ERZVATER ERUL
>> der Runenschöpfer<<
 
 
FADAR RUNAR
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
gültiger Geist aus germanischem God,
du sahst, wie das Sonn’rad des Nordens stieg,
der schimmernde Hammer das Südland schlug,
sprangst mit dem Lichtheer von Sieg zu Sieg -,
ertrugst auch das Ende in Trauer und Trug.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
dich neigte nicht Drangsal, nicht Todesnot -,
verloren die Schlachten, das Volk zerfallen,
blutend in fremdem Gebirge geborgen,
als heimloser Gast in garstigen Hallen -,
die Seele geschunden von brennenden Sorgen.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
du brachtest ein bessres neues Gebot -,
warfst dir vom Halse den würgenden Wicht,
der von Unglaube, Feigheit und Kleinmut sprach;
aufleuchten musst' wieder erloschenes Licht,
gesühnt sollte werden die Schande, die Schmach.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
du buhltest um Lebens-Gebräu und -Brot.
Du fandest God und das God fand dich.
Du sangest der Zukunft das Zauberlied,
aus Sinnmarken fügtest du meisterlich
die ratweise Schöpfung, du Runenschmied.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
du wiesest den Enkeln den waltenden Wod.
Um seinen Gewinn kreist der Runen Gewalt.
Wer ihn erkennt, sich selbst begreift,
der weiß seiner Gottheit ganze Gestalt -,
der steht für Segen und Sieg gereift.
 
Zur Runenentstehung ist bei heutigem Erkenntnisstand noch kein abschließendes Urteil abzugeben. Wahr­schein­lich ist aber, dass ein Angehöriger der Kimbern- und Teutonenzüge (Germanen und Kelten) nach den verlorenen Schlachten (im Herbst 102 v.0 bei Aquae Sextinae und im Juli 101 v.0 bei Vercellae) in den Alpenraum aus­weichen konnte und dort unsere germanische Buchsta­benordnung schuf. Die erschütternden Kampf- und Notzei­ten sind es, wel­che große geisti­ge Schöp­fungen und Neuausrichtungen hervorbringen.
 
Es scheint, dass der spätere Runenvater einige Zeit als Söldner das reformierte italische Heerwe­sen kennenlernte und zum Hauptmann einer Hundertschaft aufstieg. Der Fund von Ne­gau (südl. Steiermark) brachte etliche Helme ans Licht, die mit Buchstaben und Zahlen versehen waren. Die Helme (Negau A u. B) zeigen die bislang früheste Feststellung germani­scher Worte, jedoch in einer alpenländi­schen Schriftart. „Negau-A“ (s. Abb.) weist verschiedene andersvölkische Na­mensritzungen auf, darunter einen germanischen „Centurio Erul“. Dieser Erul, der den Helm also zeitweise ge­tragen hat, könnte unser gesuchter Runenerfinder gewesen sein. Nach abenteuer­lichen Lehr- und Wan­derjahren wird der Runenvater das germanische Sinnbild- und Laut­zeichensystem entwic­kelt ha­ben. Er verwendete dafür urnordische Be­griffszeichen sowie alpenländische vorlateini­sche Alpha­betbuch­sta­ben einer dort beheimateten kelto-germanischen Bevölkerung, deren Lautsystem dem Nord­germanischen noch sehr nahe stand. Er lehnte sich aber an keines der vorhandenen Alpha­bete an, sondern griff jeweils heraus, was ihm für sein Vorhaben geeignet erschien. Neun seiner Zeichen sind keinesfalls aus diesen Vorlagen ableitbar:   Seinem Werk lag unver­kenn­bar - in jener düsteren Stimmung, welche die nordgermanisch-keltische Nie­derlage ausgelöst hatte - die Idee einer Glau­bens­vertiefung oder -neugestaltung zugrunde. Seiner Schöp­fung, dem ODING-FUþARK, wohnt eine in sich geschlossene, rekonstruierbare Bot­schaft (Evangelium) inne. Für die­ses Weltver­ständnis steht nicht mehr der alte indogermanische Himmelsgott Ti­waz/Tiu im Mittel­punkt (dessen vernichtendem Gottesurteil die verlorenen Schlachten zuge­rechnet werden mussten), sondern der Seelen-Geist­gott, der Ase Wodanaz-Wodin wie ich hin­reichend nach­zuweisen vermochte. Aus der Geisteshaltung die­ser Od-Gott-/ Wodanreli­gion er­wuchs den ger­ma­nischen Völkern die Kraft für weitere Aus­einander­setzungen und be­reits we­nige Genera­tionen später zum endgültigen Sieg über die imperialistische römi­sche unterjochungsgierige Skla­venhalterge­sellschaft.
 
Der Gründer und Verkünder der Runenreligion muss sich ausreichend lange im Dunst­kreis gno­stisch-religiöser und philosophischer Schulen aufgehalten haben, um sie studie­ren und innerlich verwerten zu können. Wohl als betagter Mann gelangte er mit seiner Anhängerschar in die norddeutsch-dänische Heimat (Südjütland, Seeland, Fünen) zurück, um eine wodani­sche Glaubensgemeinschaft zu errichten, als deren Einweihungs­kerbstock und Glaubenslehrbuch die ODING-Runen dienten. Sie gründeten ein Glaubensvolk (Odingis) bzw. eine langlebige, straffe, kriegerische Organisation von außeror­dentlicher Beweglichkeit. Ihre weitreichenden Unter­nehmungen führten sie von Griechenland, Ita­lien, Spanien, Nordafrika, Gallien bis Schottland und Skandinavien. Ihre Angehörigen nannten sich Heruler/Eruler/Eriler - wahrschein­lich nach ihrem Gründer und Großmeister Erul. Der germ. Name eines Irila (Erila) erscheint sogar im 2. Jh. n.0 unter den Inschriften der buddhistischen Krypta zu Junnar, Bezirk Puna. Der Be­griff „eri­laR“ galt als Standesbezeichnung der Runenmei­ster und hat vermutlich das Grund­wort für den altnord. Adelstitel „Jarl“, angels. „eorl“, engl. „earl“ geliefert. Mit dem neuen Welt- und Selbst­verständnis verbreitete sich die runische Schrift innerhalb der germanischen Völkerfamilie. Zweifellos ist eine umfangreiche Literatur in dieser Schreib­technik ent­standen, welche nach dem christlichen Glaubensumbruch vom Frankenkö­nig Karl einge­sam­melt und durch seinen pfaffen­hörigen Sohn, den frömmelnden Schwächling Ludwig (778-840), als „heidni­sches Teufelswerk“ verbrannt bzw. an den Vatikan ausgeliefert wurde.
 
Zur zeitlichen Einordnung der Runenentstehung ist die Beachtung einer aus der 1. Hälfte des 1. Jh. n.0 stam­menden Rollenkappenfibel von Meldorf/Dithmarschen wich­tig. Auf ihr steht das Runenwort „hiwi“. Nicht jün­ger, eher noch älter ist die Inschrift auf dem kleinen Pokal von Vehlingen/Niederrhein. Von diesen bislang älte­sten Runeninschriften aus­gehend, hat man - parallel zu anderen Schriftentwicklungen - die Entstehung der Ru­nen um etwa hundert Jahre früher anzu­setzen, also in die 1. Hälfte des 1. Jh. v.0. 
              
 
Sämtliche Spekulationen von einer anteilhaften Übernahme der Runen aus irgendwelchen Altschriftsystemen - seien es etruskische, alpenländische oder phönizische - sind mit meiner Entdeckung des ODING-Systems überholt und als erkannte Fehlwege abzuweisen, denn die uns vorliegenden Runen, in ihrem luni-solaren Jahresgefüge, erweisen sich als eine originäre sakralkalendarische Hieroglyphen-Reihung. Wenn einzelne Runen in vorangegangenen Buchstabenverbänden erscheinen, so ist dieser Umstand ohne nachhaltigen Belang, da die Zeichen unter einer völlig neuen, speziell runischen, Sinngebung Verwendung gefunden haben. Einige der Runenzeichen sind bereits in der autochthonen nordischen Stein- und dann in der Bronzezeit nachweisbar.
 
Literatur:
Th. Mommsen, „Die nordetruskischen Alphabete auf Inschriften und Münzen - Mitt. d. Antiq. Gesellsch. i. Zürich“, Bd. 7, 1850/53
 F. Altheim u. E. Trautmann, Kimbern und Runen, , 1942, S. 9ff
 H. Arntz, Handbuch der Runenkunde, 1944, S. 30ff
G. Vernadsky, Der sarm. Hintergr. d. germ. Völkerwanderung, Saeculum. Jb. f. Universalgesch., Bd. 2, Jg. 1951, H. 3; S. 340ff
 W. Krause, Runen, 1970, S. 34ff
 H. Klingenberg, Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften, , 1973, S. 138ff
 K. Düwel, Runenkunde, 1983, S. 90ff