Copyright Ⓒ Gerhard Hess (Kommentar-Text) - 10.01.2023

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Abb. 10 - Verbreitungskarte der goldenen Ringe mit doppelspiraligen Enden der Kombinationsgruppe 1 (Typ Tufalău); nicht nach Zeiten differenziert.

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Abb. 6a - Großörner, Kr. Mansfelder Land, Sachsen-Anhalt, Depot. Bronze; o. M.

Carola Metzner-Nebelsick, „Die Ringe der Macht - Überlegungen zur Kontinuität frühbronzezeitlicher Herrschaftssymbole in Europa“. In: H. Meller/F. Bertemes (eds.), Der Griff nach den Sternen Wie Europas Eliten zu Macht und Reichtum kamen. Int. Symp. Halle 16.-21. Februar 2005 (Halle 2010) 179-197.

„Zusammenfassung: Goldene Armringe, insbesondere solche mit doppelspiraligen Enden und gerippte Armstulpen, aus Goldblech oder in Bronze gegossen, treten in der entwickelten Frühbronzezeit bzw. an ihrem Ende erstmals in verschiedenen Regionen Europas auf. In einigen Gebieten kann ihre Verwendung bis an das Ende der Bronzezeit um 800 v. Chr. und darüber hinaus verfolgt werden. Diese bemerkenswerte Zeitperioden und Kulturgruppengrenzen überschreitende Kontinuität repräsentiert einen Aspekt bronzezeitlicher Kultur, der bislang von der Forschung wenig beachtet wurde. Beide Schmuckformen gehören zu einem bronzezeitlichen Repräsentationshabitus, der sich in Hortfunden und reich ausgestatteten Grabfunden einer männlichen sozialen Elite manifestiert. In diesem Beitrag wird folgendes Modell zu ihrer Deutung vorgeschlagen: In beiden Fundkontexten müssen die behandelten Armringe, Armbänder und -stulpen als Symbole der Macht angesehen werden. Durch ihre extrem lange Nutzung und ihre Deponierung in einem rituellen Kontext – sowohl bei den Horten als materieller Ausdruck von Opferhandlungen mit religiösem Hintergrund als auch in reichen Gräbern als Zeichen des Status und der Macht der Bestatteten – fungierten sie als Symbole, als Träger eines kulturellen Gedächtnisses. Bei der Durchführung der vermutlich in einem hohen Maß formalisierten Rituale wurden mit Blick auf die alteuropäische Tradition sicherlich auch Epen oder Hymnen vorgetragen. Diese mündliche Überlieferung konnte komplexe Inhalte über lange Zeiträume tradieren. Materieller Niederschlag dieser Rituale waren die behandelten Gegenstände; sie fungierten als dingliche, die Vergangenheit komprimierende Zeichen. Die Durchführenden der Opferhandlungen – u.a. der Anlage von Ringschmuckdepots – bzw. die Empfänger der goldenen Ringe im Grab waren soziale Eliten, die versuchten, durch die Kommunikation mit göttlichen Mächten im Kontext des Opfers ihre Herrschaft zu sichern. Die lange Tradierung bestimmter goldener Armschmuckformen ist als bewusster Rückgriff auf die Vergangenheit zu verstehen, um sich dadurch symbolisch in eine lange Ahnenreihe einzureihen und damit die Stellung der eigenen Abstammungsgemeinschaft zu legitimieren. Dennoch war das Konzept einer wie auch immer begriffenen Vergangenheit vermutlich nicht an konkrete historische Persönlichkeiten oder Ereignisse gebunden. Im Kontext des Rituals werden die goldenen Ringe der Macht als Symbole eines kollektiven, kulturellen Gedächtnisses der sozialen Eliten erkennbar, die ich in Anlehnung an J. Assmanns „Erinnerungsfiguren“ als „Erinnerungssymbole“ bezeichnen möchte. Goldene Ringe dienten der Repräsentation wie auch der Sicherung der Macht.

Einleitung - Ringe - allzumal goldene - gehören sicherlich zu den wirkmächtigsten Symbolen der europäischen Geistesgeschichte. Dies findet seinen Niederschlag in sehr unterschiedlichen und zeitlich disparaten Mythen und Sagen, in denen goldene Ringe als Herrschafts- und Souveränitätssymbole fungieren, wie in der bei Herodot überlieferten Erzählung vom Ring des Polykrates (Her. III, 41ff.) oder Odins Ring Draupnir (Naumann 1986; Zimmermann 2003, 9), von dem Snorri Struluson in der Edda berichtet, sowie auch in der modern verbrämten Geschichte vom Nibelungenzwerg Alberich, der den aus Rheingold gefertigten Ring stiehlt und damit grenzenlose Macht erlangt. Eine wertvolle Gabe stellen sie im königlichen Milieu dar, im frühmittelalterlichen Epos Beowulf, wo Fürsten auch als Ringverteiler und -brecher charakterisiert werden (Zimmermann 2003, 5). Eine literarische Komprimierung der mit goldenen Ringen assoziierten Macht brachte schließlich der englische Linguist und Kenner alteuropäischer Mythologie J.R.R. Tolkien in seinem fiktiven Epos »The Lord of the Rings (Der Herr der Ringe)« zum Ausdruck. Die Bedeutung goldener Ringe als Symbol der Bindung von Macht lässt sich erstmals in der entwickelten Frühbronzezeit beobachten. Von ihnen soll im Folgenden die Rede sein.“

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Spiralen + Ringe - Chiffren der Dauer und der Macht

Wie ich in mehreren ikonographischen Studien, mit reichem Belegmaterial, feststellen konnte, werden mit dem nordischen Spiral-Symbolismus unzweifelhaft Vorstellungen der spiraligen Zeit dargestellt bzw. des Jahres, mit der Doppelspirale von Sonnenzunahme, bis zur Sommersonnenwende (21.06.) und der Sonnenabnahme bis zur Wintersonnenwende (21.12.). Weil sich das an den Sonnenstände der Horizontbögen ablesbare doppelspiralige Zeitgeschehen Jahr für Jahr wiederholt, ist die Doppelspirale, oder verkürzt als einfache Spirale, das Ewigkeitssinnzeichen, seit der späten nordischen Eiszeit, geworden. Siehe über Suchfunktion beispielsweise Aufsatz >>Allsäule-Irminsul auf irischen Hochkreuzen<< Erst über diesen Sinnzusammenhang erlangen wir das eigentliche und tiefere Verständnis für, wie Carola Metzner-Nebelsick es ausdrückt: „die lange Tradierung [...] ist als bewusster Rückgriff auf die Vergangenheit zu verstehen, um sich dadurch symbolisch in eine lange Ahnenreihe einzureihen und damit die Stellung der eigenen Abstammungsgemeinschaft zu legitimieren“. Nur wer das Sinnbild der Zeitspiralig, also der dauerhaftigen bzw. ewigen Zeit, begriffen hat, begreift ihre Semantik einer unzerbrechlichen Dauer, über alle Zeitbrüche hinweg, und den persönlichen Stolz, der sich damit schmückenden Edlen/Fürsten, die auf ihr uraltes adliges Herkommen, hinzuweisen bestrebt waren. Nur wessen Sein die Zeiten überdauert, darf als Herr und Meister der Zeiten gelten; das macht zum Großteil - bis heute - die Vorstellung von Adel aus !

Das reduzierteste und damit konzentrierteste Bild der Zeitspirale ist der Ring. Auch er symbolisiert natürlich Dauer und daraus abgeleitet, die Tugend der belastbaren Dauerhaftigkeit, die Treue. Da sich Spirale und Ring auf das Numinose einer höheren Macht beziehen, als solare Erhalter des Himmels und der Welt, sind der Spiralschmuck und der Ring immer auch ein mehr oder minder bewusst getragener Eidring der Übereinkunft mit dem Heiligen, nennen wir es Gott. Das Numinose bezeichnet eine geheimnisvolle, übernatürliche Wirkkraft des Jenseitigen, von meist nur verschwommen wahrgenommener Bildhaftmachung. Der keltische Halsreif, der „Torques“ (lat. torquere: „drehen, winden“), scheint auch ein Herrschaftszeichen gewesen zu sein. Auch Götterfiguren tragen den „Torques“. Der „Silberring von Trichtingen“ ist für einen Menschen zu schwer. Neben Schriftquellen zeigt auch die Statue des „Sterbenden Galliers“ (Marmor-Statue, heute in Kapitolinischen Museen, Rom) das Tragen des „Torques“ als Zeichen der Verbundenheit mit seinem Gott, denn nichts sonst trägt der sterbende Krieger am Leib als diesen Halsring. Der zugrunde liegende Gedanke muss ein: „Gott wird ihn im Jenseits an seinem ,Ring der Gottestreue‘ erkennen und ihm ehrenvolle Aufnahme gewähren. Der keltische Gott Cernunnos ist auf dem Kessel von Gundestrup dargestellt, mit dem „Torques“ in der rechten Hand; er hält ihn wie einen Eidring. Auch der germanische Eidring, oder Schwurring (schwed. + dän. Edsring), galt als Verbindungs- und Treuering mit der Gottheit. Er wurde angefasst beim Eid, so wie Christen ihren Eid ablegten indem sie auf die Bibel schworen.

Zweifellos musste die Vorstellung eines geistigen Ringes der menschlich-göttlichen Übereinstimmung eine magische Verlockung ausgeübt haben. Bereits der „Torques“ oder der Eidring sind ja lediglich in die Materie geholte/geformte geistige Verbindungsringe mit einem gedachten höheren geistigen Heil. Die Idee vom rein geistigen Jahres-Ring hat ein begnadeter Germane/Gallogermane (?) mit dem grandiosen Runen-Spiralring des ODING-FUÞARK in die Wirklichkeit gebracht. Die 24 Runenstäbe sind als luni-solarer Kalenderkreis gewissermaßen das ewig-gültige Gottesgeschenk des OD-Gottes - Wodin-Odin - an seine Gläubigen, zu verstehen, als Garant für die Dauerhaftigkeit seiner kosmischen Raum-Zeit. Das Spiralen-Sinnbild findet sich seit der frühen Bronzezeit des Nordens unverändert bis zur Völkerwanderungs- und Brakteaten-Zeit (7./8. Jh. n.0), auf tausenden Felsritzungen Skandinaviens und der Feinschmiedekunst germanischer Schmuckstücke und Amulette. Aus diesem Geist muss die Runenschöpfung eines geistgöttlichen Ringes erfolgt sein.