Hochmittelalterlich verziertes und beschriftetes neolithisches Beil von Vejle/Jütland
 
 
Der deutsche Christian August Prinz zu Waldeck (1744-1798) war General in Diensten des Hauses Habsburg und zuletzt Feldmarschall der portugiesischen Landarmee. Er war von den mediterran-antiken Kulturen fasziniert. Seine erste Reise nach Italien erfolgte schon als 19-Jähriger im Jahre 1763. 13 Jahre später, 1787, lernte er in Rom Johann Wolfgang von Goethe kennen, den er in das gesellschaftliche Leben am königlichen Hofe in Neapel einführte. Während seiner Aufenthalte in Italien (1776-87) legte er eine umfangreiche Antikensammlung an, die sich zum größten Teil aus Kleinbronzen zusammensetzte. Seine Sammlung wurde bis zum Tode im fürstlichen Palais in Wien aufbewahrt und anschließend nach testamentarischer Verfügung an die Familie nach Arolsen überführt. 1928 wurde die Sammlung an den Papierfabrikanten Heinrich Scheufelen in Oberlenningen verkauft und von dort gelangte 1959 ein Großteil an das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart. Zu diesen Funden zählen auch Steinbeile mit griechischen Inschriften. Bereits 1829 wurde von Ulrich Friedrich Kopp als Fundort „ex Herculani ruinis“ genannt. Die Angabe erklärt sich aber wohl einfach damit, dass von Waldeck sich mehrfach in Neapel aufgehalten hatte. Autor Dieter Quast führt in seiner Arbeit „Ein Steinbeil mit magischer Inschrift“ die bekannte Tatsache aus, dass die Beschriftungen solcher Steinbeile im Stil der magischen Gemmen des 2./3. Jahrhunderts gehalten sind, „bei denen sich Bilder, Inschriften und das verwendete Material vor allem auf Götteranrufungen, Jenseitsglauben, medizinisch-magische Heilmittel und Liebeszauber beziehen. Quast beschreibt mehrere Funde aus der Waldeck-Sammlung.Im Gegensatz zu anderen Gemmen waren die Inschriften nicht spiegelverkehrt eingeschnitten. Die Wirksamkeit dieser Objekte beruhte auf dem Zusammenspiel von Inschrift und Abbildung sowie Material und Farbe des verwendeten Steins. Der Zauberer beseelte die Gemme durch besondere Handlungen, die aus den sogenannten Zauberpapyri [Ägyptens] bekannt sind, und verwandelte ihn dadurch in einen Dämon, der seinem Herrn im Guten und Bösen diente. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine wesenhafte Beziehung zwischen Namen und Namensträger besteht: wer den Namen hat, hat auch den Gott. Die Inschriften als Teil des Zaubers sollten natürlich nicht für jedermann zu lesen sein, weshalb unterschiedliche Zauberzeichen, wechselnde Leserichtungen, aber auch z.B. hebräische Worte in griechischen Buchstaben geschrieben wurden. Die gleiche antike Denkweise pflegten die germanischen Runen-Erilari im deutschen Mittelgermanien bis hinauf nach Skandinavien. Wichtig in diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass „wer den Namen hat, hat auch Gott“, den Träger des Namens, bzw. kann über ihn verfügen. Der geheime Namen des alten Runen-Systems, also des Runen-Geistes, war Oding, wie ich erstmalig seit 1981 aufklären konnte. Das ist anzunehmenderweise der Grund, warum zwar die Runenfolge „fuðark“ mehrfach im runeninschriftlichen Fundmaterial auftaucht, nicht aber der Geheimbegriff „oding“.
 
Als Herkunftsgebiet der magischen Gemmen wird immer wieder Alexandria genannt. Die Inschrift beginnt mit der häufig belegten Anrufung ΙΑΩ, die oft in Kombination mit ΣΑΒΑΩΘ. Iao ist aus dem hebräischen Jahwe herzuleiten, während Sabaoth als Beiwort, als Epitheton, zu Iao gedeutet und als „Herr der (himmlischen) Heerscharen“ übersetzt wird. Die Großstadt Alexandrien war der multinationale Hexenkessel in damaliger Zeit, in dem die diversen Rassen, Kulturen und Religionen zusammenbrodelten, also Altägypter, Griechen, Juden, Judenchristen, Heidenchristen, die den Ton angaben. Die verschiedenen Sonnengottheiten auf Gemmen und Steinbeilen sind Harpokrates, Abrasax, Mithras, Iao, Jehova-Sabaoth (einer der 10 Namen des Juden-Gottes), ΑΔΩΝΑΙΟΝ „Herr“, das den Sonnenengel Adônai im Testamentum Salomonis meint, die um leiblichen Schutz gebeten wurden. Die griechische Vokalfolge ΑΕΗΙΟΥΩ galt als ein mehrfach belegter Liebeszauber. Dieter Quast erklärt dazu: „Ein neolithisches Steinbeil als Träger einer magischen Inschrift des 2./3. nachchristlichen Jahrhunderts wirkt auf den ersten Blick höchst ungewöhnlich. Das Material und die Färbung des Steines werden sicherlich ihren Reiz auf den antiken Bearbeiter oder Auftraggeber gehabt haben. Wichtiger war aber vermutlich, dass es sich in römischer Zeit bereits um ein ,exotisches Objekt‘ handelte, das schon daher mit magischen Kräften versehen war. Manfred Korfmann hat 1973/74 zahlreiche Steinbeile aus antiken Befunden zusammengetragen und auf den bis in die Neuzeit bekannten Aberglauben aufmerksam gemacht, nach dem derartige Geräte als Donnerkeile bezeichnet werden. Sie werden als Hinweis auf einen Blitzeinschlag verstanden, dienen aber gleichzeitig als Schutz vor einer Wiederholung. Schon Plinius (hist. nat. XXXVII, 9, 51) beschreibt die ,Ceraunia‘ [Donnerkeile] und unterscheidet zwei Arten, ,die Beilen ähnlich seien‘ (similes eas esse securibus). Manche dieser Ceraunia seien sehr selten und bei Magiern begehrt, ,weil sie nirgends als an einer vom Blitz getroffenen Stelle gefunden werden‘ (faciunt et aliam raram admodum, Magorum studiis expetitam, quoniam non aliubi inventiatur quam in loco fulmine icto). Zahlreiche als Amulett getragene Steinbeile zeigen, dass ihnen apotropäische Kräfte zugesprochen wurden. In einem eisenzeitlichen Grab aus Narce (prov. Viterbo/I) war ein kleines Dioderit-Beil an einer Perlenkette aufgefädelt, ein mit einem Eisenband gefasstes Beil aus grünem Stein fand sich in einem Depotfund aus Norma (prov. Latina/I) in Latium und im Grab aus Vettersfelde/Landkreis Niederlausitz (nach Weltkrieg polnisch okkupiert: Witaszkowa) kam ein goldgefasstes Serpentinbeil zutage Einige mit magischen Inschriften versehene Steinbeile bezeugen, dass das Exemplar aus der Sammlung Christians von Waldeck keine singuläre Erscheinung ist.“ Aus einem regelrechten „Magier-Set“ stammen die „drei Zaubersteine“ aus Pergamon. Offensichtlich handelt es sich bei den drei Scheiben um die Reste eines zersägten Beils aus „schwarz poliertem“ Stein, wenngleich sie sich nicht zu einem vollständigen Exemplar zusammensetzen lassen. „Wurde den ceraunia an sich schon apotropäische Kraft zugeschrieben, wie die zahlreichen Exemplare ausrömischen Befunden zeigen, so wurde ihre magische Wirkung durch die Inschrift noch gesteigert. Dabei ist der Schutz, den der ,Donnerkeil‘ bietet, vielleicht sogar von untergeordneter Bedeutung. Es ist vielmehr die Besonderheit des Materials - es ist ja für den antiken Menschen kein Artefakt -, das den Stein so geeignet macht, um in Kontakt mit Gottheiten und Dämonen zu kommen. Auch im frühen Christentum bediente man sich der ceraunia, die allerdings durch Kreuzzeichen zu christlichen Amuletten transformiert wurden. Ob hier der Schutz des ,Donnerkeiles‘ oder eher - an die magischen Amulette anknüpfend - ein Kontakt zur Gottheit gesucht wurde, ist unklar.“
 
Unter Abb. 9 stellt Dieter Quast ein Steinbeil aus Vejle/Jütland mit Runeninschrift vor. Das Beil ist mit floraler, romanischer Ornamentik geschmückt. (Jacobsen/Moltke 1941 [Anm. 56] Taf. 50, 124; 2 nach Montelius, 1906 [Anm. 55] 68 Abb.) Eine ,Wiederverwendung’ neolithischer Äxte und Beile belegen auch die Exemplare mit romanischen Ornamenten (Abb. 1) oder Runen, die wohl erst im Mittelalter eingeschnitten worden sind. Nicht immer sind sie zu deuten. Anscheinend sollte der Schutz des Amuletts für den Besitzer dadurch gesteigert werden. Auf der Axt aus Vejle (Jütland/DK) ist der Schriftzug lyfætyio eingetieft, was von Friedrich E. Grünzweig als mögliche magische Formel gelesen wird, die mit dem altisländischen lyf (Heilmittel) in Verbindung gebracht wird. Es ist der nahezu universelle Glaube an den ,Donnerkeil’, der über Jahrhunderte tradiert wurde, kombiniert mit dem Glauben an die Macht der Schriftzeichen.” Bei den hier benutzten Runen handelt es sich um Zeichen des jüngeren Futhark, das erst ab Ende 10. Jahrhundert sich aus dem älteren Oding-Futhark, in Gestalt eines reduzierten 16 Zeichen umfassenden Systems, entwickelte. Es ist über die gesamte Wikingerzeit in Skandinavien benutzt worden. Auch der florale Västergötland-Stil der Verzierungen weist auf das Jahr 1.000 n.0 als Nachbearbeitungszeit des Steinbeiles hin. (Dieter Quast, „Ein Steinbeil mit magischer Inschrift aus der Sammlung des Prinzen Christian August von Waldeck, Sonderdruck aus „Archäologisches Korrespondenzblatt“, Jg.41,2011,Heft2)