DIE SPHINX

Wenn ich der Frau ins Auge schau’,
so weiß ich dennoch nie genau
was sie ersieht -, was sie erdenkt -,
nach welchem Sinn ihr Geist sie lenkt.

Sie schaut mich an wie eine Sphinx;
und falls sie äugt mit Blicken, rings,
würd’ ich nur wenig wundern mich,
wenn sie was anderes sieht als ich.

Die Mythen-Sphinx war Typhons Kind,
aus Mutter Erdens Hof-Gesind' -;
die Sprösslinge aus dunklen Tiefen,
ans Licht das Ungeheure riefen.

Ist nicht das Weib ein Ungeheuer,
ein Element aus Wasser -, Feuer -,
das den ertränkt und den verbrennt,
der sich nicht sorglich von ihm trennt ?!

Denn wer zu tief das Weib erspürt,
den hat es schon zum Tod verführt;
und wer um Weibes Gunsten buhlt,
sich im Morast der Matrix suhlt.

So wär’ im allegorischen Sinn,
das Weib des Mannes Würgerin -;
wie einstens Sphinx die Wanderer zwang
und jeden Unklugen verschlang.

Das klingt nun wirklich zu extrem,
als metaphysisches Problem -;
die Philosophie von Religionen,
will Wahn mit Sinn vermischt betonen !

Doch anders sind die Weiber sicher -,
und klingt das Postulat auch frischer:
„Die Menschen alle sind sich gleich“,
so spielt der Satz uns einen Streich !

Sie sind nie gleich bei gleichen Rechten;
und die für gleiche Rechte fechten,
vergessen im Gedanken-Netz,
der Ungleichheit Naturgesetz !

Frauen denken nicht wie Männer,
das weiß sehr sicher jeder Kenner;
sie seh'n die Welt mit andren Augen,
die oft zur feinen Tiefschau taugen.

Das Weib -, Kokotte und Sybille,
die tiefe Stille und die Schrille,
der Born von Lust und Mutterschaft -;
das Weib bleibt einfach rätselhaft !