Copyright Gerhard Hess / Mai 2021
 
 
 
Der grundsätzliche Unterschied zwischen hl. Baum und hl. Säule soll mit dieser Bildzusammenstellung deutlich gemacht werden, mit der Einschränkung, dass bereits auf dem frühen hethitischen Relief der königliche Kultsäulencharakter der Dattelpalme festgelegt ist, denn im Fuß der ikonographierten Palme ist das hethitische Zeichen für „Königsheil“ eingegeben. - Abb 1: Ein syro-hethitisches Relief vom „Citadel Lion’s Gate“ aus Phase IIIa 2 (Anatolien, späte Bronzezeit, ca. 13. Jh. v.0). Zwei bewaffnete Genien, denn der Heilige Lebensbaum muss vor den Chaosmächten beschützt werden, flankieren die ikonographierte Dattelpalme. Sie tragen die Blitzbündel des Wettergottes Teššub/Teschub in den Händen, geschultert haben sie seine Waffen-Attribute, die Keule und die Doppelaxt. - Abb. 2: Das Löwentor aus 13. Jh. v.0 ist das Haupttor der Stadt Mykene, zwischen südlicher Peloponnes und dem Istmus von Korinth. Die Mykener waren die aus dem Norden eingewanderten frühen indogerm. Griechen. Zwischen dem flankierenden antithetischen Löwenpaar steht die Säule, die Weltsäule ? Dazu Michael Weißl, „Torgottheiten - Studien zum sakralen und magischen Schutz von griechischen Stadt- und Burgtoren unter Einbeziehung der benachbarten Kulturen“, 1998/2012. Er scheibt: „Da das Löwentor als Teil einer Festungserweiterung entstand, die auch das Gräberrund mit einbezog, wurden Grabfassaden älterer Kuppelgräber vielleicht bewusst rezipiert, um auf eine alte und heroische Tradition mykenischer Herrschaft hinzuweisen.“ Und 1998, S. 29f: „In Vorderasien und in Ägypten sind zahlreiche spätbronzezeitliche Portalskulpturen erhalten geblieben, unter denen offenbar keine direkten Vorbilder für das mykenische Löwentor-Relief zu finden sind. Die stilisierte Angabe der Muskulatur an den Löwenkörpern, insbesondere an den Vorderbeinen, ist ähnlich jener bei hethitischen Torlöwen und Torsphingen. … Da die Löwendarstellungen in der ägäischen Kunst bei weitem nicht so populär waren wie in Vorderasien, adaptierten die Bildhauer des Löwentor-Reliefs möglicherweise die monumentale Vorbilder der orientalischen Architektur … Sowohl für die frontale Darstellung der Köpfe im Löwentor-Relief als auch für die stilisierte Modellierung der Muskulatur an den Körpern finden sich dagegen Ähnlichkeiten in der Steinskulptur der hethitischen Großreichszeit.“  Zum „Pfeilerkult“ religiöser Funktion z.B. Friedrich Matz, „Göttererscheinung und Kultbild im minoischen Kreta“, 1958, S. 421ff u. Martin P. Nilsson, „Minoan-Mycenaean Religion, and Its Survival in Greek Religion“, 1950, S. 254ff. Hethiter wie Griechen sind aus dem Norden nach Anatolien und die Balkanhalbinsel eingewanderte Indogermanen. Die nordischen Völker scheinen einen reinen Weltsäulenkult gekannt zu haben. Darauf gehe ich mit Belegen später näher ein. - Abb. 3 = Der mykenische goldene Siegelring zeigt ebenfalls die Weltsäule mit den antithetischen Löwen; aus: Nadine Becker, „Die goldenen Siegelringe der ägäischen Bronzezeit“, 2018, Bild R 62.
 
LEBENSBAUM UND WELTSÄULE
 
Wenn wir uns der Thematik, die ich mit vorstehendem Titel umrissen habe, vorsichtig nähern wollen, müssen wir zunächst streng zu unterscheiden verstehen, zwischen den Begriffen und den mit ihnen verbundenen profankünstlerischen oder sakral-ikonischen Darstellungen. Es geht um vier grundsätzlich selbstständige Betrachtungsgebiete, wenn auch im Verlauf der Kunst- und Kulturgeschichte Mischungen und Zusammenschauungen nachweisbar wurden: 1.) der geheiligte Baum, 2.) der Weltenbaum, 3.) der Lebensbaum und 4.) die Weltsäule.
 
DER KULTBAUM
 
Im Hinblick auf den Baum im altgläubigen Kult beschrieb recht treffend Manfred Lurker den geistigen Sachverhalt, deshalb will ich ihn zitieren: „Wenn bei Völkern, die noch ganz in den Rhythmus der Natur eingespannt sind, einzelne Naturgewalten selbst als Götter verehrt werden, so darf das nicht ohne weiteres als Naturgötzendienst abgetan werden. In vielen Fällen wurde nachgewiesen, dass die Verehrung weniger dem sinnlichen Naturobjekt gilt als vielmehr einer hinter ihr stehenden, durch sie nur symbolisierten Gottheit. Die Natur wird von Mircea Eliade als die „Offenbarung der lebendigen Realitäten“ betrachtet. Für den mit mit dem Strom des Lebendigen sich verbunden fühlenden Menschen wird die blühende und fruchtragende Natur zur Inkarnation der Offenbarung des Heiligen. Ein Baum oder eine Pflanze ist niemals heilig als Baum oder als Pflanze; sie werden durch ihre Teilhabe an einer transzendierenden Realität, sie werden es, weil sie diese Realität bedeuten. Durch ihre Weihung wird die konkrete, profane Pflanzenart transsubstantiiert nach der Dialektik des Sakralen gilt ein Stück (ein Baum, eine Pflanze) soviel wie das Ganze (der Kosmos, das Leben), wird ein profaner Gegenstand zur Hierophanie“. (Manfred Lurker, „Der Baum in Glauben und Kunst“, 1960, S. 15)
 
DER WELTENBAUM
 
Den Germanen galt die Eibe als Weltenbaum. Ein gefälliges, sinnmachendes Gleichnis, sich die Welt als Baum zu denken, mit seinem in den Himmel weisenden Gipfel und seiner aus den irdischen Tiefen geschöpften Nahrung. Auch andere Kulturen kennen dieses Gleichnis. Die altaischen Völker haben einen Mythos, wonach im Nabel der Erde der höchste aller Erdenbäume, eine riesenhohe Tanne wächst, deren Wipfel bis zum Hause des Gottes  Bal-Ülgan reicht. Von einem Weltenbaum redeten auch die Arioinder, wie in Rigveda X 135,1, wo der „schön belaubte Baum“ thematisiert wird, wo „Yama zusammen mit den Göttern trinkt“. Atharvaveda V. 4,3 gibt an: „Im dritten Himmel steht der Ašvattha-Baum, der Sitz der Götter“ (s. Uno Holmberg, „Der Baum des Lebens“, 1996, 42.) Sie kannten ebenso die Weltensäule; im Atharvaveda X,7 wird sie (skambha) zum Träger des Alls, im theosophischen Sinne sogar zum Weltgeist idealisiert, wobei der ursprüngliche Charakter des Nordsterns noch stellenweise durchbricht (s. Hermann Brunnhover, „Arische Urzeit“,1910, S. 152). Auch für Altägypten gab es eine himmeltragende Gottheit Šu, ähnlich dem griechischen Titan Atlas. Die Vorstellung, dass der Götterthron, der Weltberg oder die Himmelsstütze im Norden zu suchen sei, glaubte sogar der hebräische Prediger Jesaia (14,13f), der gegen einen der sein Maß verlor, die Warnung aussprach: „Er will in den Himmel steigen und sich über die Sterne Gottes erhöhen, er will sich setzen auf den Berg der Götterversammlung im äußersten Norden.“ Auch den westindogerm. Hethitern galt - wie den Germanen - vor Jahrtausenden die Eibe, der eya-Baum, als heiliger Baum des Fruchtbarkeitsgottes Telipinu und des Königshauses („Die Hethiter und ihr Reich“, 2002, S. 106). Unter Fachleuten ist man sich einig. Beim großen heidnischen „Heiligen Hof“ zu Uppsala, so berichtete Adam von Bremen in seiner „Hamburgischen Kirchengeschichte“ (Scholion 138 aus den Jahren 1075-81): „... steht ein sehr großer Baum, der seine Zweige weithin ausbreitet, sommers und winters immer grün; welcher Art er ist, weiß niemand. Dort ist auch ein Quell ...“ Eine Eibe (Taxus baccata) muss es gewesen sein; der heilige Baum der keltisch-germanischen Mystik hat höchstwahrscheinlich sinngemäß und sprachlich Pate gestanden für den eddischen Weltenbaum Yggdrasill. Da Yggr, von altn. ýgr „grimmig, gereizt, heftig im Umgang“, als Beiname des Gottes Odin/Wodin belegt ist, deutet man landläufig Yggdrasil = „Odins-Träger“ in Berücksichtigung des bekannten Mythos, nach dem sich Odin selber speerverwundet in die Zweige der „Weltesche“ hängte, um Runenwissen zu erlangen. Tiefergehende, historische und sprachliche Untersuchungen gelangen jedoch zur Feststellung, dass der germ. Weltenbaum als Eibe und nicht als Esche verstanden wurde. Eine „immergrüne Esche“ ist ein Unding -, und da der germ. Eibenbegriff in manchen Formen einen Guttural aufweist (ahd. īgo, schweiz. īge), so konnte aus urgerm. igwa, igwja ein altn. yggwa, yggia werden. Das zweite Wortglied drasill aus urgerm. drasilaz hat die Grundbedeutung „Träger“ und weiterhin „Säule“. Hinzu kommt, dass an bedeutsamer 12. Position des ODING keine Esche sondern die Eibe erscheint, so dass mit großer Sicherheit gesagt werden darf: Diese immergrüne „Weltesche Yggdrasil“ war zur urgerm. Ära sicher eine Eibe. Es handelt sich bei ihr um eine der ältesten heimischen Baumarten überhaupt; seit 600.000 Jahren siedelt sie in Europa. Zu der Vertauschung von Eibe und Esche mag beigetragen haben, dass wohl im Altnordischen, zumindest in einigen seiner Regionen, die Eibe als „barraskur“ (Nadelesche) umschrieben wurde, so wie sie noch in Mundarten Skandinaviens „barrlind“ (Nadellinde) oder „barrlönn“ (Nadelahorn) heißt. Dass aber in spätheidn. Zeit auch oder ausschließlich wirklich die Esche als Welten-Baum angeschaut wurde, geht aus dem 26. ags. Runenvers hervor: „Esche (æsc) ist überhoch, den Menschen wert. Fest im Boden hält sie stetig Stand, wenn auch viele [firas] Lebewesen sie anfallen.“ Ähnliches klingt im Grimnirslied (Grm. 35) an: „Ascr Yggdrasils drygir erfiði, meira, enn menn viti; ...“ d.h. „Die Esche Yggdrasil muss Pein erleiden, mehr als die Menschen ahnen;....“ Es wird so sein, dass der herkömmliche Welteibenbegriff in späterer isländ.-eddischer Zeit durch den Odinsbeinamen neu ausgedeutet wurde. Für diese Feststellung liefert das eddische Fjölsvinnsmál (20-22) zusätzliche Bestätigung. Hier wird vom Weltenbaum gesagt: „Mimameiðr heißt er, Menschen wissen selten aus welcher Wurzel er wächst.“ Und weiter: „Mit seinen Früchten soll man feuern, wenn Weiber nicht wollen gebären. Aus ihnen geht dann was innen bliebe: so wird er der Leute Schicksalsbaum [Maßbaum].“ („mjötuðr“ = Baum des Gesetzes, oder des rechten Maßes). Da Eibenabkochungen bei ungewollten Schwangerschaften als Abtreibemittel Verwendung fanden, was schon der griech. Arzt und Apollopriester Nikandros um 275 v.0 in seinen Versen über die Gifte (Alexipharmaka) beschrieb, erhellt sich die zunächst dunkel erscheinende Eddastelle. Noch eindeutiger wird unsere Vermutung durch Begriffe bestätigt, mit denen Eddatexte den Weltenbaum umschreiben. Im Altn. bedeutet barr, got. barizeins „Nadeln des Nadelholzes“; im heutigen Isländisch ist barrtré, schwed. barrträd der „Nadelbaum“. Im eddischen Háv. 50 heißt es von einer Föhre, dem Nadelbaum, sie hätte nicht „borkr ne barr“ = „Borke noch Nadel“. Im eddischen Fjöls. 13 wird nach dem Namen des Baumes gefragt „der mit breiten Ästen die weite Welt überwölbt“= „hvat dat barr heitir, ...“= „wie heißt der Nadel(baum), ...?“ Auch in Gylf. 16 u. 39 wird berichtet, dass des Weltbaums (Yggdrasil/Lärað) Krone vier Hirsche bzw. Ziege Heidrun die Nadeln abäsen („bita barr“); oder sind hier die jungen Blättersprossen gemeint ? Bekanntlich sorgt zwar das Alkaloid Taxin dafür, dass Eibensamen (ausser dem roten Samenmantel), Nadeln, Rinde und Holz für Mensch und Pferd sehr giftig sind, dagegen können Wiederkäuer wie Rotwild und Rehe große Mengen an Eibennadeln ohne Probleme zu sich nehmen. Die Eibe ist zweihäusig, es gibt also Eibenmännlein und -weiblein; auch darin entspricht sie der paarigen, höheren Lebendigkeit unserer Erde.
 
Die germanische Welteneibe Yggdrasil, drei mächtigen Wurzeln entsprossen, war, dem Mythos zufolge, der erste Baum, der gewachsen ist. Seine Äste breiten sich über alle neun Welten aus und erstrecken sich über den Himmel. Ein Adler sitzt im Geäst, zwischen seinen Augen ist ein Habicht, der Vedrfölnir  genannt wird. Eine Wurzel führt ins Götterheim Asgard, eine andere nach Niflheim  zur Quelle Hvergelmir, wo der Drache Nidhöggr (Neidzahn) an ihr nagt, Das Eichhörnchen Ratatöskr (Bohrzahn) klettert immer zwischen Baumkrone und Wurzeln hin und her, um Schmähreden zwischen Adler und Drachen zu verbreiten. Deshalb kann der Streit in der Welt kein Ende finden; immer wird er währen, zwischen Licht und Finsternis. Am Fuße Yggdrasils liegt auch der Urdbrunnen, an dem die drei Nornen das Schicksal bestimmen. Unter den Zweigen des Baums halten die Götter Gericht. Schon die sumerischen Mythen kannten den Weltenbaum, im Garten an den Ufern des Euphrat, doch der verwendete Begriff „Huluppa-Baum“ (sum. halub) bedeutet nur Baum; man ist sich nicht sicher, ob der Dattelbaum oder die Weide gemeint war. Auch die Zeder galt der Göttin Inanna als heilig. Die oft erwähnten Opfergaben scheinen Dattelfrüchte gewesen zu sein, die Inanna heilig waren. Die Wurzeln des „heiligen Baumes von Eridu“, wo eine unbezähmbare Schlange hauste, reichten bis in die Unterwelt, die Baumkrone galt als Himmel wo die Sonne wohnt. Der Baumstamm symbolisierte als mittlere Ebene das Leben sowie die Wesen und Gegenstände auf der Erde. Der heilige Baum von Eridu meint den Weltenbaum, er dürfte dem Schriftzeichen für „e.nun“ (Haus des nun) entsprochen haben, das zeigt als Abbild eine Palme. Warum Inannas Bruder Gilgamesch den Baum zerstört ist unverständlich. Es heißt im Mythos: „Gilgamesh erschlug die Schlange, die nicht gezähmt werden kann.…löste dann die Wurzeln des Huluppu-Baumes; seine Begleiter, schlugen die Äste ab. Aus dem Stamm des Baumes schnitt er einen Thron für seine heilige Schwester, aus dem Stamm des Baumes schnitt er ein Bett für Inanna. Aus den Wurzeln des Baumes fertigte er ein Pukku für ihren Bruder. Aus der Krone des Baumes fertigte er ein Mikku für Gilgamesh dem Helden von Uruk.“ Die beiden Dinge, die für Gilgamesch gedacht waren, fallen in die Unterwelt. Im Epos wird nie erklärt, um was es sich bei „Pukku und Mikku“ handelt. Enkidu steigt in die Unterwelt hinab, um „Pukku und Mikku“ für Gilgamesch zurückzuholen. Da aber Enkidu den Unterweltsregeln nicht Folge leistet, muss er, bis auf eine kurzzeitige Rückkehr, für immer dort bleiben.
 
DER FRUCHTBAUM 
 
Äpfel gelten als das älteste Kernobst der Welt. In den jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbausiedlungen des Alpenvorlandes werden bei Ausgrabungen immer wieder Jahrtausende alte Wildformen von Äpfel und Birnen gefunden, die meisten davon in verkohltem Zustand. Die damaligen Birnen und Äpfel waren viel kleiner als die heutigen und schmeckten herb-sauer. Diese Apfelfunde belegen, dass einfache Holzäpfel schon damals für die Vitaminversorgung vor allem im Winter getrocknet und als Vorrat eingelagert, einen wichtigen Bestandteil der Nahrung gebildet haben. Ihre Erhaltung verdanken sie ihrer Lagerung unter Luftabschluss im schlammigen Seeboden. Dass die Vitamine des Apfels lebenserhaltend sein können ist eine uralte Erfahrung, anders sind die antiken Mythen nicht erklärbar, wie jene die von den Hesperiden, den lieblichen Nymphen schwärmen, welche einen wunderschönen Garten hüten würden, mit einem Baum der goldenen Äpfel, die den Göttern ewige Jugend verliehen. Die 11. Arbeit des Herakles sollte es sein, die vom Drachen Ladon bewachten Goldäpfel, zu gewinnen. Im germanischen Mythos wirbt der solare Fruchtbarkeitsgott Freyr um die schöne Erdenfrau Gerda. Sein getreuer Freund Skirnir (Reiniger) übernahm die Brautwerbung. Während der er viel versprach, auch bot er ihr elf goldene Äpfel und dann sogar Odins Goldring Draupnir (Tröpfler) an, trotzdem lehnte die stolze Gerda zunächst ab, Freys Gemahlin zu werden. Das nur am Rande, wir müssen darauf nicht weiter eingehen. Der Apfelbaum, mit seiner köstlichen Apfelfrucht, spielte eine mythische Rolle bei Überlegungen der Lebenserhaltung, doch war er als Lebensmittel nie lebensnotwendig für die Erhaltung von menschlichen Lebensgemeinschaften.
 
  
DER LEBENSBAUM oder HEILIGER BAUM
 
 
Abb. 1 = Minoischer Goldbecher mit wildem Stier hinter Dattelbaum-„Lilie“; spätminoischen I, ca. 1.500 v.0 - entdeckt im berühmten Kuppelgrab von Vaphio bei Sparta. Original im Archäolog.-Nationalmus. Athen. - Abb. 2 = Minoischer goldener Siegelring (aus Mykene, Grab 25) zeigt zwei Paarhufer bzw. wohl Ziegen die den hl. Palmbaum flankieren, der hier schon zur Kultsäule von „Lilien“-Charakter gediehen ist. Es sind die ältesten Darstellungen dieser Art. Die altägyptische Kunst brachte Palmett-Lothos-Mischformen hervor und die sumerische Kunst des Zweistromlandes thematisierte zwar auch schon den Palmbaumkult, doch nicht in der „Lilien“-Form. Die Dattelpalme bedarf der Kultivation und der Bewässerung, aus diesem Grunde ist sie auf sumerisch-babylonischen Rollsiegeln im rituellen Zusammenhang mit einem Trankopfer bzw. der lat. Libation ins Bild gesetzt, wobei die Palmwedelblätter in einer Zypressenform zur Darstellung gelangten. Empfehlenswert dazu: Maga Linda Franz, „Altmesopotamische Parallelen zu minoischen Symbolen“, 2011, S. 95: „Die Existenz einer Verbindung von Tieropfer und der Palme wurde durch das Anführen zahlreicher ikonographischer Beispiele für deren gemeinsames Auftreten belegt. Es wurde gezeigt, dass die Palme sowohl mit Opfer und Opfertieren, als auch mit Dämonen in Zusammenhang steht. Darüber hinaus können auch Opfertier, Dämon und Palme gemeinsam auftreten; dies wiederum legt nahe, dass die verschiedenen Gruppen von Darstellungen, die die Palme einschließen, unterschiedliche Facetten eines Kultes repräsentieren.“
 
Das Fragment aus urdynastischer Periode (Ende 4. Jt. v.0) eines Steatitgefäßes aus Mari zeigt die Anbetung von Mensch und Tieren am Fuß der hl. Palme (Mus. Damaskus). Das große Wandgemälde im Palast des Zimrilim in Mari (Larsa-Periode, um 2.040-1.870) zeigt die Dattelpalme mit fürbittender Göttin (Louvre, Paris). Die mittelsyrische Goldschale von Ugarit, des 14. Jh. v.0 zeigt schon den bekannten Palmetten-Voluten-Palmbaum, von Greifen flankiert (Mus. Aleppo), ebenso wie die gleichalten Rollsiegelabrollungen (Eva Strommenger, „Mesopotamien“, 1962). Auch Wandmalereien des 13. Jh. v.0 der mittelassyrischen Palast-Terasse in Kar-Tukulti-Ninurta zeigen die Palmettbaum-Säule von Ziegen flankiert (Anton Moortgat, „Die Kunst des Alten Mesopotamien“, S. 122). Die hethitische Bronzeschale aus der Großreichszeit (ab ca. 1.350 v.0) von Kastamonu besitzt Einprägungen von Greifen rechts und links vom Palmett-Lebensbaum („Die Hethiter und ihr Reich. Das Volk der 1000 Götter“, 2002, Objekt 101). Ein ägyptisches Lebensbaummotiv zeigt eine im Baum integrierte Muttergöttin, auf einem Bronzegefäß des 7. Jh. v.0 (Louvre, Paris) aus der 26. Dynastie, also der nachassyrischen Periode. Der dortige Baum ist als Palme nicht eindeutig zu identifizieren. Die Dattelpalme (phoenix dactylifera) ist im Vorderen Orient als Nutz- und Kulturpflanze mindestens seit dem 3. Jt. v.0 nachgewiesen. Weil sie immergrün ist und in vielseitiger Hinsicht als Lebensgrundlage dortiger Menschen diente, konnte sie als „Heiliger Baum“ oder „Lebensbaum“ bezeichnet werden. Etwa nach fünf Jahren trägt ein Dattelbaum das erste Mal Früchte. Er kann gute 100 Jahre alt werden. Er wächst an Oasen, aber auch in Städten (vgl. Jericho, die Palmenstadt Num 33,9; Dtn 34,3). Dattelpalmen sind besonders für Menschen in Wüstenregionen lebenswichtige Bäume: Sie spenden Schatten in der Hitze, zeigen Wasservorkommen an, da ihren Pfahlwurzeln an tiefe Grundwasservorkommen reichen. Die süßen, nahrhaften, wegen des hohen Zuckergehaltes dauerhaft haltbaren Früchte können als Reiseproviant Verwendung finden, man stellte aus ihnen sowohl Brot als auch Sirup her. Das Holz dient als Bau- und Brennmaterial, Blätter zum Dachdecken und als Viehfutter und die Blattfasern werden zu Seilen, Körben und Matten verarbeitet. Die Dattelpalme wird zwischen 10 und 30 m hoch. Sie wächst gerade hinauf, so dass sie als Wuchsvorbild galt: „Der Gerechte gedeiht wie die Palme, er wächst wie die Zedern des Libanon“ (Psalm 92,13), oder: „Wie eine Palme ist dein Wuchs; deine Brüste sind wie Trauben“ (Hohelied 7,8). Daher fanden sich auch reichlich Palmbaum-Darstellung im Jerusalemer Tempel (z.B. Ezechiel 41,15-26). Mit dem frohen Schwenken von Palmwedeln drückte man Freude aus und empfing man Ehrengäste (1. Makkabäer 13,51). Gleiches wird auch in Johannes 12,13 ausgedrückt: „Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen und riefen: Hosanna ! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels !“ Die Dattelpalmen waren für Altisrael so markant, dass der röm. Kaiser Vespasian, zur Niederschlagung des Jüdischen Aufstandes im Jahr 70 n.0, Münzen schlagen ließ, mit dem Dattelpalmbild unter dem ein trauernder Mensch hockt und dem Schriftzug: „Iudaea capta” (Judäa ergriffen, gefangen). Die Dattelpalme galt den Römern offenbar als ein Symbol für den jüdischen Staat. Schon früh hat sich die hl. Dattelpalme in ihrer Verkleinerungsform, der sog. „Lilie“ etabliert; ich gehe darauf später ein. In der biblischen Tradition sei die „Lilie“ auch das „Symbol der Erwählung“. „So sah sich Israel unter den Völkern erwählt“, wodurch die „Lilie“, als verkleinerter Palmbaum, auch das Judentum versinnbildlichen kann (Gerd Heinz-Mohr, „Lexikon der Symbole“, 1971, S. 189) 
 
Die frühen Griechen ließen sich vom minoischen und nahöstlichen Palmidolkult anregen und schufen schon in mykenischer Zeit (ca. 1.400-1.350 v.0), z.B. auf Zypern beispielsweise den „Zeus Krater“ von Enkomi (Mus. Nicosia), der das stilisierte Palm-Idol vorführt. Andere Vasen aus Enkomi zeigen den Hl. Palmbaum von Wasservögeln flankiert. In ihrer protoattische Keramik, ein Stil, der um 700 v.0 den geometrischen ablöste, wird - vortrefflich vom Dipylon-Maler - das Palmmotiv des Hl. Baumes in einfallsreichen Variationen ausgeführt. Die Hl. Palme fand Eingang in die griechische Mythologie. Letho soll den Apollon unter der Palme von Delos geboren haben. Mir liegt die Fotografie eines geometrischen Kraters vor (Louvre, Inv. Nr. A 517), auch aus B. Schweizer, „Die geometrische Kunst Griechenlands“ (Taf. 36f, S. 43), welcher kurz darauf eingeht. Hier flankieren zwei Greifen den Hl. Baum, der im ikonographischen Schema aufs Wesentlichste beschränkt ist, wie er bis ins europäische Mittelalter, in noch reduzierterer Form, das Kreuz flankierend, auf dem Siegfried-Sarkophag (aus 3./4. Jh. n. 0) im Kloster Lorch betrachtet werden kann.
 
LEBENSBAUM WIRD SYMBOLISCHE HIMMELSSTÜTZE
 
Abb. 1: Becher aus Babylon mit Palmbaumsäule, 10. Jh. v.0 - Abb. 2: Palmbaumsäule als Himmelsstütze auf der Tafel des Shamash, des babylonischen Sonnengottes, 9. Jh. v.0, Sippar, Südirak.
 
Die ehrenwerte Dattelpalme ist in natürlichen Wiedergaben, wie auch in erstaunlicher Breite unterschiedlichster künstlerisch-einfallsreicher Zierstil-, Verklärungs- und Sakralformen im gesamten alten Orient, von Anatolien bis Syrien, schon dem sumerischen  Mesopotamien, den heutigen Gebieten des Irak-Iran, sowie Zypern und Kreta, ebenso in den phönizischen Kolonialstädten, in geschicktesten und bewundernswertesten Arten und Weisen dargestellt worden. Bereits 1.600 v.0 zeigt die minoische Goldtasse die Palmenwipfel in der allgemein bekannten, sogenannten „Lilienform“. Wie weit die Stilisierung der hl. Palme gehen konnte, demonstriert eine kretische Krater-Dekoration (Weinmischgefäß) von 14. Jh. v.0 aus einem Felskammergrab. Zwei Ziegen flankieren die Lebensbaum-Palme (Louvre/Paris - Inv. CA 883). Mykenisch-späthelladische (1.300-1.200 v.0) Objekte zeigen einen auf das Wesentliche reduzierten symbolhaften Lebensbaum (im Brit. Mus., London - Nr. 86.4-15.15). Den heiligen Dattel-Baum, mit den beschützenden Keruben, die auf liegenden Löwen stehen (aus Megiddo), zeigen die schematisierten altorientalischen Rollsiegelbilder des 14. Jhs. v.0. Die Palme wurde der Baum des allerhaltenden babylon. Sonnengottes Šamaš/Schamasch, ebenso des assyrischen Gottes Aššur, wie des griechischen Apollon. Die frühgriechisch-helladischen Kulturen spielen ebenso mit den Palmblattranken und Palmetten in ihrer Ornamentik und den Giebelzieren, den Akroterien, ihrer Tempel. Die Etrusker führten das orientalische Erbe fort und die röm. Kunst, besonders die byzantinische, von der sich die germanischen Langobarden in Italien förmlich faszinieren ließen und die Palmette, mit ihren altnordischen Vorstellungen von der Weltensäule, zur vielgestaltigen Palmettensäule verwoben. Die Dattelpalme war zunächst der lebenserhaltende hohe Baum, wie auch der jeweilige Herrscher sich als die lebenserhaltende Säule seines Staates fühlen mochte. Aus dieser Betrachtung wurde die Palme zum Baum des Königs, zum Königsbaum des Orients. Der Herrschaftsstab orientalischer Könige konnte noch einem detailliert nachgear­beite­ten, schematisierten Palmbäumchen gleichen, wie es beispielsweise das Relief des aramäischen Herr­schers Barrekub (ca. 850 v.0) vorführt. Auch in den sog. „Lilienzeptern“ der west- und ostfränkischen Könige und deutschen Kaisern des „Heiligen römischen Reiches“ - wahr­scheinlich durch Impulse des vorbild­gebenden byzan­tinischen Kul­tur­kreises, über die Vermittlung der Langobarden in Italien, spiegelt sich das ur­alte Herkommen. Das „lilienförmige“ Lebensbaum-Kürzel ist auf persischen Silberfla­schen des 5. Jh. im Museum für Isla­mi­sche Kunst, Berlin (z.B.: Kat. 19+1/79/Nr. 94), ebenso zu sehen, wie auf der Schluss-Seite der Bibel von San Isidoro, Vale­rania, Spanien, 960 n.0, auch auf dem Kreuz Justins II., in der Sakristei von St. Peter/Rom und in vielen Tympana-Reliefs mittelalterlicher Kirchen. Auf etlichen Bogenfeldern und Taufsteinen romanischer Kirchen in Deutschland finden sich die Lebensbaum-Bilder und die verkleinerten Lebensbäumchen, die sog. „Lilien“. In der römisch-norische Stadt Teurnia/Tiburnia in Oberkärnten bei Spittal, die in der Spätantike Bischofssitz wurde fand man das Fußbodenmosaik mit dem Lebensbaum in der alten Basilika aus 6. Jahrhundert. Der „Regiswindis-Sarkophag“ in Lauffen am Neckar, aus 7./8. Jh., trägt auf seinen Stirnseiten gleichberechtigt ein Kreuz und ein Lilien-Lebensbäumchen. Nicht immer ist sicher auszumachen, ob sie von den kirchlichen Auftraggebern im lobenden, einladenden oder ablehnenden, verketzerndem Sinne gedacht waren. Positiv gedacht waren sie, wenn sie das zentrale größere Kreuz flankieren, oder repräsentativ allein das Bogenfeld beherrschen. Positive Beispiele dafür fanden sich beispielsweise an den Kirchen von Altenmarkt (Ndby.), Tiefenort (Thür.), Aue-Aylsdorf, Gumperda, Ossig (Sachs.), Bebenhausen (Württbg.). Negative Beispiele wären: Das Palmen-Motiv auf der Halbsäule des Apsis-Relief am Dom zu Speyer, der unter Kaiser Heinrich IV. im Jahr 1061 geweiht wurde. Es veralbert und verketzert allerdeutlichst den Altglauben. Freiburg (Sachs.), Tritwell (Engl.), Hürup (Schlesw.), Rieseby (Schlesw.), Reisby (Schlesw.) und besonders deutlich die Taufe von Feldstedt (Schlesw.), wo dem Lebensbaum von Esel und aufgezäumtem Ross gehuldigt wird, nach kirchlichem Sprachgebrauch also von „Dummheit“ und „Stolz“. Taufstein von Althadersleben (Schlesw.), aus 12. Jh., wo der Lebensbaum von zwei Bestien angebetet wird. Benediktinisches Taufsteinbild in Freudenstadt, Stadtkirche, wo der Drachen eine „Lilie“ ausspuckt, sein Schwanzende als „Lilie“ geformt ist und ein Hund „Lilie“ und Schlange ausspeit. Zum Thema schaffte lesenswerte Übersicht Romuald Bauerreiss, in „Arbor Vitae“, Bd. III der Abhandlungen der Bayerischen Benediktiner-Akademie, 1938. An der Idee des orientalischen Dattelpalmen-Lebensbaumes, wie er zur urjüdischen Kultur gehörte, war mit dem Einzug des judäochristlichen Religionskonzeptes, zunächst nichts Anstößiges auszumachen, er gehörte zur Christenkirchlichen Ideologie und deren künstlerischer propagandistischer Ausschmückung. Demzufolge konnte der Lebensbaum sinnbildlich das ältere Judentum vertreten, das vom jugendlichen Christenkreuz widerlegt und überwunden wäre. Kleriker die die Anschauung vertraten, die Symbiose von Altem und Neuem Testament sei real nicht denkbar, die prinzipiell unterschiedlichen Denkweisen verhielten sich wie Feuer und Wasser, müssen den jüd. Lebensbaum als überholten Teil ihrer Religion gesehen haben, welchen man überwinden und ausscheiden müsste. Entsprechende Bildnisse bevorzugten sie in ihren Kirchen. Jene dagegen, die ihre vier synoptischen Evangelien im Sinne einer Krönung und Vollendung des Pentateuchs verstanden und mithin eine theologische christlich-jüdische Koexistenz für möglich hielten, werden den jüd. Lebensbaum im positiven Sinne für die Darstellungen ihrer Auslegungen benutzt haben. Beispielhaft für die letztere Sichtweise ist zweifellos das Tympanum des Kirchenportals aus Elstertrebnitz bei Borna, Sachsen-Anhalt.
 
 
Kirchenbogenfeld von Elstertrebnitz (südl. Leipzig) aus der abgerissenen romanischen St.-Martins-Kirche - Es befindet sich heute im Mus. der Albrechtsburg, Meißen. Auf linker Seite hält der Anbetende eine Palmblatt-„Lilie“ zu Gottes Thron empor. Auf rechter Seite steht der Anbetende hinter einem „Kreuzesbaum“. Lebensbaum und Kreuzbaum werden hier gleichberechtigt nebeneinander gehalten. das linksseitige Rad und die rechtsseitige Gans sind beides belegte ikonographische Attribute des St. Martin, passen also zur St.-Martins-Kirche, zu der das Bogenfeld gehörte. Die Deutung des Reliefs ist einfach, denn die vorliegende ikonographische Bildsprache ist eindeutig. Die linke Gestalt weist sich durch Heiligenschein und verzierter, knöchellanger Kasel als ein „Heiliger“ bzw. Bischof aus. Zu seiner seelisch-geistigen Reife im judäochristlichen Sinne gehört der „Baum der Erkenntnis“ oder „Lebensbaum“, ihm ist die „Auferstehung“ von den Toten, zum „Ewigen Leben in Gott“, schon gewiss. Denn in der christlichen Symbollehre versinnbildlichte die „Lilien“-Pflanze auch die „Kirche“ und die „Auferstehung“. Auf der rechten Seite - vom thronenden Gott aus, zur Linken, also zur nachgeordneten Seite - ringt der schlicht gewandete Leien-Christ mit gefalteten Händen um Gnade und ist zunächst so theologisch dumm wie die hinter ihm platzierte Gans. Ihm ist der dornige Weg durchs irdische Jammertal, des vorbildgebenden Kruzifixus vorangestellt, hinter dem er harrt, über den er Gott um Gnade anfleht und über den er allein zu Gott hinzufinden vermag. Aus den irregeleiteten Patrioten-Kreisen von Wilhelm Teudt und Prof. Julius Andree wurde der Unsinn gemutmaßt, dass sich hier Heide und Christ gegenüber stünden, der Heide mit seiner Irminsul und der Christ mit seinem Kreuz.
 
DATTELPALME-LEBENSBAUM WIRD KÖNIGS- u. KAISER-ATTRIBUT
 

 
BILDERKLÄRUNG: 1. Bild zeigt Mosaik aus dem byzantinischen Klosters in Tall Bi'a, am oberen Euphrat, aus Beginn 6. Jh n.0. - 2. Bild zeigt Mosaik Papst Felix III. (um 527–530) aus Kirche in Rom, SS. Cosma e Damiano. - 3. Bild Kaiser Friedrich Barbarossa (1122-1190) trug das dreiblättrige Lebensblumenzepter (sog. „Lilie“); siehe: Miniatur aus Historia Welforum, Fulda, Hess. Landesbibliothek, Cod. D. 11, fol. 14r. - 3. Bild zeigt seinen  Sohn Heinrich VI. (1165-1197) wie er das dreistöckige Palmbaumzepter in der Hand hält; siehe: Liber ad honorem Augusti des Petrus de Ebulo, 1196. - Die hl. Dattelpalme, wurde im 5./6. Jh. noch in natürlicher Darstellung, sowie als Palmbaum-Ikone, kirchlicherseits als eigenes Symbolgut verstanden. Um fünf Jahrhunderte später ist sie zum Würdezeichen europäischer Herrscher geworden, das Könige und Kaiser trugen. - In dieser Zeit wurde die Palme, und ihre idolistischen Abformungen, zum Ärgernis der mönchisch-päpstlichen Christenwelt, weil sie sich im Kampf gegen das als heidnisch eingeschätzte deutsche Kaiser- und Rittertum befand.
 
Pippin der Jüngere/Kleine (714-768), Vater „Karls des Großen“, wurde in den mittelalterl. Darstellungen (1114) mit dem Dreispross-Zepter gezeigt; davon zur „Lilie“ wäre es nur ein kleiner Schritt. Schon unter den französischen Merowingern und Karolingern war die verkleinerte Lebensbaum-Chiffre in „Lilien“-Form auf Schmuckgegenständen und Waffen gebräuchlich, doch erst mit den Karpetingern (franz. Könige 987-1328), namentlich mit König „Robert dem Frommen“ (996-1031), wurde die „Lilie“ Teil des Herrscherornats der franz. Monarchie. Im Siegel Roberts wurde erstmals das „Lilien“-Symbol für die Darstellung des Kronornaments genutzt. Im Steinrelief der ehemaligen Klosterkirche der Benediktiner in Neustadt am Main trägt „Karl der Große“ zwar das „Lilienzepter“, aber das Bildnis wird auf um 1400 datiert. Die deutschen Kaiser zogen nach, wie eine Silbermünze Heinrichs V. (1081-1086) zeigt, wo er ein „Lilienzepter“ in der Hand hält. Auch die Reliefs der Trep­pen­wange in der Ka­the­drale San Va­lentino, Bitonto (Bari), Italien (Bauzeit 1175-1200) zeigt die vier staufischen Herrscher in direkter aufsteigender Linie nebeneinander gestellt: Friedrich Barbarossa, sein „Lilien“-Zepter in der Linken, an seinen Sohn Heinrich weiterreichend. Daneben, um eine Stufe höher, Friedrich II. und zuletzt sein Sohn Konrad IV. oder sein Sohn Heinrich VII. Kaiser Hein­rich V. hielt sein „Welten­baum-Palmen-Zepter“ (flankiert von Sonne und Mond), wie es auf den schon genannten Silbermünzen zu se­hen ist. Dass dieser sog. „Dreispross“ oder die „he­raldische Lilie“, wie man sie ohne Verständnis für ihre Herkunft nannte, mit der namengebenden Blume in kein­em ursprünglichen Zusam­men­hang steht, erweist ein überzeugendes Denkmälerma­terial - besonders aus der lan­gobardischen Kunst. Die „Lilie“ bzw. der „Dreispross“ gibt sich spätestens dann als Bildkürzel der hl. Palme zu erkennen, wenn das Gebilde auf hohem Stamm von Tie­ren flankiert oder umstanden wird, wie es schon die altorientalische Ikonographie bevorzugte. Keine noch so phantasievoll variierte europäische Baum­form könnte dieser Gestalt entsprechen. Rudolf von Rheinfelden bzw. Rudolf von Schwaben (1025-1057) war zunächst Anhänger seines Schwagers Heinrich IV., schlug sich dann im Investiturstreit zu dessen Gegnern, der Papstpartei. Seine Grabplatte im Dom zu Merseburg ist die älteste Bronzegrabplatte Mitteleuropas, sie zeigt das Palmbaum-„Lilien“-Zepter mit den typischen gerippten Palmwedeln. Weil das orientalische Lebensbaum-Palmbaum-Zepter bzw. das „Lilienzepter“ auch von europäi­schen Potentaten nachgeahmt und als Symbol ihrer Herrscherwürde gebraucht wurde, gedieh es zum allgemeinen Herrschaftszeichen weltlicher Macht. Die herrliche Palme auf dem Dekor des deutschen Kaiser- und Krönungsmantel wurde 1134 in Palermo von nordafrikanisch-islamischen Frauen für den Normannenkönig Roger II. von Sizilien gestickt und gelangte an Kaiser Heinrich VI. Er zeigt im Zentrum den stilisierten Dattelpalmbaum, flankiert von Löwen die jeweils ein Kamel schlagen (Löwe = Sinnbild der Königs- / Kaisermacht + Kamel = Sinnbild des Islam). Über den imperialen römischen Einfluss auf Gallien und Germanien, dann über die kirchenchristliche Mission, zunächst zu den katholischen Merowingern und Karolingern, gelangten Idee und Formen des Lebensbaumes, oft zur sog. „he­raldischen Lilie“ vereinfacht, in den germanischen Lebensraum. Erst als die hochmittelalterliche Christenkirche, in ihrem Zweig des staatlich protegierten Mönchtums, was zu immer mächtigeren vernetzten Klosterstrukturen herangediehen war, zu einem Staat im Staate wurde, und im Zuge der gre­gorianischen Reformidee, verstärkt begann, sich gegen die profanen Herrschaften aufzulehnen, weil es meinte, die Kirche bzw. der Papst müsse dem Kaiser befehlen, aber nicht umgekehrt, begann auch der mönchische Bilderkampf wider die „Lilie“, als dem Zeichen der Kaiserwürde. Kaum anders erklärt sich die Menge der schmähen­den päpstlich-rö­misch ge­steuer­ten Kirchen­kunst. Diese Politik der Diskriminierung wird anhand einer Fülle von Belegen erkennbar: Da huldigen abscheuliche Tiere dem „Lebensbaum“ (z.B. Tympa­num-Bruch­stück, Stadtkirche Freyburg; Dax/Landes, Frankr.; Fritwell, Engl.), da endet ein Wolfs­penis in solcher Gestalt (z.B. Rada-Kirche, Lidköping, Schwed.), es ragen „Lebensbäum­chen“ zun­gen­gleich aus Mäulern dämonischer Bestien (z.B. Taufstein Altenstadt in Freudenstadt; Schloss Ti­rol), oder die Schwanzspitzen von Drachen laufen in diesen Formen aus (z.B. Schot­tenportal, Regensburg; St. Laurentius, Erwitte). Das diesbezüglich klarste und deutlichste Werk der schmähsüchtigen benediktinischen Kampfpropaganda gegen die weltliche Kaiserherrlichkeit ist das Großrelief am altheiligen Agisterstein-Externstein. Auf diesem Bild neigt sich nicht der Kaiserbaum vor dem dominanten Kirchenchristenkreuz, nein ärger noch, er ist nach hinten umgebogen und eine menschliche Gestalt, so lautet die altvertraute Bildsprache, hat seine Füße auf den Nacken des „Kaisers“ gesetzt. Unterstrichen wird die Bildaussage im unteren, unfertigen Register der Steinmetzarbeit, wo der Drachenschwanz mit einem Palmettenbusch versehen wurde.
 
 
BILDERKLÄRUNG: Die himmelhohe Palme wird in altorientalisch-babylonischen, -assyrischen Reliefs massenhaft naturgetreu dargestellt (Abb. 6). Sie ist schon früh mit solaren Gottheiten in Beziehung gesetzt worden. So galt sie auch als Baum des sonnengeistigen Griechen-Gottes Apollon. Auf einem Krater von Jüz Oba reichen sich Apollon und Dionysos vor einem Palmbaum die Hände (Abb. 7). Das vorderasiati­sche Kunstschaffen griff das Dattelpalm-Motiv auf und gestaltete es phantasievoll aus. Ins Reli­giöse überhöht wurden die Formen eines „Lebensbaumes“ entwic­kelt, welche sich zwar an die Naturgestalt der Dattelpalme anlehnten, doch mehr und mehr ins Sinnbildlich-idolhafte über­gingen. Aus den Palmblättern wurden sich reckende und ringelnde Voluten, und die Blütenkol­ben bzw. Dattelfruchtstände deutete man durch nach unten weisende kleine Spiralen an. Ein phö­nizisches Dekorationsplätt­chen (Abb. 9) zeigt den hl. Baum ebenso wie das assyrische Elfenbein­kästchen aus Ninive (Abb. 10) und das Relief einer Elfenbein-Pyxis aus Kalchu/Nimrud des 9. Jh. v.0 (Abb. 11). Cha­rakteristisch für den phönizischen Volutenkopf sind das mittlere Dreieck oder die nach oben wei­senden Spitzwinkel, wie es die Externstein-Palme (Abb. 12) in einer ungenauen Zeichnung aufweist. Insbe­sondere finden sich diese Formen auf kretisch-mykenischen Kapitellen von Ky­pros, Zypern (z.B. die Kalkstein-Stele aus Athienu; Verzierungen im Grab von Tamassos). Der Baum des Externstein-Kreuzab­nahme­reliefs entspricht in je­dem Detail den be­kannten alten Vorbildern des hl. Palmbaumes aus Mesopotamien und dem östlichen Mittel­meerraum. Abb. 13 zeigt das Logo einer sich deutschvölkisch gebenden Organisation.
 
http://www.bibleorigins.net/SacredTreePalmNimrud.html  = Der altsemitische „Baum des Lebens“ galt natürlich zu keiner Zeit als germanische Irminsul !
 
 
BILDERKLÄRUNG: Oben links = Die Antikensammlung des Kunsthist. Mus. Wien besitzt, Inventar-Nr. ANSA_I_717, ein Kalkstein-Pfeilerkapitell aus Zypern, der eisenzeitlich-archaischen Periode - 6. Jh. v.0 - Abmessungen H. 90 cm, B. 117 cm, T. 21 cm. Das Volutenkapitell aus östli. Teil der Akropolis von Idalion (Zypern), diente als Bekrönung einer Votivstele. Es gehört zu einer Serie von Denkmälern, die vom 7. bis 5. Jh. v. 0 in Idalion, Golgoi und Tamassos in Grabanlagen aufgestellt waren und das orientalische Motiv des Hl. Baumes oder Lebensbaumes repräsentieren. Ich selbst sah mehrere derartige Vergleichstücke in den Museen Zyperns. - Oben Mitte, Neu-Assyrische Periode, 9./8. Jh. v.0, aus der Burg des Shalmaneser von Nimrud/Kalhu, Irak (im Brit.-Mus., London). Oben Mitte = Neu-Assyrische Periode, 9./8. Jh. v.0. aus Burg des Shalmaneser, Nimrud/Kalhu, Irak (Brit.-Mus. London). Oben rechts = Ziegen am Lebensbaum (aus Akkon/Palästina), eine beliebte Formel altorientalisch-sakraler Bildkunst. Der bereits auf altsyrischen Siegeln belegte Bildertyp hält sich in Syrien-Palästina bis in die Eisenzeit III.Mittlere Etage, links = Palmetten-Mosaikschmuck der Innendekoration im Felsendom zu Jerusalem, frühe islam. Ausschmückung. - Mittlere Etage Mitte = Englische Bilderklärung: „Tree of Life in the Garden of Eden … Solomon's Temple was decorated with Cherubim and Palm Trees (1 Kings 6:29, 32).“ Weiter in Übersetzung: „Der >Baum des Lebens< im Garten Eden ist möglicherweise die unter syrischen Vorstellungen vom phönizischen Lotus- und Papyrusbaums, eine Neuinterpretation der ägyptischen Sonnenikonographie, die mit der Auferstehung der Toten zum Leben aus der großen Lotusblüte verbunden ist, die sie jeden Tag vom Sonnengott und den Göttern Ägyptens, zur Welt bringt, um ihnen Unsterblichkeit zu versichern, verschmolzen mit der heiligen mesopotamischen Dattelpalme. Der Baum wird von zwei geflügelten Sphinxen flankiert, hebräischen Cherubim, die menschliche Köpfe, Löwenkörper und Flügel besitzen.“ (vgl. William Culican, „Die ersten Handelsunternehmen, Die alte Levante in Geschichte und Handel“, London, 1966, S. 75. Abb. 79) Es handelt sich um eine phönizische Arbeit des 8. Jh. v.0. - Mittlere Etage rechts = Zwei Genien/Cherubime bewachen den Lebensbaum, auf einer phönizischen Elfenbein-Schatulle. – Untere Etage links = Assyrisches Elfenbeinschmuckblättchen, 9./8. Jh. v.0 aus Burg des Salmanassar (König von 726-721 v.0). - Unten Mitte = Neuassyrisches Lebensbaum-Dattelpalmen-Idol als Anbetungsobjekt - Alabaster-Wandrelief aus dem Nord-West-Palast des Assurnasirpal II. (König von 883 bis 859 v. 0); Nimrud/Kalchu liegt am Ostufer des Tigris. (Brit.-Mus., London). - Unten rechts = Palmetten-Lebensbaum-Motiv auf zyprischer Vase im Stil „Cypro Archaic“, 750/600 v.0.
 
 
Um eine Vorstellung zu vermitteln, wie variabel der Palmettbaum in seriöser und frei-verspielter Weise gestaltet wurde, hier zwei Beispiele:  Abb. 1 = Neuhethitisch-aramäisches Basaltrelief des Prinzen Barrakab auf dem Thron, mit Palmbaum-Zepter in der Hand, ca. 730 v.0, vom Palast Sam’al Zincirili (heute Türkei). - Abb. 2 = Terrakotta-Krater der zypriotischen „Bichrome IV-Ware“, aus der Periode 750-600 v.0. Zwei Ziegen flankieren den Lebensbaum. Man sieht, was aus dem hl. Palmettbaum-Idol ein junger fantasievoller Künstler wagte, zu gestalten. - Abb. 3 = Palmbaum-Darstellung auf der ungarischen Silberscheibe von Anarcs.
 
BEISPIELE FÜR DEN WINKEL-KRAGEN DES HL. KULTBAUMES IN DER KIRCHENKUNST
 
 
Ein wichtiges Merkmal der hl. Dattelpalmen-Ikonographie ist der Spitzwinkel-Kragen am oberen Stammende, unmittelbar unter den Palmblatt-Voluten. Schon die altorientalischen Idole weisen diese Eigenart zuweilen auf. Belegt ist, dass den Hethitern das Dreieck, mit Spitze nach oben, als Heilssymbol galt und das folgende Zeichen bedeutete „Königsheil“
 
BILDERKLÄRUNG: Oben 1. Bild = Zeichnung eines Kapitells von S. Pietro in Pavia, der Hauptstadt des Langobardenreichs. Das von Stiersphinxen flankierte Lebensbaum-Idol besitzt den gleichen Dreiwinkel-Kragen wie die Externstein-Palmette. Als Herkunftsangabe der Zeichnung wird „Quelle: Weiß (1929/30)“ genannt. Ich fand bisher dazu keine Fotografie, habe Pavia noch nicht besucht. - Oben 2. Bild = Ein Säulenkapitell von Sant' Ambrogio in Mailand, einer frühchristlichen Kirche. Der Lebensbaum, mit zwei Kragen-Winkeln, wird von sich abwendenden Löwen flankiert. - Oben 3. Bild = Ein Säulenkapitell vom Dom zu Lund zeigt zwei beerenpickende Tauben. Über beiden Vögel hat der Bildhauer zwei heidnische Lebensbäumchen („taub“, weil ohne Mittelspross) gestaltet, welche den gleichen Dreiwinkel-Kragen aufweisen wie das verächtlich gestaltete, verbogene Lebensbaum-Idol vom Externstein. Wie ist das möglicherweise zu erklären ? Der Dombau zu Lund ist ab dem Jahr 1104 begonnen worden. Sein Hauptaltar wurde am 30.06.1123 eingeweiht, gefolgt von den Nord- (1126) und Südseitenaltären (1131) der Krypta. Am 1.09.1145 wurde das Gebäude in einer Zeremonie eingeweiht, an der Bischöfe aus Dänemark, Schweden u. Deutschland teilnahmen. Der Architekt der Kathedrale ist als „Donatus Architectus“ überliefert, welcher aus der Lombardei stammte und, wie angenommen wird, zuvor am Dom zu Speyer tätig war, von dem aus - nach Arbeitseinstellung am Speyer-Dom im Jahr 1106, wegen Tod von Kaiser Heinrich IV. - er nach Skåne/Schonen kam. Sein dortiger Nachfolger war wohl ein Baumeister namens Ragnar. Nachdem in Deutschland Kaiser Heinrich IV., nach dem Tod seines Vaters, an die Macht kam, regierte er in Eintracht mit dem Klerus bis zum Wendepunkt des Jahres 1111, wo er unmittelbar vor seiner Kaiserkrönung vergeblich versuchte, den Bischöfen ihre Regalien (Hoheitsrechte) zu entziehen. Um wenigstens das bisherige Investiturrrecht, im Interesse des inneren Reichsfriedens, zu behalten, nahm er Papst Paschalis II. in Rom gefangen und erzwang seine Kaiserkrönung. Daraufhin schäumten die gregorianisch-parteilichen Mönche und Kleriker im Reich, zettelten den sächsischen Austand an, der in der größten Schlacht damaliger Zeit seinen Höhepunkt fand. Diese Schlacht am Welfesholz, fand am 11.02.1115 statt, sie ging für den Kaiser verloren. Der starb am 23.05.1125. ohne eigenen Nachfolger, so blieb er der letzte Kaiser aus dem Geschlecht der Salier. - Unten 1. Bild = Der Schwanz des Drachens, im unteren Register des Kreuzabnahme-Reliefs vom Agister-Externstein, endet in einem Dreiblattknauf, welcher einem Spitzwinkel-Kragen aufsitzt. Der Drache ist ein Bildsynonym für Satan und Heidentum. - Unten 2. Bild = Den gleichen Spitzwinkel-Kragen zeigt die Lebensbaum-Ikone im Relief-Register darüber. Mit dieser unmissverständlichen Bildsprache wurde die Gleichsetzung von Drache und Lebensbaum bekundet: „Sie sind des Teufels !“ - Unten 3. Bild = Das Kirchenbogenfeld der romanischen Kirche von Steinsfeld (Lkr. Ansbach/Mittelfranken, bei Rothenburg o.d. Tauber) zeigt zwei Lebensbäumchen, mit dem Topos des Spitzwinkel-Kragens am Volutenansatz. Die Gemeinde wurde 1256 erstmalig urkundlich als „Steinsuelt“, wohl Steinsäule, erwähnt. - Bild ganz rechts = Ein minoisches „Lilien“-Schmuckelement aus dem Akrotiri-Fresko, „Schiffsprozession“, der sog. „Kapitänskajüte“. Das Fresko stammt aus einer Zeit von 17./16. Jh. v.0. Es hatte sich unter Luftabschluss durch die Ascheschichten der Vulkanerruption des Santorin so gut erhalten. Wir sehen die sog. Palmbaum-„Lilie“ bereits als Idol stilisiert; die blau gefärbten Voluten sind hochgeschlagen und nicht wie im gebogenen Lebensbaumbild des Agister-Externsteins seitlich gebreitet. Gekrönt wird das Gebilde durch einen Palmwedelfächer, in dessen Stamm die uns bekannten, signifikanten Dreiwinkel zu sehen sind.
 
WIE DAS DATTELBAUM-KULTIDOL IM EXTERNSTEIN-RELIEF ENTSTAND
 
Das geschmähte Dattelpalm-Lebensbaum-Idol vom Externstein ist von fanatischen mittelalterlichen Klerikern, von den Kaiser hassenden gregorianischen Mönchen in Auftrag gegeben worden, das steht fest. Wer die Denkweise dieser Leute nicht versteht, versteht nicht die Gedanken, die zu diesem Werk hinführten! Hilfreich ist dazu Autorin Susanne Müller-Trufaut, die der „Deutschen-Bibel-Gesellschaft“ verbunden ist; sie erklärt in „Weltenbaum“, 2007, S. 2ff: „In der Ikonographie Palästinas / Israels findet man ab der Mittelbronzezeit (1750-1550 v. Chr.) sehr häufig die oben genannte Erdgöttin in Form des spezifisch lokalen Typus der Zweiggöttin und etwas später dann auch die Konstellation des von Capriden (Ziegenwesen) flankierten und von Keruben geschützten zentralen Weltenbaumes mit der nackten Göttin. … Die Symbolik des Weltenbaums, der die geordnete Welt zu verkörpern scheint und Gedeihen der Vegetation sowie Nahrung und Leben versinnbildlicht, erhält in der assyrischen Kunst des 1. Jt.s eine neue Konnotation: wo der Weltenbaum ursprünglich auf göttlichen Ursprung und numinose Beschützer verwies, wird er zum Symbol für das Königtum oder den die Weltordnung garantierenden Großkönig. Bildschriftlich findet diese Konzeption ein Echo bei biblischen Propheten. … Mächtige Bäume werden bei den Propheten häufig mit Idolatrie (z.B. Jes. 1,29; Hos 4,13) oder Hochmut (z.B. Jes. 2,13) in Beziehung gesetzt. Letztere Idee kann auch bei den Weltenbaumbeschreibungen mit anklingen, die sich bei den Propheten Ezechiel und Daniel finden. Bei beiden dient der Weltenbaum als Metapher für das Königtum. Das Gedeihen und Absterben des Königs/Weltenbaumes wird von Gott bestimmt, so in Ez 17, 22-24, wo u.a. von dem von JHWH erwählten zukünftigen (davidischen) König die Rede ist. Das Bild des Weltenbaumes überträgt Ezechiel auch auf ausländische Könige, deren sich der Gott Israels bedient. Gott lässt sie „sprießen“, aber „entwurzelt“ sie, wenn sie sich überheblich für einen „Gott-König“ halten …“ In den Augen der gregorianischen Mönche überhob sich einer in schier unverzeihlicher Art und Weise, die die christfrommen Eiferer für den Gott Israels zur Empörung und Raserei anstachelte. Der aus der Sippe der Salier stammende Heinrich V. (1081-1125) war deutscher König und Kaiser des sog. „Heiligen römischen Reiches deutscher Nation“. Er musste sich mit dem Reformpapsttum des Paschalis II. (1099-1118) herumärgern. Um das ihm abgestrittene bisherige Investiturrecht, also die königliche Amtseinsetzung geistlicher Würdenträger im Reiche, zu wahren, nahm er im Jahre 1111 Papst Paschalis II. in Rom gefangen und erzwang seine Kaiserkrönung. Paschalis II. war als Angehöriger des Benediktinerordens ein sog. monastischer Mönchspapst. Die Mönche hatten sich für die Inthronisierung Heinrichs V. stark gemacht, weil sie geglaubt hatten, mit ihm ein leicht lenkbares kirchliches Werkzeug in die Hand zu bekommen. Zu ihrem Schrecken verfolgte er aber - nicht viel anders als sein Vater es getan hatte - konsequente Reichspolitik. Als er die „Ungeheuerlichkeit“ beging, sogar dem Papst in Rom seinen Willen aufzuzwingen, kochten die Seelen der Überfrommen und es wurde - wo es nur möglich war - gegen ihn intrigiert. Seine zunehmend unflexible, harte Haltung im Norden des Reiches spielte den Hetzern in die Hände. Es bildete sich eine Fürstenopposition um Pfalzgraf Siegfried und Wiprecht von Groitzsch, die schließlich in der Schlacht am Welfesholz (14.02.1115) siegreich war, so dass der Kaiser seinen Einfluss in Ostsachsen auf Dauer verlor. Des Kaisers treuer Feldhauptmann, der große Hoyer von Mansfeld, fiel in der Schlacht im Zweikampf mit Wiprecht. Die Benediktinermönche waren fanatische Gregorianer (Vertreter der Auffassung, der Papst müsse des Kaisers Oberherr sein) und jubelten dementsprechend über den Sieg gegen den „heidnischen Kaiser“ und errichteten das Siegesmal im altheiligen Externstein im Teutoburger Wald. Der Corveyer Abt Erkenbert von Homburg (gestorben 1128) ist zwar von Heinrich V. selbst eingesetzt worden, hatte aber auf Seiten der Kaisergegner am Welfelsholz mitgefochten, wurde gefangen genommen und musste sich durch Lösegeldzahlung  freikaufen. Dem mit Erkenbert befreundeten Paderborner Benediktiner-Abdinghof-Kloster gehörte der altheilige Externstein in den die Mönche das bekannte Großrelief der „Kreuzabnahme Christi“ einmeißeln ließen. Es demonstriert den vom dominanten zentralen Kreuz-Symbol abgebogenen Kaiserbaum, der zusätzlich durch den darauf tretenden Nikodemus (Neutestamentliche Gestalt) gedemütigt wird. Bei dem Kaiserbaum handelt es sich um den ikonisierten altorientalischen Dattelpalmenbaum bzw. Lebensbaum, welcher als sog. „Lilie“ die abendländische Herrscher-Insignie wurde, wie sie es schon in den altorientalischen Fürstentümern war. In der Verkümmerungsform des „Lebensbaumes“, richtiger benannt als „Lebensblume“, haben sich verschiedene Traditionsstränge zusammengeschaut, nämlich die verkleinernde Konzentrationsform der vorderasiatischen hl. Dattelpalme, der hl. Lotos, der hl. Fruchtbarkeits-Dreispross oder Lebensrute und das hl. nordische Runenzeichen für Leben (), das im Oding-Futhark-Kalender zum Sommeranfang steht. Was beim verbogenen Agister-Externstein-Lebensbaum nicht außer Acht gelassen werden darf, ist der Umstand, dass hier jede Andeutung der Palmlaubkrone oder des Mittelsprosses aus bösen Gründen fehlt. Nur dieser versinnbildlicht nämlich das neue Leben, das Weiterleben ! Und genau das wünschten die weltabgewandten und papstgläubigen gregorianischen Mönche der Idee des weltlichen Herrschertums, des Kaisertums, auf keinen Fall.
 
 
KREUZ und ­PALMBAUM-IDOL am EXTERN­STEIN
DIE ALTGLÄUBIGE NUTZUNG DES EXTERNSTEINS
STANDORT UND GESTALT DER IRMIN-SÄULE
DIE ENTSTEHUNG DES RELIEFS VOM EXTERNSTEIN
DATIERUNGSKRITERIEN
DIE BILDSPRACHE DES EXTERNSTEIN-RE­LIEFS
DAS UNVOLLENDETE UNTERE REGI­STER
DIE HEILIGE DATTELPALME