Copyright Gerhard Hess / September 2018

Burg Desenberg bei Warburg -
Radierung von J. G. Rudolphi, 1672
 
Im Raum des Dreiländerecks Hessen-Niedersachsen-Nordrhein-Westfalen liegt die Stadt Warburg, die sich 1010/1036 erstmals schriftlich erwähnt findet. Im Südwesten berührt das Stadtgebiet die Ausläufer des Sauerlandes, im Nordwesten die des Eggegebirges, südlich liegt das Westhessische Bergland. Die von Warburg um 30 km östlich, leicht nördlich befindliche Trendelburg (alte Bezeichnungen: Trinderberg, Drendelborch) liegt westlich des Reinhardswaldes. Burg und Kernstadt von Trendelburg, wurden an alten Handelswegen auf einem etwa 60 m hohen Sandsteinfelsen errichtet, der von drei Seiten von der Diemel umflossen wird. Im 8. und 9. Jh. hatte die gewaltsame Christianisierung des Sachsenvolkes das Gebiet zu den beiden Ufern der Diemel erreicht. Im Niederdeutschen wird der Ort Warburg als Warb(e)rich bezeichnet. Diese Burg war zunächst im Besitz des Grafen „Dodiko/Dodicho“, dessen Besitz laut Urkunde im Jahre 1020 dem Bischof von Paderborn zufiel, als Dodikos einziger Sohn zu Tode kam. Von Interesse ist sein Name, der aus einer altgläubig-germanischen Bezeichnung des Kultleiters hervorgegangen sein muss. Der Gut und Gott meinenden Hauptsilbe „dod-/od-“ wurde eine Endsilbe angehängt, nämlich germ. „-isko“, ahd. „-esc“, mhd. „-isch/-esch, nhd. „-isch“, die zur Bildung von Adjektiven benutzt wurde, um die Herkunft oder Art von etwas ausdrücken, wie beispielsweise bei „irdisc“, nhd. „irdisch“ bzw. erdisch = „von der Erde kommend“. Vom Warburger Burgberg aus ist ein weiter Blick ins Land ringsumher möglich; althochdeutsch „warta“ meint einem Ort, von dem aus ein Wärter zu spähen vermag. Die Anhöhen Warburgs betragen 160/220 m. Eine germanische Siedlung mit einer Fläche von 110 m auf 80 m bestand südlich des nahen „Desenbergs“ bei „Daseburg“, dessen älteste Bezeichnung „Desburg“ lautete. Die Namensformen Desenberg“ undDesburg“ geht sicher auf „Disenberg“, also Frauenberg, zurück, er liegt im alten Herzogtum Sachsen und erhebt sich in Ostwestfalen nordöstlich von Warburg, 12 km westlich der Stadt Hofgeismar. Eine Befestigung soll auf der 343,6 m hohen Bergkuppe schon um das Jahr 766 existiert haben. Zwischen 826 und 876 erfolgte laut der Güterverzeichnisse, sog. „Corveyer Traditionen“, eine Schenkung an das Kloster Corvey. 1070 wurde erstmals die „Desenburg“ urkundlich erwähnt, 1231 eine dortige Kirche. Der etwa zwölf Meter hohe Bergfried weist einem Durchmesser von 6,7 m auf und einer Mauerstärke von 1,3 m. Der „Deiselberg“ (389 m hoch) liegt südwestlich von vom Weiler „Deisel“ im Landkreis Kassel. Die Basaltkuppe wirkt weit in die Landschaft und ist als Landmarke für den Landkreis Kassel von Bedeutung. Er bietet einen phantastischen Panoramablick bis hin zum Solling und Söhrewald bekannt.
 
Der „Hölleberg“ (260 m) bei „Deisel“ heißt eigentlich „Helleberg“ und gibt sich wohl ebenfalls als Berg der Hel, mithin als Frauenberg zu erkennen. Die germ. Erdmuttergöttin Hel ist eine Erscheinungsform der gemeingerm. Gottesmutter Frija. Es wird im 13. Jh. vom „Trendelburger Salbuch“ eine Wüstung namens „Deselberg/Teysilberg“ bei „Deisel“ erwähnt. Von den dortigen blutigen altheidnischen Abwehrbemühungen bzw. sächsisch-fränkischen Glaubenskämpfen seit dem 8. Jh., berichtet eine verchristlichte Sage vom „Desenberg“, wo ein Drache gehaust haben soll, der keinen Menschen auf den „Desenberg“ hinauflassen wollte. In alter Klarsprache: Er habe keinen fränkischen-fremdgläubigen Feind hinauf gelassen ! Der damalige König - gemeint ist wohl Frankenherrscher Karl - habe einen Wettkampf ausgerufen: Wer es schaffe, den Drachen zu töten, dem vermache der König das umliegende Land und schenke ihm eine große Burg auf dem Gipfel des „Desenbergs“. Der Drache galt im Mittelalter als kirchliches Synonym für das Heidentum sowie den Satan. Ein junger Ritter - die Allegorisierung des Kirchenchristentums - machte sich, mit Schwert, Lanze und Schild bewaffnet, auf den Weg zu dem Ungeheuer. Sein Schild ließ er mit drei Spiegeln ausstatten. Der Drache erschrak, als er glaubte, ihm stünden gleich drei seiner Art gegenüber. Da stach der Ritter mit der Lanze in das Herz des Drachens, der sich ein letztes Mal aufbäumte, ehe er für immer die Augen schloss. Wie versprochen, erhielt der Ritter Land und Burg von dem dankbaren König. Aufgrund seiner Heldentat und dem besonderen Schild nannte sich der Ritter „von Spiegel“ und trug als Zeichen seines Drachensieges drei Spiegel in seinem ritterlichen Wappen. Über viele Jahrhunderte herrschten die „Ritter von Spiegel“ laut der Überlieferung auf dem „Desenberg“.
 
Auch die Desenberger Sage vom Ritter Bruno, der ein Herr der Desenburg gewesen sein soll, raunt von der kirchlichen Eroberung des altheidnischen Kultberges. Ritter Bruno, wie könnte es aus Christensicht anders sein, sei ein gefürchteter und verhasster Herrscher gewesen. Ein frommer Mönch aus dem naheliegenden Warburger Dominikanerkloster wollte ihn bekehren, wurde aber nur ausgelacht. Einige Zeit später sei derselbe Mönch aber von Bruno herbei gerufen worden, um ihm, dem vorgeblich Erkrankten, das „Sterbesakrament“ zu bringen. Das sollte eine tödliche Falle für den kirchlichen Glaubenskünder werden. In dem Augenblick, als der Ritter den Mönch erstach, soll ein Blitz in die Burg eingeschlagen sein und sie gänzlich zerstört haben. Der Geist des Christenfeindes Bruno irrt angeblich dort bis heute umher und kann keine Ruhe finden. Es handelt sich um eine der typischen kirchlichen Einschüchterungslegenden die sich die Pfaffen ausdachten, um ihre lukrativen klösterlichen Herrschaften über das geknechtete Volk zu verfestigen.
 
Einen Fingerzeig darauf, dass die mundartlich verwaschenen Bezeichnungen der „Desen, Dasen, Dusen“ auf die altgerm. Frauenbezeichnung „Disen“ zurückgeführt werden können, liefert auch das Naturdenkmal „Dasenstein“, von ihm wird noch zu sprechen sein. Zu beachten ist zunächst die Gemeinde „Notre-Dame de Dusenbach“ ist ein Wallfahrtsort und Kapuzinerkloster bei Rappoltsweiler (franz. Ribeauvillé) am Ostrand der Vogesen am Talausgang des Strengbachs im Elsass. Seit 1038 sind die Herren zu Rappoltstein urkundlich belegt. Ende des 12. Jh. folgte Egenolph II. von Rappoltstein einem Kreuzzugsaufruf, er stellte eine kleine Armee auf und zog nach Osten. Nach seiner Rückkehr ließ er sich 1221 als Einsiedler in „Dusenbach“ nieder und starb bald darauf. Die Stätte muss wohl ein Disen-Kultort gewesen sein, denn der christenkirchliche Marienkult gewann eine Tradition. Man erbaute hier drei Kapellen die hintereinander auf einem Felsen stehen. Nach vielen mittelalterlichen Zerstörungen erlaubte im Jahre 1894 der Bischof von Straßburg wieder eine Marienwallfahrt nach „Dusbach“ und weihte sie in einer feierlichen Messe „Unserer Lieben Frau“. Es heißt von den deutschen „Straßburger Bundesbrüdern“, dass sie sich im Gründungsjahr 1905 unter den Schutz der „Hl. Madonna zu Dusenbach“ gestellt hätten und damit einer jahrhundertealten Tradition der Herren zu Rappoltstein gefolgt seien, deren Schutzpatronin die Dusenbacher Madonna war. Könnte auch „Dossenbach“ aus dem „Disen“-Begriff entstanden sein ? Die alemannische Gemeinde Schwörstadt im Landkreis Lörrach liegt in einer Höhe von 296/481 Metern unmittelbar zwischen dem Hochrhein im Süden und dem Dinkelberg einem Ausläufer des Südschwarzwaldes. Der „Heidenstein“ von Schwörstadt ist der Eingangsstein, mit „Seelenloch“, einer Megalithanlage. Ortsteil „Dossenbach“ liegt etwa drei Kilometer nördlich von Schwörstadt auf dem Dinkelberg. Der Ortsteil „Niederdossenbach“ befindet sich rund zwei Kilometer nördlich von Schwörstadt und einen Kilometer südlich von „Dossenbach“. Der sog. „Hunnenstein“, ein 2,50 m hoher Menhir aus Granit, steht in der Gemeinde „Niederdossenbach“. Auch „Tissen“ könnte aus „Disen“ abgeleitet sein. „Großtissen“ ist ein Ortsteil der Stadt Bad Saulgau im Landkreis Sigmaringen in Baden-Württemberg. Zusammen mit „Kleintissen“und „Nonnenweiler“bildete es ein eigenes Vogteiamt, das 1282 an König Rudolf von Habsburg verkauft wurde. Schon zur Merowingerzeit war die Gemarkung „Großtissen“ Siedlungsraum, wie ein Reihengräberfeld erweist.
 
Einer sagenumwobenen Felsengruppe in den Weinbergen von Kappelrodeck, im Achertal des Nordschwarzwaldes, mit herrlichem Blick über die Rheinebene bis hin zum Straßburger Münster. Einer Sage nach hauste hier die „Hex vom Dasenstein“, die dem Kappelrodecker Wein ihren Namen gab. Die Adelsfamilie von Roeder, aus der die Hexe angeblich stammte, verschwand in Kappelrodeck schon 1605, mangels Nachkommen. Wenn hier etwas schief läuft, sagt man: „Das war die Hex“ und wenn jemand betrunken ist, sagt man: „Er hat eine Hex“. Das „Kappler“ Gericht war das größte der Region und umfasste den Flecken Kappel „am Wege bei Rodeck“ (Schloss Rodeck), mehrere Siedlungen, Höfe und Weiler u.a. „Heidenhöfe“; im Südosten liegt der Luftkurort „Ottenhöfen“ mit den Höfen „Heidenbach“. Der Namen „Ottenhöfen“ stammt aus „Otto-Höfen“, oder einem altheidnischen Kultplatz „Oden-Höfen“ ? Zur heutigen Gemeinde Kappelrodeck gehören 33 Dörfer, Weiler, Zinken, Rotten (Streusiedlungen). Die „Hexensage vom Dasenstein“ geht so: Ein schönes Burgfräulein von edler Gestalt verliebte sich dereinst in einen Bauernsohn. Der Burgherr von Schloss Rodeck duldete diese Liebe nicht und jagte die liebestolle Tochter hinab ins Tal. Ohne Haus und Grund wurde sie auch vom Bauernsohn verschmäht und so hauste sie fortan im Dasenstein. Rund um ihre Felsenhöhle pflanzte sie Wein. So manchen Streich soll sie den Leuten mitgespielt haben. Und bald war sie die „Hex vom Dasenstein“. Nach ihr wurden die edlen Weine aus der Rotweingemeinde benannt. Bei solchen Erzählungen handelt es sich um späte Ausdeutungslegenden. Die Ortsnamensformen wurden tradiert, aber ihre Verständnisinhalte gingen im Laufe von Generationen  verloren, wofür die umerziehungssüchtige Pfaffenkirche Sorge trug, die immer bemüht war, altheilige Erinnerungen vergessen zu machen. Verschwommene Ahnungen blieben oftmals zurück. Aus den heiligen „Disen“ des Volksglaubens wurden die unheiligen „Dasen“ in kirchenchristlicher Zeit, die sich mit den Geschichten von unholden Hexen verwoben. Irgendwann historisierte ein Ausdeuter das Spinnrockengemunkel der Frauen zum Typus der Burgfräulein-Sagen. Wobei der symbolische Kernbereich der „Hex vom Dasenstein“ trefflich aufschlussreich und stimmig blieb: Ein hochwürdiges Burgherrentöchterlein, eine Prinzessin also, welche einen segenbescherenden Weinberg anlegt, wird in eine hinabgewürdigte, als bösartig verschriene Unholdin gewandelt. Exakt so gestaltete die mittelalterliche Christenkirche den Entwürdigungsweg der ehemals geschätzten und geliebten keltischen und germanischen Heilrätinnen, den „Disen“. Die berühmte Sage der „Hex vom Dasenstein“ liegt aus dem Jahre 1356 in gereimter Form vor:
 
Auf Rodeck litt vor langer Zeit,
ein Burgfräulein viel Herzeleid.
Es liebte einen Bauernknab',
drum jagt' der Ritter es hinab.
 
Die Arme haust' im Dasenstein
und pflanzte ringsumher sich Wein.
Doch als sie hässlich war und alt
man eine Hexe sie gar schalt.
 
Drum übte sie manch tollen Streich,
beim Dasenstein im Rebbereich.
Und hauste in dem Felsenloch
nach vielen Jahren immer noch.
 
Der Wein von dort nach ihr genannt
ist heut bekannt im ganzen Land.
Das ist die „Hex vom Dasenstein“,
Ein köstlicher Burgunderwein.
 
Er hat'ne Hexe' sagt man wohl,
trinkt einer mehr noch als er soll.
So herrscht die „Hex vom Dasenstein“,
auch heute noch im Kappler Wein.
 
Widukind/Wittekind II. von Schwalenberg (1125-1188) war ein fehdefreudiger Vasall von Heinrich dem Löwen, dem damaligen Herzogs der Sachsen und Bayern, welcher ein Vetter von Friedrich I., genannt Barbarossa, war. Widukind und sein Bruder Volkwin II. von Schwalenberg können nicht als gute Christen bezeichnet werden, sie wandelten in den Stiefeln des großen Namensvetters Widukind, dem Gegenspieler von „Karl dem Großen“. Die Herren von Schwalenberg machten etliche Italienfeldzüge von Barbarossa mit. Seit dem Ende der 1140er Jahre beklagte sich Abt Wibald von Corvey-Kloster wiederholt über die schweren Übergriffe, die sich die beiden Brüder dem Kloster und seinen Besitzungen gegenüber zuschulden kommen ließen, ohne dass der Abt eine Änderung erreichen konnte. Der Herzog von Sachsen, Heinrich der Löwe aus dem Geschlecht der Welfen, belehnte Wittekind von Schwalenberg mit der Burg Desenberg. Auch wurde er Vogt von Höxter, das er 1152 niederbrannte. Von seiner Burg Desenberg aus setzte er seine Angriffe gegen das Kloster-Corvey fort und erschlug im Jahre 1156 sogar den Stadtgrafen Dietrich von Höxter, einen Ministerialen des Klosters. Im Mai 1157 hielt Heinrich der Löwe, wohl auf Veranlassung des Kaisers, über Wittekind in Corvey Gericht. Er wurde verpflichtet, dem Abt und den Angehörigen des ermordeten Schadenersatz zu zahlen. Ihm wurden seine Lehen, insbesondere die Burg Desenberg, entzogen, Wittekind blieb aber auf seiner Burg. Bereits 1163 nahm er wieder an den Hoftagen Heinrichs des Löwen teil. 1168 belagert Heinrich der Löwe die Desenburg. Erst nachdem er einen Tunnel graben und den Brunnen der Burg verstopfen ließ, gaben die Schwalenberger auf. Sie blieben aber auf der Burg. Die Kämpfe um Burg Desenberg gingen jahrzehntelang weiter. Ein so heiß umkämpfter Burgberg musste seinen Platz in der Mythenwelt erringen, war doch schon in Frühzeittagen als Frauen-Disenberg von heiliger Bedeutung. In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Sagen über Herrscher, die in einem Berg über Jahrhunderte schlafen oder ruhen, um irgendwann in argen Notzeiten wieder aufzuwachen, um ihr Land zu beschützen oder ein verlorenes Reich wiederherzustellen. Der bekannteste ist vermutlich der Kyffhäuser, in dem Friedrich Barbarossa schlafen soll. Von „Karl dem Großen“ wird berichtet, dass er in den wichtigen alten germanischen Kultbergen hausen soll. Es sind dies der „Odenberg“ bei „Gudensberg“, der „Donnersberg“ in der Pfalz, die „Karlburg“ im Spessart, der süddeutsche „Untersberg“, die Burg „Herstelle“ an der Weser und unser beachtenswerter „Desenberg“. Die tapferen Ritter des deutschen Kaisers und seine guten Geister leisten ihm Gesellschaft. Gelegentlich fragt er die Zwerge nach der Jahreszahl. Wenn die richtige Zeit gekommen ist, soll er wiederkommen, um das große Kaiserreich wieder herzustellen und den Deutschen endlich Frieden bringen.