Chatten- / Hessen-Familie um 300 n.0
 
DER HESS

Wer will den wahren Hess versteh’n, den Namen Hess im Kern erseh'n,
den lehrt das Sprachgesetz indes: verwandt sind Hetze, Hass und Hess.
Das will euch unumwunden ein hessischer Hess bekunden.
Der Täubchen- und der Lämmergeist sind auf den Tod erschrocken:
Wenn einer Hass und Hetze preist - da mag der Troll frohlocken."
Hört euch nur solche Narren an, sind die nicht arg verschroben,
die Welt ist doch nach Gottes Plan aus Lieb’ und Hass gewoben.
Die Kräfte schwingen auf und ab, das ist des Kosmos Regel,
der Kinderwiege folgt das Grab, ob Kugel oder Kegel,
ob Senken oder Heben -, gleich wert sind Tod und Leben !
Aus Ja und Nein bestehn die Dinge -, „Liebe und Streit“ fügt sich zum Ringe.

Doch ausgewogen sei die Runde -;
alles ist recht, zur rechten Stunde !


Ein Hess’ bekennt sich barsch zum Hass, so war es Brauch der Chatten,
er wird im Streit und Aderlass erst mit dem Tod ermatten.
Die Chattenfrauen stürzten sich in ihre eignen Speere,
um röm’schen Häschern zu entgeh’n und dem Verlust der Ehre.
Der Chattenjüngling schwur den Eid, den Eisenring zu tragen,
bis er sich von der Pflicht befreit’ und einen Feind erschlagen.
Bis er den ersten niederwarf, ließ er kein Haupthaar scheren;
nichts andres schien ihm von Bedarf, als seine Kraft zu mehren.
So wie der Chatte sich nicht beugte, dem Römertrug, dem Römerzwang,
den stolzen Freiheitsgeist bezeugte, da er mit Südlands Schergen rang -
auch wenn sie Dorf für Dorf verbrannten - er gab sich nicht in Feindes Fron,
auch nicht als sie die Stricke spannten, zum Netz der röm’schen Religion.
So hielten zäh den Missionaren und dem Bekehrungswüten stand,
die Enkel, die nicht anders waren, die Hessen-Sippen stammverwandt -;
auf ihren kargen, windigen Höh’n, die Äcker voller Stein',
bei Hagebutt’ und Schlehen, mit Rübenkraut und Sauerwein.
Das macht’ sie herb und stark und stur, fest gegen Hieb und Stoß;
sie pflügten ihre gerade Spur und wär’n auch alle Teufel los.

Sie krochen nie zu Kreuze -,
war’n keine blinden Käuze !


Gerad’ weil der Hess’ ein Streiter ist, die Klinge rasch zur Hand,
drum wird der Degen hierzuland’ der „Hesse“ auch benannt.
Und kommt ein Hess’ in fremdes Haus - so plaudert es ein Sprichwort aus -
dann zittern an allen Enden die Nägel in den Wänden.
Hass hält gesund und stark und frei -, wir sind vom Hass umlauert,
er ist unstürzbar als Bastei, auf steilstem Stauf gemauert.
Weh’ dem der Kindermärchen glaubt, von Liebe, Recht und Friede,
der Einfaltstropf wird ausgeraubt -, die Welt regiert perfide.

Die Traumtänzer vergehen,
nur Kraft und Hass bestehen !


„hatis“ war das germanische Wort, es bildete zu „Hass“ sich fort;
„Verfolgungseifer“ war sein Sinn, als Urbedeutung liegt darin:
nur „zürnen, hetzen, jagen“, dies will das Wort besagen.
Das blieb auch unvergessen: der Hetzhund galt als „hessehunt“,
die Jagd mit ihm heißt „hessen“.
Gewiss gibt’s feinere Meuten, doch woll’n auch die erbeuten,
die stets nur Liebe heucheln und ihre Opfer meucheln.
Es galt den Angelsachsen dann der „hettend“ als der Kriegersmann,
und die altnordische Sprache stellt den „hetja“ hin als reinen Held'.

Das sind die Wortvorfahren,
die hessischen Geist bewahren.


Graf „Hessi“ schwur im heil’gen Hain, als Herzog der Ostfalen,
den Sachsenschwur am Externstein, so melden die Annalen.
Er wollt’ im Schicksalsringen den Schlächter-Karl bezwingen.
Nach Christensieg und Heidenhatz begann das große Ducken,
doch Volkes Gottgeist Wodanaz ließ sich nicht leicht verrucken.
Den tät’ der Pfaff’ verteufeln, mit Gift und Gall’ beträufeln.
Die treuen Frommen bargen sich in Wäldern und in Heiden -,
die lange Not war fürchterlich, unsagbar ihre Leiden.
Man zerrt’ sie unters Henkersbeil, man stieß sie in die Flammen -;
nachtschwarze Zeiten ohne Heil, die aus der Bibel stammen.
Die Starken, die ihr Selbst bewahrten, auch kleine Gilden um sich scharten,
geschmiedet auf des Schicksals Esse, die hieß man „Hecser“, „Hecs“ und „Hesse“.
Und wer auch heut’ noch unbetört dem Heimatglauben Treue schwört,

der trägt in diesem Rahmen
den „Hess“ als Ehrennamen !


Vielhundert Jahre später, im dritten dreißigjährigen Krieg -
im Freiheitskampf der Väter - errang ein Hess den Sieg.
Den Sieg der Treue und der Pflicht -, ein Hess der beugt sich nicht.
Er wollte Volk und Heimat retten, die er als höchstes Gut geliebt -,
der Feinde Hass warf ihn in Ketten, hat Lüge, Qual und Mord verübt.
Der Hess ist daran nicht zerbrochen, sein Herz war nie zu unterjochen.

Rein hält er mit des Glaubens Bild
den unbefleckten Ehrenschild !


Die Hoffnung deutscher Ahnen verlor manch’ große Schlacht;
die guten Geister mahnen: Habt ihr das End’ bedacht ?!
Der christliche Verfolgungswahn, der Gegner Hass und Hetze -;
was wurde Schlimmes angetan - man wob gar feine Netze.
Wem soll die Demut nutzen -; wer leben will muss trutzen !
Wir sind ein Volk von Knechten -; wer frei sein will muss fechten !
Denn wer nicht hassen kann, verliert -, lässt nicht nur Gut und Leben,
wer Feinde liebt, ist angeschmiert -, soll noch die Seele geben !
Wer Wille hat zur eignen Art - nichts Größeres gibt’s auf Erden -;
wer sich fürs Morgenrot bewahrt, der muss ein Kämpfer werden !
Er folgt dem heil’gen Lebenstrieb, er hasst den falschen Schein,

hat Ahnen und hat Enkel lieb,
er muss ein Hesse sein !


PS: Graf Hessi war ein ostfälischer Sachse, der sich nach anfänglichem Widerstand gegen den Angriffskrieger König „Karl der Sachsenschlächter" ins Unvermeidliche schickte und - wohl um das Schlimmere zu verhüten - sich im Jahre 755 der fränkischen Neuorganisation des Sachsenlandes zur Verfügung stellte. Er war mit der Fränkin Gisela verheiratet. In einem Diplom von 844 nennt ihn Ludwig vir inluster comis Hessi. Bereits 838 führte Hessi den Vorsitz auf einem Hofgericht. Später war er für Ludwig den Deutschen bei den Friedensverhandlungen in Koblenz. Er wird 866 als verstorben gemeldet.
 
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Der röm. Historiker Cornelius Tacitus erzählt in seiner „Germania“ (ca. 90 n.0) von den Chatten: „Sie verfügten über feste Körper, sehnige Glieder, einen regsamen Geist mit Organisationstalent und diszipliniertem Verhalten. Eine gewisse Anzahl ihrer Jungmannschaft weihte sich ganz der Landesverteidigung,sie ließen Haupt- und Barthaar so langte völlig ungebändigt wachsen, bis sie einen Feind überwunden hätten, dann erst würden sie sich die Haartracht abschneiden und verkünden, sie hätten sich nun erst ihres Stammes und ihrer Eltern würdig erwiesen, gewissermaßen dadurch ihre Geburt erst bezahlt. Berufsmäßige Krieger blieben ehelos und demonstrierten ihre Zugehörigkeit zur Truppe durch das Tragen eines Eisenringes, den sie zusammen mit der wilden Haartracht ihr gesamtes Leben über nicht ablegten.“