Und die Urnenfelder-Bewegung
 
 
Kesselwagen von Acholshausen (Mainfränk. Mus. Würzburg),
um 1.050 v.0.
 
 
Seevölker-Schiff der Reliefs von Medinet-Habu,
Totentempel Ramses III., 1.175 v.0
 
Seevölker - Philister - Phönizier ?
 
Vielen Leuten ist der Gesamtzusammenhang von den sog. Seevölkerstürmen vor Altägyptens Grenzen ein Buch mit sieben Siegeln. Auch für die Fachkundigen bleibt das Thema bis zur Stunde ein nur halb gelöstes Rätsel, wegen nicht ganz zusammenpassenden und widersprüchlichen Datierungen. Und doch ist dieser Teil der Historie, zu Beginn des ersten Jahrtausends vor Beginn unserer derzeitigen Zeitrechnung, enger mit unserer europäischen Geschichte verbunden, als die meisten ahnen können.
 
Der nordischen Hügelgräberkultur (1.600-1.300 v.0) schloss sich die Urnenfelderkultur (1.300-800 v.0) an und die von Gustav Schwantes entdeckte frühgermanische Urnengräberkultur von Jastorf (ab 600 v.0 fassbar) in Niedersachsen und Mecklenburg, aus der die Elbgermanen hervorgingen (deren Teilgruppen im Frühmittelalter nach Süden als Allamannen/Schwaben abwanderten). Aus der Lausitzer-Kultur (um 1.300-500 v.0), von Saale, Spree bis zur Weichsel und Donau ging die ostgermanische Przeworsk- oder Wandalische-Kultur hervor. Slawen entstanden erst im 5./6. Jh. n.0 aus dem durch die Hunnenstürme zertrümmerten und durchmischten osteuropäischen Völkergemengsel. Der Prähistoriker Wolfgang Kimmig bestätigte die alte Vermutung, dass die Wanderungen der Urnenfelderleute über Griechenland, die ägäischen Inseln bis nach Syrien, Palästina und Ägypten gelangten. Die enge Nachbarschaft der Urnenfelder mit dem nordischen Küstenraum der späteren Jastorf-Kultur legt die Annahme nahe, dass an dem Urnenfeldervorstoß bis vor die Tore Ägyptens Gruppen von Nord- und Ostseeanrainern beteiligt waren. Die Urnenfelder-Leute sind von einer neuen, sie vereinigenden Glaubensform erfasst worden, zu der u.a. ein Himmels-Donnergott (Zeus) und ein Sonnengott (Apollon) mit dem Schwanenwagen u. Schwanenschiff ebenso gehörten wie die Brand- bzw. Urnenbestattungen ihrer Toten. Der Nordische Kreis hatte schon zu Beginn der Urnenfelderzeit (Periode III) donauländische Anregungen aufgenommen, so fanden sich Kesselwagen mit Vogelplastik, wie auf den Bronzeeimern von Siem in Jütland und Granzin in Mecklenburg, welche je zwei Vogelbarken in Treibarbeit tragen. Auch finden sich ähnlich verzierte Amphoren in Schonen und Fünen. Als sakrale Messerzierden wurden anstatt der älteren solaren Pferde-Motive nun solare Vogel-Motive gewählt (Periode IV). Daraus geht die enge Beziehungsverflechtung zwischen den donauländischen und küstenländischen Gesellschaften hervor. Das für die Hallstattzeit charakteristische Motiv der Vogelsonnenbarke erwuchs direkt aus den urnenfelderzeitlichen Glaubenssinnbildern. Die Kesselwagen, aus denen - wie angenommen werden muss - ein gemeinschaftsbildendes berauschendes Kultgetränk ausgeschenkt wurde, sind mit der althebräischen „Bundeslade“ des „Volkes Israel“ zu vergleichen. Es handelt sich um mythische Kultgegenstände im Zentrum der Verbindung stiftenden Volksgläubigkeit. Die „Bundeslade“ galt nach dem „Auszug aus Ägypten“, und während Israels Wüstenwanderung, sowie der Inbesitznahme Kanaans, als Garant für des Stammesgottes Gegenwart inmitten des wandernden Volkes (Ex. 25,10-22). In gleicher Weise werden die Kesselwagen als mobile Heilsträger mitgeführt worden sein.
 
Die Gesamtlage der „Seevölker“-Frage stellt sich etwa so dar: Um 1.220 erobern die vereinten Flotten der Fürstentümer der Achäer/Aḫḫijawa (auch als Mykenier bekannt) die hethitische Metropole Ilion/Troja. Das dadurch entstehende Machtvakuum in Anatolien und die Uneinigkeit der Achäer lockte um 20 Jahre später Zuwanderer herbei, die in Gestalt der „Dorischen Wanderung“ fassbar wurden. Sie kamen aus Mittel- bis Nordeuropa und rissen Wanderer aus Thessalien, Dalmatien, dem Nordbalkanraum mit. Fundraumverdünnte Schichten sind in dieser Zeit im Nordseeküstenbereich auszumachen, was Abwanderungen in südlicher Richtung nahelegen. Die dorischen Zuwanderer drangen in die Balkanhabinsel ein, bis zur Peloponnes und nach Kreta, sie zerstörten mykenische Burganlagen, sie schafften neue Herrschaftsverhältnisse in Griechenland. Der Zusammenbruch der mykenischen Palastkultur erfolgte um oder kurz vor 1.200 v.0. In der ersten Phase dieser Zeitspanne wurde fast jede Stadt zwischen Troja und Gaza und zerstört, wie die Brandschichten erweisen und blieben von da oftmals unbewohnt. Mit diesen Umstürzen gingen gleichzeitig Naturkatastrophen und Trockenzeiten einher, die das Chaos noch steigerten. Mykenier flohen nach Zypern und wichen auf die östlichen Inseln der Ägäis, an die Küsten Kleinasiens aus, wo sie sich als Ionier einen Namen machen. Das Sonnenweg-Spiralbild ihrer Säulenköpfe nennt man Ionische-Säulen. Die verbliebe Masse der mykenischen Bevölkerung arrangierte sich zwangsläufig mit den Dorern. Sie waren von ähnlicher Art, sie sprachen eine ähnliche Sprache. Fremdere Elemente wurden aufgesogen, es bildeten sich neue Volksgesellschaften heraus.
 
In dieser Neubeginn-, Not- und Umbruchszeit reifte der Plan, das reiche Ägypten einzunehmen. Den Dorern-Mykeniern gelang es, eine mehrere Völkergruppen umfassende Angriffskoalition zu sammeln. Mykenische Führer, die die Machtverhältnisse in dem ägyptischen Vorfeld Amurru (Syrien/Palästina) gut kannten, gaben das Marschziel an: Das satte Pharaonenreich. Der „Papyrus Harris“, zum Tod von Rames III. verfasst, berichtet: „Die Fremdländischen verschworen sich auf ihren Inseln, doch sie wurden auf einen Schlag zerstreut und vertrieben. Vorher konnte kein Land ihren Waffen trotzen.“ In der Schlacht bei Kadesch, im Jahre 1.274 v.0 zwischen Ägypten und dem Hethiterreich, hatte sich die Schwäche der Pharaonen bereits gezeigt. König Ramses II. war die Eroberung Hattis nicht gelungen, er wich schwer angeschlagen in sein Machtzentrum zurück. Sardische Söldner hatten auf beiden Seiten mitgefochten. Sarden waren auch jetzt wieder beim „Seevölkersturm“ dabei, um Ägypten den Garaus zu machen. Ramses Sohn, der Pharao Merenptah, regierte von 1.213 bis 1.204 v.0. In seinem 5. Regierungsjahr griffen Achäer, Luqqas (Lykier), Thurŝa und Ŝardanu/Sarden und Libyer erfolglos an. Erneut und mächtiger griffen die „Seevölker“ Ägypten unter Ramses III. an, der von 1.188 bis 1.187 v.0 herrschte. In seinem 8. Regierungsjahr, 1.180 v.0, schlossen sich dem erfolgversprechenden Unternehmung an, die Philister von Kreta (Insel Kaphtor), Ŝardanu (Sarden), Ŝakalŝa, Turŝa, Takari, Danuna (Danaer) und Weŝeŝ. Daraus ist zu ersehen, dass sich sowohl Gruppen der Mykenier, also indogerm. Altgriechen, wie auch Gruppen der dorischen Neuankömmlinge, gegen Ägypten vereint hatten. Die Einnahme vom fruchtbaren Nilland gelang zwar nicht, denn ein überaus starker Herrscher, hervorgegangen aus dem Offizierskorps der Streitwagentruppen, führte das Land, doch das nördliche ägyptische Vorfeld ging verloren und der Stern Ägyptens sank fürderhin. Die griechisch-nordischen Philister/Phönizier übernahmen die Vorherrschaft im Mittelmer, welches bald das „Philistermeer“ genannt wurde. So wie es im Mittelalter den Normannen in Nordfrankreich erging, so geschah es auch den nordischen Philistern im 1. Jahrtausend v.0. Sie sind als Krieger-Männerbünde nach Palästina gekommen und nahmen zwangsläufig ihre Frauen aus dem kananäischen Land, so dass sie allmählich zu Phöniziern umgeformt wurden, die ihr Idiom des indogermanischen Frühgriechisch bald verlernten, ist es doch so in den meisten Familien, dass die Mütter den Kindern das Sprechen beibringen. Anhand der sog. Philister-Keramik, welche Typengleichheit oder Ähnlichkeit mit der spätmykenischen Töpferware aufweist, ist aber die Abkunft der Philister nachweisbar: Es waren Frühgriechen, also eingerückte Mittel- und Nordeuropäer.
 
Nach einigen Generationen mutierten sie, durch Vermischung mit kanaanitischen Frauen, in Richtung auf das ethnische Niveau des getönten und kleinwüchsigeren Menschentyps. Dass dieser Prozess sehr langsam voran ging ersieht man u.a. aus der griechischen Bezeichnung der „Phönizier“, was „die Roten“ bedeutet. Ebenso in der Völkertafel der biblischen Genesis (Gen 10,15) wird Cham als Sohn Sidons bzw. Kanaans bezeichnet, „Cham“ ist die phönizische wie die griechische Bezeichnung für „rot“. Entweder waren sie sehr lange noch hell-, oder rothaarig, oder sie riefen - im Gegensatz zur der dunkelbraunfarbigen Haut der Ägypter und Kanaaniter - den sonnengebräunten „roten“ Eindruck hervor. Dass der Ausdruck von der Purpurschnecke käme, mit sie gehandelt hätten, wäre ein wenig albern, denn sie wurden hauptsächlich auch als Baumfäller und Holzhändler wahrgenommen. Die Phönizier assimilierten im vorderasiatischen Sprachraum und schufen das Alphabet, bestehend aus 22 Konsonanten. In ihren nordafrikanischen Pflanzstädten hieße sie Punier. Ab dem 8. Jh. v.0 verloren die Phönizier in Palästina ihre Unabhängigkeit, denn 701 v.0 eroberte das Neuassyrische Reich auch Palästina. Ab dem Jahr 586 v.0 gehörten die Phönizier zum Neubabylonischen Reich. Assyrer wie Babylonier unternahmen extrem gewaltsame Völkerverschleppungen und Vermischungen. Aus dem dadurch entstandenen Völkermix sind die heutigen Syrer, Palästinenser und Juden hervorgegangen.
 
Bekanntlich erzählt das hebräische Legendenbuch „Bibel“ viel von den Philistern und fast Jedermann ist die Erzählung vom „Riesen Goliath“ und dem kleinen Steinschleuderer David bekannt. Die ankommenden Philister müssen den untersetzen Kanaanitern möglicherweise als Riesen erschienen sein, sie waren beträchtlich höher gebaut als die dortige Urbevölkerung, deren Männer über 1.65 m kaum hinauskamen. Völlig unverständlich und auch konkret falsch ist der Begriff des „Philisters“ als „Spießbürger“, den schließlich der Philosoph Schopenhauer als einen Menschen ohne geistige Bedürfnisse definierte. Die echten Philister waren alles andere als geistig desinteressierte Menschen. Sie brachten als Erste die Verwendung des Eisens in diese Region und ihr Seehandel machte ihre Hafenstädte zu den modernsten und attraktivsten Metropolen des Mittelmeeres. Archäologen haben das Stadttor und die Befestigung der Philisterstadt Gat gefunden, aus welcher der Vorkämpfer Goliath stammen soll, es gehört zu den größten die im heutigen Israel jemals gefunden wurden. Neben dem Tor wurde die Festungsmauer, ein Tempel sowie eine Produktionsstätte für Eisen entdeckt. Der Ort Gat war im 10. bis 9. Jahrhundert vor Null die größte von fünf mächtigen Philisterstädten. Der Fundort der Mauer lässt auf eine Ausdehnung der Stadt über 50 Hektar schließen. Damit wäre Gat die größte bekannte Stadt dieser Zeit. Andere Städte wie Jerusalem oder Megiddo erstreckten sich den Angaben zufolge zur selben Zeit nur über etwa 12 Hektar. Das Vorhandensein einer derart großen, befestigten Stadt an der Westgrenze des Südreichs Juda, wirft viele Fragen über die Stärke und Bedeutung der Philister auf. In der Bibel heißt es, die Hebräer hätten nach langen vergeblichen Versuchen unter ihrem König David die Philistermacht gebrochen und selbst einen bedeutenden Staat gegründet. Diese Vision scheint ein reines Wunschbild des Bibelschreibers zu sein, denn kein archäologischer Fund bestätigte bisher das einstige Vorhandensein eines solchen Reiches.  
 
Auf den Reliefs von Medient Habu überragen die Philister die ägyptischen Aufseher in der Regel um mindestens halbe Haupteslänge. Die Archäologen von Aschkalon gaben an, die dortigen Philisterskelette hätten eine zumeist unauffällige Größe gehabt. Wolfgang Zwickel, Mainzer Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie sagt: „Die gefundenen Skelette stammen aus Aschkelon - daran besteht kein Zweifel. Aber es handelt sich bei den Skeletten nicht um Philister, sondern um Nachfahren der ersten Philister.“ „Die amerikanischen Kollegen haben 145 Skelette von Leuten aus Aschkelon ausgegraben“, erläutert Zwickel seine Sicht. „Das soll nun als Sensation verkauft werden, ist aber bei näherem Hinsehen nicht beweisbar. Denn das US-Team hat Nachkommen der Philister in der neunten oder zehnten Generation ausgegraben.“ Die in Aschkelon freigelegten Skelette stammen laut Zwickel aus einer Zeit, zu der sich die ursprünglichen Philister längst mit den einheimischen Kanaanitern vermischt hatten. Im Übrigen handele es sich bei der Grabungsstätte in Aschkelon auch nicht um den ersten Philister-Friedhof, der jemals ausgehoben wurde. Der befindet sich in Yavne, südlich von Tel Aviv. Im Jahr 2002 hat ein Grabungsteam dort 125 Kultständer gefunden, an deren Publikation Zwickel beteiligt war. Bis dahin waren weltweit erst 30 derartige Ständer zu Tage befördert worden. „Das war wirklich ein Jahrhundertfund“, betont Zwickel. Insgesamt hat das Grabungsteam damals 7000 Kultgeräte entdeckt, „die gar nicht alle zusammengesetzt werden konnten, weil das eine unendliche Arbeit gewesen wäre, die zudem unbezahlbar gewesen wäre“. Außerdem habe man auch bei einer anderen Grabung in Yavne schon Skelette von Philistern gefunden.
 
 
Schriftempfehlung:
 
Georg Kossack, „Studien zum Symbolgut der Urnenfelder- und Hallstattzeit Mitteleuropas“, in „Röm-germ. Forschungen 20“, 1954
Barthel Hrouda, „Die Einwanderung der Philister in Palästina“, in „Festschrift für Moortgat", 1964
Jürgen Spanuth, „Atlantis. Heimat, Reich und Schicksal der Germanen“, 1965
Jürgen Spanuth, „Die Atlanter. Volk aus dem Bernsteinland“, 1976
Jürgen Spanuth, „Die Philister. Das unbekannte Volk. Lehrmeister und Widersacher der Israeliten“, 1980,
Jürgen Spanuth, „Die Phönizier. Ein Nordmeervolk im Libanon“, 1985
L. Sperber, „Untersuchungen zur Chronologie der Urnenfelderkultur im nördlichen Alpenvorland von der Schweiz bis Oberösterreich“, 1987
Frank Falkenstein, „Katastrophen-Theorie zum Beginn der Urnenfelderkultur“, 1997
 
GESCHICHTE ?
 
Aus der Geschichte lernen
nur die die sie kennen.
Die an den Feuern lauschen,
nur können entbrennen.
 
Die ihre Wurzeln nicht suchen,
kennen keine Legenden -,
sie geh‘n ins Vergessen
mit leeren Händen.
 
Wer sich nicht begreift,
wird aus Taten nichts lernen -;
doch wir kreisen in gleichen
Nähen und Fernen.
 
Der Riese Goliath und David,
wer mag es durchschauen,
dieses Gleichnis der Völker,
im Morgengrauen ?
 
Wen die Blindheit geschlagen,
liest immer nur Worte,
ihm bleibt sie verschlossen,
die höhere Pforte.