Männer mit Hörnerhelmen und Luren - Eigener Papierhandabrieb vom
bronzezeitlichen Bildfelsen Kalleby in Bohuslän/Schweden
 
DIE LUREN RUFEN
 
Die Birken tragen ihr Brautgewand,
aus den Himmeln greift eine Strahlenhand,
sie fährt den Kindern durchs goldene Haar
sie segnet die feiernde Tänzerschar.
 
Vom Norresund reisten die Zwillinge an,
weil sonst keiner Hörner so blasen kann.
Zwei Luren erschallen im Doppelklang,
hinein zirbeln Stimmen im Zwiegesang.
 
Die Maiden zwitschern wie Vögelein hell,
in Bärte brummelt manch derber Gesell,
Jungmannen schlagen die Trummelhaut,
darüber schwebt jubelnd ein Pfeifenlaut.
 
Die Wala winkt mit dem Birkenreis
ihren lachenden Jungfern im Trendelkreis.
Sie weiß jeden Knicks und jeden Sprung,
im Herzen ist sie wie einstmals jung.
 
Und die Luren tönen im trauten Verein,
mit zwiefacher Stimme, so muss es sein,
klingt doch das kleine wie große All
im sich ergänzenden, wechselnden Schall.
 
Die nächtige Mutter, der herrliche Tag,
sie hüten das Heim und den heiligen Hag.
Himmel und Hel und der heimige Herd,
alles was lebt ist von doppeltem Wert.
 
Auf den Lurenhörnern glitzert das Licht,
rotgolden die Bronze die Strahlen bricht.
Aus dünnwandig-feurigem Bronzeleib,
flammen die Bitten um Heiles Verbleib.
 
Überirdisch-himmlisch, erhaben-schön
erschallt für die Götter das Luren-Getön.
So klingt das nordische Frühjahrs-Gebet,
das um Segen für Fülle und Frieden fleht.
 
 
 
Lurenbläser auf dem Marktplatz von Kopenhagen
von Siegfried Wagner.
 
Die germanischen Trompeten, Musikinstrumente der Bronzezeit, die Luren, wurden aus extrem dünnwandigen Bronzezylindern gegossen und kunstvoll zusammengefügt. Ihre Fertigung umgibt bis heute ein metallurgisches Geheimnis, denn es ist bis heute äußerst schwer, Bronze so dünn und blasenfrei zu gießen. Die dem Waldhorn ähnlichen Luren bestehen aus einem Mundstück und mehreren zusammengesetzten gegossenen Stücken bzw. Rohren, ohne Grifflöcher und ohne Ventile. Sie sind zwischen einem und zwei Meter lang und S-förmig geschwungen. Der Schalltrichter besteht oft aus einer reich verzierten Scheibe. Zumeist sind es 8 Zierbuckel, die, zusammen mit dem Schalloch, die altheilige Sonnenzahl 9 ergeben. Die 9. ODING-Rune ist das Sowilo- bzw. Sonnenzeichen. Die Ziernocken des Luren-Schalltrichters führen interessante mythische Zahlen vor. Der äußere Nockenring besitzt 24, der innere 16 Nocken und zwischen den 8 Buckeln befinden sich 8 Paare von jeweils zwei Nocken. Die Summe der Nocken beträgt: 24 + 16 + 16 = 56, dazu die 8 Buckel = 64. Die Zahl 56 (14x4, 7x8, 5+6, 2 x 28) entsteht durch 7 x 8; 7 ist die Zahl der Gottesmutter = 7. ODING-Birken-Rune. 8 ist die Zahl des Himmelsvaters = 8. ODING-Tiu-Rune. Die Kalenderberechnungszahl 56 taucht auch in der ersten Bauwerkphase von Stonehenge auf, welche, um 3100 v.0 in Südengland erfolgte. Sie maß etwa 115 m im Durchmesser und bestand aus einem kreisförmigen Wall. Am äußeren Rand des so eingefassten Bereiches lag ein Kreis aus 56 Löchern. Diese „Aubrey-Löcher“, benannt nach ihrem Entdecker, dem Historiker John Aubrey, haben einst offenbar hölzerne Stützpfeiler enthalten. Sie sind heute durch in den Rasen eingelassene weiße Scheiben aus Zement gekennzeichnet. Die Luren-Zahl 64 ist das Ergebnis aus (8 x 8), also der potenzierten Himmelsvater-Zahl. Auch das mythische Schachspiel besteht aus einem Brett von 64 Feldern; es stellt den ewigen Kampf der Lichtritter gegen die Dunkelheitsdämonen dar.
 
Funde aus Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen sind bekannt. Der niedersächsische Garlstedter Lurenfund hat es sogar bis ins Gemeindewappen geschafft. Das Gerät wurde 1830 aus einem germanischen Grabhügel der jüngeren Bronzezeit (1800-700 v.0) geborgen.  Ursprünglich war diese in 21 Fragmenten erhaltene Lure 192 Zentimeter lang. Sie besteht aus mindestens vier gegossenen Segmenten mit durchschnittlicher Wandstärke von etwa einem Millimeter, die miteinander verlötet waren. An einer Stelle ist die Lure nur lose zusammengesteckt und mit einer Art Splint gesichert, sodass sie für den Transport oder die Aufbewahrung zerlegt werden konnte. Die Schallscheibe an der Mündung hat einen Durchmesser von 26,5 Zentimetern und ist mit sechs symmetrisch angeordneten, halbkugeligen Buckeln verziert (Aufbewahrung im Niedersächs. Landesmus., Hannover). Aus dem nordgerm. Verbreitungsgebiet sind bisher mehr als 60 Luren bekannt. Zumeist wurden sie als Paare gefunden, die harmonisch aufeinander abgestimmt waren. Daher geht man davon aus, dass sie gemeinsam gespielt wurden. Die Felsritzungen von Tanums-Hede und eine Ritzung im schwedischen „Kivik-Grabhügel“ zeigen diese Instrumente, die ebenso auch in zahllosen weitern bronzezeitlichen Felsritzungen - oft paarig in Schiffsbildern - zu sehen sind. Der Moorfund von Brudevälte bei Lynge auf Seeland besteht aus sechs Luren, die so gut erhalten waren, dass sie noch spielbar waren. Die ältesten kürzeren Luren könnten Nachbildungen eines Rinderhorns sein. Eine solche Lure wurde 1898 im Moor von Paarp bei Västra Karup in Schonen gefunden. Zum Tragen der Luren diente eine Kette aus Bronzeringen, wie sie im Moor südschwedischen Gullåkra bei Uppåkra gefunden wurde. Der Lurenguss verlangte ein extrem hohes Maß an handwerklichem Geschick, das allein über einen sehr langen Zeitraum entwickelt und verfeinert werden konnte. Luren zählen nicht allein zu den aufwendigsten Bronzeobjekten, die bisher bekannt sind, denken wir an die frühdeutsche Himmelscheibe vom Mittelberg bei Wangen (sog. Nebra-Scheibe) an der Unstrut, den dänischen Sonnenwagen von Trundholm und zahllose Waffen und Schmuckstücke aus germanischen Frühzeiten.