Abb. 1 - Osterhase von Ernst Kutzer,
aus „Lesebuch für 1. Grundschuljahr“, Wiesbaden, 1930
 
DER DEUTSCH-HEIDNISCHE OSTERHASE
 
Wenn wir uns dem „heidnischen Osterhasen“ nähern wollen, rufen wir uns zu Anfang dass volkstümliche Märchen „Der Hase und der Igel“ ins Gedächtnis. Schriftlich wurde es Mitte des 19. Jahrhunderts von mehreren deutschen Volkskundlern und Sagenforschern, auch den Brüdern Grimm, mitgeteilt. Der boshafte Hase macht sich über die schiefen Beine des Igels lustig, woraufhin ihn dieser zu einem Wettrennen herausfordert. Bei der Durchführung des Rennens auf einem Acker läuft der Igel nur beim Start ein paar Schritte, hat aber am Ende der Ackerfurche seine ihm zum Verwechseln ähnlich sehende Frau sitzen. Immer wenn der siegesgewisse Hase heranstürmt, erhebt sich die Igelfrau und ruft ihm zu: „Ick bün al dor !“ („Ich bin schon da !“). Dem Hasen ist die Niederlage unbegreiflich, wie er sich auch abmüht, er verliert, beim 74. Rennen bricht er erschöpft zusammen und stirbt. Zahlenmythologisch interessant ist die 74, ergibt die Zahl doch eine Quersumme 11, nach christlicher Definition der Zahl einer der 7 „Todsünden“, nämlich der lat. Luxuria bzw. der sinnlichen Begierde. Exakt dafür galt der vermehrungsfrohe Hase als geächtetes kirchenchristliches Symbol. Wer danach letztlich als jener zur Wollust anregende Geist gemeint ist, steht außer Frage, nämlich die christliche Teufelsfigur. So wie der Hase im Märchen der Gefoppte ist, so sah das Kirchenvolk im Geprellten, den ewigen Verlierer, eben den „armen Teufel“, wie ihn beispielsweise Ludwig Richter gezeichnet hat.
 
Der Hase als Teufelssynonym kommt auch in einer bayerischen Legende vor, jener von der „Entstehung der Wallfahrtskapelle Kohlstattbrunn“, Michael Waltinger gab sie wieder in seinem Bändchen „Niederbayerische Sagen“: Wenig entfernt von Grainet (Bezirksamt Wolfstein) liegt auf dem Wege nach Duschlberg das Wallfahrtskirchlein Kohlstattbrunn. Über die Entstehung dieser Wallfahrt gibt ein Bild Kunde, das in dem Kirchlein oberhalb der Türe angebracht ist. Das Bild zeigt einen Jäger, der in der Nähe einer Quelle kniet und unterm linken Arm einen schwarzen Hasen mit feurigen Augen hält. Darunter ist zu lesen: „Ursprung der Wallfahrt Kohlstattbrunn. Lorenz Seidl, Häusler von Frauenberg ging an einem Sonntag im September 1753 zur Pfarrkirche nach Grainet. Er hatte ein Gewehr bei sich. An dieser Stelle erblickte er einen Hasen, dem er lange nachging. Jetzt läutete man zum Gottesdienste. Ganz erzürnt, verfluchte er den Hasen. Schwarz kam er unter seinen Arm. Er flehte zu Jesus und Maria und der Hase war verschwunden.“ Der schwarze Hase war also niemand anderer als der Teufel selbst, der den Sonntagschänder mit in die Hölle nehmen wollte. Zur Erinnerung und aus Dankbarkeit für seine Rettung ließ Seidl hier eine Holzkapelle erbauen, in der eine Muttergottesstatue von den Wallfahrern verehrt wird. Die Quelle bei der Kapelle gilt als heilkräftig, hat mithin sicherlich vorchristlichen Charakter, mit einer Beziehung zur heidnischen Göttin oder jedenfalls zu weiblichen Heilgeistern.
 
Insbesondere begegnet dem kritischen Brauchtumsforscher der Hase zur Osterzeit, das aus rein heidnischen Vorläufern hervorgegangen ist. Schon der Osterberechnungstermin zeigt, dass es sich um ein naturmythologisches Fest zum Ende der Winterzeit handelt, das die Sommerzeit einläuten sollte. Sonne und Mond mussten über die Dunkelheit gesiegt haben, dann feierten unsere Vorfahren ihr „Sigarblot“, ihr Lichtsiegefest. Christen passten sich an und faseln seitdem von einer unglaublichen Totenauferstehung und 40 Tage später einer Himmelauffahrt ihres Kunstgottes „Jesus-Christos“. Kein jüdischer Zimmermannsohn, kein Jesus, ganz allein die Natur erwacht aus ihrem Todesschlummer in dieser frühjährlichen Wachstumsphase. Zur griechischen Göttin Aphrodite, der Inkarnation von Liebe, sinnlichen Begierde, Schönheit und Fruchtbarkeit, gehörte auch der Hase als Attributtier. Sie war ursprünglich zuständig für das Wachsen und Entstehen des Naturlebens, nicht anders wie die röm. Venus und die germ. Freia-Freya, der unser traditioneller Hochzeitstag, der Freitag, geweiht ist. Es wäre aus den Quellenzeugnissen abzulesen, dass eine Erscheinungsform der Freia zur Siegfest-Osterzeit die Eostre / Ostara gewesen ist. Wir müssen uns in diesem Punkte nicht festlegen, aber sicher ist, dass zu jedem der altgläubigen Feste sowohl männliche wie weibliche Gottheiten - in unterschiedlichen Gewichtungen von Fest zu Fest - eine Rolle gespielt haben. Der Hase als eines der Symboltiere der frühjährlichen Fruchtbarkeitsgöttin hatte also einen sicheren Platz im heidnischen Fruchtbarkeitskult und im heidnischen Siegfest-Osterfest. Somit ist er zwangsläufig - kirchenchristlicher Logik zufolge - auch verteufelt worden und wuchs in die ambivalente Betrachtungsweise hinein, einerseits kirchenchristlich geschmäht und verdammt zu sein und andererseits in der zähen heidnischen Volkserinnerung der Festbrauchtümer sich in variablen Formen erhalten zu haben. 
 
 
Abb. 2 - Jagdfries am Kaiserdom zu Königslutter
 
Der Aspekt des „bösen Hasen“ erhielt sich im Jagdfries an der Apsis-Außenwand (Ostrichtung) am Kaiserdom zu Königslutter am Elm von der Hand eines lombardischen Bildhauer-Meisters (Abb. 2). Das Bauwerk wurde 1135 von Kaiser Lothar III. als Grablege für sich und seine Familie errichtet. Das Relief  zeigt einen Jäger der von zwei Hasen überfallen und gefesselt, also zur Wollustsünde verlockt wird. In der vorausgehenden Bildfolge des Frieses blasen zwei Jäger ins Horn, Hunde hetzen einen Hirschen, schlagen ihre Zähne in Hase und Wildschwein. Die sinnbildliche Aussage ist klar und eindeutig. So soll es sein, dass der Jäger, der Mensch die Zeichen der Unzucht jagt, zu Fall bringt und erledigt, nämlich Wildsau und Hase, welche sich beide als Erscheinungsformen des Satans zu erkennen geben. Die Bildsprache umfasst also Lob der Vorbildhaltung sowie Warnung vor Fehlhaltung. Der einrahmende Widderkopf und das Heidenhaupt mit Mundschlangen betonen den Charakter des heidnisch-teuflischen Vorganges. Ein Autor Jürgen Bernhard Kuck ist - im Gegensatz zu den üblichen christlich-biblisch gebundenen Schwadroneuren - auf richtiger Fährte. Er vertritt die Ansicht, der Fries inszeniere über die dargestellten, offensichtlichen Jagdszenen hinaus den Menschen als Opfer des Teufels. Auch ein Tympanon der romanischen Kirche im französischen Conques zeigt eine in unserem Sinne dazu passende Szene. Zwei teuflische Hasen rösten in der Hölle einen gefesselten Jäger über dem Feuer. Auch im jüdischen Kulturkreis gilt der Hase als unrein, sodass sich die biblisch fixierten Kirchenoberen in korrekter Betrachtungstradition glauben mochten.
 
 
Abb. 3 - Stiftskirche in Hamersleben
 
Ein weiteres signifikantes Hasenbild findet sich in dem Stiftskirchen-Bau „St. Pankratius“ in Hamersleben (Abb. 3). Bischof Reinhard von Halberstadt hatte 1107, unmittelbar nach der Übernahme der Diözese, in Osterwieck, am Nordrande des Harzes ein Augustiner-Chorherrenstift eingerichtet. Zwei vornehme Damen, Thietburg und Tochter Mathilde, dem Kloster ansehnliche neue Ländereien geschenkt. 1111 wurde dann das Kloster nach Hamersleben (Nähe von Oschersleben) verlegt. Am 09.08.1112 stellte er die Stiftungsurkunde für das Kloster aus. Die Würfelkapitelle der Langhausarkaden sind mit reicher Ornamentik versehen. Eines der Kapitellreliefs zeigt den Topos des heidnischen Männerkopfes, dem Teufelshörner gewachsen sind und der von zwei tierischen Einflüsterern - Esel und Hase - flankiert wird, also der Dummheit und der Wollust erliegt.
 
 
Abb. 4 - Kreuzgang Dom zu Paderborn
 
Der Hase als altgläubiges Fruchtbarkeits-, Frühlings-, mithin Auferstehungssymbol der Osterzeit konnte in sinnvoller Erweiterung zur immer wiederkehrenden Auferstehung des Lebens gedeutet werden, indem der Dreiklang der Zeit - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft - in Gestalt von drei ineinander übergehenden Hasen ins Bild gesetzt wurde. Dies geschah im Ortswappen der Gemeinde Hasloch, die urkundlich erstmalig im Jahre 1305 als Hasilach erwähnt wurde. Ab 1500 gehörte sie zum „Fränkischen Reichskreis“. Der Begriff Hasilach wird wohl nicht vom Hasentier sondern vom Haselbusch abzuleiten sein, denn in einer Urkunde von 1328 wird neben der „villa haselach“ auch der dortige Bach „dya hasela“ genannt, so dass über hasel-aha und hasel-ache der Haselbach entstand und auf diese Weise auch der Dorfnamen. Hasloch gehörte zur Grafschaft Wertheim. Die einzige Berechtigung für das heutige Dreihasen-Wappen der Gemeinde ist das derartige Bild auf einer alten, nicht mehr nachweisbaren Glocke und ein auf dem „Laichenhof“ 1842 gefundener sechseckiger kleiner, säulenartiger Sandsteinblock, welcher auf der einen Fläche das Dreihasenrelief, mit der Jahreszahl 1616, auf der Rückseite das Wertheimer Wappen zeigt. Ebenso findet sich ein Dreihasen-Schlusstein in der „Peter- und Paulskirche“ in der traditionsreichen deutschen Gemeinde und dem Kloster Weißenburg im nördlichen Elsass, die französisch okkupiert wurden („Wissembourg“). Einen Meilenstein in der Entstehung der deutschen Sprache und Literatur bildet das um 860 geschaffene Evangelienbuch des Weißenburger Mönch „Otfrid von Weißenburg“. In der deutschen Schweiz ist eine weitere Darstellung dieser Art im Chorbogen der Kirche Lauperswil (Lkr. Emmental) zu finden. Ebenfalls gibt des die „Drei Hasen“ an der Kirche in Lauenen bei Gstaad, im Berner Oberland (Malerei 1529), im Kloster Muothal bei Schwyz, die „Drei Hasen“ im Kreis in Luceuil les Bains (Frankreich) im „Palais du Cardinal“ (spätgotisch). Allgemein bekannt aber ist das Dreihasenbild im Fenstermaßwerk des Kreuzganges vom Paderborner Dom (Abb. 4). Das Anfang des 16. Jahrhunderts geschaffene Kunstwerk aus rotem Wesersandstein zeigt die drei springenden Hasen in der üblichen kreisförmigen Anordnung. Unsinnerweise wird es von gedankenlosen Interpreten als Symbol der christlichen Dreieinigkeit fehlgedeutet. Wäre es das, würde es nicht sein unscheinbares Dasein an der Nordseite - der Heidenseite - im Innenhof des Domkreuzgangs fristen, sondern wäre prächtig und markant an einer gut sichtbaren Demonstrationsfront angebracht worden. Dass gerade dieses absolut unchristliche Relief in früheren Zeiten den einfachen Bürgern und Reisenden als Glücksbringer galt, beweist sein altheidnisches Herkommen. Jeder durch Paderborn wandernde Handwerksbursche musste es gesehen, sich also seiner Glücksgabe versichert haben. In diesem Zusammenhang sei an die berühmte „Hasenpfote als Glücksbringer“ erinnert. Sie sollte ursprünglich, wie auch der Hasenkopf, als Mittel gegen Hexerei wirksam sein. Ein Herkommen das nur aus dem Altheidentum auf uns gekommen sein kann, und nicht aus biblischen Anleitungen. Auch die „Great Church of the Holy Trinity” (in Long Melford, England), deren Bau 1484 vollendet wurde, besitzt ein kleines Dreihasenfensterbildchen über dem Nordtor (Heidenrichtung); dass dieses drittklassige Bildchen das „erhabene Geheimnis“ der christlichen Gottheits-Trinität versinnbildlichen sollte, ist absolut unglaubhaft (Abb. 5). Ein offizieller Auftrag des Klerus für eine Trinitäts-Darstellung kann diesem Bildchen keinesfalls zugrunde gelegen haben.
 
  
Abb. 5 - Great Church of the Holy Trinity
 
Die Dreihasenbilder sind dergestalt geordnet, dass, obwohl drei Hasen und nur drei Ohren zu sehen sind, jeder Hase einzeln betrachtet zwei Ohren hat, oder wie man es sich in Paderborn zu merken pflegt: „Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei”. Es handelt sich also wie die Triskele und die Spirale um ein Sinnzeichen der aus sich selbst immer erneuernden rollenden Zeit. Dass nicht allein die Zeit, vielmehr die gesamte religiöse Symbolik in der Dreizahl konzentriert werden konnte, ist in vielen Weltkulturen bekannt, wie es die altindische und hinduistische Trimurti („Dreiform“) und die germanische Götterdreiheit „Wotan-Willi-Weh“ und „Har-Jafenhar-Thridi“ bezeigen. Die christliche „Dreifaltigkeit“ ist weder originär noch originell und keinesfalls essenisch-urchristlich, denn im Judentum ist sie unbekannt. Das Paderborner Dreihasenfenster des 16. Jhs. stammt also keinesfalls aus echt christlicher Kunst- bzw. Symbolkultur.
 
Der hessische Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) berichtete, dass für Ostern die Eier mit Figuren in Gelb, Rot und Blau gezeichnet wurden: „Auf einem standen drei Hasen mit drei Ohren, und jeder Hase hatte doch seine gehörigen zwei Ohren.“ Das Dreihasen-Motiv scheint also einstmals verbreiteter und bekannter gewesen zu sein, als man heute - wegen seines spärlichen Vorkommens - vermuten mag. Im Marburger Land, besonders rund um Amöneburg, hat sich die Ostereiermalerei zu einer Volkskunst gesteigert. Hier ist Deutschlands ältester Ostereiermarkt zuhause. Die verwendeten Motive und Muster sind seit alters überliefert und gehen unmissverständlich auf vorchristliche Sinnbildsprache zurück, die sich ebenso in den örtlichen Trachten oder als Dekor im Fachwerkbau wiederfindet: Sonnenrad, Lebensbaum, das Liebes-Herz, Ähren und Trauben, Sonnen-Kreuz. - Die plausible Deutung des Dreihasen-Sinnbildes ergibt sich aus der Zusammenschau als Zeit-Chiffre mit dem weltweit fassbaren Mond-Aspekt des Hasen. Einer buddhistischen Legende nach war der Hase im Mond von Buddha selbst dorthin gebracht worden, wo er nach chinesischen Legenden mit Mörser und Stößel das Elexier der Unsterblichkeit mixt. Eine Darstellung des Dreihasenkreises aus buddhistischen Höhlen in Touenhouang in China wird auf das 6. und 7. Jh. datiert. Von China könnte das Symbol im 12. Jh. über die Seidenstraße in den Nahen Osten und von dort über die byzantinische Vermittlung und die norditalienisch-lombardischen Bauhütten nach Europa gewandert sein. Eine Dreihasen-Darstellung soll in der ehemaligen Synagoge von Horb am Neckar vorhanden gewesen sein, auch auf den Holzpaneelen des jüdischen Gebetsraums von Unterlimpurg bei Schwäbisch Hall. Tatsache scheint, dass das Symbol in vielen aschkenasischen Holzsynagogen des 17. und 18. Jahrhunderts auftaucht, was einmal mehr seinen nichtchristlichen Ursprung erweist -, wobei nochmals betont wird, dass ein altjüdischer Ursprung ebenso ausgeschlossen werden muss. Im Mosaismus ist das ausdrückliche Verbot für den Genuss des unreinen Hasenfleisches im Buch Deuteronomium verankert.
 
DER HASE IN DER ALTRELIGION
 
Beachtenswert sind die Sagen vom „seltsamen Hasen“ der sich in eine schöne Frauengestalt verwandelt, vom dämonischen „dreibeinigen Hasen“, der Unheil bewirkt. (Nikolaus Gredt, „Sagenschatz des Luxemburger Landes“,1963) Nach verbreiteter Vorstellung gilt der Hase als eines der Lieblingstiere der Hexen. Manche Sagen berichtet von der Verwandlung von Hexen in Hasen, weshalb Hexen mitunter als „Hasenfrauen“ bezeichnet werden. In Schottland galten Hasen für Hexenvertraute. Hexen sollen in Hasengestalt im Vollmondlicht tanzen, vor allem in der Walpurgisnacht. In Westfalen glaubte man, dass sich der Hase in eine Hexe zurückverwandeln muss, wenn man über seinen Kopf einen Stahl werfen würde. Zum „Hasentanz“ heißt es bei Kuhn unter Fußnote 101: „Was die Sage noch im Dunkeln lässt, spricht eine andere aus Ilseburg deutlich aus. Eine Frau erzählte, sie habe einmal mit mehreren anderen am Abend vor Wolperntag [Walpurgisnacht] vor der Tür gesessen, und es seien gerade Musikanten da gewesen, die aufgespielt hätten. Da seien auf der gegenüber liegenden Wiese mit einem Male eine große Menge Hasen erschienen und zuletzt auch ein dreibeiniger, der sei mit seinem Luntschebein [Klumpfuss] immer hin- und hergehuppelt. Da hätten sie sich alle groß angesehen und nicht gewusst, was sie sagen sollten. Die Musikanten aber hätten still ihre Sachen zusammengepackt und seien fortgegangen, da es klar gewesen, dass die Hasen Hexen gewesen. - So erscheint eine Hexe als Hase bei Müllenhoff S. Nr. 315.“ (Adalbert Kuhn, „Norddeutsche Sagen und Märchen“,1842) Nach einer Alpensage verwandeln sich Hasen nachts in Frauen und fliegen zum Monde, um dort zu tanzen. In einer Sage aus Brandenburg erscheinen Kobolde in Hasengestalt und narren die Jäger. Sie wohnen in einem großen Stein, der den Namen Koboldstein trägt. Der Hase kann aber auch als warnender und hilfreicher Geist erscheinen. Diese Variante, die er als Osterhase deutlich einnimmt, kann nach all dem Gehörten nicht mehr scheinbar vorbildlos und überraschend aufgenommen werden. Der holde und unholde Hasengeist ist aus christlich-biblischen Ableitungen nicht erklärbar, folglich muss es sich um eine Gestalt der gallo-germanischen altdeutschen Mythologie handeln, wohl aus dem Attribut- bzw. Begleit-Tierwesen einer weiblichen Gottheit, die der griech.-röm. Aphrodite-Venus verwandt war. Dazu kommen in Frage die keltische Göttin Rosmerta („Große Pflegerin / Heilerin“), die jeweils zusammen mit Teutates oder Mercurius (Wodan) ins Bild gesetzt wurde und um Fruchtbarkeit, Wohlstand, Überfluss angerufen wurde. Man hat sie besonders im nordöstlichen Gallien verehrt. Im Südwesten Deutschlands und in Frankreich sind mehrere Tempel und Standbilder der Rosmerta überliefert, darunter in Koblenz und Mainz-Finthen. Heroldstab, Geldbeutel und Füllhorn trägt sie. Etliche derartiger Weihereliefs wurden gefunden, u.a eines in Wiesbaden-Bierstadt / Hessen (aus 225-250), eines in Eisenberg im Donnersbergkreis / Rheinland-Pfalz. Analoge, also mit Rosmerta weitgehend gleichzusetzende Göttinnen, waren Bona Dea, Fortuna, Maia. Das Fest der Maia wurde im Mai gefeiert. Diese Göttinnen standen dem Funktionsbereich der Aphrodite-Venus mit ihrem Hasen-Attribut nahe -, und ihr entsprach die gemeingermanische Göttin Frija-Freya. Als eng verwandt muss auch die keltische Göttin Abnoba betrachtet werden, der der Hase heilig war. Sie, die Beschützerin des Waldes, des Wildes und der Quellen, scheint auf den ersten Blick eher einer Jagdgöttin wie Arthemis-Diana zu gleichen, doch sie war auch Muttergöttin, personifizierte den Schwarzwald („Abnoba mons“), war Schutzpatronin der Heilquellen in Badenweiler und entschieden auch für die Fruchtbarkeit zuständig, was eine Weiheinschrift beweist. In Badenweiler wurden, untern anderen, Leiden kuriert, aus denen Kinderlosigkeit hervorging, und in den Thermen dieses Ortes war die Frauenabteilung nicht kleiner als jene für Männer. Auch die Brigachquelle bei St. Georgen im Schwarzwald scheint der Abnoba geweiht gewesen zu sein. Einer weiteren Kelten-Göttin, der Andraste, war der Hase heilig, was auch auf ihre Fruchtbarkeitsfunktion hinweisen dürfte. Nach Caesars Bericht (De bello Gallico V, 12.) war den Britanniern der Hase eine verbotene Speise wie Huhn und Gans, sicher weil es sich um göttliche Attribut-Tiere handelte -, keinesfalls weil sie - wie im Judentum der Hase - geächtet waren. Die mittelalterliche Volksmedizin aber verwendete des Hasen Fett, Balg, Exkremente usw.. Schon Plinius d. Ältere (23-79 n. 0) erwähnt das Essen von Hasen zwecks Anregung des Geschlechtstriebes. Die britannische Königin Boudicca ließ vor ihrem Aufstand (60-61 n.0) gegen die Römer einen Hasen als Opfer für die Göttin Andraste frei, um den Ausgang der Schlacht zu erfahren. Sie ließ - wie Tacitus schildert - als Teil ihrer Schlachtvorsorge einen Hasen aus den Falten ihres Mantels frei, um zu sehen, in welche Richtung er laufen würde. Also galt ihr der Hase als ein zur Wahrsagung befähigtes Tier, das mit der Gottheit und deren Schicksalssprüchen vertraut war. Wir ersehen aus dem Vorgetragenen, dass der Hase in den vorchristlichen keltisch-römisch-germanischen Religionsstömungen, die sich vielschichtig synkretistisch überlappten und verquickten, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung innehatte, aus der der Osterhase, als göttlicher Fruchtbarkeitsbringer und Eierlieferant, zwanglos seine Erklärung finden kann.  
 
ZUSAMMENFASSUNG
 
Das Osterhasen-Brauchtum ist neben dem Osterfeuer, Judasverbrennen (Wintertodverbrennen), Osterwasserholen, Brunnenschmückung, Eierrollen, Eierlaufen ein rein deutsches Herkommen aus vorchristlichen keltisch-mittelgermanischen Traditionen. Wäre dem nicht so, würde der Brauch auch in anderen europäischen Ländern bestehen, was nicht der Fall ist. Er wurde, nach heutigem Kenntnisstand, erstmalig von dem deutschen Medizinprofessor Georg Franck von Franckenau im Jahr 1682 in der Abhandlung „De ovis paschalibus - von Oster-Eyern“ erwähnt. Er schilderte für sowohl oberdeutsche Gaue, wozu die deutsch-alemannische Schweiz, die Pfalz, das Elsass gehörten und für Westfalen den Brauch, dass der Osterhase die Eier in Gärten im Gras und Gesträuch versteckt, wo sie zur Freude und Belustigung der Erwachsenen von den Kindern gesucht werden. Er gebraucht bereits den Begriff „Haseneier“ und schreibt: „Man macht dabei Simpeln [einfältigen Leuten] und kleinen Kindern weis, dass der Osterhase diese Eier ausbrüte und sie im Garten verstecke”.
 
Der Hase wurde mit mütterlichen, chtonisch-lunaren Göttinnen in Verbindung gebracht und konnte sie als Hilfsgeist-Metapher vertreten, möglicherweise verkörpern. Nicht nur er, in einigen Regionen der Schweiz diente der Kuckuck als Eierlieferant, in Teilen von Westfalen und Hessen übte der Fuchs das Amt aus, in Thüringen der Storch oder auch der solare Züge tragende Hahn. Kuckuck, Storch und Hahn verbindet die Funktion als Frühjahres- und Morgenfrühe-Ankündiger, so passen auch sie vortrefflich ins österlichen Konzept. - Verschiedene Volkskulturen, insbesondere ostasiatische, kennen den „Hasen im Mond“, wegen der so gedeuteten optischen Strukturen der Mondoberfläche. Es verzieren traditionsbewusste Chinesen während des Mondfestes die Kuchen mit dem Hasen-Bild. Die altägyptische Göttin der Fruchtbarkeit und des Lebens Unut wird auch als hasenköpfiger Mensch dargestellt, ihr heiliges Tier war der Wüstenhase. Unut ging schon früh in Thot („Silberner Aton“) auf, dem ursprünglichen Mondgott, Gott des Maßes, der Zeit und der Wissenschaft. Asiatische, addiert mit ägyptisch-mediterranen Strömungen könnten den Hasen - dem Attribut mancher Göttinnen - als lunares Symbol nach Mitteleuropa gespült haben, so dass die Dreihasen-Rosette möglicherweise auch als Mond-Zeit-Sinnbild verstanden und zu deuten wäre. Der immerwährend zu- und abnehmende Trabant gilt in Form des Mondhasen als Sinnzeichen der Vergänglichkeit und Wiedergeburt bzw. der Auferstehung, wie die endlos gedachte Zeitspirale. Daraus ergibt sich zusätzlich das universelle Fruchtbarkeitssymbol, wie es zum österlichen Brauchtum des Sommergewinnes bis heute in Deutschland gehört.