Apostel Johannes
Fresko Johannes der Täufer in Spital / Weitra NÖ, Ostturmkirche, 1360
 

 DIE JOHANNES-FESTTAGE DES GOTTES FRŌ

 Der „Johannistag“ wird in manchen Gegenden auch als „Holdertag“ bezeichnet, denn die Sonnenwend-Tage galten in alter Zeit als eine Phase in der die Trennwände zwischen der Menschenwelt und den Jenseitigen dünn wurde. In selbstbestimmter keltisch-germanisch geprägter Urzeit mag er Balder- oder Frō-Tag genannt worden sein. Die Gläubigen tranken die Frō- oder Baldur-Minne - also einen Gedächtnis- bzw Erinnerungstrunk - was sich aus den späteren synkretistisch-christlichen Mittelalter-Sitten rekonstruieren lässt. Es war eine Zeit der Götter und der Geister. Die Holden gingen um. Es galt des Sonnensterbens zu gedenken. Der Sonnengott Frō oder der Vegetations-/Sonnenheros Baldur schien eine Verletzung empfangen zu haben, denn die Sonne begann mit ihrer erkennbaren Abwärtsbewegung. Sicher wurden heidnische Sakralspiele abgehalten in denen die Sonnwend-Feuer eine wesentliche Rolle spielten. „Baldersbalar“ nennen sie seit alters die Schweden. Ursprünglich wurden sie wohl entzündet, um der angekränkelt scheinenden Sonne im mythischen Sinne Feuerkraft zuzusenden. Bis heute sind die traditionellen Sonnwendfeuer auch in Deutschland in unzähligen Gemeinden üblich geblieben. Herkömmlich blieb vielerorts auch das Backen der „Hollerküchel“, das sind ausgebackene Holunderblüten in Backteig. Wenn man diese direkt an der Esse, dem ehemaligen Sitz der guten Hausgeister, verspeist, so mag man für den Rest des Jahres gute Gesundheit erlangen. Wie so viele altgläubige Feste hat die fremdländische Christenkirche auch das „Sonnwendfest“ und „Mittsommerfest“  übernommen, sie auf Johannes - den Täufer-J. und den Apostel-J. - umgeprägt und auf den 24. Juni geschoben. Laut kirchenchristlich-manipulativer Fehldeutung wird am 24. Juni der „Johannistag“ deswegen begangen, weil damit an die Geburt von „Johannes des Täufers“ erinnert werden soll. Für den„Apostel Johannes“ legte die Kirche zwei Gedenktage fest, den 6.05. („Tag des Ölwunders“) und den 27.12. („Todestag“). Der 6. Mai bzw. der genaue mondstandsabhängige Maibeginn galt in heidnischer Zeit als Sommer-Anfang, welcher in keltisch-germanischen Gauen dem Balder/Beldeg/Bældæg heilig war. Der Sonnen- und Vegetations-Geist stirbt zum Lichthöhepunkt des Jahres. Deshalb hatte man ursprünglich den Todestag des „Apostel Johannes“ auf die Sommersonnenwende des 24.06. gelegt, also auf den gleichen Todestag wie bei „Johannes dem Täufer“, doch weil man dem letzteren den Vortritt lassen mochte, wurde der Todestag des Apostels um ein halbes Jahr in den Wintersonnwendzeitraum verschoben (in Spanien auf 29.12.). Bischof Sicardus Cremonensis (um 1150-1215; MSL 213, 408.) bemerkte in seinem „Mitrale”, dass der Evangelist mit 99 Jahren am 24. Juni gestorben sei. Ganz ersichtlich nahm die Kirche Rücksicht auf den Volksglauben, um den solar-mythologischen Komplex Gott Frō/Balder, und passte sich der naturreligiösen Vorlage an, aus dem Fundus von Reserven eigener vergötzter Heilsgestalten.
 
Früher, in den Umbruchzeiten schmückte man die Häuser mit Girlanden aus Efeu, Johanniskraut, Eisenkraut, Schafgabe, Wegerich und gelben Margaritten gegen unholde umherschweifende Schwarzalben, Trolle und tote Wiedergänger feindlich-bösartiger Christenseelen, wie die isländischen Sagas es zu berichten wissen. Reste dieser Bräuche bewahrten sich bis in unser Jahrhundert.In Nordeuropa wird der Tag noch immer mit Brandstößen, Musik und gewissen Speisen gefeiert. Die Schweden stellen eine Art Maibaum auf, den sie „majstång“ nennen. Sie umwickeln ihn mit Zweigen und Blumen -, „frōsinnige“ junge wie alte Paare tanzen drumherum. Der Begriff „Majstång“ kommt von „Maien“, den frühlingsfrischen Schmuckzweigen - zumeist Birkengrün - die zu festlichen Anlässen Verwendung fanden. Daraus entwickelte sich das altschwed. Verb „maja“, was „mit Blumen schmücken“ bedeutet. Junge Maiden zog es hinaus, um sieben oder neun verschiedene Blumen, unter strengem Schweigen, zu pflücken. Die legten sie unters Kopfkissen, um im Traum ihren zukünftigen Ehemann zu gewahren. Auch das wieder ein Herkommen aus dem Frō-Glauben, war doch Frō für Liebe, Fruchtbarkeit und Vermehrung von Mensch und Vieh zuständig. An diesem Tage gepflückte Holunderblüten sollen besonders ausgeprägte Heilwirkungen besitzen. „Johanniswürmchen“ nennt man die Glühwürmchen, die in der Sonnwendnacht besonders kräftig leuchten sollen, da sie für Beleuchtung sorgen müssen bei den Hochzeitsfesten der Elfen und Erdgeister. In etwa der Zeitspanne des Johannes-Gedenktages, 24. Juni, werden die kleinen roten Beeren reif die seinen Namen tragen. Und das „Johanniskraut“ ist die bekannteste heilwirksame Mittsommerpflanze. In den Tagen um die Sommersonnenwende öffnet das Johanniskraut seine leuchtend gelben Blüten an Wegrändern, lichten Gebüschen, Böschungen. Es soll erheiternde Strahlen des Sonnenhöchststandes in depressive Gemüter bringen. Das wusste schon Paracelsus und heutzutage wird dieses Wissen von der Schulmedizin bestätigt. So kommt Klaus Linde vom Münchner Zentrum für naturheilkundliche Forschung in einer Metaanalyse zu dem Schluss, dass gut dosierte Johanniskraut-Präparate bei leichten bis mittelschweren Depressionen durchaus helfen können. Johanniskraut wird auch genannt: Hartheu, Herrgottsblut, Blutkraut, Bockskraut, Jageteufelkraut, Kreuzkraut, Kreuzblut, Elfenblut, Scherneckelkraut, Teufelsfluchtkraut.
 
Wie ambivalent der Apostel Johannes gedeutet wurde, verdeutlicht der erstaunliche Umstand, dass er einerseits als „Apostel der Liebe“ galt, anderseits als Symbol der Synagoge bezeichnet wurde und deshalb in Abbildungen auf der „schlechten“ linken Seite neben dem Kruzifixus zu stehen hatte. Sein Sinnbild ist der Adler, weil der ins göttliche Sonnenlicht schauen kann. In mittelalterlichen Predigten heißt es z.B.: Denn ein Adler sieht die Sonne „in irem rad“und seine Augen werden davon „nit gekrenkt“. Dass die Sonne ein Rad sei, ist die uralte scheinbare Erkenntnis des Nordens, ein Rad das möglicherweise - so spekulierte man - vom Sonnenross über den Himmel gezogen würde. Bei gewissen Lichtbrechungen sieht der Mensch ein kreuzförmiges Speichenrad, ein Radkreuz, welches in zahllosen Abbildungen und auch gegenständlichen Ausformungen (Bernstein-Sonnenspiegel), sonderlich aus der skandinavischen Bronzezeit, auf uns gekommen ist. In den Legenden lässt er bezeichnenderweise einen Apollotempel zusammenbrechen, tritt also als Zerstörer und Erbe des alten Sonnenkultes auf. Dass Johannes ein kirchliches Ersatzangebot für heidnische Sonnengötter wurde ist längst erkannt. Seine Gleichstellung mit dem lichten Gott Frō ist unübersehbar. „Solches Ineinander von Johannes und Frō schuf sich einen sehr starken volkstümlichen Ausdruck in der Johannesminne. Bei dem altgermanischen Opfermahl wurde nämlich der zweite Vollbecher des Frō geleert. Das wurde auf Johannes als Doppelgänger des Fro übertragen und zum Johannestrunk erhoben, zuerst vom Volk aufgebracht, dann - etwa seit dem 12. Jahrhundert - von der Kirche übernommen und in eine feste liturgische Form gezähmt.“ (Hans Preuß, „Johannes in den Jahrhunderten“, 1939, S. 40 ff)
 
Den stets roten, heilwirksamen Johanneswein ließen die Gläubigen am 27.12. in den Kirchen weihen, in Nürnberg am 24.06. Er sollte ein Abwehrmittel gegen allerlei Ungemach sein und zu Gesund- und Schönheit an Leib und Seele verhelfen. Die grüne (Vegetation) und rote (Sonnenschein) Farbe des Johannesrockes sind sicherlich ebenso Erbstücke des Gottes Fro. In den Visionen sinnlich erregter Nonnen des Mittelalters, wie jene der Begine und Mystikerin Mechthild von Magdeburg (um 1207-1282), wurde der Leib des Johannes leuchtend wie ein feuriger Kristall beschrieben und seine Augenbrauen als von goldgelber Farbe. So wird in den nordischen Edda-Sagen Baldur beschrieben. Auf einem Glasbild des 12. Jhs. im französischen St. Remi sind auf dem Nimbus des Johannes zwei Sonnenblumen zu sehen, als Sinnzeichen beider Johannes, des Apostels und des Täufers.