Was sich beim intensiven Quellenstudium abzeichnet, ist die Erkenntnis, um einen jahrhundertelang geführten Kampf zweier Religionsangebote, zweier sich zunächst gegenseitig ausschließender Heilsangebote von zwei Magier- bzw. Priesterkongregationen, welche vorgaben, das zaubrische Heilswissen um Gott zu kennen, auch zweier sich befehdende, welterklärende Schriftsysteme, die sich gegenseitig ächteten in ihrem Ringen um die germanische Seele. Für einen sensiblen Beobachter ist dieser Riss bis in die inneren Auseinandersetzungen der Deutschen des 20. Jahrhunderts erkennbar. Neben den Positionen der Puristen, der Konsequenten und Kompromisslosen gab es aber auch schon frühe Neigungen zum Synkretismus, zum Spannungsabbau, zum gegenseitigen Befruchten und Ergänzen -; und dann, im Zuge des auf staatlichen Druck erfolgten christenkirchlichen Übergewichtes, das Aufsaugen heidnischer Verständnisweisen in die sich entwickelnde scheinchristliche Volksfrömmigkeit.
 
Die kriegerischen Langobarden in Italien erwählten als ihre Schutzpatrone streitbare „heilige“ Lanzenträger: den Michael, den Drachentöter Georg und den Mercurius. Der Michaelskult wurde der offizielle des Königtums in Pavia. Im Herzogtum Benevent - jener Fluchtburg der Traditionsbewussten und Freiheitsliebenden - die sich nach 774 nicht unter das Joch der Frankenherrschaft beugen mochten, der Hl. Mercurius, auch ein verchristlichter Wodan, als Staatspatron galt. Diese Militärheiligen, in denen man staatspolitisch hochbedeutsame Vertreter der imperialistischen Himmelsarmee sah, genossen die gleiche hohe Verehrung wie ihre heidnischen Vorläufer und Vorlagen. (Karin Priester, „Geschichte der Langobarden“, 2004, S. 140, 164) Wie sich heidnische und christliche Verständnisse aneinander anpassten, geht aus einer Vielzahl von Quellenzeugnissen hervor. Sehen wir uns die langobardisch-alamannischen gleichschenkligen Goldblattkreuze des 6.-7. Jhs. an, aus dünnen Goldfolien, die auf ein Tuch genäht, den Verstorbenen mit ins Grab gegeben wurden. Oft genug erscheint auf den Kreuzarmen die wodanische Doppelschlange als Reinkarnationssinnbild, das germ. Flechtmuster als Schicksalsschlingen-Chiffre und im Kreuzmittelpunkt der heidnische Knoten, oder schnauzbärtige Wodankopf, wie z.B. bei dem aus Grab 83 von Sontheim Krs. Heidenheim und dem von Lauchheim, Grab 38. Aus Grab 48 von Donzdorf stammen zwei wodanische Seelenvogel-Goldbleche die einem nicht mehr vorhandenen Kreuz aufgeheftet waren. Gleiches fand man im Grab 26 von Giengen (an der Brenz), wo die beiden Wodanvögel-Goldplättchen zum Goldblattkreuz gehören, dessen Model den heidnischen Hängebart-Gott vorführt. Trotzdem werden Goldblattkreuze, man sollte sie besser Sonnenkreuze nennen, wie das aus dem Reitergrab von Landsberg / Lech-Spötting mit kreissegmentförmigen Schenkeln, als „eindeutiger Beweis für die Christianisierung der Alamannen und Bajuwaren“ gewertet, obwohl das Zentralmotiv ein Wodankopf mit den typischen Haarknoten ist, wie man sie von den heidnischen Goldbrakteatenbildern kennt. (Wilfried Menghin „Frühgeschichte Bayerns“, 1990, Abb. 46a) Ohnehin ist es ignorant, das gleichschenklige Kreuz, das uralte Sonnenheilszeichen, grundsätzlich per se als christliches Symbol zu werten, worauf sich manche Interpretatoren versteift haben. Die Formen des Malteser-, Tupfen-, Radkreuzes sind vorchristlich, gehören z.B. schon zum Bildbestand bronzezeitl. Felsgravuren Skandinaviens. Die irischen Bildnisse des „Gekreuzigten Gottes“ demonstrieren keinen am Kreuzgalgen hängenden, zum Tode Verurteilten, vielmehr den Heilbringer mit den überdimensionalen großen Segenshänden, wie er ebenfalls bereits zum bronzezeitlichen Felsbildbestand gehört (Bräcke, schwed. Bohuslän). Ähnlich verhält es sich mit der vorkarolingischen Statue des sog. „Herrgott von Bentheim“. Der hängebärtige Germanengott erscheint ebenso im sicher älteren Tympanon das der Pforzheimer Altstadtkirche „St. Martin“ aus Mitte 12. Jh. eingebaut wurde, wo das zentrale heidnische Schlingenmotiv und der angekettete Fenriswolf ein kleines wie nebensächliches Kreuzchen dominieren. Im goldenen Siegelringbild von Lauchheim aus dem 7. Jh., verbindet sich das Kreuz nicht mit dem üblichen christlichen Agnus-Dei („Lamm Gottes“), sondern mit dem wodanischen Ross, auf dessen Rücken es als himmelsdachstützende Weltsäule steht, von Sonne und Mond flankiert; unter dem Tier zwei -Runen, als Sinnzeichen für das ewige Jahr bzw. die endlose Zeit.  (W. Müller / M. Knaut „Heiden und Christen“, 1987) Im vorkarolingischen Türsturz von Geisenheim erscheint die markant herausgearbeitete Ing-Rune des solaren altgläubigen Gottes Ingo-Fro neben dem Haupt des noch nicht am Kreuz hängenden Christus („Sammlung Nassauischer Altertümer“, Wiesbaden). Wie sich Begriffs- und Heil-Runen in die christliche Zeit hinein erhielten, demonstriert der Grabstein des Priesters Badegisel in St. Alban 7.Jh. mit 5 Tyr-Runen () unterhalb der Inschrift. Oder der Grabstein Munetrudis, St. Alban, Mainz 6./7. Jh. mit den 6 Sonnen-Runen () oberhalb der Inschrift (Landesmus. Mainz). Das seitlich eingemauerte Tympanon des von irischen Mönchen 927 urkundlich erwähnten Kirchleins zu „Birgidesstat“, der ältesten Kirche Wiesbadens (Wi.-Bierstadt), zeigt im Mittelfeld kein echtes Kreuz, vielmehr einen spitz zulaufenden Menhir, dem ein Querbalken, gleich einem Fremdkörper, angefügt scheint. Der Grabstein eines Kriegers des 6./7. Jhs. von Niederdollendorf bei Bonn, zeigt den Toten mit langem Sax und dem wodanischen Seelen-Schicksalsschlangenmotiv. Der Drei-Schlangen-Kode wiederholt sich auf dem heid. Bildstein von Smiss im Kirchspiel När auf der schwed. Insel Gotland. Der Gestus des Kämmens deutet die Hoffnung auf Wiedergeburt an, denn die reinkarnative Seelenkraft sah der Heide im nach jedem Schnitt nachwachsenden Haar sichtbar verkörpert. Die Rückseite der Stele führt den Topos des germ. Speer- und Ring-Gottes Wodan vor, über dem Schicksalsgeflecht stehend. Jedes einzelne Merkmal dieser Bildsprache entspricht rein heidn. Vorstellungen und doch wird er in mancher Interpretation als „frühchristlich“ besprochen. Ähnlich der Reiterstein von Hornhausen im Harzgau, er soll Teil einer Altarschranke sein, doch der dargestellte lanzentragende Krieger, der über den Grund einer wodanischen Doppelschlangen-Chiffre reitet, steht in Tradition eines Bildmotivs wie es uns auf Runensteinen vom Skokloster und Möbro im schwed. Uppland und auf wodan-kultischen dän. Goldbrakteaten (z.B. „Nær Køge-C“)begegnet, ebenso wie auf Pressblech-Zierbildern der Brillenhelme aus skandinavischer Vendelzeit (6.-8. Jh.), auch dem Goldamulett des beginnenden 7. Jhs., einer langobardischen Grabbeigabe, die einen berittenen Krieger mit Sonnenschild und Lanzezeigt (Museo Archeologico Nazionale in Cividale).Mit der Aufzählung derartiger Beispiele könnte man noch eine Weile fortfahren. Letztlich musste das Heidentum unterliegen; ihm fehlte die nötige Skrupellosigkeit und zentrale Leitungsstruktur. Der hybride, anmaßende Geist jüdischer Schriftgelehrter ergänzte sich zu einer giftigen Mixtur mit der imperialen Organisationstechnologie römisch-italischer Eliten, zu einem hemmungslosen Übertölpelungs- und Unterjochungswillen des christlichen Missionsaktivismus. Die kirchliche Mission hat sich anbiedernd oft genug durch die Hintertür einer scheinheidnischen Maskerade eingeschlichen. Was am widerlichsten, weil völlig unverfroren unaufrichtig, im altsächsischen Missionstext des „Heliand“ nachvollziehbar ist, wo der Wanderprediger Jeschua-Jesus, der nationaljüdische Reformer des Mosaismus, als germanischer Gefolgschaftsführer, als Kriegsherr, als berittener Fürst und Himmelskönig angepriesen wird. Ein unbekannter Mönch, Mitte 9. Jh., des Klosters Werden an der Ruhr schrieb die Schwindelpackung, in der biblische Städte zu sächsischen Burgen und die Wüste Juda zum niederdeutschen Urwald verdreht werden. Auch die inneren Widersprüche sind unlösbar, einmal wird dazu aufgerufen, die Ehr- und Ruhmsucht abzutun, gleichzeitig wird angestachelt, auf christlichen „Nachruhm“ zu spekulieren. Der entwickelte feine Versstil des Helianddichters, mit den stabreimenden Langzeilen, entspricht einer germanisch-sächsischen Dichtertradition, die ganz offensichtlich auf eine lange Kunstentwicklung zurückschauen konnte. Auch sie ging im Glaubensumbruch unter und dem folgenden, sich über die germanische Seele legenden römisch-christlichen Dogmengeist, der jegliche Gedankenfreiheit erstickte.
 
Eine Stelle bei dem Benediktinermönch Kero (um 720), der im Kloster St. Gallen wirkte, bzw. dem Verfasser des altdt. Glossars „Abrogans“, dokumentiert den christlichen Verdrängungskampf gegen die Runenbuchstaben. Da wird den Mönchen verboten von irgendjemand etwas in Runen, „rûnstaba“, Geschriebenes anzunehmen. (W.C. Grimm, „Üb. dt. Runen“,1821, 70f) Zu rücksichtslosesten Gewalttaten gegen den Altglauben war dann der Frankenkönig Karl (768-814) bereit und militärisch befähigt. Im Jahr 772 begann er die Sachsen-Unterwerfung mit dem Sakrileg der Zerstörung ihrer heiligen „Irminsul“, einem All-Stützensinnbild. Die Zwangsbekehrungen und Massenmorde verliefen folgerichtig Hand in Hand. Die Quellen sprechen von 4.500 Abschlachtungen der Adeligen an nur einem Bluttag bei Verden an der Aller. Sein i.J. 782 erlassenes Sondergesetz („Capitulatio de partibus Saxoniae“), mit zehnmal hintereinander angedrohten Todesstrafen, verdrehten den Heimatglauben zum todeswürdigen Delikt. Das aufgezwungene altsächsische Taufgelöbnis, in altsächsischer Sprache, verlangte die totale Unterwerfung des Täuflings unter den ihm unbekannten christlich-orientalischen Gott. Die Sachsen hatten den „Teufeln“ („unholdun“) abzuschwören, die ihren germ. Gottheiten Donar, Wodan, Saxnot. („Thunaer ende Wôden ende Saxnôte [Tiu / Tyr]“) gleichgesetzt wurden. Zu diesem tragischen Prozess des Glaubensumbruches schrieben die Grimm-Brüder: „Das Christentum war nicht volksmäßig. Es kam aus der Fremde, und wollte althergebrachte einheimische Götter verdrängen, die das Land ehrte und liebte. Diese Götter und ihr Dienst hingen zusammen mit Überlieferungen, Verfassung und Gebräuchen des Volks. Ihre Namen waren in der Landessprache entsprungen und altertümlich geheiligt, Könige und Fürsten führten Stamm und Abkunft auf einzelne Götter zurück; Wälder, Berge, Seen hatten durch ihre nähe lebendige Weihe empfangen. Allem dem sollte das Volk entsagen, und was sonst als Treue und Anhänglichkeit gepriesen wird, wurde von Verkündigern des neuen Glaubens als Sünde und Verbrechen dargestellt und verfolgt. Ursprung und Sitz der heiligen Lehre waren für immer in ferne Gegenden entrückt und nur eine abgeleitete, schwächere Ehre konnte auf heimatliche Stätten übertragen werden. - Der neue Glaube erschien im Geleit einer fremden Sprache, welche die Bekehrer ihren Zöglingen überlieferten und dadurch zu einer die herabgewürdigte vaterländische Zunge in den meisten gottesdienstlichen Verrichtungen ausschließenden Priestersprache erhoben.“ („Deutsche Mythologie“, Kap. 1)
 
Schon aus dem Jahre 380 hören wir aus schriftlichen Quellen (z.B. Rhetoriklehrer Libanios) von den Klagen über mörderische, räuberische „Banden schwarz gekleideter Mönche“. Im Jahre 408 erfolgte unter Kaiser Flavius Honorius dann das Gesetz, die heidnischen Tempel zu zerstören oder in Kirchen umzuwandeln. Darum lässt sich an vielen Orten beobachten, dass unter christlichen Kirchen die Reste heidnischer Kultstätten liegen, deren vorangegangene Zerstörung erkennbar wird. Auch z.B. in Allmendingen im Kanton-Bern (Schweiz) wurden die Statuen des Tempels zerschlagen und in eine ausgehobene Grube geworfen. Die älteste Kirche dieser Region, im 5. Jh. errichtet, ist ca. 5 km vom alten Heiligtum entfernt. Zumeist stand heidnische Toleranz gegen katholische Unduldsamkeit auf verlorenem Posten. Dass fanatische christliche Tempelschänder wie Bischof „Liudger von Münster“, der auf Helgoland wütete, zuweilen von einer aufgebrachten Bevölkerung erschlagen wurden, wie  Bischof „Vigilius von Trient“ 405 im alpenländischen Rendenatal, oder Bischof Bonifatius, der sog. „Apostel der Deutschen“, 755 bei Dokkum in Friesland, ist menschlich nur allzu verständlich, denn man sah in ihnen tollwütige „Wölfe im Heiligtum“. Welches verbrecherische Ausmaß der Glaubensumbruch letztlich annahm, spricht Eberhard Sauer aus: „Auf der Grundlage des literarischen und archäologischen Befundes kann es keinen Zweifel geben, dass die Christianisierung des Römischen Reiches und des frühmittelalterlichen Europas mit der Zerstörung von Kunstwerken einherging in einer Größenordnung, die man in der Geschichte der Menschheit nie zuvor sah.“ („The archaeology of religious hatred in the Roman and early medieval world”, 2003, S. 157) Unser zunehmendes Wissen um die bei lebendigem Leibe zerschnittenen, erschlagenen heidnischen Philosophen und Priester, wie die Mathematikerin „Hypatia von Alexandria“ (355-416), oder der namenlose, lebendig Begrabene im Mithrastempel von Saarburg in Lothringen und der Gepfählte vom Mithrastempel an der schweizer „Via-Mala“, lassen eine grausliche Seite der Geschichte heraufdämmern, die auch von den krampfhaft kolportierten, seichten kirchlichen Märthyrerlegendchen lange genug verschüttet wurde.
 
Bild: Spende von einem unbekannt gebliebenen ODING-Freund