ADAM-UND-EVA-FANTASIEN AM EXTERNSTEIN
 
Abb. 1 Abb. 2
 
Die Abb. 1 stammt aus „Meyers Konversationslexikon“, 4. Aufl., 1890 - „Bildhauerkunst V. Mittelalter“. - Die Abb. 2 stammt aus „Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in Deutschland“ von Dr. Heinrich Berger, 1905, S. 210.
  Abb. 3
 
Abb. 3 stammt aus Flaskamp, „Die Externsteine“, Rietberg, 1954, ich entnahm sie aus dem Artikel von Erika Hieronymus, „Das Kreuzabnahmerelief an den Externsteinen“ in „Heimatland Lippe – Zeitschrift des Lippischen Heimatbundes und des Landesverbandes Lippe“, 1994, Nr. 10, S. 269 ff.
 
Auf allen diesen Abbildungen werden die beiden Gestalten im unteren Register des Kreuzabnahmereliefs mehr oder minder deutlich als ein weibliches-männliches Menschenpaar dargestellt -, eben wohl das biblisch-christliche Urmenschenpaar, Adam und Eva. Und auch der „Landesverband Lippe“ auf seiner Weltnetzseite („Infozentrum Externsteine“) verkündet es so als sei diese Interpretation völlig gesichert: „Das Relief der Kreuzabnahme Christi ist in seiner Art einmalig. Der expressive Ausdruck des Geschehens und die hohe künstlerische Qualität machen das Relief zu einem der bedeutendsten Werke der Romanik in Europa. Das Relief wird von Kunsthistorikern mehrheitlich in das 12. Jahrhundert datiert. Im Zentrum des Geschehens steht die Abnahme Jesu vom Kreuz durch Nikodemus und Joseph von Arimathia. Links und rechts trauern Maria und Johannes der Evangelist. In der himmlischen Sphäre sind Sonne und Mond in Trauer verhüllt. Gottvater erteilt dem Heilsgeschehen seinen Segen. In der unteren Zone umschlingt der Teufel in Gestalt einer Schlange Adam und Eva. So weist die Gesamtkomposition auf die Bedeutung des Reliefs hin: Die durch Adam und Eva in die Welt gebrachte Ursünde wird durch den Kreuzestod Christi getilgt.“
 
Das ist absolut falsch !
 
 
 
Ich frage mich ernsthaft und kopfschüttelnd, wie man so blind sein kann und diese Gestalten als normale Menschen ansehen möchte ? Dass die rechte Gestalt keinen Menschen, sondern eher einen ziegenköpfigen Faun / Satyr darstsellen soll, ist doch klar ersichtlich. Das lange spitze Ohr, die lang gezogene Stirnpartie des Ziegenkopfes, mit den entsprechenden Nüstern, das tiefliegende Auge unter wulstiger Brauenpartie, der lange Spitzbart, dazu die anbetend hochgehaltene tierische Tatze. Selbst Leute wie der Steinbildhauer-Lehrer Ulrich Niedhorn erklärten - wohl ohne je einen echten römischen Kalottenhelm im Original gesehen zu haben - das tierische Spitzohr sei die Wangenklappe eben eines solchen Helmes. Die Wangenklappen waren aber in einer wagerechten Scharnieraufhängung angebracht, die Ohrensitze passt dazu absolut nicht. Die Strecke von der Augenhöhle bis zur Nüster ist unmenschlich verlängert, es handelt sich hier um kein Menschenantlitz, vielmehr um eine Tierschnauze.  
 
 
Die linke Gestalt ist alles andere als ein weibliches Wesen. Sie trägt die Zöpfe wie ein heidnischer Priester, die vier Halsringe eines solchen, hat deutlich die langen Haarfranzen eines Knebelbartes und eine kräftige Schulterpartie, dazu den re. Unterarmbeugemuskelansatz eines kräftigen Mannes. Vielleicht ist das geringelte Zopfende etwas kleiner als ich es skizziert habe. Wer hier eine Eva erkennen will, der hat eine vorgefasste Einstellung und traut seiner eigenen Wahrnehmung  nicht ! Und was den scheinbaren Weiberrock des Mannes anbelangt, so schaue man sich die „Steinsäule von Wildberg“ (Landesmuseum Stuttgart) an, die einen bezopften heidnischen Würdenträger darstellt, mit seinem bodenlangen Rock.
 
 
Wie ein Heidenpriester aussah, wissen wir von einigen Darstellungen, z.B. jener des Taufsteines von Freudenstadt / Schwarzwald: Zöpfe, Schnauzer und Knebelbart ! Die Taufe soll ca. 1150 für das Kloster Hirsau - in deren Klosterwerkstatt - entstanden sein und steht heute in der evang. Stadtkirche.
 
 1. 2. 3. 4.
 
Abb. 1 - In der Kapitellzone des um 1200 entstandenen Westportals von St. Zeno in Isen/Bayern begegnen uns mehrere Heidenköpfe mit Zöpfen als Sinnbilder der Laster. - Abb 2  - An der im 12. Jh. erbauten Kirche St. Leonhard in Pförring (Landkreis Eichstätt / Bayern) gibt es zwei bezopfte Heiden-Köpfe über den seitlichen Apsiden. - Abb. 3 - Die sog.  „Bestiensäule“ des 12. Jh. in der Krypta des Freisinger Doms zeigt ebenfalls einen bärtigen heidnischen Zopfträger. Auch bei den Heidenköpfen der Kloster-Alpirsbacher Kapitelle (1095) könnten Haupthaarzöpfe gemeint sein (Abb. 4).
 
Wie sich selbst Steinrelieffachleute vom heutigen Zustand des Externsteinreliefs irritieren lassen können, ist an den falschen Auffassungen selbst eines Gesteinbildlehrers wie Ulrich Niedhorn, zu konstatieren, den ich bei der „1. Horner Fachtagung“ kennenlernte. Er sah nun nicht eine „Eva“ in der linken Person, sondern einen heidnischen Schamanen, ebenso wie ich auch. Amüsiert hatte ich ihm und seiner Frau erklärt, dass ein mit überschäumender Fantasie begabter Herr Hantl im Arm der Eva [oder der germ. Fruchtbarkeitsgöttin Freija] auch ein Hasentier mit langen Ohren, glaubt erkennen zu dürfen. Dazu schieb mir U. Niedhorn nach einer telefonischen Besprechung und meinem Schreiben mit Brief vom 02.01.1996: „Es handelt sich dabei übrigens nicht nur um das Ohr, sondern zugleich um den Kopfumriß dieses Tieres. Aus dem Kopfvolumen ist allerdings die vordere Partie herausgesprengt worden. Mit ihrem Rock, dem Hasen als Fruchtbarkeitssymbol und den Wülsten um den Hals als Wiedergabe eines nordskandinavischen Goldhalskragens ist das eindeutig das Bild eines germanischen Schamanen. So ist diese Figur der Schlüssel für den Odinsschamanismus soweit er aus den Großskulpturen am Externstein zu erschließen ist.“ Dass selbst dieser Mann, der nach eigenen Aussagen, sich lange Jahre mit dem Relief beschäftigte, zu derart unsinnigen Schlüssen kommt, ist fast unbegreiflich, und allein erklärbar durch eine fehlende exakte Sehschärfe. Den Rest des abgesprungenen Schlangenleibes, vor der Brust der linken Gestalt, als Hasenkopf zu schauen, ist nichts als albern. Ein Hase hat bekanntlich spitzere, schmalere Löffel und ein anderes Schnäuzchen ! Mit der Sicht aber, eine männliche Gestalt vor sich zu haben, lag U. Niedhorn richtig und auf meiner Erkenntnislinie. Dazu schrieb U. Niedhorn weiter in o.a. Schreiben bezüglich der rechten Gestalt: „Übrigens sehe ich keinen Anlaß, von meiner Beschreibung und Deutung auch der rechten, unteren Figur in diesem Relief Abstriche zu machen. Ihre Skizze enthält zahlreiche Fehler. Die Figur ist bartlos, und ihr Kalottenheim ist in jedem Detail so beschaffen, wie er auf römischen Reliefs aus dem 2. Jahrhundert (in Mainz) an germanischen Legionären dargestellt worden ist. Nur über den Wangenschutz der Bildhauer nicht unterrichtet, sodaß er denjenigen des fränkischen Spangenhelmes darstellte, unbeholfen allerdings, denn Perspektive kannte die byzantinische Kunst noch nicht. Alle Kompositionskriterien deuten darauf hin, daß dies das Werk eines byzantinischen Gastarbeiters ist, in die Zeit Ludwigs des Frommen zu datieren.“
 
Die Behauptung, dass die re. Figur bartlos sei, muss nicht kommentiert werden, wer Augen im Kopfe hat, sieht selbst was Sache ist ! Weder einen römischen Kalottenhelm, noch einen fränkischen Spangenhelm hat hier ein „nicht unterrichteter byzantinischer Gastarbeiter“ herausgearbeitet, sondern eine pelzartige Kraushaarkalotte und ein Spitzohr darunter. Dass ein Wangenschutz nicht über den Helmrand nach oben hinausragen kann, wie es hier das Spitzohr tut, hätte mein Kritiker eigentlich selbst erkennen müssen ! Was die Option „Helm“ anbelangt, so habe auch ich erst durch das sorgfältige Studium meiner Fotografien erkannt, dass das Hinterhaupt zu weit ausladend ist, dass ein Helm höher aufsäße und dass keine runde Helmglätte vorliegt, sondern ein unruhiges Kraushaar angedeutet wurde. Mit ihrem viel zu frühen Zeitansatz bei Ludwig dem Frommen, steht U. Niethorn, der sich dabei an seinen anthroposophischen Glaubensbruder Walther Matthes („Corvey und die Externsteine“) hält, recht allein auf weiter Flur.
 
Der aussagestarke Umstand, dass das Gestaltenpaar sich unter der Bodenlinie befindet, und dazu von den Leibeswindungen des teuflischen Flügeldrachens umschlungen sind, spricht dafür, dass es sich, von der Gestaltungsidee des Reliefherstellers aus gesehen, um zwei ganz und gar unholde Wesen handeln soll. Es müssen zwei Heiden bzw. Ketzer gemeint sein. Der linke ist als Repräsentant des Altglaubens mit den Kennzeichen des heidnischen Priesters ausgestattet, während dem rechten das Diabolische schon mit dem Gesichtsschnitt zugedacht war.
 
Einige antike Kopfausschnitte von Satyr-Darstellungen
 
Einge antike Kopfausschnitte von Pan-Darstellungen
 
Der Faun wurde eher stumpf-knollennasig dargestellt, während der Pan mehr die Ziegennase zeigte und Hörner trug -, doch beide mit markantem, langen Spitzohr. Satyre sind in der griech. Mythologie sinnenfrohe, wollüstige Dämonen im Gefolge des Dionysos; von röm. Mythologie wurden sie den Faunen gleichgesetzt. Der Pan ist ein ursprüngl. ein griech. Hirtengott, doch die Darstellungen des christlichen Teufels gehen auf ursprünglich heidnische Götter zurück, die in christlicher Weise umgedeutet und als Teufel abgewertet wurden. Es besteht eine weitgehende äußere Übereinstimmung mit dem griechischen Gott Pan ! Sylvia Runkel (Fachärztin für Psychosomat. Med. und Psychotherapie) schreibt dazu „Der christlichen Kultur war Pan rohe Aggression und Sexualität, ein Pfui; Pan war der Teufel. „Der grosse Pan ist tot !“ Der Klageruf des ägyptischen Steuermanns zur Zeitenwende erfüllte sich, und Pan musste ins Exil. Er überlebte im Untergrund: im Satanskult und Schwarzen Messen.“
 
Die rechte, satanisch wirkende Gestalt, ist als ein Wesen zwischen Pan und Satyr/Faun angedacht, während die linke den „Alten Heiden“ verkörpern soll. Sämtliche dieser Unsinnsautoren, die von einem „Adam-und Eva-Paar“ schwadronieren, leiden hochgradig an Sehschärfe und sind zudem unkundig des archäologischen Fundgutes. Die vier Halsringe des Heiden bzw. des heidnischen Kultleiters finden sich wieder beim Odin-Amulett von Lejre und dem Figurenfund von Eskildstrup.
 
Abb. 1 Abb. 2
 
Abb. 1 -„Gammel Lejre“ ist das alte Dorf Lejre, etwa 4 km westlich von Roskilde auf der Däneninsel Seeland. Die Stätte hat eine archäologisch bedeutende Umgebung, da eine durchgehende Besiedelung seit Steinzeittagen bis in die Neuzeit durch diverse Funde sowie prähistorische und historische Bauten nachgewiesen ist. Vor der Christianisierung wurden hier alle neun Jahre große Opferfeste abgehalten. Hier fand sich die kleine silberne Amulett-Figur aus dem 9. Jh., den sog. „Odin von Lejre“ (Roskilde-Museum), die beide Raben - Hugin und Munin - auf seinen Knien zeigt. Vier Halsringe schmücken den Gott auf seinem Thronstuhl Hliðskjálf („Hochsitz des Mitgefühls“) im Götterpalast von  Asgard in Walhall. - Abb. 2 - Die 42 cm hohe Holzfigur des 5. Jh. n.0, von Rude-Eskilstrup (dän. Mittelseeland) zeigt ebenfalls einen 3 oder 4 Halsringe tragenden heidnischen Funktionsträger.
 
Abb. 1 + 2  
 
 
Die Halsringe entsprechen dem Typ des goldenen Halsringes von Peterfitz (Kreis Kolberg), der vermutlich am Ende der Völkerwanderung um 550 geschaffen wurde (heute im Pommerschen Landesmus. / Greifswald). Etwa 70 weitere Goldringe sind aus Skandinavien, Nord- und Ostdeutschland (polnische Okkupationsgebiete) bekannt. Ebenso die Ringe von Hammersdorf (Abb. 1 + 2 / Kreis Braunsberg / Ostpreußen), die aus einem Hügelgrab stammen und datiert wurden, um 400 bis Mitte des 5. Jhs.. Sie lagen im Königsberger Museum und zählen zu den Nachkriegs-Raubverlusten.