29.06.2025

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Japanische Forscher paddeln mit einem selbstgebauten Kanu über das Meer (Yousuke Kaifu/dpa).

Die gleichen Erkenntnisse hinsichtlich der Steinzeit-Seefahrer, treffen selbstverständlich in gleicher Hochachtung auf unsere nordischen Vorfahren zu, die in den gletscherkalten Gebieten um das alte Doggerland, norddeutscher und skandinavischer Küsten ihr Leben gemeistert haben. Der älteste bekannte Einbaum ist der Einbaum von Pesse, der in den Niederlanden gefunden wurde und mittels 14C-Datierung auf etwa 8200 bis 7600 v.0 datiert wird. Dieses Boot gilt als das älteste erhaltene Schiff der Welt. In Deutschland ist der älteste Einbaum der Einbaum von Wasserburg am Bodensee, der aus der Bronzezeit stammt und etwa 3150 Jahre alt ist. Der Einbaum vom Moossee ist das älteste in der Schweiz gefundene Boot. Der aus Lindenholz gefertigte Einbaum – bronzezeitliche Boote sind meist aus Eichenstämmen – von mindestens 5,80 m Länge und 65 cm Breite wurde in die Mitte des 5. Jahrtausends v.0 datiert, ist somit älter als die älteste bekannte Seeufersiedlung der Schweiz in Egolzwil. Der Boden und die einzig erhaltene Aussenwand sind extrem dünn, sie ist nur einen Zentimeter stark.

Zweimal wurde im Kulturteil der „Husumer Nachrichten“ (am 21. u. 30. Mai 1981) von der Rekonstruktion eines steinzeitlichen Fellbootes durch den Leiter des Bremerhavener Schiffahrtsmuseums Dr. Ellmers berichtet. Die Rekonstruktion von Fundstücken der sog. „Ahrensburger Gruppe“ (vor ca. 11500 Jahren) aus dem Husumer Hafen bewerkstelligte mein Freund und Mentor Dietrich Evers aus Naurod bei Wiesbaden, der mir das fachgerechte Abreiben skandinavischer Felsbilder mit Kohlepapier beibrachte. Die zeitliche Einordnung des bereits 1954 gefundenen Stückes wurde möglich durch den Fund einer „Stielspitze“, die eindeutig dem vorgenannten steinzeitlichen Zeitraum zugewiesen werden konnte. Eine Besiedelung des Ortsbereiches der Stadt Husum war bis dahin für diesen Zeitabschnitt der mittleren Steinzeit (um 8500 v.0) nicht nachgewiesen. Die zeitliche Einordnung löste jedoch noch nicht das Problem der funktionellen Zuordnung des Gerätes, d. h. die Frage nach seinem Zweck. Hier begannen die Überlegungen von Dr. Ellmers, der ausgehend von der Größe des Gerätes (Länge 32,2 cm) seine Verwendung als Teil eines Großgerätes vermutete. Dieser Gedanke kam Ellmers beim Durchgang von Geräten rezenter Kulturen (d. h. Kulturen, die heute noch beobachtet werden können und die einen ähnlichen Entwicklungsstand aufweisen, wie die Menschen zur Zeit der Herstellung des Fundstückes). Da die Liste großer Gebrauchsstücke in diesen Kulturen relativ eng begrenzt ist, konzentrierten sich Ellmers Überlegungen bald auf Schlitten und Boote. Die anschließende Rekonstruktion des Fellbootes stützte diese These. Wissenschaftliche Grundlage dieser Rekonstruktion lieferte die Auswertung skandinavischer Felszeichnungen durch das Ehepaar Anneliese und Dietrich Evers. Die beiden Wissenschaftler haben mit Hilfe dieser Auswertung und dem Fundstück aus dem Husumer Hafen unter Verwendung von Kopien steinzeitlicher Werkzeuge das prähistorische Fellboot nachgebaut. Es entstand ein etwa 2,20 m langes Einmannfahrzeug, das sich in der praktischen Funktionsuntersuchung als durchaus trag- und manöverierfähig erwies. Sollte sich die These als richtig erweisen, so ist die Stadt Husum um eine Attraktion reicher: Husum ist der Fundort des zur Zeit ältesten bekannten Bootsfragments der Welt.

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Menschen aus der Altsteinzeit werden oft als primitiv betrachtet. Forschende zeigten im östlichen Asien nun, zu welch beeindruckenden Leistungen Menschen damals fähig waren - mit einer Kanufahrt. Reisen wie vor 30.000 Jahren: Forschende haben mit Steinzeitwerkzeugen eine Art Kanu gezimmert und damit ohne moderne Hilfsmittel eine der stärksten Meeresströmungen der Welt bezwungen. Das beweise, dass Menschen der Altsteinzeit mit einfachen Booten vom heutigen Taiwan zu einigen der Inseln im Süden Japans gelangt sein können, erläutert das Team im Fachjournal „Science Advances“.

Auf den Ryukyu-Inseln im Südwesten Japans gibt es archäologische Stätten aus der Zeit vor 35.000 bis 30.000 Jahren. Bisher sei unklar gewesen, wie die ersten modernen Menschen, die in Ostasien einwanderten, ohne Landkarten, Metallwerkzeuge oder moderne Boote dorthin gelangen konnten, erläutert das Team. Zunächst wurde nun in Simulationen die Durchquerung einer der stärksten Strömungen der Welt, des Kuroshio, durchgespielt. Diese schnell fließende Oberflächen-Meeresströmung verläuft im westlichen Pazifik von den Philippinen nordostwärts entlang der Ostküste Taiwans und Japans.

Ein Einbaum sei anfangs der letzte Kandidat unter den möglichen paläolithischen Seefahrzeugen für diese Region gewesen, erklärte Erstautor Yōsuke Kaifu von der Universität Tokio. „Wir gingen zunächst davon aus, dass die Menschen der Altsteinzeit Flöße benutzten, aber nach einer Reihe von Experimenten stellten wir fest, dass diese Flöße zu langsam sind, um den Kuroshio zu überqueren, und dass sie nicht haltbar genug sind.“ Auf Basis der Simulationen und Experimente zimmerte das Team um Kaifu schließlich einen Einbaum - ein aus einem einzigen Baumstamm gefertigtes Boot. Verwendet wurden Nachbildungen der Steinwerkzeuge aus der damaligen Zeit wie Steinäxte. Allein das Fällen der einen Meter dicken Sicheltanne (Cryptomeria japonica) dauerte damit sechs Tage.

Das 7,5 Meter lange und 241 Kilogramm schwere Boot bekam den Spitznamen „Sugime“. Im Juli 2019 stachen fünf erfahrene Paddler - vier Männer und eine Frau - damit in See, ohne Technologie wie GPS oder Kompass. In einer Art Tagebuch berichtet die Crew unter anderem von erschöpfungsbedingten Navigationsfehlern, Wasser im Boot, Schmerzen und dem Kampf gegen Müdigkeit und Hitze.

Rund 45 Stunden nach dem Start kam die „Sugime“ nach einer 225 Kilometer langen Reise an der Insel Yonaguni an, die zu den Ryukyu-Inseln gehört. „Wir wissen jetzt, dass diese Kanus schnell und haltbar genug sind, um die Überfahrt zu schaffen, aber das ist nur die Hälfte der Geschichte“, sagte Kaifu: „Die Pioniere und Pionierinnen müssen allesamt erfahrene Paddler gewesen sein, die über effektive Strategien verfügten und einen starken Willen hatten, das Unbekannte zu erkunden.“ Die Menschen der Altsteinzeit hätten mit der rudimentären Technologie, die ihnen damals zur Verfügung stand, Außergewöhnliches geleistet, so das Team. Eine Rückfahrt sei allerdings wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Eine solche Reise sei nur mit Karte und Kenntnis der Strömungsmuster des Kuroshio möglich, sind die Forschenden überzeugt. Beides sei wahrscheinlich erst viel später in der Geschichte vorhanden gewesen.