11. ODING'sche perðo-(Mutter-)Schalen-Rune
 
ROSMERTA - MAIA - IDUN UND DIE ZAHL 11
 
Die Rosmerta ist eine gallogermanische Göttin, die vornehmlich im nordöstlichen Gallien / süd- bis mittelwestlichen Germanien auf den Reliefs als Begleiterin des röm. Gottes Mercurius (Wodan) mit Weihestab, Kultschale und Füllhorn dargestellt wurde. Sie galt als Fruchtbarkeit und Wohlstand vermittelnde Göttin, sowie als Mittlerin zwischen Himmel und Erde, die eine gewisse Zeit stets mit dem Himmelsherrn verbrachte, um dann hinabzusteigen und sich mit dem Herrn der Unterwelt zu vereinigen, ähnlich der griech. Proserpina. Auch eine der Frauen bzw. Muttergottheiten von den gallogermanischen sog. Matronensteinen hält regelmäßig ein Körbchen oder Fruchtschale mit Äpfeln auf dem Schoß. Der Apfel als Sinnbild von Verjüngung und des Ewigen Lebens ist ein altgriechisches Motiv. Die mythischen Hesperiden hüten in einem Garten der Erdmutter einem Wunderbaum der goldene Äpfel trägt. Die Äpfel schenken den Göttern ewige Jugend. Ähnliches klingt in der nordischen Mythe um die Göttin Idun („die Erneuernde, die Verjüngende“) an, die als Göttin der ewigen Jugend und mithin der Unsterblichkeit zu verstehen ist. Idun ist die Hüterin der Goldenen Äpfel und des mythischen Apfelbaumes. Dieser Aspekt der Lebenserneuerung führt die Gedanken zwangsläufig auf die menschliche Sexualität. Die Attribute Schale und Äpfel sind Synonyme der weiblichen Sexualorgane. So ist es nur zu verständlich, dass die Idun mit Vorstellungen von Liebe und Lüsternheit in Zusammenhang gebracht worden sein muss. Das gelange auch zum Ausdruck. Loki beschimpft sie als mannstoll (Lokasenna 17). Auch der Mythenzug des Abstiegs in die Unterwelt haftet an der Idun-Legende. Als sich das Ende einer der sich wiederholenden Weltwerdungen abzeichnet, sinkt Iduna von der Welteibe Yggdrasils zur Unterwelt (Hrafnagaldr Odins 6-7). In der ODING’schen Runenreihe übernimmt die 11. Rune die Rolle der Idun, im Zeitraum des Mai, dem Monat der altitalischen Maia, in dessen Kalenden der Göttin geopfert wurde. Die Maia hat man der Bona Dea („Gute Göttin“) gleichgesetzt. Maia galt bei Griechen als Mutter des Hermes, wie sie bei Römern als Mutter des Mercurius galt. Da der röm. Kult „Maia und Mercurius“ so eng zusammenstellte wie jenen gollogermanischen um „Rosmerta und Mercurius“, gehe ich sicherlich nicht fehl in der Annahme, dass beide kultische Erscheinungsformen letztlich die gleiche Göttinnen-Metapher meinten und die germ. Idun, als eine jüngere Erscheinungsform der großen Erdmutter und Muttergöttin anzusehen ist. Zum Vorstellungskreis derartiger Gottheiten gehören die röm. Venus (nord. Freia), die Abundantia - auch Füllhornträgerin (Abb. 1) - als Personifikation des Wohlergehens und des Überflusses, deren eine sehr schöne Silberstatue im Musée gallo-romain in Lyon bewundert werden kann.
 
Im Runensystem wird sie treffsicher sowohl durch die Schale wie durch die Zahl 11 - dem Zahlensinnbild der Geschlechtslust - verdeutlicht. Die Elf soll nach klerikalen Darrlegungen jene Menschen kennzeichnete, die außerhalb der Sittengesetze stehen - alle, die die Zehn Gebote überschritten hätten. Damit verwies die Elf allgemein auf die Sünde und die damit verbundenen Vorstellungen von Welt und Weltuntergang im „Alten“ wie im „Neuen Testament“. Zwar steht die Wollust (Luxuria = Ausschweifung, Genusssucht, Begehren) in der Auflistung der 7 kirchenchristlichen Todsünden an 3. Stelle, doch ergibt in verschlüsselter Form die 11 wieder 3, denn die Theosphische Addition von 11 ergibt 66, deren Quersumme wieder 12 bzw. 3 ergibt. Den Begriff der Rune perðo hat der Runenschöpfer einem keltischen Lehnwort für Frucht- bzw. den Apfelbaum entnommen, weil es in der germanischen Sprache kein Bedürfnis für den p-Laut gab. Auch daran erkenne ich, das das Runensystem nicht primär als Buchstabenschreibsystem - in Übernahme aus vorher bestehen alpinen Schriften - entwickelt wurde, vielmehr als eine Hieroglyphen-Reihe zur Versinnbildlichung des sakralen Kalenders gallogermanischer Religion.