Aus „Stern“ Nr. 10/1975, S. 66
 
BRIEF AN EINE GLÄUBIGE MARXISTIN-KOMMUNISTIN (14.05.1977)
 
 
Liebe Helga,
 
Wie versprochen schreibe ich Dir diesen Brief. Kommunismus verstehe ich als Herzenssache. Wer ihn aber als Wissenschaft bezeichnet, zeigt, dass er nicht auf der Höhe wissenschaftlicher Erkenntnisse der Jetztzeit steht, dass er vielmehr ein Glaubender ist. Gläubige haben zu allen Zeiten ihre „Weisheit“ mit weniger oder mehr Berechtigung als Wissenschaft ausgegeben und in diesem Sinne verbissen argumentiert. (siehe Christen bzw. Kirchengeschichte)
 
Der Gläubige identifiziert sich irgendwann mit seiner Glaubenslehre, so dass ihm ein Angriff (z.B ein wissenschaftlicher) auf dieselbe als Angriff auf seine Person erscheint. In diesem Augenblick kann er gar nicht mehr wissenschaftlich diskutieren. Beim Angriff auf die eigene Person reagiert das Zwischenhirn, der Hirnstamm, die älteste Gehirnregion, vegetative Mechanismen laufen ab. Dies scheint mir bei Dir, liebe Helga, jeweils der Fall zu sein.
 
Was am Kommunismus u.a. unwissenschaftlich ist, und deshalb zum reinen Glaubensdogma erstarren musste, darüber könnte man Bücher schreiben. Es liegen auch sachliche Arbeiten darüber vor, z.B. von Dr. Rolf Kosiek „Marxismus - eine falsche Theorie !“ Wenn ich Kommunismus mit Marxismus gleichsetze, so folge ich Deinen eigenen, im Gespräch formulierten Auffassungen. Von wissenschaftlicher Seite kann am Marxismus bestritten werden bzw. gegenteilige Erkenntnisse ins Feld geführt werden: das Gleichheitsdogma - die Milieutheorie - angebliche Vererbung erworbener Eigenschaften - Rationalismus - Determinismus - die Lehre vom guten Menschen - die Lehre vom neuen Menschen - die lineare Progression - die Lehre vom Staat als „Sklavenhalter“ - die Lehre vom geschichtlichen Klassenkampf - die Quantifizierbarkeit und manches mehr.
 
Trotz aller Unwissenschaftlichkeit des marxistischen Kommunismus, welche in der Sowjetunion solche Blüten wie die des Wissenschaftsbetruges („Fall Lyssenko“) trieb - um wissenschaftlich zu beweisen, was reine Glaubensthese war und ist - trotz allem findet keine andere „Schau der Dinge“ in unserer Generation mehr Anhänger als diese Bewegung. Wie kommt’s:
 
Nun, das Schema ist alt und wirkt ewig:
 
1. Man nehme einen Messias (Heilsbringer), denn die Herden scharen sich zu allen Zeiten um die „große Person“ eines Hirten. Förderlich ist, dass der Messias dem sogenannten „auserwählten Volk“ entstammt - das merke ich ohne jegliche Häme an - für die internationale Verbreitung und Unterstützung.
 
2. Man presse die Welt der vielfältigen Erscheinungen in einige Grundthesen zusammen, damit sie auch für die bescheidenen Geister scheinbar begreifbar werden.
 
3. Man teile als primitivste, deshalb stärkste Orientierungshilfe für die Masse die gesamte Menschheit in zwei Teile: Das funktioniert so gut (und schlecht) wie das Fragen nach der Parole beim Militär. Weiß man die Parole, gehört man dazu, - weiß man sie nicht, wird man erschossen, herrlich einfach ! Bei den Christen waren es der Teufel und die bösen Geister, die man in die Säue trieb. Bei den Hitleristen waren es Juden und Judengenossen. Bei Dir, liebe Helga und Deinen Geistesverwandten, sind‘s nun die Ausbeuter Der andere, bessere Menschheitsteil, der, so hofft man, die „Parole“ immer besser begreift, das sind die Ausgebeuteten, die Arbeitnehmer.
 
4. Man vermittele eschatologische Hoffnungen, vom bösen Jammertal, das noch durchschritten werden müsse, vor dessen Endzeit, um dann der besseren (der marxistisch-kommunistischen) Welt teilhaftig zu werden. Mit diesem Trick haben bewusst oder unbewusst Christen ebenso wie Marxisten selbst Märtyrer für sich aufgetrieben.
 
Doch genug -, Gläubige sind ja nicht zu belehren. Die schwersten Rammböcke der Vernunft bringen die geistig schwächsten Mauern der Religionen nicht zum Einsturz. Nun in aller Kürze konkret bezüglich der Person des Religions-Schöpfers:
 
1848, einen Monat nach Ausbruch der Unruhen in Köln, kam Marx über Paris aus Brüssel, wo er mit Engels das „Manifest“ geschrieben hatte, nach Köln. Marx verpflichtete den Drucker, Herrn Clouth, auf so niedrige Kosten, dass dessen zehn Setzer den Hungerlohn empört zurückwiesen. Das war Marx gerade recht, denn arbeitslose Setzer sprangen für Niedrigstlohne in die Lücke, Ein Drittel der Kölner Bevölkerung lebte 1848 von der Fürsorge. Auch sonst war Herr Marx als „Redakteurenchef“ nicht pingelig. „In einer Zeitungsredaktion“, so meinte er, „muss Diktatur, nicht allgemeines Stimmrecht herrschen“. In seinem diktatorisch geführten Zeitungsbüro entstand die „Neue Rheinische Zeitung“. „Alle anderen Zeitungen zahlen höhere Löhne als das Blatt des Herrn Dr. Marx“, beschwerte sich denn auch die Zeitung des Kölner Arbeitervereins. Sein Verhältnis zur Arbeiterschaft ist von verwirrender Doppelsinnigkeit geprägt. Die Menschen für welche er sich in seinen offiziellen Schriften einzusetzen vorgab, bezeichnete er in seinen privaten Schreiben als „Esel“, „Arbeiterpack“ und „Knoten“. Er schrieb, dass er voll sei von „Verachtung der Einzelnen wie der Massen“, er schrieb vom „Gesindel der Menschheit“.
 
Soviel zu diesem Thema. Von Herrn Marx wäre natürlich noch vieles zu sagen, aber nur eines, was mir gerade in den Sinn kommt, möchte ich noch anführen Dein Schöpfer des „wissenschaftlichen“ Kommunismus glaubte z.B., jedermann an seiner Kopfform einordnen zu können. „Er examinierte mich“, so weiß sich später der Sozialistenführer Wilhelm Liebknecht zu erinnern, „mit den Fingern, die er in Kennerweise auf meinem Kopf tanzen ließ.“ Man nennt diesen Hokuspokus Phrenologie. Ein Mann, der derartige pseudowissenschaftlichen Überzeugungen hegte und pflegte, konnte wohl auch nicht anders, als eine neue, vielleicht die gigantischste Pseudowissenschaft zu gebären.
 
Nach aller Kritik an Marx und dem Marxismus möchte ich Dir an dieser Stelle aber meine uneingeschränkte Neigung zu einem Sozialismus-Kommunismus eingestehen, welcher imstande ist, das Volk nicht in Klassen aufzuspalten, Hass und Zwietracht hineinzusenden, sondern imstande wäre, ein Volk zusammenzuführen, eine Gemeinschaft der Schaffenden, wo auch immer sie hingestellt sind, zu bewerkstelligen, vor allen Dingen aber, der in die Zukunft hinein volkserhaltend und nicht volkszerstörend wirkt. Sozialismus ist uralt. Schon Tacitus schreibt, dass in Mittel- und Nordeuropa zu seiner Zeit der Grundbesitz ausgeschlossen war. Jedermann lebte auf einem Stück staatlichen Leihlandes. Er hatte nur so lange Recht darauf, wie er dieses Land zum Nutzen für sich selbst und damit zum Wohle aller kultivierte. Land war nicht verkäuflich.
 
Es gibt viele gute sozialistische Traditionen, an die man anknüpfen kann. Des angeblich wissenschaftlichen Marxismus-Kommunismus bedarf es nicht.
 
Karl Marx war aufgrund seines unglücklichen Charakters und aufgrund unglücklicher Lebensumstände in die Rolle eines „Vaterlandslosen Gesellen“ hineingewachsen. Er hasste seine Gastvölker ebenso wie das Volk, dem er blutmäßig angehörte. Seine abfälligen, boshaften und oft unsachlichen Bemerkungen und selbst Niederschriften über die Juden sind bekannt. Sein Vaterland Preußen hasste er zumindest ebenso, seit seiner - wegen seiner hassvollen Hetzpamphlete - notwendig gewordenen Ausweisung aus Köln. So musste seine Pseudowissenschaft eine vaterlandslose „Wissenschaft“ werden. Die Zerstörung der Völker aber ist dumm und sinnlos. Du hast bestritten, dass Marx als Redakteur tätig war. Seine Ausweisung aus Köln war gerichtet an Herrn Dr. Karl Marx, „Redakteur en chef“ der Neuen Rheinischen Zeitung. - Gute Grüße, Gerd