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„DREIGÖTTERSTEIN“ VON ANDERLINGEN
 
Das Steinkistengrab von Anderlingen ist die bekannteste sog. Steinkiste Deutschlands. Es ist vor etwa 3.400 Jahren in der älteren Bronzezeit (etwa 1.800-1.200 Jahre v.0) angelegt worden. Im Jahr 1907 ist es auf dem Grundstück von Gerdt Hinrich Brandt sen., ca. 16 km südlich vom Bremervörde, in einem Hügel bei Anderlingen (Lkr. Rotenburg / Wümme) gefunden worden und befindet sich heute im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover, samt allen Begleitfunden. Der Rundhügel mit einem Durchmesser von ca. 25 m und eine Höhe von etwa zwei Metern wurde angegraben, so dass man auf das eigentliche Grab stieß. Die aus gespaltenen Gesteinsblöcken erbaute, höchstwahrscheinlich nach dem höchsten Sonnenstand ausgerichtete bzw. südwest-nordost ausgerichtete Kiste, war aus fünf bzw. sieben senkrecht gestellten Platten geschaffen worden, die im Innern eine Länge von 2,0 m, eine Breite von 0,7 m und die Höhe von 1,0 m aufwiesen.
 
 
Die Besonderheit der Steinkiste ist der südliche Abschlussstein (115 cm hoch, 75 cm breit, 50 cm dick) mit einer bildlichen Darstellung. Er ist besonders sorgfältig gespalten und weist drei eingemeißelte menschliche Figuren auf. Die Wiedergabe der Personen erinnert und ähnelt den Felsbildern Südskandinaviens. Eine alte, wohl durch Kultfeuer bedingte Verfärbung, überzieht Teile der Figuren, ebenso wie Partien des südlichen Decksteines. Die linke und die mittlere Figur sind sicherlich als Männer anzusprechen; die linke hat die Arme erhoben und je drei Finger gespreizt, die mittlere ist nach rechts gewandt und hält ein Beil oder eine Axt empor. Die rechte Figur trug wohl ein langes Gewand und hielt die Arme leicht ausgestreckt. Es könnte sich um die bekannte nordisch-germanische Götterdreiheit handeln. Karl Hermann Jacob-Friesen prägte den Begriff „Dreigötterstein“. Er war Prähistoriker, Archäologe, Hochschullehrer und Direktor des Niedersächsischen Landesmuseums von Hannover. Sein Sohn, der Prähistoriker Gernot Jacob-Friesen, lieferte eine knappe aber sehr durchdachte Analyse des Fundkomplexes von Anderlingen.
 
In den drei Gestalten des Anderlinger Reliefs spiegelt sich möglicherweise die germanische Hauptgötter-Triade: Der linke hält den Dreispross, den Fruchtbarkeitszweig empor, ist also als Fo-Freyr-Frikko zu deuten. Der Mittlere ist fraglos der uralte solare Hammergott, der im Donar-Thor seine späte Ausformung fand. Die rechte Figur müsste dann den Geistgott Wodan-Wodin-Odin meinen, wobei sein Armgestus einen huldvollen Charakter zu haben scheint, aber nicht klar zu deuten ist. 
 
Mein Freund, der Graphiker und Experimentalarchäologe Dietrich Evers (1913-2009) stellte von dem Bildstein eine Abreibung her und konnte bis dato nicht erkannte Bildelemente feststellen. So meinte er z.B. einen Hund rechts vor dem Axtträger erkennen zu können. Bei der von mir fotografierten Gips-Abdruckplatte handelt es sich um einen Originalabdruck durch D. Evers und um ein Geschenk von ihm. (Dietrich Evers, „Neue Bildelemente am Stein von Anderlingen“ in „Archäologisches Korrespondenzblatt“, 11, 1981, S.105-107)
DREIGÖTTER-ALSENGEMMEN
 
Edewechter Alsengemme
 
Die Bedeutung des Reliefs von Anderlingen als „Dreigötterstein“ ist nicht unbegründet, werden doch in der nordischen mythologisch-heidnischen Literatur der „Edda“ die drei Götter mehrfach erwähnt. Es gab mithin eine germanische Götter-Trias. Zusätzlich belegen die spätheidnischen Funde der völkerwanderungszeitlichen Brakteaten-Kunst und -Religion sowie die sog. „Alsengemmen“ jene altgläubige Vorstellung dreier zusammenwirkender Gottheiten. Die Alsener Gemmen sind nach dem erstmaligen Fundort auf der ehemals deutschen, später dänischen Insel Alsen benannt. Die meisten Fundorte dieser Gemmen sind aus dem Norden und dem Nordwesten Deutschlands. Ihre Werkstätten müssen im lange heidnisch verbliebenen Friesland gelegen haben. Südlich gehen die Fundorte etwa bis nach Nürnberg. Ihr Zeitansatz liegt zwischen dem 4./5. bis zum 8./10. Jh. - Gemmen dienten im Altertum als Glückssymbole, ebenso wie die germanischen Brakteaten-Amulette. Sie wurden wahrscheinlich als „Siegsteine“ angesehen, wie sie in der eddischen Wielandsage beschrieben sind. Unter einer Gemme (lateinisch gemma: Knospe, Edelstein) versteht man einen geschnittenen Edelstein oder Halbedelstein. Daraus leiten sich auch der Fachbegriff für Edelsteinkunde (Gemmologie) sowie die Bezeichnung des Steinschneiders (Gemmarius) ab. „Alsengemmen“ sind magische Kleinkunstwerke die aus Glaspaste hergestellt wurden. Heute kennt man über 40 Exemplare. Der sogenannte „Aberglaube“ (Gegen- oder Afterglauben) legte diesen heidnischen Gemmen die Eigenschaft bei, dem Besitzer im Kampf den Sieg zu verleihen. Der meist blau oder grünlich gefärbte Glasfluss, in den gewöhnlich zwei bis drei, seltener eine oder vier Figuren (nur 1 Exemplar) eingraviert sind, besteht in der Regel aus zwei Schichten: einer hell- und einer dunkelgefärbten.
 
 
Obwohl Alsengemmen Runenzeichen aufweisen und die nordische Tradition der Drei-Götter unbestreitbar ist, gibt es zeitgeistbestimmte moderne Fehlinterpretationen, welche die drei Gestalten als christliche „Heilige drei Könige“ darzustellen versuchen. Dass in christlicher Uminterpretierung aus den alten drei Heidengöttern die drei „Christengötter“ in Gestalt von Königen fabriziert wurden, ist hinlänglich erwiesen. So wurde aus dem Hammer-Gott Donar-Thor der „Hl. Olaf“ als Axtträger, aus dem Fruchtbarkeitsgott Fro-Freyr-Frikko, der „Hl. Erik“ mit dem grünen Zweig und aus Wodan-Odin wurde der „Hl. Knut“ mit der Lanze. Das ist so deutlich, dass jede weitere Erklärung eigentlich überflüssig wäre, was die Originale und was die christlichen Nachäffungen sind !
 
Als die drei skandinavischen „Heiligen-Könige“ gelten „Olof (Thor), Knut (Odin), Erik (Freyr)“. Ihr Bild zeigt die Stickerei des schwedischen „Fogdö-Bonaden“ (der Teppich ist 8 m lang) des 14. Jhs. im Vårfruberga-Kloster (Södermanland).
 
Dreihäuptergott
 
 
Der sog. „Dreikopf“ oder „Dreihäuptergott“ von Glejbjerg fand sich in einer Kiesgrube. Das Dörfchen Glejbjerg liegt nördlich von Ribe in Südjütland. Es handelt sich um eine aus Granit gearbeitete Steinplastik, die nach den Fundumständen zeitlich nicht genau einzuordnen ist. Der Fund stand, als ich ihn 1985 aufsuchte, im Bereich des ersten Bauernhofes, rechts des Grenevej im hinteren Gartenbereich. Auf einem großen dreieckigen Stein - der sich im dortigen Kichlein befand - steht der Kopf mit kurzem säulenförmiger Hals. Die beiden vorderen Gesichter sind breit und flach, das hintere Gesicht ist weniger ausgearbeitet und erheblich kleiner. Die Nasen-Augenbrauen-Partien sind bei den beiden Hauptköpfen wie eine Himmelsstütze herausgearbeitet. Am linken Kopf ist auf der Stirn ein Dreieck mit einer knopfartigen Scheibe zu sehen, die wohl ein Sonnenauge darstellen soll. Dass es sich sicher um ein altheidnisches Götterbild handelt, ersieht man auch daran, dass die die beiden Nasen mit einem Schlag von rechts nach links zertrümmert wurden, wie es die christlichen Eiferer mit vielen Steinköpfen machten, um ihnen den „Lebensatem“ zu nehmen, also um „heidnische Götzen zu entzaubern“. Dreiwesige, also auch dreiköpfige Gottheiten sind ja für die germanische Mythologie belegt und ebenso für den ostgermanischen, ab 5./6. Jh beginnenden, Mischbesiedelungsbereich, den man heute als „slawisch“ bezeichnet. Vom Gott „Triglaw“ der Pommern fanden sich Bildsäulen in Stettin, Wollin, und auf einem Berg bei Brennabor. (siehe dazu: „Harry Böhme, „Die Silbermaske aus dem Thorsberger Moor und der Dreikopf von Glejbjerg bei Ribe“ in „Die Heimat“, 2, 1973)