlassungen. Die Fernspähkompanien wurden den Korps unmittelbar als Korpstruppen für die operative Feindaufklärung unterstellt. Unter Rittmeyers Führung wurden in der Folgezeit auch die Kader für die Fernspähkompanien 100 und 300 ausgebildet und in Fritzlar und Delmenhorst aufgestellt. Aufgabe der Kompanien war das Gewinnen von Informationen in der Tiefe des feindlichen Raums. Die Spähtrupps sollten im feindlichen Hinterland mit dem Fallschirm abspringen und per Funkgeräte die feindlichen Aufmärsche an die Empfangstrupps melden. Dabei sollten operativ und strategisch wichtige Ziele aufgeklärt werden, um deren Bekämpfung durch andere Kampfkräfte zu ermöglichen. Die Soldaten der Kompanie waren zum stationären und beweglichen Einsatz bei Tag und Nacht sowie zur Dokumentation und Auswertung der aufgeklärten Information durch optronische Spezialaufklärung befähigt. Wir wurden im Tastfunk, Nahkampf, verschiedenen Waffenführungen, Tarnen und Täuschen und im auf sich selbst gestellen Leben in der Natur ausgebildet. Am 26. Oktober 2011 stellte der Bundesverteidigungsminister im Bundeskabinett das „Stationierungskonzept 2011“ vor, nach dem die Fernspählehrkompanie 200 aufgelöst wird. Die Kompanie wurde zum Jahresende 2015 aufgelöst und ihre verbliebenen Teile wurden zu großen Teilen in die Luftlandeaufklärungskompanien eingegliedert.
 
Auszeichnungen des Soldaten F. Rittmeyer: Ritterkreuz, Deutsches Kreuz in Gold, Eisernes Kreuz I, Eisernes Kreuz II, Ärmelband Afrika, Medaille Winterschlacht im Osten 1941/42, Verwundetenabzeichen.