Hieronymus Bosch - „Die Sieben Todsünden“; 
unteres Bild meint die Wollust
 
 
WOLLUST ?
 
Was ist Wonne, was ist Wollust ?
Rauschhaft starkes Körperfühlen,
wird der Leibgeist sich bewusst,
was ihn hemmt, hinweg zu spülen !
 
Unverdient ist die Verachtung,
sinnenfroher Eruptionen,
durch des Über-Ichs Umnachtung,
da wir falschen Göttern fronen.
 
Gilt allein der Geist als Heros,
bleibt die Ganzheit unbemessen,
kosmogonisch ist der Eros,
der von Körperlust besessen.
 
Menschenart erwächst aus Mitten,
steht im Spannungsfeld von Kräften,
setzt sich hohe Norm und Sitten,
zieht doch Kraft aus Körpersäften.
 
Wer die Wollust will verteufeln,
will die Kraft des Leibs verringern,
will das Gift der „Sünde“ träufeln,
in den Sinn von Freudenbringern.
 
Wer die Menschheit schuldig spricht,
mindert ihr die „Kraft durch Freude“,
zieht sie vor sein Wahn-Gericht,
wünscht ihr an den Hals die Räude.
 
Glutvoll wahre Menschen-Minne,
schätzt und übt die Wollust immer,
dass die Lieb‘ sich ganz gewinne,
erdenfroh im Wonne-Schimmer.
 
WOLLUST WIRKT WAHRE WUNDER !
 
Seelisch-geistige Liebe ist das zentrale Thema unseres Menschenlebens, ohne Liebe geht es so wenig wie ohne Hass. Sämtliche wissenschaftliche psychologische Schulen erkannten und lehren, dass wir die Grundanlage zu Libido (Eros) wie zur Destruktion (Ares) in uns tragen. Die germanische Mythologie unserer Altvorderen schuf dazu die seelischen Gleichnisbilder des BALDUR und des HÖDUR -, des Huldreichen-Liebenden und des Streitfähigen-Hassers. Um sich in dieser Erdenwelt orientieren zu können und mithin gemütsmäßig gesund zu blei­ben, bedarf es der Freunde wie auch der Feinde ! Innerhalb dieses polaren Spannungs­bo­gens allen makro- und mikrokosmischen Lebens bewegt sich unser Sein. Hass erhält, Hass als Her­ausforderung, regt unsere Kräfte zur Höchstleistung an; die Fähigkeit des Hasses schenkt uns den Abwehr- und den Selbsterhaltungswillen den jegliches Lebewesen bedarf, um sich gegen die vielfältigen Konkurrenten am irdischen Futternapf zu behaupten.
 
Doch die Liebe führt den Menschen ins rein Geistige, ins Überirdische, ins Göttliche. Sie ist die Heilerin aus irdischer Not, aus Schmerz, aus Frustration -, und ist damit der einzige wahre Arzt den wir gewissermaßen kostenfrei in uns tragen und den es zu aktivieren gilt. Und be­reits der primär körperlichen Form der Liebe, der Wollust, wohnt eine schier unglaubliche, ja zauberhafte Heilkraft inne. Neue medizinwissenschaftliche Studien unterstreichen diese uralte Erkenntnis
 
Wollust galt den kranken Hirnen der Christenheit als Todsünde, das ist typisch und entlarvend zugleich für diese folgenschwerste geistesgeschichtliche Verirrung der letzten ca. zweitausend Jahre des westlichen Kulturkreises. Da die pseudoreligiöse Verketzerung und der angestrebte Ver­bannungsversuch der körperlichen Liebe, unrettbar zu Psychosen führen muss, profitierte der perfide Klerus aus dem Zustand der allgemeinen faktischen Siechwerdung und ver­meint­lichen Sündhaftwerdung. Nur an Körper und Seele ungesunde Menschen, Leidende, Schwa­che, Verdrehte bedürfen des Christenpriesters -, betteln um Gnade, um Gotteshilfe. Die größte Gefahr für den dauerhaften Bestand der Christenkirche und ihres Schmarotzerklüngels ist ein gesundes, lebensfrohes, geist­­gesundes Volk.
 
Um geist- und gemütsgesund werden zu können, bedarf es der LIEBE in geistiger und glei­chermaßen körperhafter Weise. Überflüssig ist es wohl zu betonen, dass der größtmögliche autotherapeutische Effekt dann gegeben ist, wenn die Beiden harmonisch zusammen­schwin­gen. Wollust ist - wenn auch alle anderen Gesundheitsregeln eingehalten werden - fast ein All­heil­mittel. Das Liebesspiel mit dem ergänzenden Wesen unserer Wahl setzt in unserem Kör­per eine ganze Kaskade von neurochemischen Aktivitäten in Gang, die positiv auf Gesundheit von Körper und Psyche wirken.
 
HEILMITTELAUSSCHÜTTUNG
 
Als Nebenwirkung der Wollust steigt der Puls, vertieft sich der Atem, die Durchblutung wird angeregt, und das Gehirn schüttet einen Glückscocktail aus. Er besteht aus Hormonen, zum Bei­spiel dem „Kuschelhormon“ Oxytocin, sowie einer Reihe von Endorphinen wie Serotonin und Dopamin. Auch die Bildung der Geschlechtshormone wird angekurbelt. Dieser Hormon-Schub mit seinen wunderbaren Eigenschaften kann bis zu 24 Stunden nach dem Akt anhalten. Be­friedigende Beglückung - dazu gehört auch in abgeschwächtem Maße Selbstbefriedigung - kann zwar keine Krankheiten wie Rheuma oder Diabetes ausheilen, doch auf psycho­soma­ti­sch­er Ebene vermag sie echte Wunder zu bewirken, so ähnlich äußert sich beispielsweise auch die Urologin Kornelia Hackl. „Dabei liegt ihr Geheimnis im Wechsel zwischen Anspan­nung und Entspannung - der Basis aller Lebendigkeit.“ Und dergestalt kann „Urmütterchen Wollust“ gegen Rückenschmerzen, Spannungskopfweh, depressive Verstimmung und vieles mehr wie eine Wunderheilerin wirken.
 
Ein Mann und eine Frau, die gute Wollust miteinander ausleben, sind gewissermaßen die klein­ste Herzsportgruppe der Welt (Expertin Kornelia Hackl). Denn Wollust bedeutet - im Ge­gen­teil zum weit verbreiteten Irrtum - für das Herz keine Überlastung, sondern ein sinn­voll-akzeptables Training. Der oft zitierte „Tod im Lotterbett“ („mors in coitus“), wie ihn vor einigen Jahren der Pariser Bischof im Bordell erfuhr, kommt so verschwindend selten vor, dass er statistisch nicht relevant ist. „Wenn er überhaupt einmal eintritt, so sind meist die Be­gleitumstände verantwortlich: Der Mann stand unter extremem psychischen Druck, war zum Beispiel in einem Bordell oder mit seiner Geliebten in Aktion und wollte als Mann Höchs­tleistungen vollbringen Und er war bereits krank – etwa ein schlecht eingestellter Dia­betiker oder Hochdruckpatient. Kurzum, er hätte ebenso in der Aufregung einer Fußball-WM sterben können.“
 
Für entspannende Wollustauslebung muss der Herzmuskel nicht mehr Leistung aufbringen als zum Beispiel fürs Golfspielen. Und er wird dabei sogar noch sanft geschult: Die Pump­lei­st­ung des Herzmuskels verbessert sich, das Herz arbeitet ökonomischer, Puls und Blutdruck stei­gen und fallen nach dem Höhepunkt (Orgasmus/Ejakulation) wieder ab -, eine ideale An­re­gung für Herz und Kreislauf. Übrigens zeigt eine Studie der Universität Northcarolina, dass während des Liebesspiels und vor allem durch Umarmungen der Spiegel des Stresshormons Cortisol sinkt. Das entspannt die Gefäße, macht ihr Lumen weit und senkt dadurch den Blut­druck. Gleichzeitig steigt Oxytocin im Blut an. Die Experten vermuten, dass dieses „Harmo­nie-Hormon“ hohe herzschützende Wirkung hat.
 
IMMUNKRAFT-AUFBAUUNG
 
Wollust aktiviert und trainiert unser Abwehrsystem. Denn mit dem engen Kontakt und dem Austausch von Körperflüssigkeiten zwischen den Geschlechtspartnern - besonders durch orale Liebestechniken - wechseln auch zahlreiche Mikroorganismen von einem Partner zum ande­r­en. Beide Immunsysteme müssen sich schnell darauf einstellen und werden damit unmittelbar aktiviert. Wissenschaftler der Universität Essen stellten fest, dass sexuelle Aktivitäten die An­zahl der weißen Blutkörperchen und der körpereigenen Killerzellen verdoppelt. „Allerdings sollte man dabei das Immunsystem nicht losgelöst von anderen Komponenten sehen“, erklärt Expertin Kornelia Hackl. „Es ist eng verbunden mit dem Nerven- und Hormonsystem. Sex wirkt auf alle drei vitalisierend.“
 
SCHMERZLINDERUNG
 
Steigt die Erregung, konzentriert sich der Körper fast ausschließlich darauf. „Die Wahrneh­mung für alle anderen Dinge, etwa hören und sehen, ist zunehmend eingeschränkt, je näher man dem Höhepunkt kommt“, so Sexualexpertin Kornelia Hackl. Auch das Schmerz­em­pfin­den ist jetzt gedämpft. „Im Gehirn werden durch die Lust so genannte Endorphine, das sind vom Körper selbst produzierte Schmerzstiller freigesetzt, die ähnlich wie Morphium wirken.“ Zusätzlich sorgen die Kontraktionen im Bauch- und Beckenbereich für tiefe Muskel­ent­span­nung. Das wirkt sich positiv auf Verspannungen aus - Kopf- und Rückenschmerzen können sich einfach auflösen.
 
LEBENSVERLÄNGERUNG
 
Experten gehen davon aus, dass wollüstige Aktivitäten vermehrte Lebensjahre schenken kön­nen. „Sex ist sicher eine der angenehmsten Anti-Aging-Maßnahmen“, stellt Expertin Kornelia Hackl fest. Eine amerikanische Studie (Caerphilly Cohort Study) zeigt, dass Männer, die mehr als zweimal pro Woche den Höhepunkt erreichen, älter werden als jene, die weniger als ein­mal pro Monat wollüstige Erlebnisse genießen. Für Frauen vermuten Wissenschaftler ein nicht anders geartetes Ergebnis. Allerdings warnt die Urologin mit dem altbekannten Hin­weis: „Man darf Sex jedoch auf keinen Fall leistungsorientiert sehen. Dann entsteht Druck, und der kann die Potenz einschränken und Sex zum Problem machen.“
 
TIEFENENTSPANNUNG
 
Kaum etwas anderes wirkt so entspannend wie die Wollustauslebung, sie baut Unglück, Un­wohlsein, Überlastung, Unzufriedenheit, Stress derart gründlich ab und harmonisiert uns in­nerlich -, weiß die Wissenschaftlerin. Durch vorausgehende Erregung und Glücksgipfel ar­bei­ten die Hormondrüsen auf Hochtouren. Der gesamte Organismus wird angespannt und dann zutiefst entspannt - kein Wunder, dass sich viele nach dem Liebesakt wohlig müde füh­len. Das betrifft vor allem (triebschwächere) Männer, aber auch nicht wenige Frauen. Ihre Er­re­gungskurve fällt sofort nach der Ejakulation bzw. dem Orgasmus steil ab. 
 
ESSVERHALTEN-NORMALISIERUNG
 
Während eines Liebesaktes verbrennt man durchschnittlich etwa 200 Kalorien. „Das ist nicht gerade viel“, urteilt Wissenschaftlerin Hackl. Wollust ist also nicht unbedingt der Super-Fett­verbrenner. Das wurde früher etwas überschätzt. „Tatsache ist jedoch, dass Menschen, die sexuell aktiv sind, sich als attraktiv wahrnehmen und dadurch ein besseres Körper­bewusst­sein erlangen.“ Zusätzlich harmonisiert Wollust innerlich und glättet psychische Wellen. „Wenn man derart zufrieden und ausgeglichen ist, gibt es zum Beispiel keine Heißhunge­r­attacken, und es fällt einem nicht schwer, auf Süßigkeiten oder andere Kalorienbomben zu verzichten.“ Für den der sich auf gute Wollustauslebung mit einem befriedigenden Partner freu­en kann, bedarf es keiner Surrogate, keiner der vielfältigen Ersatzbefriedigungen. Essen und Rauchen als Ersatzbefriedigungen entfallen in ganz starkem Maße, wenn die Partner orale Wollustbedürfnisse ausleben. Der Mund bedarf weder des Glimmstengels, noch des abend­lich­en Knabberkrams, wenn er sich auf die köstliche Leckerei z.B. einer Muschi freuen darf.
 
AGGRESSIONSAUFLÖSUNG
 
Viele psychische Probleme, etwa Depressionen, Selbstzweifel, Lebensangst, und -überdruss entstehen zum Großteil durch aufgestaute Aggressionen. Zusätzlich treiben die unterdrückten Disharmonien den Blutdruck in die Höhe, verengen die Gefäße, aktivieren große Mengen von Stresshormonen und machen damit nervös, reizbar, psychotisch. „Sex ist hier ein echtes S­e­e­l­en­pflaster. Kaum etwas anderes löst Aggressionen derart angenehm und nimmt den inner­li­ch­en Druck wie guter Sex in vertrauter, entspannter Atmosphäre“, so Urologin Kornelia Hackl. Dieser Umstand erklärt auch das Wollust-Verbot für Krieger, Sportler, Wettkämpfer, etwa für Boxer vor dem Gang in den Ring. Sie sollen nicht besänftigt, sondern aggressiv sein und Biss haben. Deshalb ist Wollustauslebung vor dem Kampf tabu.
 
KÖRPER-VERSCHÖNERUNG
 
Sogar im Bereich der Erhaltung oder Verbesserung der Körperschönheit spielt Wollust eine nicht zu übersehende Rolle. Die Testosteronproduktion von Männern und die Östrogen­bil­d­ung der Frauen werden dabei angekurbelt. „Östrogen verbessert den Haarwuchs“, so Sexual­medizinerin Kornelia Hackl. Zusätzlich fördert Östrogen die Collagenbildung. Das Binde­ge­webe wird gestärkt. Das wirkt Cellulite entgegen und trägt zur Hautstraffung bei. Frauen, die sich nicht zu selten wollüstig lieben lassen, haben gegenüber ihren frigiden oder lustfaulen Ge­schlechtsgenossinnen einen deutlich sichtbaren Vorteil. Sie bleiben länger ansehnlich ju­gend­lich, ein Effekt, der natürlich auch aus der Rückwirkung des Glücksbewusstseins her­rührt, begehrt zu werden und die Technik der Wollust zu beherrschen, welche vielen anderen Frauen ein Leben lang verschlossen bleibt.
 
Männer profitieren durch hohe Testosteronspiegel ebenfalls auf etlichen Ebenen: Das Männ­lichkeitshormon gleicht Stimmungsschwankungen sowie Antriebsarmut aus und hilft Mus­keln aufzubauen bzw. zu erhalten. „Daneben hat Sex auch eine direkte positive Wirkung auf die Haut – Erregung und Höhepunkt steigern die Durchblutung in den kleinsten Hautge­fäß­en.“ Die Haut wird auf diese Weise besser mit Vitalstoffen versorgt, wirkt straffer und ge­sund.
 
Somit spielt die ausgelebte Wollust nicht allein für die geistige und gemütsmäßige Gesundheit eine Rolle, sondern auch für die Körperschönheit. Der derbe aber weltfrohe Altmeister Luther brachte die Frage nach dem „Wie-oft“ auf den einfachen Nenner: „In der Woche zwier - scha­det weder Ihm noch Ihr!“ Weniger schafft Frustrationen, ein Mehr könnte geistige und kör­per­liche Kraftreserven gefährden -, doch wie bei allen biologischen Prozessen ist die indi­vidu­elle Stimme des Körpers bzw. die Sprache der Zellseelensumme maßgebend. 
 
Bild: Hieronymus Bosch (1450-1516) - „Die Sieben Todsünden“ (Museo del Prado, Madrid). Unteres Bild meint die christliche „Todsünde“ der Wollust („luxuria“). Die Abbildung präsentiert ein Zeltgelage. Während Männer und Frauen sich zur Wollust handelseinig werden, verdrischt ein Mönch den entblößten Hintern eines Narren mit einem Kochlöffel. Die Harfe, Symbol für ein himmlisches Instrument, ist achtlos beiseite geworfen. Die Liste der sieben Todsünden, die nach der irren Drohung der Christenkirche zur ewigen Höllen-Verdammnis führen soll, lautet: 1. Stolz (Superbia), 2. Geiz (Avaritia), 3. Neid (Invidia), 4. Zorn (Ira), 5. Wollust, Unkeuschheit (Luxuria), 6. Völlerei, Gefräßigkeit, Unmäßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht (Gula), 7. Faulheit (Acedia). Man ordnete die sieben Todsünden bestimmten Dämonen zu, und zwar folgendermaßen: Luzifer - Stolz, Mammon - Geiz, Leviathan - Neid, Satan - Zorn, Asmodeus - Wollust, Beelzebub - Völlerei, Belphegor - Faulheit.