GRIGORI RASPUTIN

Sibirien ist weit und Gott ist so fern,
ein russischer Junge sucht seinen Stern,
er ist kräftig und groß und voller Kraft,
so geht er als Pilger auf Wanderschaft.

Kräfte erwachsen an Geist und Gespür,
er ringt, er sucht die verschlossene Tür,
bis ihm die göttliche Mutter erschien,
dem Grigori Jefimowitsch Rasputin.
 
Schön ist er, hell, mit rötlichem Bart,
von reiner, nordischer Menschenart.
Hellsichtig blickt’ er ins Menschen-Tal,
mit magischen Augen wie blauer Stahl.

Er ist Urmutter Erde begnadeter Sohn,
er lauscht ihrem raunenden Rätsel-Ton.
Ein Bauer bleibt er aus gutem Grund’,
so werden ihm Winke der Geister kund.

Den Ur-Elementen ist er verfallen,
im urgewaltigen seelischen Wallen.
Zügellos schätzt er den Frauenschoß,
die vulkanische Liebe lässt ihn nicht los.

Er liebt die Leiber, er liebt die Seelen,
wie könnten die ihre Leiden verhehlen ?!
Und weil er selber tief drinnen weilt,
hat er die Kraft die erfühlt und heilt.

Als er dem Zarewitsch helfen kann,
gedieh er der Zarin zum „Heiligen Mann“.
Wer Einfluss erhält, wird auch gehasst,
heimliche Mordpläne wurden gefasst

Russlands Bojaren wollten den Krieg;
Rasputin warnte vor Krieg wie Sieg.
Die Deutschen schlagen die Russen gut,
da rast in Russland die tumbe Wut.

Zum „Prügelknaben“ wird Rasputin,
ein Verräter lud ihn zum Mordtermin.
Man folterte ihn erbärmlich graus,
quetschte die Hoden, schlug’s Auge raus.

Romanows waren die grausigen Täter,
deren Bestrafung erfolgte bald später.
So war das Schicksal streng und gerecht,
es löschte ein eitles Adels-Geschlecht.

Rasputin bleibt der Erinnerung näher,
als einer der großen, heiligen Seher.
Ich sage ihm Achtung und hohen Respekt,
mich hätten nur seine Feinde erschreckt !
 
 
Grigori Jefimowitsch Rasputin (1869-1916) war ein großgewachsener, energiegeladener sibirischer Bauernsohn. Im Alter von etwa acht Jahren stürzte der Junge und sein Brüderchen beim Spielen in den Fluss Tura, der Bruder ertrank, Grigori wurde gerettet, bekam eine Lungenentzündung und sah im Fieberwahn eine schöne blonde Frau im weißblauen Kleid, die ihm befahl, dass er gesund werden solle. Das wurde dem Dorfpopen berichtet, der aus seiner beschränkten christlichen Sichtweise keine andere Erklärung bereithielt, als dass es sich um eine „Marienerscheinung“ gehandelt hätte. Dass dem jungen Mann schöne - auch überirdische - Frauen im Kopfe herumspukten, ist nur zu verständlich. Er hatte weitere „Erscheinungen“, die er als solche der „Gottesmutter von Kasan“ zuschrieb. Dem kraftvollen Burschen wurden manche Streiche nachgesagt, auch schon grenzwertige Übergriffe Mädchen gegenüber. In dem Spannungsbogen zwischen den elementaren Bedürfnissen seiner Manneskraft und seinen spirituellen, religiösen Neigungen, bewegte sich das Leben Rasputins bis zum Ende. Beschrieben wird er als stattlicher über 1.90 m hoher, hellhäutiger Mann mit hellem, strähnigem Haar, länglicher Kopfform, dunkelrötlichem Vollbart und flachsblauen, tiefliegenden, magnetischen Augen. Andere beschrieben seine Augen als grau, aber von solchem Glanz, dass die Farbe kaum genau zu bestimmen sei. Seine überschüssige Kraft, verbunden mit seinem inbrünstigen Gottsuchertum, ließen ihn zu Wanderschaften aufbrechen, um die Welt kennenzulernen und seine religiöse Ausrichtung zu finden. Er trat eine Pilgerfahrt zum Marienheiligtum der Gottesmutter von Abalak (Abalackaja) an. Er suchte nach Erleuchtung und Wahrheit. Bis zum Berg Athos in Nordgriechenland gelangte er. Nach dem Besuch vieler Klöster, der Anhörung etlicher Predigten, den Erläuterungen spiritueller Männer, der Teilnahme an allen möglichen Religionsgesprächen und den Einweisungen großer Meister in die Geheimnisse der göttlichen Heilkraft, fühlte er sich endlich bereit, selbst zu unterweisen und zu heilen. Dankbar verkündete er irgendwann: „Jetzt bin ich ein Starez [weiser Alter]“.
 
Grigori hatte seine eigene Glaubensvorstellung entwickelt, die er auch verkündete. Die Folge waren Anklagen der Staatskirche, die ihn wegen „Sektengründung und Schmähung der wahren Kirche“, vor Gericht zu bringen versuchte. Fest steht, dass er Anhänger und Gläubige fand und erste Heilerfolgte seinen Ruf bis nach St. Petersburg und bis zum Zarenhof trugen. Der bedeutende Geistheiler „Johann von Kronstadt“ wurde auf Rasputin während einer Messe aufmerksam. Er soll auf ihn zugegangen sein und  ihm gesagt haben: „Mein Sohn, ich habe deine Gegenwart gespürt. Du trägst den Funken des wahren Glaubens in dir.“ Bald wurde Rasputin in Salons der Petersburger Gesellschaft und verschiedener politischer Zirkel eingeführt und als „Wunderheiler“ berühmt. Im Jahre 1905 stellte man Rasputin als „Mann Gottes“ dem Zaren vor. Rasputins Erscheinung  beeindruckte Freunde wie Gegner. Er wurde zum Star und zum Liebling einflussreicher Damen, die Wunderdinge von ihm erwarteten und wohl auch erfuhren. Ein erklärter Feind Rasputins, Pater Georgi Schawelski, Generalkaplan des russischen Heeres und der Flotte, beschrieb Rasputin so: „Seine ganze Persönlichkeit, seine Worte, seine Redensarten hatten etwas Geheimnisvolles an sich. Er hatte tiefliegende, stechende, ja fast erschreckende Augen, eine enge Stirn, wirres Haar, einen ungepflegten Bart, sein Reden war abgehackt, undeutlich, rätselhaft mit pausenlosen Anspielungen und Verweisungen auf Gott; er bewegte sich lebhaft; in seinen Urteilen war er kühn, mutig und duldete keine Widerrede. Dabei sprach er autoritär und nahm keine Rücksicht auf die Person des Gesprächspartners. All das überraschte die einen, schlug aber andere in seinen Bann. Ohne Zweifel hob sich Rasputin von der Masse ab. Man konnte ihn nicht übersehen.“
 
Im Herbst des Jahres 1907 hatte der Zarewitsch einen kleinen Unfall, der durch seine Bluterkrankheit bedrohlich wurde. Die innere Blutung war nicht zu stillen, die Ärzte gaben auf. Eine Familienangehörige empfahl den Wunderheiligen Rasputin, das Zarenpaar willigte ein. Rasputin brachte die Blutung zum Stillstand, kaum dass er ans Krankenlager trat, das Fieber verschwand mit den Schmerzen. Rasputin hatte das Kind nicht einmal berührt, sondern nur am Fußende des Bettes gestanden und Gebete gemurmelt. Ähnliches wiederholte sich immer wieder. Für die Zarin wurde Rasputin der ihr von Gott geschickte Heilige und Helfer. Nachdem der erfolgreiche Heiler unersetzlich geworden war und ihn die Zarenkinder gern hatten, verkehrte er oft im Zarenpalast. Das rief sofort Neider und Argwöhner auf den Plan, die in ihrer unverantwortlichen Hetze so weit gingen, der Zarin ein intimes Verhältnis mit Rasputin anzudichten. Später, im Sommer 1914 wurde Rasputin beim Dolch-Angriff einer Attentäterin, die wohl im Dienste der Kirche stand, in seinem Geburtsort Pokrowskoje in den Gedärmen schwer verletzt, er genas, hatte aber seitdem Schmerzen und begann unmäßiger zu trinken. Ein Mann mit der Urenergie Rasputins verfügt in der Regel über eine Vitalität die den Durchschnittsmenschen überlegen ist, aber die Manneskraft Rasputins wurde legendär, er muss zudem über ein Glied von ungeheuren Ausmaßen verfügt haben. Nicht wenige Frauen waren ihm förmlich verfallen. Der russische Geheimdienst beobachte ihn und lieferte unappetitliche Klatschgeschichten. Der Zar hätte sich gern von seinem Heiler getrennt, benötigte ihn aber wegen des kranken Sohnes -, die Zarin aber glaubte unbedingt an seine Auserwähltheit.
 
Die Stimmung der Orthodoxen Kirche in Russland, zusammengehend mit jener des Adels, war antideutsch und antigermanisch. Diese Kreise drängten, in typisch russischem Dünkel einer orthodox-christlich-moralischen Überlegenheit dem Westen gegenüber, zum Krieg. Der böse Geist des chauvinistischen Panslavismus grassierte. Die Zarin, aus deutschem Adel kommend, als „die Deutsche“ diskreditiert, war entsprechenden Unterstellungen und haltlosen Angriffen ausgesetzt. Da die Bluterkrankheit des Zarewitsch der Öffentlichkeit verschwiegen wurde, verstanden diese Kreise nicht, wie der Einfluss Rasputins am Zarenhof zu erklären sei und witterten antirussische Intrigen. Als Rasputin 1909 in seiner Heimat in Pokrowskoje weilte, besuchte ihn der bekannte scheinheilige Mönch Iliodor bzw. Sergei Trufanow (1880–1952), der ein Kloster in Zarizyn (jetzt Wolgograd) leitete. Mehrere Tage lebte er in Rasputins gastfreiem Haus und stahl dort einen Brief der Zarin an Rasputin, aus dem natürlich eine geheime Übereinstimmung herauszulesen war. Iliodor wurde zu Rasputins erbittertem Feind. Bischof Theophan, der Beichtvater des Zaren, wurde bei der Zarin gegen Rasputin vorstellig, wegen irgendwelcher Eskapaden mit Frauen. Sie wies seine Klagen ab. Die öffentlichen Angriffe gegen den „obskuren Gottesmann“ nahmen zu. Die Kommunisten, denen jedes schurkische Mittel recht war, die Monarchie insgesamt zu unterminieren, forcierten die Hetzarbeit. Man kolportierte genüsslich, dass Rasputin die Zarentöchter abends regelmäßig in deren Zimmer aufsuchte, während sie schon im Nachthemd waren. Der Erfolg des gezielten Rufmordes waren mehrere Mordversuche. Der intrigante Mönch Iliodor veröffentlicht den gestohlen Brief der Zarin an Rasputin im Januar 1912. Die Zarin erlitt einen Herzanfall und erbat Erklärung von Rasputin. Rasputin antwortete mit einem Telegramm: „Liebste Mama ! Was für ein Hund, dieser Iliodor ! Ein Dieb! Stiehlt Briefe ! Schweinerei ! Muss sie aus dem Schrank geklaut haben. Der will sich Pope nennen – und dient dabei dem Teufel. Denke daran. Er hat lange Zähne, der Dieb. Grigori.“ Schließlich luden etliche Kirchenfürsten Rasputin ins bischöfliche Palais von St. Petersburg, um ihm seine Vergehen vorzuhalten und dann aus der Nähe des Zaren zu entfernen. Man verlangte von ihm hauptsächlich das Geständnis, ein sexuelles Verhältnis mit der Zarin zu unterhalten, was seinen Umgang am Zarenhof hätte erklären sollen. Die Herren versuchten Rasputin zu ergreifen und zu zwingen. Bei der sich entwickelnden Schlägerei der „frommen Männer“ in der Wohnung des Bischofs, gelang dem Angeklagten dank seiner großen Körperkräfte, am Kopf schwer blutend, die Flucht. Daraufhin aberkannte der Zar mit Verfügung vom 3.01.1912, den Abt Iliodor seines Amtes und Bischof Hermogen wurde in die Provinz abgeschoben. Aber es war auch innenpolitisch angeraten, Rasputin vom Zarenhof zu verbannen. Er kehrte in seine Heimat zurück. Im Oktober des Jahres 1912 erlitt der Zarewitsch erneut einen Unfall, keiner der konsultierten Ärzte war fähig, zu helfen. Das Fieber stieg, das Bein schwoll an. Dem Jungen wurden die Sterbesakramente der orthodoxen Kirche erteilt, sein Tod stündlich erwartet. In höchster Not wurde wieder ein Telegramm an Rasputin abgesetzt mit der Bitte um Hilfe. Wieder vermochte er den Jungen in Fernheilung zu retten. Er schrieb zurück an die Zarin: „Habe keine Angst. Gott hat deine Tränen gesehen und deine Gebete erhört. Dein Sohn wird leben. Die Ärzte sollen ihn nicht weiter quälen.“ Daraufhin erstarkte Rasputins Einfluss am Zarenhof erneut.
 
Rasputin hatte zu allen Zeiten frei seine Meinungen ausgedrückt, ohne Ansehen der Person, unterwürfige Demut war ihm fremd. Auch dem Zaren gegenüber vertrat er seine Einsichten, wobei er immer zum Frieden riet. So schickte er auch mehrere Telegramme an den Zaren, um ihn 1914 vor dem Krieg gegen die Deutschen zu warnen. Eines der gut verständlichen Schreiben lautete: „Ich glaube, ich hoffe auf Frieden, sie bereiten eine große Freveltat vor, wir sind nicht die Schuldigen, ich kenne all Ihre Qualen, es ist sehr hart, dass wir uns nicht sehen, die Umgebung hat im Herzen insgeheim davon profitiert, konnten sie uns helfen ?“ Noch einmal schrieb er an den Zaren: „Mein Freund, ich wiederhole dir abermals: Eine furchtbare Gefahr bedroht Russland. Eine Katastrophe, ein Leid ohne Ende. Es ist Nacht. Kein Stern mehr am Himmel. Ein Ozean von Tränen ! Ein Ozean von Blut ! Was kann ich noch sagen ? Ich finde keine Worte. Ein Schrecken ohne Ende. Ich weiß, dass sie alle den Krieg von dir fordern, auch die Treuesten. Sie machen sich nicht klar, dass sie dem Abgrund entgegenrasen. Du bist der Zar, der Vater unseres Volkes. Lass nicht den Wahnsinn triumphieren. Lass die toll Gewordenen nicht in den Abgrund stürzen und uns mitreißen. Vielleicht werden wir Deutschland erobern. Aber was soll aus Russland werden ? Wenn ich nachdenke, weiß ich, dass unser Vaterland nie ein Martyrium gelitten hat wie das, was uns erwartet. Russland wird im eigenen Blut ertrinken. Unendliche Leiden und Trauer. Grigori.“ Maßlos enttäuscht war er darüber, dass er mit seinen Warnungen vor dem Krieg keinen Anklang fand. Seine Gesichte über die kommenden Blutbäder des Weltkrieges und der Bolschewikengräuel müssen grauenhaft gewesen sein, er ertrug manche Abende nur noch im alkoholisierten Rauschzustand oder im Sinnenrausch bei Prostituierten.
 
Die kriegswillige Stimmung der Führungskreise in Russland war zu stark, der Zar mobilisierte sein Millionenheer, die Deutschen mussten reagieren, um nicht überwalzt zu werden, der Krieg begann seine blutige Ernte zu halten. Die deutsche Kriegsindustrie war der russischen überlegen, und die Strategie der Russen, Deutschland mit ihren Massen einfach zu überschwemmen, zerbrach an der Tapferkeit des einfachen deutschen Soldaten und der überlegen Organisation der Führung. Der deutsche Sieg begann sich abzuzeichnen. In Russland hatte man auf einen schnellen Sieg gehofft, nun suchte man nach den Gründen der Niederlage und glaubte sie bei einer vermuteten Verschwörung der völlig unschuldigen und kränklichen „deutschen Zarin“ mit ihrem „Heiligen Teufel“ gefunden zu haben. Großfürst Nikolai, ein Onkel des Zaren und Vorsitzender des rechtsradikalen „Verbandes echt russischer Leute“, intrigierte aus verletztem Nationalstolz voller Erbitterung und hemmungslos gegen den Zaren und die Zarin. Unfassbar war es für die militärischen und politischen Führer in Russland, dass es ihnen nicht gelungen war, das Deutsche Kaiserreich zur Strecke zu bringen, worauf sie viele Jahre lang hingearbeitet hatten. Aus dieser Psychose heraus erklärt sich der sinnlose Hass auf den Friedensrater Rasputin. Die Frieden stiftenden Bemühungen Rasputins waren auch der kriegstreiberischen Politik der Westmächte ein Dorn im Auge, sie wollten unbedingt Russland an ihrer Seite gegen Deutschland wissen. So ist es kein Wunder, wie schlecht der französische Botschafter am Zarenhof Maurice Paléologue über Rasputin schrieb. Auch unterstützten Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes, die die Abneigung Rasputins gegen den Krieg fürchteten, das Mordkomplott. Auch ein monarchistischer Abgeordnete in der Duma namens Wladimir Purischkewitsch, wetterte in einer hitzigen Rede: „Finstere Kräfte sind es, die das Land regieren und den Willen des Herrschers in Fesseln legen. … Dies alles geht von Rasputin aus. Die Existenz des Reiches ist bedroht.“ Um den erfundenen Geheimnisverrat Rasputins an den deutschen Kriegsgegner rankten sich die wildesten Gerüchte. Eines davon war, dass Rasputin eine Standleitung nach Deutschland unterhielte, um täglich Kriegsgeheimnisse zu verraten. Zudem schmähte man ihn als „Judenfreund“, weil er u.a. korrekt sagte, dass Juden und Christen den gleichen Gott anbeten würden. Im Herbst 1915 wurde mehrmals die Ermordung geplant und versucht. Schließlich am 17.12.1916 folgte Rasputin einer Einladung seines vermeintlichen Freundes Graf Felix Jussupow, der über längere Zeit ein ständiger Gast Rasputins war. In seinem Palast wurde die Tat gegangen. Rasputin ist ermordet worden, unter Führung von engen Verwandten des Zaren, also der Familie Romanow. Über den Ablauf der Mordtat sind falsche Gerüchte verbreitet worden, um zu vertuschen, dass man Rasputin systematisch gefoltert hatte. Die Hoffnung der Täter war es, das alles erklärende Geständnis zu erhalten, dass die Zarin ihrem Heiler sexuell verfallen sei. Nach Auffindung der Leiche stellte man fest, das rechte Auge war ausgeschlagen und hing seitlich heraus, der ganze Körper war von Quetschungen und Blutergüssen übersät. Besonders betroffen waren die Magengegend und der Unterleib. Die Hoden wiesen besonders schwere Quetschungen auf. Er muss das vorausgesehen haben. Im kurz vor seinem Tod verfassten Abschiedsbrief an seine Töchter heißt es: „Meine Lieben, Teuren: Verhängnis droht. Großes Unglück zieht heran. … Für unser Land ist die Zeit gekommen. Das Blut erfriert vor Grauen. Es gibt soviel Blut und Schmerzensrufe. Dunkel ist die Nacht des schweren Leidens. Ich kann nichts sehen. Meine Stunde wird bald schlagen. Ich habe keine Angst, weiß aber, dass diese Stunde bitter sein wird. Ich werde große Martern erdulden …“
 
Es gibt einen Brief Rasputins an den Zaren, der kurz vor seiner Ermordung niedergeschrieben wurde: „Ich schreibe und ich lasse hinter mir diesen Brief in St. Petersburg. Ich fühle, dass ich vor dem ersten Januar mein Leben verlieren werde. Ich möchte dem russischen Volk, dem Zar, der Zarin, ihren Kindern, allen Russen, bekannt machen, was sie verstehen müssen. ... Falls ich jedoch von Bojaren, von Adligen, ermordet werde, falls sie mein Blut vergießen werden, dann werden ihre Hände 25 Jahre lang befleckt sein mit meinem Blut, und sie werden mein Blut nicht abwaschen können. Sie werden Russland verlassen müssen. Brüder werden Brüder ermorden. Sie werden einander töten, und sie werden einander hassen. 25 Jahre lang werden keine Adligen im Land sein. Zar von Russland, wenn Du die Glocke hörst, die Dir sagt, dass Grigori ermordet wurde, dann musst Du Folgendes wissen: Wenn es Deine Verwandten waren, die meinen Tod verursacht haben, dann wird niemand aus Deiner Familie, kein Kind Deiner Verwandten, noch länger als zwei Jahre am Leben bleiben. Sie werden getötet durch das russische Volk. Ich gehe, und ich fühle in mir den göttlichen Auftrag, dem russischen Zaren zu sagen, wie er leben muss, wenn ich verschwunden bin. ... Ich werde getötet werden. Ich bin nicht länger unter den Lebenden. Bete, bete, sei stark und denke an Deine gesegnete Familie - Grigori.“ - Rasputins Tochter Matrjona Grigorjewna Rasputina - die große blaue Augen hatte - verfasste verschiedene Bücher über das Leben ihres Vaters. In ihrem Buch „Mein Vater Rasputin“ schrieb sie: „Man hat Rasputin alle möglichen Beinamen zugelegt. Man schalt ihn einen ‚Pferdedieb‘, den ‚Sohn eines Zuchthäuslers‘, einen ‚Trunkenbold‘, ‚dreckigen Muschik‘, ‚Verräter‘, ‚Spion‘, ‚Mädchenschänder‘, ‚Hypnotiseur‘, einen ‚tollen Mönch‘ und einen ‚heiligen Teufel‘. In Wirklichkeit war er nichts als ein Prügelknabe für andere, das wäre der einzige passende Spitzname gewesen.“
 
ZUSAMMENFASSUNG: Grigori Rasputin war einer der typischen nordischen Gottsucher, die, von ihren genetischen Prägungen bestimmt, über vordergründige Weltkulissen hinweg, auf den wesenhaften göttlichen Kern der Dinge zu schauen bestrebt waren und sind. Milieubestimmt suchte, und glaubte zu finden, er diese religiöse Grundwesenheit in den scheinchristlichen Formenangeboten seiner „orthodox“-russischen Kultur, lehnte aber intuitiv richtig, deren rituelle Äußerungsgestaltungen ab. Ausgerüstet mit einer ganzheitlichen körperlich wie geistig-seelischen Überbefähigung, war er begabt, weltlich-politische Zusammenhänge zu durchschauen, individuell-seelische Einblicke zu nehmen und Beeinflussungen zu vollziehen, bis hin zu grandiosen therapeutischen Heilerfolgen. Der Zarenfamilie wurde Rasputin ein zum Frieden ratender Helfer und Freund. Doch der russische Adel war eine seelisch degenerierte, maßlos arrogante Klasse, die in ihrer übersatten Hybris zum Abenteuer des Krieges gegen Deutschland drängte und dem schwachen, gutmütigen Zaren keine andere Wahl ließ, wollte er nicht sein innenpolitisches Ansehen verlieren. Der psychotische Nationaldünkel der russischen Oberschicht richtet sich gegen alles Fremdanmutende, schmähte deshalb die deutschstämmige Zarin und den untypischen Rasputin, der weder auf Deutsche noch auf Juden schimpfte und zur Mäßigung mahnte. Als dann die russische Militärmacht unter den deutschen Verteidigungsschlägen zusammenbrach, zerplatze die Seifenblase einer lang gehegten Illusion, mit der Folge eines ideologischen Chaos, aus welchem sowohl die grauenhafte Mordtat an Rasputin resultierte, als auch die sich anschließenden Massenmorde der Bolschewiken an der russischen Adels- und Ausbeuterschicht und insbesondere an der führenden Sippe der Romanows.
 
Bild: Klokacheva Elena Nikandrovna, 1914