Germanischer König der Bronzezeit - Prof. Wilhelm Petersen
 
Die Saga vom König Hinz
 
Über 2.800 Jahre hinweg hat sich eine Sage erhalten, welche auf wundersame Weise erst in der Neuzeit bestätigt wurde. Daraus ist die Erkenntnis zu gewinnen, dass sich auch die Menschen im Brandenburgischen gleich blieben, dass im alten germanischen Sweben- und Semnonenland eine Besiedelungskontinuität bis ins 20. Jahrhundert währte. Die Erzählung aus grauer Vorzeit lautet etwa so:
 
In grauer Vorzeit gab es in der Prignitz einen König, der hieß Hinz. Er war gut und gerecht zu jedermann und überaus beliebt bei seinen Untertanen wie nie ein Herrscher zuvor. Doch niemand lebt ewig und so starb auch der König eines Tages. Jedoch sein Volk beschloss, wenigstens die Erinnerung an diesen treuen Führer auf alle Zeiten lebendig zu halten; so errichtete man dem Toten ein wahrhaft königliches Grabmal, welches einzig in seiner Art sein sollte: In drei verschiedenen Särgen, wovon der wertvollste in Gold getrieben war, bestattete man den Edlen sowie seine Gemahlin und eine treue Dienerin, die ihm voller Schmerz in den Tod gefolgt waren. Auf dass niemand fürderhin die Ruhe des Herrschers stören könne, wurde ein mächtiger Hügel um das Grab aufgeschüttet - so entstand der „Hinzberg". -- Durch die Jahrtausende hinweg wurde nun die Geschichte von König Hinz von Generation zu Generation weitergegeben, so, wie es einst der Wille der Menschen gewesen war. -- Im Jahre 1899 legten Archäologen die Grabkammer frei und bargen bronzezeitliche Gefäße mit den Resten dreier Personen, darunter eines Mannes in einem Bronzegefäß von einzigartiger Form - dem „goldenen“ Sarg, wohlbeschützt von den beiden äußeren Umhüllungen, der Steinkammer und der Erdaufschüttung. Es gibt aber in der Nähe noch zwei weitere Hügel, in denen der Fingerring des Königs und andere Habseligkeiten liegen sollen. (Quelle: „Der Streit um die Prignitz. Herausgegeben von der Kreisverwaltung Perleberg“. Gesammelt und überarbeitet von Kerstin Beck,1996) -- Zu dritt, mit seinen beiden Frauen, auch in drei Särgen ruhte König Hinz also tatsächlich: Die mit Rötel bemalte 1. Grabkammer der steineren mit Lehm verputzen Wände, 2. dem Tongefäß und 3. der zwar nicht goldenen aber wertvollen bronzenen Kalender-Urne. Das frisch geputzte Kupferbronzegefäß muss aber wie gülden in der Sonne geglänzt haben, so dass das Volk glauben mochte, es sei aus diesem edleren Metall gefertigt.
 
Das bronzezeitliche sogenannte „Königsgrab von Seddin“ in Brandenburg, befindet sich ca. 11 km nordöstlich von Perleberg, 2 km südwestlich des Dorfes Seddin / Landkreis Prignitz. Es war bis in die Neuzeit nur als ein Grabhügel - allerdings von imposanter Größe - wahrnehmbar (Ø 64 m, Höhe 10 m). Der Hügel ist fast vollständig durch Steine aufgehäuft worden. 1899 wurde die intakte Grabkammer geöffnet und die 41 Funde ins „Märkische Museum“ zu Berlin gebracht, von wo Russen Anteile nach Ende des Weltkrieges II. geraubt haben. Neuere Untersuchungen datieren die Grablege auf 829 v.0. Die im Hügel gelegene Grabkammer besteht aus neun etwa im Kreis aufgestellten Megalithen und besitzt einen Durchmesser von circa 2,2 m. Darüber hat man ein Kraggewölbe aus Findlingsplatten mit Schlussstein am Scheitelpunkt errichtet. Die Höhe des Kammerinnenraumes beträgt 1,55 m. Den Boden der Kammer bildet ein ungebrannter, gestampfter Lehmestrich. Die Wände besaßen ursprünglich einem geglätteten Lehmverputz, der zum Zeitpunkt der Kammeröffnung bereits weitgehend abgefallen war. Der damals noch anhaftende Lehmverputz wies Reste einer mäanderartigen Bemalung in roter Farbe auf, die aus Hämatit, einem als Rötel bekanntes Eisenoxid, hergestellt worden war.
 
Die berühmte bronzene Amphore enthielt den Leichenbrand eines erwachsenen Mannes. Sie stand in einer großen Situla aus Ton, die unter Verwendung von Tonnägeln mit einem Deckel verschlossen worden ist. In zwei Tongefäßen befand sich der Leichenbrand von zwei weiteren vermutlich weiblichen Personen. Deshalb ist der gesamte Grabinhalt durch die Dreizahl von Objekten und Objektgrößen, wie beispielsweise durch drei Halsringe, drei kleine Bronzegefäße oder drei mittelgroße Tongefäßen, gekennzeichnet. Die Grabbeigaben des „Königs“ waren z.B. das kurze Schwert, Tüllenbeil, Lanzenspitze, Tüllenmeißel, Bronzekamm, reich verziertes Messer, Nippzange, Wendelringe, sogar zwei Eisennadeln. Besondere Aufmerksamkeit verdient die bronzene Amphore, weil deren regelhaftes Buckeldekor ein lunisolares Kalendarium beinhaltet. Wie auch an anderen etwa zeitgleichen und ähnlich dekorierten Amphoren können durch Addition der Anzahl aller Buckel aus bestimmten Reihen problemlos Mond- und Sonnenjahre zu 354 und 365 Tagen abgelesen werden.
 
Abb. 2 a/b   3
Der Mann aus dem „Königsgrab“ weist sich u.a. durch die Schwertbeigabe als hervorragender Vertreter einer nordischen Elite im brandenburgisch-mecklenburgischen Raum aus. Wahrscheinlich wirkte er wesentlich an der Kontrolle des Nord-Süd-Handels mit. Er wurde von Autoren als Lokalherrscher, Heros und Gründerpersönlichkeit beschrieben, der politische, militärische und priesterliche Funktionen auf sich vereinigte. Alle Forscher, so heißt es, sehen den Mächtigen aus dem „Königsgrab von Seddin“ tief im Nordischen Kulturkreis verwurzelt. Er war wie kein anderer mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet und stand an der Spitze eines differenzierten jungbronzezeitlichen Gemeinwesens. Etwa 1 km vom „Königsgrab“ entfernt, wenige Hundert Meter nördlich einer Siedlung mit den Hausgrundrissen, konnte in den sogenannten Wickboldschen Tannen eines der größten Grabhügelfelder der Perioden V und VI der Prignitz lokalisiert werden. Es soll ursprünglich circa 100 Grabhügel umfasst haben. (Jens May + Thomas Hauptmann „Das ,Königsgrab’ von Seddin und sein engeres Umfeld im Spiegel neuer Feldforschungen“, 2012)
 
Um die 70 km von Seddin entfernt wurde 1991 bei Herzberg ein zweites übereinstimmendes Kalendergefäß gefunden, beide Stücke müssen vom selben Schmied oder zumindest nach derselben Vorlage gefertigt worden sein. Auf dem ganzen Kontinent, der während der Bronzezeit zunehmend in Handels- und Kulturaustausch trat, gibt es nur elf vergleichbare Amphoren und in der Prignitz zwei davon. Auch das Herzberger Gefäß trug einst für jeden Tag einen Buckel - 354 für das Mondjahr, 365 für ein Sonnenjahr. -- Abb. 3 = Zum Vergleich eine etwa zeitgleiche (9./8. Jh. v.0) Bronzeurne aus Gevelinghausen (Hochsauerlandkreis).
 
VOM KÖNIG HINZ
 
Die Ursache webt, die Ur-Saga lebt,
über der Zeiten gähnendem Grund,
malt sie sich weiter von Mund zu Mund.
 
Die Ähni es sagt, der Enkel er fragt -,
so wie die Quelle den Ursprung beschreibt,
der Fluss der Rede getreulich bleibt.
 
Die Stürme weh’n und Stürme vergeh’n,
es ducken sich Sippen und wachen auf,
die Sage nimmt unbeirrt ihren Lauf.
 
Im glänzenden Licht, der Königsbericht,
erzählte von Hinz, diesem guten Mann,
der höchstes Anseh’n im Volk gewann.
 
So wie er geführt', ihm Ehre gebührt !
Die Künste des Schmiedens hat er gelehrt,
zu schlagen wusste sein scharfes Schwert.
 
Zum Gange der Zeit gab er Bescheid -,
das Sternen-Geheimnis war ihm vertraut,
im Dienste der Gottheit ist er ergraut.
 
Als der König entschlief, sein Herold rief:
„Im dreifachen Sarg ruht Hinz im Hügel,
sein Ruhm gewinne unsterbliche Flügel !“
 
In Sonne und Schnee, bei Aufwind und Weh,
wölbt sich um dreitausend Jahre schon,
der „Hinze-Berg“ über des Landes Sohn.