HELGI UND SIGRUN
 
Loben wir im Schmerz auf’s Neue,
jede tragisch große Liebe,
und die deutsche Frauen-Treue,
dass sie uns als Vorbild bliebe.
 
Und ich denk‘ zurück und ich sinne,
nach der Ur-Welt frühen Stunde,
als Frau Saga zum Beginne
las von erster Menschen-Kunde.
 
Ask und Embla war‘n die Ersten,
aller nordischen Geschlechter -;
bis die Himmels-Säulen bersten,
ringen sie als Sonnen-Fechter !
 
Für die Wahrheit, für die Klarheit !
Rasserecht und Nordlandglauben,
ohne Falsch und Christen-Torheit,
Seelen-Freiheit zu erlauben.
 
Seelen geh‘n durch Zeitenräume,
finden Liebende sich wieder ?
Starke Sehnsucht bricht die Zäume,
künden uns die „Helgi-Lieder“.
 
Heiland Helgi, der Wölsunge,
Sigmunds Sohn, aus Wodins Weihe,
liebte - sagt Frau Sagas Zunge -
in der Seelenwanderungs-Reihe.
 
Liebt‘, im Kreis der Neugeburten,
seines Weibes Zwillingsseele,
immer fanden sie die Furten,
dass sich Seel‘ mit Seel‘ vermähle.
 
Sigrun hieß die Maid, die Schöne -,
Namen sind nur Wort-Gewänder,
alter Seelen junge Töne,
unsterblicher Kräfte Bänder.
 
Große, tapfere Frauen-Herzen,
Kara - Gudrun - Eva Braun -
wagten Treue unter Schmerzen,
ihren Helgi zu erschau’n.
 
Helgi („Heiliger / Heiland“) genannt „Helgi Hundingsbana“ (Überwinder des Hunding), eine mythische Gestalt aus dem nordisch-germanischen Sagenkreis, die in den drei eddischen Helgi-Liedern aufgezeichnet blieb. Er war ein Sohn Sigmunds und der Borghild von Bralund. Gott selbst war der Urahn von Helgi, über Sigi, Rerir, Wösung und Sigmund mit Wodin (Odin) verwandt. Helgi heiratete seine geliebte Sigrun und bekam Söhne von ihr. Aber sein Gegner Dag sann auf Rache, er opferte dem Odin - wie es heißt - als Vergeltung für den Todes seines Vaters. Odin lieh ihm seinen Speer Gungnir, womit er den nichtsahnenden Helgi durchbohrte (Siegfried-Tod-Motiv). Darüber, warum die Gottheit diese Tötung zuließ, kann nur spekuliert werden. Als Helgi im Hügelgrab bestattet wurde und seine Seele in Walhall einzog, empfing ihn Odin und bot ihm an, die Herrschaft der germanischen Welt mit ihm zu teilen. Daraus ist zu ersehen, welche hohe Stellung Helgi in den religiösen Legenden des Nordens eingenommen haben muss, von der uns so gut wie nichts übermittelt blieb.
 
Von Geschehnissen am Grabhügel Helgis wird nun folgendes berichtet: Eines Abends ging Sigruns Magd zum Grabhügel und sah, dass Helgis Geistwesen dort herumritt. Sie rannte so schnell sie konnte zu Sigrun und erzählte ihr, dass ihr geliebter Mann mit großem Gefolge am Hügel sei. Sigrun ging hin und verbrachte noch eine Liebesnacht mit ihrem Mann, der bei Tagesanbruch wieder los musste. Am kommenden und den nächsten Abenden wartete sie jedoch vergeblich auf ihn. Nun lebte sie auch nicht mehr lange, weil sie vor Kummer verging. Angeblich sollen die beiden großen Liebenden als „Helgi Haddingia“ und Kara wiedergeboren worden sein, so heißt es jedenfalls in den Helgi- und den Kara-Liedern. Wörtlich steht geschrieben am Ende des 3. Helgi-Liedes: „Es war Glauben im Altertum, dass Helden wiedergeboren würden; aber das heißt nun alter Weiber Wahn [es herrschte schon die Christen-Zeit !]. Von Helgi und Sigrun wird gesagt, dass sie wiedergeboren wären: Er hieß da Helgi Haddingia-Held; aber sie Kara, Halfdans Tochter, so wie gesungen ist in den Kara-Liedern; und war sie Walküre.“ Helgi-Sigrun oder Helgi-Kara sind symbolhaft starke Gestalten für die große, unzertrennliche Liebe. Ebenso erzählt das Heldenepos des Gudrun- oder Kudrun-Lieds, in mittelhochdeutscher Sprache, von den Tugenden der germanischen Frau schlechthin, insbesondere von ihrer unwandelbaren, zähen Treue zu dem jungen König Herwig von Seeland. In neuerer Geschichte - in der Ära des NS-Staates - wurde Eva Braun, die Frau Adolf Hitlers, so etwas wie ein aus Saga-Zeiten auferstandenes Frauenideal der „Treue bis in den Tod“. Sie ging in das ausweglos vom Feind umschlossene Berlin -, allein, um mit ihrem geliebten Mann - einer Helgi-Seele wie aus Saga-Zeiten auferstanden - zu sterben. 
 
Bild: Fidus - „Gedächtnisbild für ein ertrunkenes Brautpaar“, 1921