03.12.2022

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Die Schamanin von Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt)

nach der zeichnerischen Rekonstruktion.

Das Grab der sog. Schamanin von Bad Dürrenberg ist die älteste Bestattung Mitteldeutschlands, die schon im Jahre 1934 in besonders fachmännischer Manier gesichert worden ist. Es handelt sich um die Beerdigung einer 25-35-jährigen Frau, mit Blick nach Westen, und eines 6-12 Monate jungen Säuglings. Sie wurden in Rötel gebettet und begraben vor circa 9.000 Jahren. Ungewöhnlich reichhaltige Grabbeigaben machen den Fund zu einer Sensation. Das Grab lag isoliert im Gelände. Die Analyse des Skelettes der Frau ergab, dass ihr oberster Halswirbel fehlgebildet war und zudem im unteren Schädelbereich Blutgefäße räumlich eingeschränkt gewesen sein könnten. Diese Fehlbildung machte sie vielleicht zu einem besonderen Menschen. Anthropologen vermuten, dass sie durch extreme Haltungen ihres Kopfes vielleicht sogar absichtlich eine Ohnmacht herbeiführen konnte. Das überreiche Beigabeninventar bezeugt eine gesellschaftliche Sonderrolle der Toten. Für die Interpretation dieser Frauen-Bestattung als Grab einer Schamanin spielten die speziellen Beigaben eine gewichtige Rolle. Zwischen 1989 und 2014 wurden mittels Radiokarbonmethode insgesamt vier Altersbestimmungen am Skelettmaterial vorgenommen, die es übereinstimmend auf ein Alter zwischen 9.000 und 8.600 Jahren datieren.

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Die Heilzauberfrau im Ornat

Ein tiefgreifender klimatischer und naturräumlicher Wandel war ihrer Zeit vorausgegangen, die hellen Weiten der kaltzeitlichen Tundra waren den schattigen Buchenwäldern der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) gewichen. Grund hierfür waren die vor rund 11.500 Jahren stetig ansteigenden Temperaturen. Die letzte Kaltzeit ging zu Ende und eine bis heute andauernde Warmzeit begann. Mit dem Rückgang der offenen Landschaften der Eiszeit verschwanden aber auch die großen Rentier- und Pferdeherden, die dem Menschen ergiebige Nahrungsquellen waren. Wieder einmal mussten die Menschen ihre Lebensstrategien und Verhaltensweisen umstellen – aus Tundrajägern wurden nun Waldläufer und Fischer.

Die junge Frau war in aufrecht gehockter Haltung (Sitzbestattung) beigesetzt worden. Zwischen den Oberschenkeln hielt die Frau einen Säugling, der nicht ihr eigenes Kind war. Die fast rechteckige Grabgrube von etwa 90 cm und 55 cm Tiefe war etwa 30 cm hoch mit Rötel gefüllt. Die Skelettreste und die Beigaben waren darin eingebettet. Nur die obere Hälfte des Schädels der Frau ragte heraus. Das pulverisierte rote Mineral, das an Blut erinnern soll, ist in kultischem Zusammenhang vielfach nachweisbar, wohl als eine Wiederbelebungs-Beschwörung. In der Grube fand sich ein 30 g schweres Rötelstück mit einer angeriebenen Fläche. Ein plattiges, dreieckiges Stück aus amphibolitischem Schiefer und ein oval-rundliches Schiefergeröll hatten zum Zerreiben der Farbe gedient. Zwei zusammenpassende Schädelfragmente mit dem Geweih von Rehen und Bruchstücke von drei Unterkieferhälften könnten auf dem Kopf getragen oder an der Kleidung befestigt gewesen sein. Mehr als 100 Skelettreste von Bibern, Hirschen, Kranichen, Rehen, Wildschweinen, Ur oder Wisent sowie Panzerbruchstücke von mindestens drei Sumpfschildkröten und etwa 120 Schalenfragmente von Fluss-, Maler- und Flussperlenmuscheln stammen von Nahrungsbeigaben oder hatten rituelle Funktion. In einem Behälter aus dem Langknochen eines Kranichs lagen für die Mittelsteinzeit typische 29 kleine bearbeitete Feuersteinstücke, so genannte Mikrolithen. Es handelt sich dabei um Einsätze in Werkzeuge aus Holz, Knochen oder Geweih (so genannte Kompositgeräte). Neben weiteren Feuersteinen und Abschlägen zählen ein als Schlagstein benutztes Quarzitgeröll, eine geschliffene Flachhacke (oder ein Beil) aus schwarzem Hornblendeschiefer, eine Gerätfassung mit Schaftloch aus einem Hirschgeweihstück, vier Knochenpfrieme und eine 22,1 cm lange Knochenspitze zu den Gerätebeigaben. Der Schmuck bestand aus über 20 Schneidezähnen vom Wildschwein, Ur oder Wisent und zwei Schmuckplatten aus Wildschweinhauern. Sie waren durchlocht und als Halskette oder Schmuckanhänger an der Kleidung getragen worden. Etwa 40 Zähne vom Hirsch und Reh, Ur oder Wisent sowie vier Eberhauer bzw. deren Fragmente weisen keine Durchlochung auf.

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 Man liest u.a. in der Kleinschrift („Menschenwechsel - Jungpaläolithikum und Mesolithikum“, 2011) des Museums Halle, dass die Tote aus Bad Dürrenberg eine spirituelle Leitfigur war, davon ist Archäologe Harald Meller überzeugt: „Sicher wirkte ihre Strahlkraft auch über ihre eigene Gruppe hinaus. Die überreichen Grabbeigaben wie auch die Anlage des Grabes selbst zeugen davon, dass sie zu Lebzeiten höchstes Ansehen genoss.“ Auf einem Plateau am rechten Saale-Ufer, mit vermutlich auch damals grandioser Aussicht gen Westen, hoben die Hinterbliebenen eine achteckige Grube aus. Die verkleideten sie mit Flechtwerk und Lehm sowie einer Schicht Rötel, einem roten Farbpulver, das aus Eisenoxid gewonnen und z.B. in Südwesteuropa auch für Höhlenmalereien benutzt wurde. In diese Grabkammer wurde die Tote hineingesetzt und zwischen ihren Knie ein männlicher Säugling platziert - genetische Untersuchungen ergaben, dass sie nicht direkt, nur entfernt verwandt waren. Das Beigabeninventar umfasst steinerne Klingen, Feuersteine sowie Knochen vieler Tiere. Als wichtigster Hinweis auf den schamanistischen „Berufsstand“ der Bad Dürrenbergerin gilt das Rehgeweih, das mit einem Tierzahngehänge einen prächtigen Kopfschmuck gebildet haben muss. Ethnografische Vergleiche legen nahe, dass dieses Objekt im rituellen Kontext zu deuten ist. So berichteten russische Sibirien-Entdecker Anfang des 18. Jahrhunderts, dass tungusische Geisterbeschwörer damals noch Kopfputze dieser Art trugen. Gestorben ist die Schamanin wahrscheinlich an den Folgen einer Zahnmisshandlung: Die Schneidezähne ihres Oberkiefers wurden gewaltsam abgerieben und so die Wurzelkanäle freigelegt - womöglich geschah dies im Rahmen einer Zeremonie. An den Wurzelspitzen der eröffneten Zähne bildeten sich chronische Entzündungen, die auf andere Organe übergriffen und letztlich zu einer tödlichen Blutvergiftung führten. Noch sind die Forschungen am Skelett der Schamanin nicht abgeschlossen. Eines aber ist schon jetzt klar: Der Fund ihres Grabes führt uns in die Zeit wenige Jahrhunderte vor der Sesshaftwerdung des Menschen (Beginn in Mitteleuropa vor ca. 7.500 Jahren) zurück, als ein archaischer Geisterglaube genau darauf spezialisierte Experten hervorbrachte: Die dunkelhäutig-blauäugige Bad Dürrenbergerin war eine von ihnen.“

Widersprüchlich und verwirrend ist der Umstand, dass die Dame immer europid, jedoch mal braunhäutig mit Blondhaar, mal braunäugig mit Blondhaar oder Schwarzhaarig mit Blauauge in den Museumsschriften ins Bild gesetzt wird. Man konnte sich darüber unter Fachleuten offensichtlich nicht einig werden. Museumsleiter von Halle, Harald Meller, hasst und verachtet - in einer irren Akademiker-Attitüde - nach eigenen Aussagen, die weiße Menschheit, gegen die er massiv-unsinnige Anklagen vorträgt. Ihm ist demnach womöglich das Plädoyer für die angebliche Schwarzhäutigkeit der jägerzeitlich-urdeutschen  Dame zu verdanken. Die Frau gehört den urzeitlichen nordeuropäischen früheren Rentierjägergruppen, späteren Waldläufern an, lange vor der neolithischen Einwanderung der andersrassigen Bandkeramiker aus dem Südosten oder der Glockenbecherleute aus dem Südwesten. Ihre Gene sind bis heute im deutschen Genspektrum relevant. Unter Paläolithikum versteht man fachsprachlich die erste und längste Periode der Urgeschichte bzw. der Steinzeit, die man etwa von 600.000 bis 10.000 v.0 ansetzt.

Die ersten anatomisch modernen Europäer werden häufig als Cro-Magnon-Menschen bezeichnet, nach dem Fundort Abri de Cro-Magnon in Frankreich, wo 1868 die ersten Knochen ausgegraben wurden. Die Cro-Magnon-Menschen waren häufig über 180 cm groß und hatten einen feingliedrigen Körperbau. Der älteste Schädel eines modernen Menschen in Europa stammt aus der rumänischen Höhle Peștera cu Oase und wird als „Oase 2“ bezeichnet. Er wurde auf 40.500 Jahre datiert. Zwei Milchzähne aus der Grotta del Cavallo in Apulien wurden sogar auf ein Alter von 45.000 bis 43.000 Jahren vor heute datiert. Eine direkte Datierung von Knochenfunden aus der Fundstelle Buran-Kaya III auf der Halbinsel Krim ergab ein Alter von 31.900 +240/−220 BP. Die nächst jüngeren Fossilien aus Mladeč in Tschechien, der englischen Kent's Cavern sowie einigen französischen Fundstellen sind allesamt 32.000 bis 30.000 Jahre alt. Die dazu passende Kultur ist das Aurignacien mit den ältesten Belegen aus Höhlen der Schwäbischen Alb und der Fundstelle Willendorf II in Niederösterreich (bis zu 40.000 Jahre alt). Zur Zeit der Heilerin aus Bad Dürrenberg waren unser mittel- und norddeutschen Vorfahren längst aufgehellt, also weißhäutig mit blauen Augen.