Abb. 1 - Hans Sebald Beham
 
Urteil des Nürnberger Rats i.J. 1525:
„ganntz gotlos und haidnisch“
 
DEUTSCHER FRÜHLING
 
Der Luther setzte das Fanal,
in tiefer Nacht der Kirchen-Qual.
Unwürdig zogen deutsche Narren,
des Papstes goldgewirkte Karren.
 
Es brandete ein Seelen-Strom,
für deutsche Freiheit, los von Rom !
Denn ohne Rom und Petri-Thron,
lebt trotzdem deutsche Religion !
 
Ein Frühlingsatmen ging durchs Land,
sein Recht vertrat der Bauernstand,
gerechte Ordnungs-Weisen,
tät Thomas Münzer preisen.
 
Es pulste gegen Rom der Grimm,
und wütete in Rom gar schlimm,
Landsknechte wollten schmausen
und reiche Römer lausen.
 
Gott zu finden, braucht‘s kein Pfaff‘,
kaum einer blieb des Papstes Aff‘,
die deutschen Herzen brannten,
zum Sieg der Protestanten.
 
Manch‘ großer Künstler war so frei,
unzählige Geister mit dabei,
wollten dem Zwang entrinnen,
die Freiheit sollt‘ beginnen.
 
Doch Luther scheute letzten Schritt,
wollt‘ jenen großen Umsturz nit,
wollt‘ sich am Adel halten,
friedlich Reform gestalten.
 
Freigeistige Künstler und Theologen
 
Die Brüder Hans Sebald Beham (1500-1550) und Barthel Beham (1502-1540) waren ein Nürnberger Künstlerbrüderpaar. Sie schufen bedeutende Werke als Maler, Holzschnittmeister und Kupferstecher. Sie gehören in den Kreis Nürnberger Meister, auch der Tafelmalerei und der „Kleinmeister“, die zum Teil nur briefmarkengroße Drucke herstellten. Dazu gehört auch Georg Pencz (um 1500-1550), welcher Mahlknecht, also Geselle, bei Albrecht Dürer (1471-1528) war und 1532 offiziell zu dessen Nachfolger als Stadtmaler von Nürnberg ernannt wurde. Die Zeit gärte, der Römische Terror der katholischen Kirche schien den Deutschen, so sie nicht daraus Vorteile schöpften, immer unerträglicher. Martin Luther (1483-1546) hatte ein Fanal des Aufbegehrens angezündet, bald loderte vielerorten der Protest gegen den Kirchenzwang und den daraus resultierenden politischen Zuständen. Schon Luther hatte von der „Freiheit des Christenmenschen“ gesprochen, er lehnte die Oberhoheit des römischen Papstes und das bedingungslose Mittlertum der Geistlichkeit ab, indem er die Möglichkeit einer unmittelbaren Gottesverbindung predigte. Damit war eine Tür aufgestoßen worden. Immer mehr Priester und Möchte suchten nach einer freieren Form des Glaubens, bis hin zur völligen Ablehnung der bisherigen Kirchenlehren. Ein Zug der Befreiungstheologie war der „Spiritualismus“, der alles Äußerliche für unwesentlich erachtet hat und die kirchliche Institutionen mit ihren Riten, Regeln und den sog. „Sakramenten“ und „Dogmen“, zuweilen mitsamt dem gesamten Textewus der Bibel über Bord werfen wollte. In ähnlichem Sinne wirkten u.a. der reformatorischer Spiritualist Kaspar Schwenckfeld (1490-1561), der mystischer Denker und Schriftsteller Sebastian Franck (1499-1543) sowie der Arzt, Astrologe, Mystiker und philosophische Schriftsteller Paracelsus (1493-1541). Als ihre Vordenker kann man die Schulen der deutschen Theologen der Mystik bezeichnen, zu denen Meister Eckhart (um 1260 - um 1328), Johannes Tauler (um 1300-1361) bezeichnen und Heinrich Seuse (1295-1366) gehörten.
 
Auch der Theologe Thomas Münzer (1489-1525) hatte sich der lutherischen Strömung angeschlossen und erwuchs zum radikaleren Reformator und Revolutionär. Die Bauern standen auf im Lande, um ihrerseits mehr Freiheitsrechte einzuklagen. Münzer wurde einer ihrer Führer. 1524 hatte Münzer einen Aufenthalt in Nürnberg, nicht wenige Bürger schlossen sich seinen Anschauungen von einer gerechteren Gesellschaftsordnung an. Doch für eine gewaltsame Umformung des Reiches waren die realen militärischen Machtverhältnisse zu ungleich, der Adel - der zwar auch zum Großteil antipäpstlich und lutherisch gesinnt war - zwang die Umstürzler nieder. Nach der Schlacht von Frankenhausen am 15.05.1525 wurden die Bauernhaufen durch ein Fürstenheer vernichtend geschlagen, Thomas Münzer gefangen, gefoltert und noch Ende des Monats in Mühlhausen enthauptet. Nach der Zerschlagung der Bauernheere wurde der Bildschnitzer und Würzburger Bürgermeister Tilman Riemenschneider (um 1460-1531) gefoltert, wie es heißt: „vom hencker hart gewogen und gemartert“. Der Maler Jerg Ratgeb (um 1480-1526), der sich den aufständischen Bauen angeschlossen hatte, zur Strafe von vier Pferden auseinandergerissen.
 
„Drei gottlose Maler“
 
Zumindest seit ihrer Begegnung mit Thomas Münzer neigten die Nürnberger Künstler-Brüder Beham und Georg Pencz den freieren Gedanken ihrer Zeit entschieden zu. Sie sollen der sozialrevolutionären Täufer-Bewegung geneigt gewesen sein. Die drei „gottlosen Maler“ und andere „Schwarmgeister“, unter ihnen der Theologe und Schulmeister Hans Denck (1495-1527), wurden festgenommen und Anfang 1525 vor Gericht gestellt. Den Brüdern Sebald und Barthel Beham hielt man ihre gotteslästerlicher Reden vor. In dem ersten der wohl am 10.01.1525 begonnen Verhöre sind zunächst die Brüder Sebald und Barthel Beham vernommen worden. Das Ergebnis war, dass die Beiden unmittelbar oder kurz darauf ins „Lochgefängnis“ geworfen worden sind und alsbald auch Georg Pencz dazugesteckt wurde, geht doch aus einen Ratsverlass vom 12.01. hervor, dass sich an diesen Tage bereits alle drei Künstler, die fortan als die „drei gottlosen Maler” bezeichnet werden, in Haft befunden haben. Die Folterwerkzeuge kamen dabei nicht zur Anwendung, lagen aber drohend bereit. Trotzdem hat sich der junge Künstler Sebald Barthel schroff und hochfahrend verhalten, wie es heißt. Man muss sich wundern über sein tapferes Bekennertum. Zu den Fragen gaben die Behams folgende Antworten:
 
Ob es einen Gott gibt ? - „Ja“. Was sie von Christus halten ? - „halt(en) nichts von christo“. Was sie von der Bibel halten ? - „wisz nit obs heilig sey“. Was von den Sakramenten ? - „halt nichts davon“. Was von der Taufe ? - „nichts“. Ob sie an die weltliche Obrigkeit glauben und den Nürnberger Rat als Herrn anerkennen ? - „neyn“.
 
Die Maler waren mitnichten „gottlos“, sondern hielten sich an eine moderne Auffassung über Religion: Ihre Antwort bezüglich Christus ist so zu verstehen, dass sie ihn vernünftigerweise für einen normalen Menschen hielten, nicht für eine skurrile „dreieinige Person“. Und die Bibel für ein von normalen Menschen geschriebenes Buch, also nicht „Gotteswort“ das man als religiöser Mensch bedingungslos anzunehmen habe, also als absolut wahr hinzunehmen sei. Der Künstler und Kunsthistoriker Joachim von Sandrart (1606-1688) äußerte sich über Beham, dass dieser ziemlich liederlich gelebt und „ungeschickte“ (unschickliche) Sachen gebildet hätte. Aus heutiger Sicht, nichtige Vorwürfe. Der relativ freigeistige Nürnberger Rat ließ Milde walten und die Künstler nur wegen Ketzerei, d.h. wegen ihren Ansichten, die „ganntz gotlos und haidnisch“ seien, 1525 aus Nürnberg verbannem.
 
Sebald Beham kehrte schon 1528 in seine Vaterstadt zurück, wurde 1529 der Verbreitung von unsittlichen Werken verdächtigt, erneut ausgewiesen, worauf er sich nach München begab. In den Jahren 1530 und 1531 arbeitete er unter anderem für Kardinal Albrecht von Mainz. Um 1532 siedelte er nach Frankfurt am Main über, wo er 1540 das volle Bürgerrecht erhielt. - Barthel Beham trat er 1527 als Hofmaler in die Dienste von Herzog Wilhelm IV., einem humanistische gesinnten Förderer der Kunst und der Künstlerschaft. Beham wurde ein geschätzter Porträtist. 1530 malte er Kaiser Karl V. und dessen Bruder, König Ferdinand von Ungarn und Böhmen, anlässlich ihres feierlichen Einzugs in München. 1540 sandte der Herzog seinen Hofmaler zur Vervollkommnung der malerischen Technik nach Italien, wo Barthel Beham im Alter von nur 38 Jahren verstarb.
 
Abb. 2
 
Worin bestand nun das Verbrechen der als „gottlose Maler“ bezeichneten Künstler ? Wir kennen nicht alle ihre Arbeiten, doch was wir kennen, genügt zur Beurteilung. Von Sebald Beham gibt es den Kupferstich des „unzüchtigen Paares“ (Abb. 2), der ein Paar zeigt, das sich gegenseitig ans Genital greift. Es handelt sich aber hierbei kaum um schlichte Pornographie, vielmehr steckt das Bild voller geheimer symbolistischer Bezüge. Auf anderen Bildern ist das weibliche Geschlechtsteil unaufdringlich aber in voller Natürlichkeit zur Abbildung gebracht. Das war den Kirchoberen bereits zu viel der Freiheit, dagegen musste eingeschritten werden, glaubten sie. Das war aus klerikaler Sicht nur konsequent gedacht. Schon schwoll in den 1520er Jahren das „Täufertum“ an und in den 1530er Jahren das „Täuferreich zu Münster“ in Westfalen. In der Stadt wurde 1534 unter den Täufern die Vielehe eingeführt, weil es in der Bewegung fast dreimal so viele Frauen wie Männer gab. Die Vielehe in Münster war zwar kein Symptom des Sittenverfalls, trotzdem aber regte sich unter der katholischen Zwangsjacke allerorten das Bedürfnis nach freien Umgangsformen, auch der Geschlechter. Fürstbischof Franz von Waldeck (1491-1553) ließ Münster erobern und beendete in einem tagelangen Blutbad das „Täuferreich“. Den Führern, deren man habhaft werden konnte, wurden mit glühenden Zangen die Zungen ausgerissen, ihre Körper zerfetzt und nach vier Stunden erdolcht. Ihre Leichen hat man in eisernen Körben am Turm der Lambertikirche aufgehängt, zur Schau gestellt. Die Käfige hängen noch heute.
 
Wollust als „Todsünde“ deklariert
Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876):
 
„Kaspar, der Mensch“, Auszug - 1850
 
„Und endlich erkannte ich, dass die Pfaffen
Uns das Schönste als Sünde verblaffen;
Dass die Herren Theologen logen,
Uns um den Himmel diesseits betrogen,
Und dafür alten Vettern und Basen
Mit etlichen Phrasen und Paraphrasen
Einen jenseitigen zusammenblasen.“
 
Warum war zu allen Zeiten die Christenkirche so wild bedacht, die Sexualität (Lüsternheit / Geilheit / lat. voluptas) der Menschen unter Kontrolle zu halten bzw. die sexuelle Freizügigkeit einzuschränken und zur Keuschheit zu raten, sogar die Wollust als eines der 7 Hauptlaster im religiösen Sinne zu kriminalisieren ? Weil dieser stärkste Naturtrieb nicht zu beherrschen ist. Wer sie, die Wollust, als eine der 7 „Todsünden“ deklariert, macht die gesamte Menschheit unweigerlich zu „Sündern“, damit aber auch automatisch zu Gnaden- und Ablasssüchtigen Bittstellern gegenüber dem Klerus, welcher damit zum Bärenführer der Gläubigen wurde. Die kirchliche Unterstrafestellung der Sexualität wirkt wie der Nasenring in der Schnauze des Bären. Ausnahmslos jeder wird damit „schuldig“ und bedarf der Gnadenmittel der Kirche, die niemals kostenfrei gewährt wurden. Für das Lesen von ein paar „Seelenmessen“ sind Jahrhunderte lang unzählige Summen und ungeheure Ländereien an die Kirchenherren geflossen und abgetreten worden. Wenn sich die Kirche dieses einträglichste Zuchtmittel aus den Händen nehmen ließe, würde sie ein Großteil ihre Pfründe verlieren, was sich schon heute abzeichnet und viel krasser für die Kirchenkassen ausfallen würde, hätte sie nicht, über das Konkordat mit Adolf Hitler, die Kirchensteuer-Zwangseintreibung von Seiten des Staates für sich sichern können. 
 
Plünderung Roms
 
1527 plünderten deutsche Landsknechte, spanische und italienische Söldner die Stadt Rom. Das Heer Kaiser Karl V. nahm Rom ein und strafte dessen Hochmut und jahrhundertelanges Intrigenspiel zum Nachteil der Deutschen und des Deutschen Reiches. Der Kardinal Caetanus, der in Augsburg Luther so hochfahrend behandelt hatte, wurde von Landsknechten durch Rom geschleppt, bald mit Fußtritten fortgestoßen, bald herumgetragen, eine Sackträgermütze auf dem Kopf. So zerrte man ihn fort zu Wechslern oder Freunden, sein Lösegeld aufzubringen. Weinend ließ der Papst die Deutschen bitten, „das Licht der Kirche nicht auszulöschen“. Lutheraner wie Spanier und Italiener ergötzten sich damit, die heiligen Zeremonien nachzuäffen. Man sah Landsknechte auf Eseln als Kardinäle einherreiten, einen als Papst verkleideten Knecht in ihrer Mitte; so zogen sie oftmals bis vor die Engelsburg, wo sie schrien, dass sie jetzt nur fromme und dem Kaiser gehorsame Päpste und Kardinäle machen würden, welche keine Kriege mehr führen sollten, und wo sie Luther zum Papst ausriefen. Trunkene Söldner bekleideten einen Esel mit geistlichen Gewändern und zwangen einen Priester, ihm das Sakrament zu geben, während das Tier auf Knien lag. Der unselige Geistliche verschluckte jedesmal die Hostie, bis ihn seine Quäler zu Tode marterten. Andern Priestern presste man unter grässlichen Martern die Beichte wirklicher oder erdichteter Verbrechen ab. Cristoforo Numalio, der Franziskaner-Kardinal, wurde aus seinem Bett gerissen, auf eine Totenbahre gelegt und in Prozession fortgetragen. Die Landsknechte sangen ihm dabei, Kerzen in den Händen, possenhaft die Exequien. So brachten sie ihn nach Aracoeli, wo sie ihn niedersetzten und ihm die Leichenrede hielten. Sie öffneten ein Grab, in welches sie ihn zu versenken drohten, wenn er nicht das Verlangte zahlte. Der Kardinal bot seine ganze Habe; die Peiniger trugen ihn in sein Haus zurück, um ihn dann wieder zu allen denen umherzuschleppen,von welchen er Geld aufzunehmen hoffen konnte. Der über lange Generationen aufgespeicherte Hass gegen die welschen Kuttenträger entlud sich in einer Orgie der Vernichtung und des Raubes.