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DER ABSTIEG BEGINNT
 
Der Gipfel des Jahres ist übergangen,
noch sind wir vom hohen Leuchten umfangen,
noch fliegen die frohen Gedanken zurück,
an Blüten des Frühlings haftet der Blick.
 
Es guchzte der Gauch, die Nachtigall schlug,
es klangen der Liebe Lieder genug.
 
Des Frühjahres jubelnden Tänze und Träume,
beglückenden Gottes blümende Schäume,
sie sind verklungen, verblasst, verblichen -
wie rasch ist holdselige Jugend gewichen.
 
Die reine, die milde, belebende Kraft,
sie scheint verwundet, so rätselhaft.
 
Der Kalender hat es gut erkannt:
Der „böse Krebs“ geht durch das Land.
Der Kanker will das Jahr „bekehren“,
mit krummen Krampen, scharfen Scheren.
 
Gilt doch noch heute wie immer schon
der hakige Krebs als Krankheitsdämon.
 
Zwei Brüder drehen das Jahresrad,
Frühling und Reife sind zweierlei Tat.
Die umworbene Schwester zwischen den beiden
muss sich im Wechsel für einen entscheiden.
 
Sie ist Frigga, Nanna, Isis, die Erde,
sie ist die urewige Mutter am Herde.
 
Wer immer am Herde will rühren, will raten,
ohne die Mutter wird gar nichts geraten.
Die Brüder handeln um Herdes Besitz
mit wagender Wucht und wirsigem Witz.
 
Ist der lichte, lautere Held zu entrechten
im gottgesegneten, ehrlichen Fechten ?
 
Wie konnte der Dunkle den Hellen bezwingen ?
Das wollte mit Lüge und List nur gelingen.
Unüberwindlich sind sonnige Recken,
ist die schutzlose Stelle nicht zu entdecken.
 
Am Fuße allein war Achill zu verwunden,
der tödliche Pfeil hat die Stelle gefunden.
 
Ein Tamariskenzweig traf den lsfendiar,
dessen heldischer Leib unverwundbar war,
der teuflischen Treiber derkender Teil,
ins Auge schoss ihn der Schreckenspfeil.
 
Des strahlenden Siegfrieds Herrlichkeit
erschien gegen jegliche Waffe gefeit;
 
allein des Finsternistrolles Trug
lenkte den tödlichen Lanzenflug.
Dem Adon riss die Lende ein Eberzahn,
der wurde sein tilgender Todesspan.
Auch für Baldurs Leib, für Baldurs Leben
schien es Gefahren nimmer zu geben.
Doch die magische Macht mischte sich ein,
das dunkle Prinzip musste Sieger sein.
 
 
Der Juli beginnt – die Eispfeil-Rune  fliegt !

Der Name des Juli rührt vom Kalenderinitiator Julius Cäsar her. Deutsche Bezeichnungen sind Hewimânoth / Heuwet / Hewmon / Heuert / Heuet / Heumond von der zur Regel in der zweiten Monatshälfte einsetzenden Heuerte, ebenso wie in Altisland: Heyannir. Die ags. Bezeichnung lautete einfach: „Zweiter Lida“. Die Polen heißen ihn nach der Linde Lipiec. Es ist eine heiße, oft drückend schwüle Jahreszeit, in der man sich von mancherlei Unheil bedroht fühlte. Die Unglückszeit begann aber im Bewusstsein des Landvolkes bereits mit der SSW, durch den vermuteten Aufgang des astrolog. Krebses, ab dem 17. Juni. Im Krebs sah man das Sinnbild des krankhaften Rückwärtslaufes. Man soll in den Hundtagen nicht baden, denn das Wasser ist giftig, man bekommt „Eißen“, wohl eine Art Hautkrankheit (SchwVk 10, 34.) oder überhaupt einen Ausschlag oder man ertrinkt. Das Eisenkraut wurde gepflückt, weil man von ihm Schutz vor all den lauernden Gefahren dieser Wende- und heraufziehenden Hundsternzeit erhoffte.

In Schweden heißt der Juli Midsommar und in Norwegen einfach Sumarmoanar. Aber im holsteinischen (Borhesholmer) Kalender (16. Jh.) wird er als Hunde- maen bezeichnet. Doch schon im Juni wurde auch der verhängnisvolle Frühaufgang des Hundsternes, des Sirius, vermutet. Hundsman ist nach dem Straßburger Chronisten J.B.F. Fischart („Aller Praktik Großmutter“,1572) Name des Juni; 98 den Juli nennt er sogar Hundshochzeit. So ist verständlich, dass nach dän. Aberglauben in der Johannisnacht alle Giftkräuter aus der Erde hervorkommen. Dazu heißt im Dänischen der Juli Ormemaaned („Schlangen- monat“) und im Holsteinischen Lûsemaen („Läusemonat“), auf der Insel Sylt Hungermuun („Hungermonat“), welche ebenfalls Ausdrücke abwertender Monatsbewertungen darstellen. Im Solling glaubte man, bösen Dämonen wüchsen in dieser Nacht besondere Macht zu. In Schleswig-Holstein zieht am Johannisabend „de fleegende Krew“ (der fliegende Krebs) durch die Luft, der den Menschen Krebsgeschwüre bringt. Im Mittelalter glaubte man, dass um diese Zeit herum giftige Drachen durch die Lüfte zögen. Von vielen Gewässern und Brunnen erzählte man, dass sie am Johannistag ein Opfer verlangen -; auch eines von „14 toten Männern“ In vielen Gegenden fliegt nachts der „böse Krebs“, in der Mark Brandenburg ein Skorpion umher, was er anrührt vertrocknet. (Handw.B.d.dt.Aberglaub.,Bd.IV,1931/32, S.724ff)

Es wechseln also die Angaben über Beginn und Dauer der Hundstage: erst vom 6. Juli bis 17. Aug., später vom 10. Juli bis 20. Aug. oder 14. Juli bis 15. Aug., jetzt vom 22. Juli bis 22. Aug. In ältesten Kalendarien aus Monte Cassino (um 785) wird 14. Juli als Anfang, 11. September als Ende angegeben, was nach heutigem Kalender ungefähr der Zeit Anfang Juli bis Ende August entspräche. Bereits bei den Griechen war der Glaube an die schädliche Wirkung dieser heißen Zeit, in welcher nach Hippokrates auch schwere Gallenkrankheiten auftreten, vorherrschend, und den Römern galten die dies caniculares („Hundstage“) als äußerst gefährlich für Menschen, Tiere und Felder. So galten die Hundstage als Unglückszeit, vor der Kalenderreime warnten: Im 1569 zu Augsburg gedruckten Sterndeutekalender steht beim „Hewmon“: „Die Hundßtag streichen her mit macht - Drumb hab ich mein fleißiger acht.“ Selbst der Gottesdienst ruhte dann im Mittelalter an manchen Orten.

Der hauchfeine südwärts gerichtete Rückgang der Sonnenauf- und -untergänge beginnt sich für aufmerksame Beobachter abzuzeichnen. Die unschuldig junge, reine solare Jahresgottheit, der germ.-kelt. Balder / Belenus, stirbt den Opfertod. Des sumer. Dumuzi, babyl. Tamuz Todestag feierte man geradeso im Juni-Juli, dem „Monat der Verbrennung des Tarnuz“. In Athen wurde die Begräbnisfeier des Adonis geradeso wie in Antiochien im Hochsommer zur Zeit der Hundstage gefeiert.

Jener kosmische Schuss, der Anschlag auf den Vegetationsgeist oder die Sonnenemanation, das Inbild des Fruchtbringenden, Hellen und Guten, wurde im urgläubigen Kultspiel nachvollzogen. In Gestalt des Hahnes, Schwanes, Adlers, Hirschleins, Sonnen-/Zeitringes stand das inkorporierte Objekt im Mittelpunkt eines Schießspieles. Auf völkerwanderungszeitlichen Gold- amuletten ist jenes Drama von Baldurs Tod abgebildet. Mehrere Brakteaten-Prägebilder führen die germ. Göttertrias Odin-Baldr-Loki vor. Die Amulett- münze der Fachbezeichnung „Dänemark-B“ zeigt Baldur, dem eine Schlange als böses Omen in die linke Ferse beisst -; „Skovsborg-B“ zeigt Loki den verderblichen Mistelzweig über der Schulter tragend -; „Faxe-B“ zeigt den getroffenen Baldur mit dem Zweiggeschoss in der Brust. (Karl Hauck, Goldbrakteaten aus Sievern, 1970, S.184ff) Die Kombination beider Mythen- motive, von Pfeilschuss und Fersenbiss, beweist, dass Gleiches gemeint ist, nämlich die zum Abstieg zwingende Verletzung des Jahrgottes. Gleiche Bildelemente führen die „Jupiter-Gigantensäulen“ vor, die aus einer misch- relgiösen kelt.-germ.-röm. Vorstellungswelt entstanden. Sie zeigen den Lichtritter, der den schlangenfüßigen Unhold übereitet. Bei der Miltenberger Figur beißt der Schlangenkopf des Überwundenen dem Jupiter in die rechte Ferse, während bei der Wiesbaden-Schiersteiner (221 n. 0 geweiht; Mus. Wiesbaden, Samml. Nassau. Altertümer) die Natternköpfe zur rechten und linken Kniekehle des Lichtrosses hochzüngeln.
 
Bild: Albensohn Hagen meuchelt Sonnenheld Siegfried zur Sommersonnen- wende im Odenwald.

Der verwandte eddische Mythos berichtet eine ähnliche Begebenheit durch Höder (Hogni / Högni) der hinterhältig den solaren Baldur mordet.