ZEITRAUM DER RUNE
Die Arbeit am Acker ist achtsam getan,
jetzt drängt die Dauer der Dulte heran.
Der gesamte Gau ist zu Gaste geladen;
wandernde Wagen auf Wegen, auf Pfaden.
Zu Markte und Mahlstatt reisen die Magen,
die Jahreserträge zum Tausche zu tragen.
Stehende Streitsachen sind zu schlichten,
es ist zu regieren, zu reden, zu richten;
ein Haschen und Hoffen, Hadern und Hasten,
Rackern und Raffen, Raten und Rasten.
Dies alles unter hoher, hütender Huld,
das ist das herbstliche Ding und die Dult.
Mächtige Märkte voll Kisten und Karren,
Matronen mit Maiden hüten und harren.
Buden bei Bausen bergen die Ballen;
Pferdegewieher und Peitschenknallen.
Auf Borden, auf Bahren Feiles in Fülle;
vom rauchigen Rain röhrt Rindergebrülle.
Flatternde Fahnen, wechelnde Wimpel,
Gaukler - Gögel - Gauche und Gimpel.
Kacheln voll Körner, Fässer mit Fischen,
Tendler tagaltern an Topeltischen.
Lennelein locken, wispern und winken
den Kluterknechten, den fingernden flinken.
Leckere Lebzelte lieren auf Latten,
Käsbollen kullern aus kleckendem Kratten.
Zwillich und Zwirne in zeigenden Zeilen,
Kaller und Kunden verhandeln, verweilen.
Flierende Fransen, fügliche Flausche,
kargende Käufer erkiesen die Bausche.
Kober auf Körben mit Kraut und Kohl,
um Waagbalken wabelen Weibchen zum Wohl.
Schaben, Schneiden, Schippen, Schütten,
Anke in Äschen bei barzenden Bütten.
Kümmel in Kumpfen, Flomen und Fladen,
Humpen und Klumpen zur Labe einladen.
Kringel wie Krapfen und Zuckerschrot,
Würzwein mit Weggen und Hutzelbrot.
Metsieders märende Zecher bezollen,
Münder und Mägen bemeistern die Mollen.
Aufschäumend geschenkt das braune Gebräu,
Lust für die Lippen vor Rausches Reu’.
Jammernde Jungkerle suhlend im Sand,
von Mostes und Metes Macht übermannt.
An Kesseln, an Kannen klimperndes Klopfen,
Stanzen, Stemmen, Stoßen und Stopfen.
Mollige Mütter am Spindeln, am Spulen,
magere Mägde blinzen den Buhlen.
Die Lüfte beladen von Liedern und Lachen,
von Zeter und Zänke, Keifen und Krachen.
Balgende Burschen im Knüllen und Kreigen,
das rundet des Rummels rastlosen Reigen.
So mochten die Märkte zu allen Malen
auf planen Plätzen prunken und prahlen.
Der schutzheilige Herr der Herbstesfeier,
der wahre, immerwaltende Segens-Weiher,
ihn erzeigt sein zwanzigstes Runen-Haus:
Der Herr aller Dinge ist doch der Daus,
der zweieinige Gott, der Zeus, die Zeit,
der ewige Zweitakt, der Freud-und-Leid.
Der Thingsus-Tiu trägt Oben und Unten,
so hat ihn der Runenbarde befunden.
Er ist ja die Acht, die Dauerschlinge,
im unendlich sich ziehenden Zeitenringe.
Ein Runengedicht hat es treulich bewahrt:
Tiu „ist immer auf Fahrt“.
Sonne und Zeit sind die ziehenden Räder,
so war das Gleichnis der Älterväter:
Jupiter sendet die Sonnenquadriga,
Mars liebt die Fronten brechende Biga,
Donar-Thor, der donnernde Wagengott,
überfährt titanische Tücke und Spott.
Und Indra wie Mitra, die Wagenherren,
zersprengen die starken feindlichen Sperren.
Das rasende, ratternde Kriegsgefährt
hat seinen Gegnern das Grausen gelehrt.
Der Himmelsherr sendet Sonne und Blitz,
bei ihm hat himmlisches Feuer den Sitz;
zu heilen vermag er und auch zu hadern;
er treibt das trotzige Blut durch die Adern.
Als kundiger Kämpfer kürt er den Krieg,
er schenkt im Streite den Segen, den Sieg.
Kein Wehrwilliger wollte je wanken,
Siegsendenden Göttern auch zu danken.
Als trefflichster Dank nach deren Art
galt die wilde, gewagte Rennwagenfahrt.
Das Jagen mit pfeilschnellen Pferden,
männlich-mächtigste Freude auf Erden.
Allein der Gottheit geliebtester Sohn
erlangt des Sieges ehrenden Lohn.
Ihm reicht Gott-Vater den eigenen Glanz,
legt in die Locken den Eichenkranz.
Nur auf Donner-dräuende, derbe Degen
senkt schlachtgewitternder Geist den Segen.
Nur marsisch-mutigen, markigen Mannen
verbürgt sich der Gott, die Gegner zu bannen.
Die Reide geht an, das herrliche Rennen,
Herzen und Hirne der Helden entbrennen.
Es erwärmt sich am stolzen Spiele so gut
der hohe, heitere, heiß-hoffende Mut.
Am brummelnden Bach auf dem Wiesenplan,
in der breiten Lehde liegt die Bahn.
Den Rennrain umsäumt ein rauschendes Ufer
der ratenden, rügenden, rüstigen Rufer.
Flutternde Flaggen zum frohen Geziere,
tummelnde Tücher und tänzelnde Tiere.
Werken und Walten an Rädern und Rossen,
es prüfen und proben die Reide-Genossen.
Jetzt hallen Hifthörner über das Tal,
das ist das erlösende Laufsignal.
Wie der Hornklang Rennern die Hufe hebt,
die Luft erzittert, der Boden erbebt,
wie Beine wirbeln und Reifen umsausen,
Wagen die langen Bahnen durchbrausen.
Greifende, grimme, renngierige Gäule;
auf stiebt der Staub an der Wendesäule;
schaumige Trensen, - trommelnde Hufe;
schrillende Schreie, warnende Rufe.
Wildkühne Kerle auf federnden Knien
mit eisernen Fäusten die Zügel ziehen.
Brechende Räder, zerschellende Wagen,
stürzende Pferde und Niederlagen.
Der rascheste Recke mit rasenden Rossen,
durch Trubel und Trümmer dahingeschossen;
ein heiler, lichter, lachender Held,
ihm hat die Gottheit den Sieg bestellt.
Der sei gedankt, sie sei besungen;
wie bald sind jubelnde Hörner verklungen.
Doch war es ein treues, tröstliches Treiben
für jene, die da im Schatten verbleiben:
Für die Toten-Seelen der Heldenahnen,
die an verhängtes Ende die Enkel gemahnen.
Der Rennbahn gleich, ringt sich das Leben,
mit Erfolgen und Niederlagen daneben.
Zwei Bahnen kennt das Wesen der Zeit,
ein Aufstieg und Abstieg in Ewigkeit.
So wie die Rennwagen Wenden umkreisen,
so sind wir alle im stetigen Reisen.
Wir sitzen im Wagen, der abwärts rollt,
den Ahnen sei der andere Wagen hold !
Eine Feier für Tiu mit SIEGES-DANKEN,
bei der die Männer die Minne tranken;
für Gott und die Ahnen wurde getrunken
und die Brüder, die im Blute gesunken.
Für die hohen, heiligen Helden, Heroen,
all‘ den kampfeskühnen, den wagefrohen,
stach man im Spiele, brach die Lanzen,
zeigte so zierlich das Waffentanzen.
Frohsinn sollte die Seelen beschenken,
jene Feier war ja ein TOTEN-GEDENKEN.
Denn die Sippe die ihre Toten nicht ehrt,
die hinter ihr stehen mit blutigem Schwert,
die wird von Gott aus der Zukunft gewischt -,
so hält unser Herr sein Völkergericht.
Gefallene Krieger, wie gesätes Korn,
lugen wieder herauf aus dem Lebensborn.
Aus den Ahnen steigen die Enkel auf,
so lehrt es der kreisende Lebenslauf.
Jahres-Orlog und -Ordal sind bestanden,
die gefallenen Brüder in fernen Landen,
sie warten im Acker wie Wintersaat,
die der Bauer jetzt auch im Boden hat.
Kämpfer und Korn mögen aufersteh‘n,
das ist der Herbstfeier frommes Fleh‘n.
Um Ernte-Heil, um volltragende Frucht
wurde zum Feste die Gottheit ersucht.
Donar-Thor der Wagen-Gott
Die Rune Zwanzig ist zu durchschauen,
der Runenregel, wir dürfen ihr trauen:
Allvater ist mit der „Zwei“ gemeint,
in dem sich Tiu und Donar vereint.
Zwei Kultkreise, doch ein Gottesgigant,
das hatte der Runenweise erkannt.
Für die eine gewaltige Gottesidee,
für Donar und Tiu steh‘n „D“ und „T“.
Dies' galt den Weisen als ungeschieden.
Im Baumaiphabet der Kelten - Druiden
vertritt das „D“ „Duire“, die Eiche,
das Ogham-„T“ meint‘ fast das gleiche,
sein Wort dafür war Steineich‘ „Tinne“;
ist das nicht ganz im Runensinne ?!
Zum Irmin-Gott gehört der Wagen,
er will damit die Zeit durchjagen.
Er ist der Herr, der Sieg verspricht,
als Richter sitzt er im Thinggericht.
In den Monat, der die Blätter färbt,
ist sein SIEGES-DANKFEST eingekerbt.
Es war ein Gedenken für tote Helden,
wie kundige Urkunden es vermelden.
Rennwagenkämpfe wurden gehalten,
die als der Feier Höhepunkt galten.
Von Irland bis Indien, - weltweit
finden sich Spuren der Herbst-Festzeit.
Hellenen, Iraner, Thraker, Germanen
begeisterten sich für Rennwagenbahnen.
In Altindien das „Vajapeya-Rennen“;
für Rom sind die „Ludi Romani“ zu nennen.
Die „Equirrien“ wurden ausgerichtet,
Die raschesten Rosse herausgesichtet,
das würdigste „Oktober-Pferd“ gekürt,
und dem Mars als Dankopfer zugeführt.
Die Griechen hielten Ritterspiele,
sie zogen für ihren Zeus zum Ziele.
Attische Heroen wollte man lohnen
mit glänzenden „Hippischen - Agonen“.
Der Dienst an Theseus, die „Theseen“,
wurden als Gefallenen-Ehrung gesehen.
Die arische Rennleidenschaft ist alt,
das ist ein erwiesener Sachverhalt.
Wohl dreitausendjährige Felsbildbelege
erzeigen die nordische Rennwagenpflege.
Und der Kursus bei Stonehenge gar
beweist wohl, dass sie noch älter war.
In die Zeit des zehnten Mondes fielen
die Dulte und ihr Wettkampf-Spielen.
War‘s denn ein Rest von Urerkennen,
beim Oktoberfest das „Wiesenrennen“ ?
Bronzezeitliches Begräbniszeremoniell
Der Runenbegriff ist: REITE-RITT-REISE,
mit Rad, „ratha, rat“ in gleichem Geleise.
Das Runenbildkürzel, es will nur sagen:
„Reite“ - dies alte Wort für „Wagen“.
Also ist der Wagen ein Totenkarren,
er karrt die Leiber zum Verscharren.
Er bringt die Seelen vor Gottes Gericht,
er führt die Geister in‘s ewige Licht.
Der Wagen steht Wodan, dem Seelenkärrner,
zum Heldengedenken auch nicht ferner
als Tiu und dessen Sieges-Dankfeier,
auch er ist Streiter und Siegverleiher.
Die Rune trägt tauglichen Doppelsinn:
Als Totenmal wacht sie am Winterbeginn.
Die ersten Vollmonde nach den Gleichen
erzeigen des Himmelsgottes Zeichen.
Die Tyr-Rune öffnet das Sommer-Tor,
„Der Bauer gewann, der Riese verlor !“
Wer das Jahr mit dem Winter beginnen lässt,
hält im „Vinterfylled“ sein Neujahrsfest.
Doch wie man die Zeit auch organisiert,
die Runen bleiben stets richtig platziert.
Nichts wäre sicher, wenn‘s sie nicht gäbe,
unwandelbar stehen die heiligen Stäbe.
Sie künden den Stand der kosmischen Uhr,
sie folgen der göttlichen Jahresspur.
Es entdeckt uns die diensame Runenschar,
das heimische, heimliche Goden-Jahr.