LANDGRÄFLICHE GEISTER
 
Graf Ludwig, der Soldatenmeister,
mühte sich um Hessens Würde.
Er hatte auch zwei dreiste Geister,
zum Frohsinn und zu seiner Bürde.
 
Die Zwei, der Linke und der Rechte,
rissen den Grafen her und rüber,
im immerwährenden Gefechte,
mal Lobeswort, mal Nasenstüber.
 
Ganz gleich wo Ludwig residierte,
in Darmstadt oder Pirmasens,
das Geistertreiben existierte,
es störte Ludwigs Schlaf immens.
 
Der gute Geist hieß Minkepinke,
der hatt’ ein Faible für Soldaten,
doch bös’ war Orlofix, der Linke,
der trat heran als Läster-Braten.
 
Er schimpfte auf die Geldausgaben,
für all die schönen Regimenter,
wünschte Soldaten zu den Raben,
und wurde täglich renitenter.
 
Um seine Predigt nicht zu hören,
ließ der Graf die Trommeln rühren,
wollt’ Orlofix auch nächtens stören,
bekam er Trommelschall zu spüren.
 
Wenn laut der Fürst um Hilfe rief,
schlug jeder Mann, bis zur Mamsell,
egal wie lang’ man vorher schlief,
so grell es ging sein Kälberfell.
 
Schlösser bebten im Geschmetter,
um Ruhe ihrem Herrn zu gönnen,
im Lärmen wie beim Donnerwetter,
wer hätte da noch schlafen können ?
 
Was war’n das damals „gute Zeiten“,
als sich ein Spuk vor Lärm verkroch.
Zwar ließ' sich über Geister streiten,
doch böse Geister gibt es noch !
 
Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt (1719-1790) war vom realen Vorhandensein guter und böswilliger Geister und überhaupt übernatürlicher Mächte völlig überzeugt. Er war der Meinung, von ruhelosen Seelen verfolgt zu werden, er nahm zunächst an spiritistischen Sitzungen teil (später nicht mehr) und tat manches, um die Geisterwelt zu besänftigen. Insbesondere zwei Geister - Minkepinke und Orlofix genannt - beschäftigten ihn, der eine mit guter Zurede, der andere mit bösem Widerspruch und Quengeleien. Erschien Orlofix des Nachts, begann Ludwig seine immer griffbereite Trommel zu schlagen, was den Geist verscheuchte. Jeder Schlossbewohner, der das Geräusch vernahm, musste unverzüglich mit einstimmen und seine eigene griffbereite Trommel rühren. Das waren schon recht verhaltensauffällige Schrullen des Blaublütigen. Ludwig hatte ein ähnliches Faible für Soldaten und das Militärleben wie der preußische „Soldatenkönig“, dem Vater des „Alten Fritzen“. Die hessen-darmstädtische Armee baute er im Dörfchen Pirmasens auf, womit er allerdings den Grundstein für eine blühende Garnisons- und Handwerkerstadt legte (Soldatenstiefelherstellung). Durch seine zwangsläufig hohen Militärausgaben kam es zu zeitweilig finanziellen Engpässen in seiner heimatlichen Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Hessen-Darmstadt reformierte er nach preußischem Vorbild zu einem modernen Staatswesen. Unfähige Beamte entließ er und verbot auch die herrschaftliche Parforcejagd, die den Bauern regelmäßig schwere Schäden zugefügt hatte. Der Landgraf kümmerte sich väterlich um seine Soldaten und hatte eine besondere Vorliebe für Exerzierübungen und Paraden.
 
1766 gab sich - auf Anstiftung des Leibarztes Dr. Held - ein Eberstädter „Schutzjude“ namens Samson Simon, bei Ludwig als Geisterbanner aus, der einige Zeit versuchte, dem Graf das Geld aus der Tasche zu ziehen. Simon führte zusammen mit einem angeblich geistersehenden Mörfelder Bauernjungen fast täglich Beschwörungen im Darmstädter Schloss durch. Simon sah schwarze Männer und kleine Gestalten, einmal ein kleines schwarzes Skelett und eine Weiße Frau. Er behauptete, die Weiße Frau beschworen zu haben und regelmäßig mit ihr in Kontakt zu stehen. Ludwig, der sich strikt weigerte, an irgendwelchen Beschwörungen persönlich teilzunehmen, gab Simon Listen mit Fragen, die er sich von dem Geist beantworten lassen sollte. Doch der Graf blieb misstrauisch. Nach mehreren Stockhieben gestand schließlich Simon den Betrug ein und gab Doktor Held als Drahtzieher an, der ebenfalls gestand. Damit endete diese Episode. Ludwig war nicht untalentiert, er komponierte selbst etliche Militärmärsche, es sollen angeblich um 92.000 gewesen sein (was ganz unmöglich ist). Immerhin begründete Ludwig die spätere Machtstellung Hessen-Darmstadts in den napoleonischen Kriegen.
 
Bild: Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt