Das Bild zeigt den felsigen Opferaltar auf dem Gipfel der gallogermanischen Hohenburg bzw. des Odilien-Berges im altdeutschen Elsass, südlich von Straßburg. Die Blutrinne weist auf den Standort der Priesterin hin, wo das rinnende Opferblut zu rituellen Zwecken in einem Kumpf aufgefangen wurde. Rechter Hand erkennt man den Steinsockel bzw. die Ablage für das Gefäß. Die Trittfläche für die Wala ist künstlich tief in den Felsblock hineingearbeitet, damit von hier aus der Opferkessel gut zu erreichen ist. Zum Heil des Landes und zu Orakelzwecken wurden Verbrecher und Kriegsgefangene hingerichtet. Die Odilie, vom Namen her die Od-Wala, die Od-Mutter wird eine altdeutsche Seherin und natürlich Opferpriesterin gewesen sein, die in kirchenchristlicher Zeit - wie das so üblich war - in eine Äbtissin und Heilige umgeformt worden ist, wozu die passenden Heiligen-Legenden dazu erfunden wurden.
 
ODILIEN-OPFER
 
Farnwedel nicken, die Elster schreit,
Blutströme rinnen aus Erdenleid.
Blut ist der Mütter Lebenssaft,
aus ihm erwacht die gedeihliche Kraft.
 
Steil ragt des Frauenbergs wuchtige Wand,
weit wandert ihr Blick ins fruchtbare Land.
Danach giert der römische Drachenwurm,
Romas Legionen planen den Sturm.
 
Auf dem Elsass-Berg, am Opferstein,
steht die Wala Odilie im Abendschein.
Die Sonne sinkt und sie gießt ihr Rot
über Bergesgipfel und Leben und Tod.
 
Die Tannen schweigen, Odilie spricht:
„Wir hielten über den Römer Gericht,
einer keltischen Maid tat er Gewalt,
so soll er denn fahren zum Orkus bald !“
 
Der Zenturio windet in Banden sich,
es bäumt sich sein Leib auf dem Opfertisch.
Starke Fäuste drücken den schwarzen Schopf
tief hinein in der Erdmutter Felsen-Topf.
 
Die Priesterinnen im schlohweißen Tuch,
singen und tanzen von Lob und Fluch.
Da, im letzten Nu von Schritt und Ton,
beißt das Flintmesser tief in die Ader schon.
 
Was dann rinnt ist gemeines Schurkenblut,
doch Schurkenblut labet die Götter gut.
Der Odilienberg birgt noch heut‘ den Altar,
steigt nur hinauf und werdet‘s gewahr !
 
 Foto: Karoline Groß
 
Die kirchenchristliche Odilien-Legende, die sich auf den Odilien-Berg südlich von Straßburg bezieht, ist mit Sicherheit ein frei erfundenes Märchen mönchischer Geschichtsfälscher. Die Odilie gehört - unter wechselnden Namen, zu dem gallo-germanischen Dreigestirn heiliger Frauen, der alten Religion. Die Kirche log es um, zu den sog. „Drei Marien“. Die altgläubige Dreifrauen-Verehrung - wahrscheinlich aus der Tradition der Matronen, Nornen, Parzen, Moiren hervorgegangen - ist vielerorts nachweisbar, so auch in Eichsel, St. Chrischona und St. Ottilien des Lörracher Stadtteils Tüllingen. Die kirchlicherseits dazu erfundenen Legenden sind vielgestaltig. Die Kirche St. Ottilien ist heute eine evangelische Kirche unter dem Patrozinium der „Heiligen Ottilie“, auf dem 405 m hohen Grat des Tüllinger Bergs, in Obertüllingen, mit gutem Blick nach Süden auf die nahe Stadt Basel. Das Kirchlein ist auf ca. 60° ONO ausgerichtet, was keine christliche Ostung war/ist. Daher müssen die Grundmauern auf einem heidnischen Vorgängerbau beruhen. Bemerkenswert ist, dass am Glockenturm keine Uhr angebracht ist. Die erste urkundliche Nennung der Stätte erfolgte zusammen mit der Siedlung Tülliken im Jahr 1113. Zu vermuten ist, dass diese Stelle bereits zu Zeiten der Kelten und Alamannen ein heiliger Ort gewesen ist. Eine kuriose christliche Geschichte wird erzählt: Die Töchter eines Ritters von Schloss Pfeffingen sollen Odilia, Chrischona und Margaretha gewesen sein. Nachdem der Vater deren Liebhaber angeblich ermordet hatte, sollen sich die drei Töchterchen auf Anhöhen rund um Basel niedergelassen haben. Während Chrischona den Dinkelberg auswählte, Margaretha sich in einer Anhöhe hinter Basel (Margarethenhügel) niederließ, baute Odilia auf der Tüllinger Höhe ihr Gotteshaus. Der Name Chrischona wird aus dem ursprünglichen Namen „Schona/Schöne“ in die „Christ-Schöne/Chrischona“ umgeformt worden sein. Leicht herauszuhören ist also die alte Wahrheit, dass die genannten Hügel im heutigen „Dreiländereck“ altheidnische Frauenberge waren. Die heilige Mutter Odilie/Ottilie wurde sowohl hier wie auf dem nicht weit entfernten „Berg des Elsass“ angerufen.