11.10.2022

StrettwegGöttin_1a.JPG

Keltischer Kultwagen von Strettweg (8. Jh. v.0) - Die schlanke Göttin die den Kessel der Wiedergeburt trägt, steht auf einer Rosette mit 11 Strahlen. Die 11. ODING-Rune heißt Perdo und meint die Göttin Peratha-Berta, die Helle, die ewige unschuldig Reine. (Kultwagen von Strettweg im Archäologiemuseum des Universalmuseums Joanneum im Schloss Eggenberg bei Graz, und exakte Kopie im Keltenmuseum von Hallein)

DAS GÖTTLICH-WEISSE WEIB
und sein Apfelgarten

Das größte Wunder ist das ranke weiße Weib auf Erden,
zum Bild der Göttin musst‘ die Schönheit werden.
Zum Befruchtungs-Kult-Fest ist sie aufgerichtet,
in allen Faselnächten vom Wachstums-Mond belichtet.

Sie war und bleibt das Traumziel allen hohen Sinnens,
ihr Rosenblütenleib schenkt reinster Lust Gewinnens,
der Erden-Lust vom Blutstrom-Tanz in heißen Adern;
des Nordens weiße Göttin kennt nicht Hass und Hadern.


Ihr Mädchenleib ist wie ein Apfelblüten-Schäumen,
sie rankt sich aus des Kosmos lichten Liebes-Träumen.
Der Apfelbaum und Apfel sind ihre besten Zeichen,
wenn sie sich schenkt, ist‘s wie ein Äpfel-Reichen.

So nahrhaft, rot und rund sei unser Menschenleben,
zum holden Apfelgarten geht der Seelen Streben.
Dort lockt die Anderswelt mit ihren süßen Früchten,
man hofft auf Avalon, nach mythischen Gerüchten.

Insel Abalus, im grünen Meer, mit Bernsteinstränden,
liegt in der Hyperboreer reinen Helden-Händen.
Einstmals da war‘s noch jedermann im Land bekannt,
dass Kelten und Germanen ein gleiches Blut verband.

Und ihre stein-alten, schönen Nordlands Mythen
schlugen aus gleichen Wurzeln ihre Zauber-Blüten.
Die Weiße Göttin gehörte mit hinein in die Legenden,
sie sollte weiße Kinder und Enkelkinder senden.

Im Frühling gleicht sie Birken, mit den hellen Häuten,
lieblich steh‘n weiße Schleier bis heute reinen Bräuten.
Im Herbst wird sie zur Mutter der roten Apfel-Kinder,
wohl keine Sage ist tiefsinniger und dem Volk gesünder.

Der „Kultwagen von Strettweg“ ist ein im 8./7. Jahrhundert v.0 gefertigtes Kultwägelchen aus Bronze. Er wurde 1851 in einem keltischen Fürstengrab der sog. Hallstattkultur in Strettweg bei Judenburg (vom jüd. Alpenhandel) in Österreich gefunden. Dort fand man weitere Grabbeigaben, wie Schmuck, bronzene Amphoren, Waffen aus Eisen und Zaumzeug. Im Jahr 2012 konnte im nahen Fundortbereich ein weiteres Fürstengrab gefunden werden. Der 46,2 Zentimeter hohe Wagen besteht aus einer viereckigen, darin einer runden 11 strahlig-durchbrochenen Grundplatte, mit vier Speichenrädern. Mittig auf dem Wagen steht eine etwa 32 Zentimeter hohe mädchenhaft-schlanke Göttinnengestalt, die auf erhobenen Händen eine Schale trägt, welche durch zwei scherenförmige Stützen gehalten wird. Auf der Schale ruht ein nahezu halbkugeliger Kessel, der von einem durchbrochenen Rand mit solarem doppelwirbelförmiger Randschmuck umzogen und bekrönt ist. Vor und hinter der Kesselträgerin stehen zahlreiche Figuren stehender und berittenen Menschen. Berittene und behelmte Männer tragen Schilde, Speere und Kultäxte. Voran gehen zwei Jungfrauen, mit noch unentwickelten Brüsten, die eine Hirsch-Ikone (kein echter Hirsch) am Geweih halten. Mit dem Hirsch-Idol wird der keltische Gott Kernun (lat. Cernunnos), oder „Grüner Mann“, gemeint sein. Sein Name wird als „der Gehörnte“ gedeutet, als Kultnamen des gallischen Jupiters. Er wird aus den bildlichen Darstellungen als Gott der Natur, der Tiere oder der Fruchtbarkeit interpretiert. Dahinter geht ein menschliches Paar, also Mann und Frau, mit deutlichen Geschlechtsmerkmalen. Die Frau steht vor der rechten Seite der dahinter befindlichen Göttin, der Mann zu ihrer linken. Seitlich des Paares drohen die beiden beschützend-bewaffneten Reiter. Das genau gleiche Ensemble wiederholt sich auch nach rückwärts. Die dargestellte Szene ist möglicherweise als Opferszene zu interpretieren, ganz sicher aber hat sie mit einem Fruchtbarkeitskult zu tun. Der Wagen diente naheliegend als heiliges Kultobjekt der Gläubigen, zur Aufnahme von Trankopfern aus dem Kessel bei den Fruchtbarkeitsfeiern im Frühling. Der Strettweger Opferwagen wurde im Jahre 2009 vom Römisch-Germanischen Museum in Mainz restauriert und steht im Original im Archäologiemuseum Schloss Eggenberg in Graz. Kopien sind im Museum Murtal und in Hallein bei Salzburg ausgestellt. Noch in den altdeutschen Faselnächten (Fruchtbarkeitsnächten, von faseln = fruchtbarmachen; alemannisch: „Unrecht Gut faselt nit !“ = vermehrt sich nicht), spielen die Hirschmasken und die Zahl 11 eine wesentliche Rolle. In den falschen heutigen Interpretationen wird die Zahl 11 im „närrischen“ Fasenachtsbrauchtum gern auf Eindrücke aus dem französischen Besatzungswesen der napoleonischen Zeit gedeutet, doch gilt die 11, auch für die Anzahl der Vorstandsmitglieder einer Narrenzunft, seit dem 16. Jahrhundert als Narrenzahl. Auch für viele andere deutsche Brauchtümer finden wir in den Quellen keine älteren Belege als aus dem 16. Jh., was keine Aussage darüber macht, wie alt die Traditionen in Wirklichkeit sind. Wir uralt sich die gallogermanische Zahl 11 im Zusammenhang mit der Fruchtbarkeitsmutter manifestiert, zeigt die germanische 24er-Ur-Runenreihe Oding-Futhark, in der die Zahl 11 die Göttin Peratha-Perdho vertritt, mittels ihres Kessel-Symbols (Perdo.JPG). Dem Buchstaben P wird im keltischen Ogom der Apfelbaum, zugeordnet.

Der bedeutende norwegische Keltologe und Indogermanist Carl Marstrander (1883-1965) argumentierte, dass der Name des Ogam-Buchstabens Q, quert, wahrscheinlich sogar lautlich mit dem angelsächsischen Runennamen cweor identisch sei, der wiederum mit dem Namen der germanischen P-Rune, peor und weiter mit dem Namen der gallischen Göttin Perta zusammenhängen könne. Er wies weiter darauf hin, dass die Buchstabennamen des Ogam-Alphabets, gemäß dem „Auraicept na nÉces“ (Leitfaden für die gelehrten Dichter“), sämtlich Baumnamen darstellten. Als ursprünglicher Verfasser gilt der Gelehrte Longarad, der schon im 7. Jh. mit den ersten Kapiteln begonnen haben soll. Altirisch cert ist verwandt mit dem walisischen perth, „Busch“, der „Auraicept“ erläutert es als aball, „Apfel“. Der germ. B-Laut steht für die Birke, auch altirisch beithe bedeutet „Birkenbaum“, verwandt mit dem Mittelwalisischen bedw, lateinisch betula gilt als entlehnt von dem gallischen Verwandten. So, wie es die alte Volksreligion und der Runenschöpfer verstanden, so empfinden noch heutige Menschen die Birke als weibliches Gleichnis. Ein Dichter formulierte: „Wie eine Braut im Schmucke, - Steht zwischen schwarzen Tannen - So schämig schön, jungfräulich, - Die schlanke junge Birke." (O.J. Bierbaum); ein anderer reimte: „Alles hat zur Frühlingsfeier - Schön geziert sich, wohin man schaut, - Aber die Birke in zartem Schleier - Ist die Zierlichste, ist die Braut.“ Hertha Graf schreibt in Kap. VI ihrer Lebenserinnerungen „Mit Dünawasser getauft“: „Im gedämpften Licht des Abends schimmerten die weißen Stämme seltsam unwirklich, als wären die Birken tatsächlich jene ,weißen Jungfrauen mit dem grünen, wehenden Haar’, wie sie in den lettischen Dainas [Volkslieder] und von den Dichtern besungen werden.“

Streng genommen gehört die kosmologische Vorstellung der uranfänglichen sexuellen Vereinigung von Himmel und Erde in den Bereich der „Heiligen Hochzeit“ im Frühling. Sie wird in sumerischen und babylonischen Texten als Verbindung von An-Anu (Himmel) und Ki-Uraš (Erde) bzw. Antu beschrieben.

Und wieder erscheint die 11-Zahl in den germanischen Gesängen, nämlich im „Skírnismál“, welches im 13. Jh. Snorri Sturluson in seiner „Edda“-Sammlung aufgezeichnet hat. Hier tritt der Mythus-Kern unmissverständlich zutage. Der germanische Sonnen- und Fruchtbarkeitsgott altdt. Frō bzw. altnord. Freyr erblickt von Wodin-Odins Hochsitz aus, der es erlaubt, die ganze Erde zu überschauen, die schöne Riesentochter Gerda-Gerðr; eine Personifizierung des Erdengartens, seinem natürlichen Wirkungsfeld, in das er sich augenblicklich verlieben muss. Freyrs hilfreicher Freund Skírnir wird beauftragt, um für Freyr die Riesin Gerda zu umwerben, und wird dafür mit dessen Schwert und Pferd sowie einigen Geschenken ausgestattet. Nachdem Gerðr die Geschenke Freyrs, 11 goldene Äpfel und den Ring Draupnir, abgelehnt hat, droht Skírnir ihr mit dem Zorn der Götter und einer Verfluchung mittels teuflischer Þursen-Runen, womit er ihr Irrsinn und Schande  ritzen wolle (Strophe 36). Also willigt die schöne, stolze Gerðr ein, dem Sonnenherrn zukünftig angehören zu wollen. Die burleske Göttermär bringt nichts anderes als den uralten Frühlingsmythus, der nach dem Frühlingsäquinoktium (21. März), vor Sommerbeginn, dem germ. Mai-Anfang, den kosmischen Gegebenheiten folgend, angesiedelt gewesen ist und das Vorspiel der Werbung zur „Heiligen Hochzeit“ darstellt.

Bedeutsam zu wissen ist, dass im ODING'schen Runen-Sakralkalender der B-Laut - mit der Frauenzahl 7 belehnt - im kirchlichen „Marienmond“ März, zur Frühlingsgleiche, postiert ist (wohin schon die Altgriechen ihre Weisheitsgöttin Athena stellten) und der P-Laut, der Schalen-Göttin, ebenfalls in einem „Marienmond“, nämlich zu Mitte Mai. Die griechisch-römische Göttin Maia wurde von den Kelten mit ihrer Rosmerta gleichgesetzt, welche oft mit Opferschale (patera) und Füllhorn dargestellt wurde. Auf den mutterkultischen sog. „Matronensteinen“ des Rheinlandes trägt in der Regel zumindest die mittlere - und augenscheinlich die jüngste - der drei Frauen, die Schale mit den Äpfeln. Maia war eigentlich nur eine Nymphe die vom Göttervater Zeus geschwängert wurde und darauf den Hermes/Mercurius gebar. Im griechischen Bereich gibt es keine bildlichen oder schriftlichen Hinweise auf einen Kult der Maia. Eine viel bedeutendere Göttin des antiken Pantheons gehört eigentlich in die Wonnemonat-Phase des Frühlings: die Aphrodite-Venus, welche aus religionsphenologischer Sicht nur eine Aspekt der jugendlich-bräutlichen Mutter Erde sein kann. Sie ist die griechische Göttin der Schönheit, der Liebe und der sinnlichen Begierde, mit ihren Hauptsymbolen der Nacktheit, des Apfels, der Rose, auch der Friedenstaube.

Personifizierte Wachstumskräfte: Telipinu, Dumuzi, Tammus, Adonis, Baldur

In den alten Mythenzügen des Nahen Ostens finden wir die zusätzlichen Bestätigungen. Im Sumerischen und folgendem Babylonischen gibt es die Legenden von Dumuzi oder Tammuz, einem Liebhaber der Göttin Inanna. Von den Frühgriechen ist der Kult, wohl über die semitisierten mykenischen Philister-Phönizier, als Liebesgeschichte von „Adonis und Aphrodite“, übernommen worden. Adonis ist ein Kultname für Dumuzi-Tammuz, die semitische Wortwurzel „Adon“ bedeutet „Herr“, so wie der germanische Begriff für den Sonnenherrn Frō-Freyr ebenfalls „Herr“ bedeutet. Doch dieser hatte im spätheidnisch-germ. Pantheon mehr solaren Charakter und Baldur mehr einen der Vegetationskraft (urgerm. balđraz = „leuchtender Herr, Held, Fürst“) Das bedeutet, die Gottheit ist nicht orientalisch-semitischen Ursprungs, nur weil es der Name Adon-Herr ist. Denn ein ähnliches Mythenwesen wie Tammuz-Adonis war Telipinu, ein Vegetationsgott der nichtsemitschen Hattiern, wie auch der indogermanischen Hethiter in Anatolien. Ihm wurde zugerechnet, dass er die Felder bewässern und das Korn gedeihen ließe. Als Sohn des Wettergottes vermochte er auch Donner, Blitz und Regen herbeiführen, sein Symbol war die Eiche. Der Mythus vom Verschwinden Telipinus ist in hethitischen Ritualtexten überliefert. Da heißt es, Telipinu zog sich aus Zorn zurück und verschwindet, dadurch sind Feuer, Altäre und Tiere wie gelähmt und Unfruchtbarkeit überzieht das Land. Die Sonnengöttin versammelte die Götter und schickte den Adler aus, Telipinu zu suchen. Nach zunächst erfolgloser Suche schaltete sich die Muttergöttin Hannahanna („Urgroßmutter“) ein. Das Besänftigungsopfer für Telipinu wird beschrieben: Die Muttergöttin sendet eine Biene aus, die Telipinu in einem Hain findet, der sich endlich besänftigen lässt und zurückkehrt. Telipinu hat verschiedene Gefährtinnen. In Südostanatolien wurde er zusammen mit Maliya verehrt, die eine Göttin der Gärten war, und mit Wachstum, vornehmlich von Wein und Getreide, assoziiert wurde.

Der sumerisch-babylonische Tammuz-Dumuzi galt als Gott des Überflusses, der Fülle, der Pflanzen und des Viehs. Sein Sternbild war der Orion, wie beim späteren phönizischen Gott Baal. Durch seine Ehe mit der Göttin Inanna, symbolisierte er das Ritual der „Heiligen Hochzeit“ und wurde zum „Hirten des Volkes“. Damit brachte er den König von Sumer dem Ideal des göttlichen Staates näher. Aber seine Frau Inanna erwählt ihn, nach ihrer Rückkehr von einem Aufenthalt in der Unterwelt, um sie dort zu ersetzen. Er stirbt daher und wird dann als unterirdisch-höllische Gottheit betrachtet. Sein Untergang bzw. Tod symbolisierte den Beginn des sengenden Sommers, der Dürre und der Nahrungsmittelknappheit. Seine Rückkehr stand für die Erneuerung des Lebens und das Wiederauftauchen des Überflusses. In nördlichen sonnenärmeren Regionen beginnt des Fruchtbarkeitsheros Abstieg natürlich mit der schwächer werdenden Sonnenkraft, ab Juni-Juli. Im Edda-Mythus ist es Baldur, der in einem Schießspiel zunächst den Tod findet und deshalb hinab zur Totengöttin Hel muss, bis ihm eine Wiederauferstehung im nächsten Frühling erlaubt sein darf. Astronomisch ganz folgerichtig ist der Monat „Tammus“ (akkadisch „du-muzu“) der zehnte Monat des bürgerlichen und der vierte im religiösen jüdischen Kalender. Er hat 29 Tage und fällt im gregorianischen Kalender, laut den Angaben im Weltnetz, meist in die Zeit von Juni und Juli. Die griechischen Adonien, Feste zu Ehren des Adonis, wurden an verschiedenen Orten gefeiert und mehrere Autoren aus dem antiken Griechenland erwähnten sie. Göttin griechische Aphrodite (anderswo Inanna-Astarte-Kybele) huldigte ihrem verstorbenen Geliebten ganz intensiv und stiftete/organisierte ihm zu Ehren ein Begräbnisfest, das jedes Jahr am 19. Juli von den phönizischen Frauen gefeiert wurde. Dieses Ritual bestand darin, Samen zu pflanzen und sie mit heißem Wasser zu besprühen, um ihr Wachstum zu beschleunigen. Diese Plantagen mit dem Spitznamen „Adonis-Gärten“ starben ebenfalls recht schnell ab und versinnbildlichten den Tod des schönen, vielgeliebten Jüglings. Aphrodisien war im antiken Griechenland die allgemeine Bezeichnung für ein Fest zu Ehren der Göttin Aphrodite. Die Göttin soll beim Verlust ihres Liebhabers Adonis so geweint haben, dass aus ihren Tränen duftende Adonisröschen entsprechen, die vom Blut des Adonis rot gefärbt wurden. Die Isis- und Kybele-Verehrung gelangte bis nach den röm. besetzten Gebieten Germaniens (Lothar Schwinden, „Neue Trierer Inschrift für die Mater Deum Magna. Ein Haruspex im Kult der Kybele“, 2008).

Vom paradiesischen Apfelgarten der Erd- und Sonnenmutter

Eine gemeinsame indogermanische Ursprache wird heute mindestens grob auf um 3.000 v.0 angenommen, andere Forscher gehen von 4.000 und sogar von der Datierung 7.000 v.0 aus. Die Trennung in Einzelsprachen erfolgte, nach heutiger Ansicht, wahrscheinlich um 3.500 v.0. Sie dürfte nicht lange nach der Erfindung des Rades erfolgt sein, das zum indogerm. Grundwortschatz zählt. Zu den ältesten bezeugten indogerm. Schriftdenkmäler gehören das mykenische Griechisch, das Hethitische, Luwische, Indische und Iranische. Die ersten dieser Sprach- und Schriftzeugnisse stammen aus Anatolien, es sind die Schriftzeugnisse des Hethitisch, im 17. Jh. v.0 verfasst. Die früheste Bezeugung hethitischer Wörter (išpatallu „Nachtquartier“ und išḫuil „Lohnvertrag“) in altassyrischen Texten, gehören dem 19./18. Jh. v.0 an. Schon die Demircihüyük-Kultur (ca. 3.500-2.500 v.0) kann den indogermanischen Einwanderern Anatoliens zugerechnet werden. Der Ortsname „Luwiya“ ist in althethitischer Zeit nachgewiesen. Die indogerm. Luwier siedelten in Süd- und Westanatolien. Assyrische Händler nannten die dortige einheimische Bevölkerung „nuwaʿum“, was auf den Luwier-Namen zurückgeführt werden kann. Das altanatolische Hattische ist keine indogerm. Sprache, es starb ca. 1.500 v.0 als gesprochene anatolische Sprache aus, hatte aber als Kultsprache im hethitischen Reich weiterhin große Bedeutung; sie nannten es „hattili“. Man nimmt heute an, dass die bedeutende hethitische „Sonnengöttin von Arinna“ ursprünglich hattischen Ursprungs gewesen und von den Hattiern als Eštan, mit dem Beinamen Wurunšemu (wohl „Landesmutter“), verehrt worden sei. Somit kann bei heutigem Wissensstand nicht geklärt werden, welche Anteile im Arinna-Kult hattischen Ursprunges ist, oder hethitische Ausgestaltung. Hethiter verehrten die Sonne als goldene Scheibe, wie man sie vom dänischen „Sonnenwagen von Trundholm“ kennt und sie ehrten den Sonnenhirsch als Idol, wie man ihn aus den bronzezeitlich-skandinavischen Felsbildern ebenso kennt. Kultgefäße in Hirschform dürften der Verehrung der Sonnengöttin angehören. Über die „Sonnengöttin von Arinna“ gibt es ein hattisch-hethitisches Mythenfragment vom Apfelbaum: „Ein Apfelbaum steht auf einer Quelle und ist über und über von blutroter Farbe. Es erblickte [ihn] die Sonnengöttin von Arinna, und sie bedeckte [ihn] mit ihrem glänzenden Gewand“, beschien und beschütze ihn also (KUB 28.6 Vs. I 10’-13’ = II 10’-13’). Der Topos vom „Baum und Quelle“ ist gängige Vorstellung bis in die Spätzeit des nordischen Heidentums, auch am Tempel von Alt-Uppsala in Schweden. Er verdeutlicht das Urbedürfnis des Menschen nach Speise und Trank. Die reine Quelle und der Apfel, welcher als Vorratshaltung über die früchtelosen Wintermonate das Überleben zu sichern vermochte, wurden zum Zentralbild einer paradiesischen Vorstellung. Demnach könnte der Apfelbaum dem ältesten Lebensbaum-Sinnbild entsprochen haben. Dem der Indogermanen? Apfel ist ein gemeingermanisches Wort, das deutsche Wort bildete sich über Mittelhochdeutsch apfel, Althochdeutsch apful, Urgermanisch apluz, Urindogermanisch ab(e)l. Das Wort hat im Nordwestindogermanischen, Germanischen, Keltischen, Baltischen, Slawischen in allen Formen den Apfel bezeichnet. Schon früh verbanden die Menschen mit den Äpfeln eine Symbolik des Lebens, der weiblichen Kraft und Fruchtbarkeit. Liebesgöttinnen wurden mit einem Korb voller Äpfel dargestellt. Die Nemesis, in der griechischen Mythologie die Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit, hält als ihre Attribute einen Zweig vom Apfelbaum und/oder ein Rad in der Hand. Für die Orientalen wurde die Dattelpalme der eigentliche Lebensbaum, denn von ihrer zuckerintensiven Nahrungsquelle hingen ganze Stadtkulturen ab. Das ikonographisch-standartisierte Bild der Dattelpalme, mit ihren Blattvoluten und den Fruchtstandsröllchen, wurde zum Zepterzeichen, zum orientalischen Herrscher- und zum europäischen Kaisersymbol und fand sogar seinen missverständlichen Platz im antikaiserlichen Kreuzabnahmerelief vom Agister- bzw. Externstein des Teutoburger Waldes, das von den hämischen Gregorianer-Mönchen des Paderborner Abdinghofklosters, nach Kaisers Heinrich V. verlorener „Schlacht am Welfesholz“ in Auftrag gegeben worden ist. Vom Lebensbaum-Dattelpalme haben sich zwar zahllose vorderasiatische Abbildungen, jedoch in der orientalischen Literarur leider keine Textstellen erhalten. Der hattisch-hethitische Arinna-Mythos vom „Apfelbaum an der Quelle“ dürfte der früheste Nachweis für das Denkmuster zur biblischen Paradies-Legende sein. Aber das Lied von der heiligen Hochzeit der sumerischen Göttin Inanna und dem Hirtenkönig Dumuzi deutet schon in die gleiche Richtung und beschreibt den Heiligen Gral der Erde ohne alle Umschweife als „Butterfass“, so wie der arioindische Veda das Weib mit der Metapher als „Topf“ begreift. In diesem Sinne ist jede Frau wie eine feuchte Erdkrume aus der die neue Saat emporwächst. Der hochzeitliche Wechselgesang zwischen Inanna und Dumuzi macht das archaisch-schöne Geschehen offenkundig. Inanna singt: „Mein Schoß, das Horn, das Boot des Himmels - Es ist voller Begierde wie der junge [wachstumswillige] Mond - Mein unbearbeiteter, er liegt brach - Wer wird meinen Schoß pflügen? - Wer wird meinen Acker pflügen? - Wer wird meine feuchte Erde pflügen?“ Und weiter: „Mach Deine Milch süß und dick, mein Bräutigam! - Mein Schafhirte, ich werde deine frische Milch trinken. - Wilder Stier Dumuzi, mache Deine Milch süß und dick! - Lass die Schafsmilch in meinen Pferch [kleine Einfriedung] fließen, - Fülle mein heiliges Butterfass mit süßer Sahne! - Dumuzi, ich werde deine süße Milch trinken!“ Dumuzi stimmt mit ein und erwidert: „Meine Schwester! - Ich gehe mit Dir in meinen Garten, - Ich gehe mit dir in meinen Obstgarten - Dort pflanze ich die honigsüße Saat…Deine Fülle ist meine Freude“. Das Geschlecht der Göttin wird Schoß, feuchte Erde, Acker, Boot des Himmels, Horn, Pferch und heiliges Butterfass geheißen. Und wenn der „Hirte“ mit Inanna in den „Obstgarten“ gehen will, um die „honigsüße Saat zu pflanzen“ ist es klar, dass Göttin Inanna selbst dieser Garten ist, den die germanischen Edda-Lieder „Gerðr“ = Erdgarten heißen. Alle diese jahrtausendealten Umschreibungen für den „Heiligen Gral“ erfassten und wussten die menschliche Urwahrheit tiefer und reiner als die späten, kruden hochmittelalterlich-christenkirchlichen vom „Gral mit den Blutstropfen Christi“, einer frei und frech erfundenen Erlösergestalt. Denn nur das erdhaft-himmlisch-göttliche Weib kann Mann und Menschheit vom Wahn einer weltflüchtigen Entnatürlichung erlösen !  

Zum Erfassen des kultischen Wesens der Liebesgöttinnen in alter Zeit, ist die folgende Information nicht uninteressant: Im Westen Siziliens liegt der Berg Eryx. Dort befand sich in phönizischer Zeit eine gleichnamige Siedlung der Elymer. Sie waren Teil der vorgriechischen Bevölkerung Siziliens und hatten ebenfalls einen Tempel für Astarte beziehungsweise Aphrodite oder Venus errichtet, der laut Cicero wegen seines Reichtums und seiner Tempelprostitution bekannt war. Die Längsachse des dortigen Baal-Tempels weist ungefähr nach Ostsüdosten - dorthin, wo das Sternbild Orion zur Wintersonnenwende aufgeht. Die Phönizier identifizierten Orion mit dem Gott Baal. Der Haupteingang des Baal-Tempels war nach Südsüdwesten ausgerichtet - ebenso der Tempel der Astarte. Auf dieser Achse erscheint am sommerlichen Nachthimmel der Planet Venus, mit dem die Göttin Astarte gleichgestellt war. Im Tempelinneren, in einer Nische an der Nordseite, stand vermutlich ein Bildnis der Göttin. Die sumerische Literatur bezüglich „Inannas Abstieg in die Hölle“: „Jawohl, sagten die Dämonen, wir machen weiter zum großen Apfelbaum im Kulaba-Tiefland! Sie eskortierten sie [die Inanna] so zum großen Apfelbaum des Kulaba Flachlandes! Dumuzi wurde dort bequem installiert auf einer majestätischen Plattform!“ An dieser Stelle ist der Text in einem schlechten Zustand, so dass der Rest der Geschichte schlecht zu verstehen ist. Anscheinend geht Dumuzi zum Haus seiner Schwester Geshtinanna und wird gefangen genommen, auch zur Schlange verwandelt und in die Unterwelt gebracht. Es fanden sich andere Berichte über Dumuzis Tod. Sie ermöglichen, die weitere Handlung der Geschichte zu rekonstruieren. Es scheint so, dass aus den Texten hervorgeht, dass es Dumuzi gestattet war, einstiger König von Uruk-Kulaba, dem wichtigen religiösen, kulturellen und fruchtbaren Zentrum der Sumerer, zunächst in seine alte Machtposition zurückzukehren. „Eine Quadratmeile ist die Stadt, -eine Quadratmeile Gartenland - eine Quadratmeile ist Aue, - eine halbe Quadratmeile der Tempel der Ischtar. - Drei Quadratmeilen und eine halbe, das ist Uruk. - Das sind die Maße“, so endet das Gilgamesch-Epos, einer der ältesten literarischen Texte der Menschheit, hier in der Übersetzung von Stefan Maul. Dass die Beschreibung der ersten Großstadt der Welt, in der vor ca. 5.000 Jahren etwa 50.000 Menschen lebten, im Epos stimmt, ist inzwischen durch archäologische Untersuchungen nachgewiesen worden. Nachgewiesen als Nutzpflanzen wurden Wein, Feige, Apfel, Quitte, Granatapfel und Birne sowie einige weitere Früchte, deren Namen noch nicht übersetzt werden konnten. Der sumerische Begriff „Apfelbaum“ vertritt offenbar das Bild eines paradiesischen Gartenlandes, wie man es sich im Jenseits nicht schöner für die Seelengeister vorstellen konnte. Die nahrhaft-vitaminreichen Äpfel sind auch in den Pfahlbaukulturen gefunden worden. Das Alter der ältesten Siedlungsfundstellen am Bodensee und in Oberschwaben wurden in der Jungsteinzeit um 3.900 v.0 errichtet, die jüngsten datieren in die späte Bronzezeit um 850 v.0. Die Griechen sprachen von den „Äpfeln der Hesperiden“, das waren mythische Nymphen. Ihre Zahl schwankt je nach Quelle zwischen drei, vier und sieben. Es werden unterschiedliche Wohnorte jeweils am Rande der den Griechen bekannten Erde genannt: zuerst „jenseits des Okeanos“, dann „auf dem Atlas bei den Hyperboreern, in Libyen und schließlich auf einer der Inseln im Atlantik. Die Hesperiden hüteten in einem wunderschönen Garten einen Baum mit goldenen Äpfeln, den die Erdmutter Gaia der Gottesmutter Hera zu ihrer Hochzeit mit Zeus hatte wachsen lassen. Der Baum wurde durch den mehrköpfigen Drachen Ladon bewacht. Nur Herakles war in der Lage, die Äpfel zu rauben. Durch eine List bewog er den Atlas, den Vater der Hesperiden, die Äpfel zu pflücken, die er für die Erfüllung seiner elften Arbeit benötigte, und übernahm für kurze Zeit dessen Aufgabe, das Himmelsgewölbe zu tragen. Eurystheus, dem Herakles die Äpfel übergab, gab sie weiter an die weise Athena, die sie zurück an ihren Platz legte

Im eddischen Mythus ist es die Muttergöttin Frigga die sich bemüht, ihren geliebten Son Baldur aus Hels Höllenhaft vorzeitig zu erlösen, doch der Bösewicht Loke vereitelt es (Gylf. 48). Balders Gattin Nanna stirbt während der Bestattungsfeierlichkeiten ihres Gatten an gebrochenem Herzen und wird zusammen mit ihm verbrannt. Aber eine eddische Göttin namens Idun-Iduna („die Erneuernde, die Verjüngende“) ist eine Göttin der nordischen Mythologie, welche die Jugend, die Unsterblichkeit, die ewige Jugend, die ewige Erneuerung und die Fruchtbarkeit vertritt. Idun ist die Hüterin der „Goldenen Äpfel“, die den Göttern die ewige Jugend und damit auch die Unsterblichkeit verleihen. Als Hüterin der Goldenen Äpfel ist ihr Baum der Apfelbaum. Loki beschimpft Idun in der Lokasenna als mannstoll, da sie ihre weißen Arme um den Mörder ihres Bruders lege. Von diesem Mythos ist weiter nichts in der nordischen Mythologie überliefert. Die germ. Göttin der goldenen Äpfel der Unsterblichkeit erinnert an den griechischen Mythos von den goldenen Äpfeln des Baums der Hesperiden, ist vielleicht aus der griechischen Sagenwelt entlehnt worden, falls kein gemeinsamer nordischer Ursprung die Quelle ist. Aus Irland ist eine keltische Sage überliefert, in der drei Brüder im Falkengewande die „Wunderäpfel Hisbernas“ rauben. Sie werden dabei von den Töchtern eines Königs in Adlergestalt verfolgt und entkommen nur knapp. Der germanische Mythus ähnelt im Kern dem keltischen: Als Loki von dem Riesen Thiazi geraubt wurde, wollte dieser ihn nur freilassen, wenn er ihm Idun zusammen mit ihren goldenen Äpfeln ausliefere. Als das geschah, begannen die Götter sogleich zu altern und zwangen Loki, die Geraubte aus der Gewalt des Riesen zu befreien. Loki, in das Falkengewand Freyas gekleidet, verwandelte die Gefangene in eine Nuss und brachte sie nach Asgard zurück, verfolgt von dem Riesen in Gestalt eines Adlers, dem die Flüchtenden nur um Haaresbreite entkamen. Der Unholt Thiazi wurde von den Asen-Göttern durch das Verbrennen seiner Flügel getötet.

Abalus hieß nach Plinius (NH. 37,35) die der Küste der Gutones (Goten) vorgelagerte Bernsteininsel (also Helgoland in der „Deutschen Bucht“), die Pytheas von Massillia (325 v.0) Abalus und bei Timaeus „Basileia“. In der „Naturalis Historia“ (um 77 n.0) vom Plinius heißt es: „Pytheas gibt an, ein germanisches Volk, die Gutones, wohne an einer Versumpfung des Ozeans, … eine Tagesreise von da liege die Insel ,Abalus‘; dorthin werde der Bernstein im Frühling von den Wellen getrieben und sei eigentlich eine geronnene Ausscheidung der See; die Anwohner gebrauchten ihn statt Holz zum Feuer und verkauften ihn an die benachbarten Teutonen. Timaeus stimmt ihm darin bei, nennt aber die Insel ,Basileia‘.“ Den Widerspruch dieser Mitteilung mit der Aussage in „Naturalis Historia“ (4,95), wonach Pytheas sie Basilia nenne, versuchte der germanische Mediävist Karl Müllenhoff (1818-1884) durch eine Conjektur eandem Pytheas (Abalum, Timaeus) Basiliam nominal zu beseitigen. Bei Xenophon von Lampsacus fand sich nach Plinius (NH. 4,95) die Namenform Balcia, wofür bei Solin. (19, 6) Abalcia gelesen wird. Manche Autoren beziehen die Namen Abalus und Basileia auf Helgoland. Der britische Geistliche und Historiker Geoffrey of Monmouth (um 100-1154) nennt Avalon in seiner „Historia Regum Britanniae“ (1135) auf lateinisch „Insula Avallonis“. In seiner 1150 verfassten „Vita Merlini“ wird der Ort „Insula Pomorum“ („Apfelinsel“) genannt. Avalon kommt von kymrisch abal („Apfel“) oder aball („Apfelbaum“), mittelkymrisch afallach, neuwalisisch afal, auch afall. Weitere Schreibweisen sind „Ynis Avalach“ und „Ynys yr Afallon“ (Insel Afallon). Anzunehmen ist auch ein Einfluss durch die irischen Legenden um „Manannán mac Lir“ und „Lugh“ (keltische Lichtgottheit), wo der Ort „Emain Ablach“ (von ablach „Äpfel besitzend“) heißt, was gleichzeitig in der altirischen Mythlogie ein Name für die Isle of Man war, siehe auch Immram Brain („Brans Seefahrt“). Die keltisch-indogerm. Wortwurzel ist abal „Apfel“; siehe auch die Stadt Avallon in Burgund. Der Arthurssage nach, später der Gralsgeschichte nach war Avalon der Aufenthaltsort König Arthurs nach seiner Verwundung. Nach dem franz. Autor Chrétien de Troyes (um 1140-1190) soll die Heilerin Morgan le Fay ihren Halbbruder auf der Insel Avalon gepflegt und geheilt haben. In der „Vita Merlini“ wird Morgan als die älteste von neun Schwestern genannt, die Avallon regieren. Das mythenumrankte Avalon wurde zur „Anderswelt“ aus der keltischen Mythologie, Wohnort vieler geheimnisvoller Wesen wie Naturgeistern oder Magiern. Sie liegt neben der Welt des Menschen in Hügeln oder Inseln versteckt. Den Legenden zufolge errichteten die Kelten auf der sagenhaften Insel Avalon eine Druiden-Akademie. Dort sollten Auserwählte in mystische Geheimnisse eingeweiht werden. Außerdem bereiteten sich Tote für die Wiedergeburt vor. Die Anderswelt war der Brunnen der Seele, des Geistes und der Unsterblichkeit.

Schauen wir die vorgelegten Quellenbelege zusammen, drängt sich die Erkenntnis auf, dass uralte Vorstellungen über ein von Menschenhand angelegtes Obst-, genauer Apfelgarten-Paradies die Sehnsüchte und Hoffnungen erweckte, so möge es auch auf verklärten, fernen Trauminseln und sogar in den jenseitigen Gefilde einer guten Gottheit sein. Die Mythen malten den griechischen „Garten der Hesperiden“, mit seinen goldenen Äpfeln, sie malten sich die „goldenen Äpfel der Unsterblichkeit“ aus, welche die germanische Göttin Idun hütet und sie malten die Idee vom biblischen Paradiesgarten, mit dem Apfelbaum der Erkenntnis. Wenn es um Gärten, um Äpfel und Glücksvisionen geht, muss ein weiblicher Zauber, muss eine Göttin ihre Hand im Spiel haben, weil das begehrenswerte Weib dem Manne selbst als schönster Garten der Lüste und allen irdischen Glückes gilt, wie ebenso der Fruchtbaum - in seinen drei Erscheinungsformen - ein sinnreiches Gleichnis für die fruchtschenkende Fau ist. Demeter galt den Griechen als Muttergöttin, zuständig für Fruchtbarkeit der Erde, des Getreides, der Saat und der Jahreszeiten. Sie tritt in drei Erscheinungsformen auf: als knospende Jungfrau, als Braut im Blütenschmuck und als Mutter im Fruchtstand, oder als die Frühlingsbraut, die fruchttragende Mutter und blattlos-dürre Greisin. Den Baum mit den goldenen Hesperiden-Äpfel ließ Erdmutter Gaia für Göttermutter Hera hat wachsen lassen. Und die von den Jahweisten redigierte Bibelgeschichte vom „Garten Eden“ und der Eva sah ursprünglich ganz anders aus. Der latinisierte Name Eva geht auf aramäisch chawwa(h), „die ins Leben Rufende“, „die lebendig Machende“ und chiwja „Schlange“ zurück bzw. sumerisch ama, akkadisch awa „Mutter“. Sie war die altvorderasiatische mythologische Urschlange und Lebensmutter. Im eddischen Lied von Skírnir wird die umworbene Erde altnord. Gerðr, also ahd. Gerda geheißen, die „die Umzäunte“, die Göttin des Erdgartens. Der Sonnenherr lässt ihr durch den Brautwerber Skirnir die Herrschaftsinsignien Ring, Apfel und Stab (Szepter) antragen. Mit Gerðr-Gerda wird im Lied ein Kultnamen der Gottheit Nerthus benutzt, die der röm. Autor C. Tacitus in seiner „Germania“ Kap. 40 als Nerthus und „Terra Mater“ (lat. Mutter Erde) vorstellt, die im Altnordischen Nerðr hieße und im Neudeutschen Nerda, die Nährende. Der eigentliche Name der Erdgöttin lautet „Jörð/Jörd“, sie ist Mutter des Donnergottes Thor/Donar. 

Auch aus den Legenden von Avalon, dem entrückten nordischen Jenseits-Paradies, schimmert im Grunde das verschwommene Antlitz der Göttin hervor. Die keltisch-germanische „Anderswelt“ eine andere Welt, die parallel zur Ich-Welt unserer materiellen Orientiertheit existiert. In ihren Sphären leben mystische Kreaturen, Seelengestalten, hinter magischen Nebeln auf Inseln, auf Bergen, in Schluchten und weiten Wiesen; kein körperlich Lebender vermag es genau zu erklären, aber ausnahmsweise können an besonderen Tagen besondere Menschen dorthin gelangen. Die drei Mütter der rheinländischen „Matronen-Altäre“ erklären sich aus der Keltengöttin Morrígan, die als Trio beschrieben wurde; alle Schwestern, hat man „die drei Morrígna“ genannt. Morrigan (altirisch mór „groß“, rígan „Königin“, also „Große Königin“) ist die große Gestaltenwandlerin; sie kann dem Menschen in vielerlei „Verkleidungen“ entgegentreten: Raben, Krähen, Schlangen, rote Kühe, Feen. In der Gleichstellung mit der irischen Göttin Anu verkörpert sie sowohl eine schöne junge Frau als auch eine hässliche Alte, in beiden Aspekten verkörpert sie das Ur-Weibliche. „Morgaine Le Fay“ ist die Halbschwester von König Artus und später seine erbitterte Feindin. Wie Morrigan, so ist auch Morgaine als Herrin vom See, welche die entrückte Insel Avalon bewacht, eng mit dem Element Wasser eng verwoben. Wassergeister heißen in Britannien bis heute „Morgans“. „Morgaine Le Fay“ besitzt, genau wie die Göttin Morrigan, zwei Schwestern. Sie ist die wichtige weibliche Figur in der Mythologie um König Artus, der Artussage, in der vom magischen „Kessel“, dem „Heilige Gral“, vom König mit seinen Rittern, sowie Merlin, dem Magier, Barden und Seher, sowie dem entrückte Apfel-Paradies Avalon, berichtet wird. Den Kessel in seiner realen Gestalt führt sowohl der „Kultwagen von Strettweg“ vor, wie auch der aus dem Fund aus dem dänischen Gundestrup, aus sog. La-Tène-Zeit (ca. 8.-3. Jh. v.0). Er besteht aus dreizehn Silberplatten (13 meint zahlenmystisch „Schritt über die Schwelle“), auf denen sich keltische Götter, auch ein Wiederbelebungszauber, abgebildet finden. Ein gefallener Krieger wird von einem Gott (?) in einen Kessel getaucht und dadurch wieder zum Leben erweckt. Dies könnte sich auf die irische Legende von „Brans Kessel“ beziehen, in der sein magischer Trank Krieger wiederbelebte. Die keltischen Kessel stehen nicht allein. Bekannt ist der aus einem Steinkammergrab von Acholshausen gefundene bronzene Kesselwagen aus Bronze; etwa 1.000 v.0. (im Mainfränkischen Mus. Würzburg). Der „Kultwagen von Peckatel“, bei Schwerin, war eine Grabbeigabe aus der Nordischen älteren Bronzezeit von um 1.300 v.0. (Archäolog. Landesmus. Mecklenburg-Vorpommern). Fragmente eines ähnlichen Kesselwagens wurden auf einem Hügel bei Friesack/Brandenburg gefunden. Man liest: „Die Wagen werden mit dem von Tacitus beschriebenen Nerthus-Kult der germanischen Mythologie in Zusammenhang gesetzt.“). Es gibt weiter den Kessel-Kultwagen von Skallerup aus Nordjütland. Und den eindeutig germanischen „Kessel von Muschau“ (tschech. Mušov), Südmähren, aus einem markomannischen Königsgrab (2. Jh. n.0), dessen Griffe aus vier Gussköpfen germanischer Männer bestehen, die einen Suebenknoten tragen.

Den Kessel-Funden nach zu urteilen, begann der Kesselkult im Zuge der Urnenfelderbewegung (ca. 1.300-750 v.0), der sich die Hallstattkultur (800-450 v.0) und dann die Latènezeit (450 v.0 bis 0) anschlossen. Die Urnenfelderleute folgten neuen religiösen Impulsen, die sie, von zentraleuropäischen sowie nördlicheren Bezirken aufbrechend, auf weite Wanderungen führten, bis auf den Peleponnes, Anatolien, Kreta, Zypern, Palästina ins Vorland des Pharaonenreiches. In dieser Phase, im ersten Jahrtausend vor heutiger Zeitrechnung, ist das Iren-Volk, vom europäischen Festland kommend, auf die Insel gelangt. Die Iren bezeichnen die „Túatha dé Danann“ als das Volk der irisch-keltischen Mythologie welches diese Landnahme bzw. Invasion in mehreren Schüben erfolgreich vollzog. Übersetzt bedeutet ihr Name „Volk“ oder „Stamm der Göttin Danu“. Beim Begriff „Túatha“, von der indogerm. Wortwurzel teuta, trug die Bedeutung „Volk, Leute“, es handelt es sich um das gleiche Wort wie germanisch Þeudā, althochdeutsch diota, neuhochdeutsch Volk. Der keltische Gott Teutates wird als eigentlicher Stammesgott, der „Touto-tati-s“ (Vater des Stammes/Volkes) beschrieben. Am Vorabend des späteren Beltane-Festes (Mai u. Sommerbeginn), landete das Volk der Göttin Danu mit seinen Schiffen an der Küste Irlands. Sie kamen aus dem Norden der Welt wo sie in vier Städten Weisheit und Magie erlernt hatten. Angeführt von König Nuada gingen sie am Berg Sliabh-an-Iarinn im County Leitrim an Land und verbrannten ihre Schiffe, sobald sie diese verlassen hatten, um niemals wieder dorthin zurück zu segeln, woher sie gekommen waren. Drei Tage lang verdeckte der von den Schiffen aufsteigende schwarze Rauch den Himmel, sodass die Einheimischen, das Volk der „Fir Bolgs“, ihre Ankunft nicht bemerkten. Erst als die Sicht wieder klar wurde, zogen die Einheimischen in die Schlacht gegen König Nuada und seine Krieger. Doch die „Fir Bolgs“ verloren den Kampf gegen die hochgewachsenen, blonden, kampfestüchtigen Ankömmlinge. Tausende von ihnen fielen in der „Schlacht von Mag Tuired“, aber König Nuada verlor einen Arm. Auch die missgestalteten, wilden Fomorii/Fomorianer mussten im weiteren Verlauf geschlagen werden. Bei dieser Schlacht tat sich Lugh, der Sonnengott der Danann-Volkes, als siegreicher Held hervor, der seine Feinde in die Flucht schlug. Nach ihm ist die Keltenstadt Lugdunum („Festung des Lug“) im Südosten Galliens benannt. So etwa beschreibt es das „Lebor Gabála Érenn“ (Buch von der Einnahme Irlands) aus dem 11. Jh.

In der keltisch-walisische Sagenwelt ist Cerridwen die zaubertüchtige Muttergöttin, Mondgöttin, Erdgöttin, der Ernte, des Getreides, kurzum, aller Fruchtbarkeit. Sie gilt als Machthaberin der Wiederbelebung, der Erleuchtung, des Zaubers, der Gestirnskunde, des Kräuterwissens, der Dichtkunst und jeglicher Weisheit; sie ist Göttin des Todes und der Wiedergeburt. Ihr Kessel bringt auf magische Weise Nahrung für Körper, Geist und Seele hervor, wenn man den nur der Göttin bekannten Zauberspruch aufsagt. Mehrere Überlieferungen thematisieren ihren magisch-mächtigen Trank „Greal“, den sie in ihrem Kessel aus sieben geheimen Kräutern anzurühren vermag. Er bringt Wohlstandsfülle, Weisheit und Schöpferkraft, so ähnlich wie es die germ. Edda vom Kessel mit dem Óðrœrir, dem Odrörir-Met („Geist/Seele-An-/Aufrührer“) berichtet. Die Riesentochter Gunnlöd ist in der nordischen Mythologie die Mutter der Skaldenkunst, der Dichtkunst und als solche Hüterin des Kessels mit dem „Skaldenmet Odrörir“ im Inneren eines Berges. Das phantastische Gebräu soll aus dem Blut des allwissenden Wesens Kwasir entstanden sein (Hávamál 104-110). Wer davon trinkt, wird alsbald von poetischer Eingebung erfüllt, kann singen und dichten, er beherrscht meisterlich Poesie und Saga-Prosa. Wir sehen, wie sich keltische und germanische Mythenbilder im tiefsten Grunde gleichen.

Entnatürlichung des Gral-Sinnbildes durch den Christismus

Der keltischen Göttin Kesseltrank wird „Greal“ geheißen, das klingt wie „Gral“, ein Wort aus dem Vulgärlatein bzw. dem Altfranzösischen grazal und graal für Trinkgefäß, Schüssel, Mörser, wie im Altspanischen grial, Altportugiesischen gral. Es wurden zusätzliche Herleitungen von „sang real“ (Blut des Königs), oder „le Saing-réal“ (das wirkliche Blut) geltend gemacht. Wie wir hörten, ist das geistig-sinnlich anregende Wundergetränk namens Odrörir aus dem mit Honig vermischten Blut des getöteten weisen Kvasir geschaffen worden, der wiederum aus dem Speichel der nordischen Götter erwuchs (Hávamál 104-110), Gylf. 49, Ynglingasaga 4). Eigentlich ist Kvasir die Bezeichnung für einen aus Beeren gewonnenen, vergorenen Saft, der im Norwegisch kvase und im Russischen kvas heißt. Die Bekanntheit des Zaubersaftes der Weisheit reicht bis in die indogermanischen Gemeinsamkeiten. Wir finden solch ein Getränk namens „Soma“ (Mond-Seelen-Milch, Mond-Kessel) des mit Donar-Thor vergleichbaren Gottes Indra in der Rigveda-Mythologie. Im Sanskrit heißt er „Soma“, im Persisch-Avestischen „Haoma“. Er wurde in altindischen und alteranischen Texten als Rauschtrank der Götter beschrieben und als das bei Opferungen benutzte Ritualgetränk. In der synkretistisch-kirchenchristlichen Aneignungsphase wurde der gallogermanische Gralsmythos auf den Kunstgott „Jeshua-Jesus-Christos“ umgedichtet; aus Kvasir wurde Kristus bzw. Christus. Die uns Heutigen fassbare Legende um den „Heiligen Gral“ erschien im 12. Jh. in mehreren ausgeschmückten Formen der Artus-Sage. König Artus (walisisch Arthur) Herrschaftsgebiet wurde in Britannien verstanden. Seit spätem 9. Jh. überlieferten britische Chroniken eine erfolgreiche Teilnahme des Königs in den Abwehrkämpfen gegen die dort ums Jahr 500 eifrig vordringenden Angeln, Jüten und Nordwestsachsen. Seit dem 12. Jh. wurde diese Artus-Saga in der höfischen Literatur des kirchenchristlich dominierten Europa ausgeschmückt und in ihre klassische Form hochstilisiert. Ob Artus ein reales historisches Vorbild hatte, bleibt ungewiss. Verschiedene Versionen der Legende kreisen um den Gral, dem wundertätigen Gefäß, das mit dem christlich-heiligen Abendmahl in Verbindung gebracht wurde, sowie um die christlich-tugendhaften Ritter, die nach diesem Gral suchen, um damit eine christenkirchliche offerierte Erlösung zu finden; also eine allzu deutlich-kirchlich redigierte Propagandathematik. Aus dem Wunderkessel altheidnischer Weisheiten erfand man die Legende vom Gefäß, mit dem Josef von Arimathäa das Blut Jesu, während dessen Hinrichtung - zu welcher Gelegenheit ? - aufgefangen haben soll. Im hochmittelalterlichen Gralsmythos vermischten sich Missionsstücke des Kirchenchristianismus mit Selbstverständnissen des christianisierten Feudaladels, sowie Bilder aus kirchenchristlicher Liturgie, wie dem Hostienkelch und dem ausufernden Reliquienkult, beispielsweise der „Heiligen Lanze“, die auch als Odins Speer Gungnir (altnord. „Schwankender“) erinnerlich bleiben musste (siehe heidnisch-fränkische Grabstele von Niederdollendorf, ca. 7. Jh.) -, also archetypischen Vorbildern und mündlichen Überlieferungen keltischer, germanischer, vielleicht auch orientalischer Herkunft.

Der von jeder Naturwahrheit meilenweit entfernt sich entfaltende Christenglauben wurde in seiner prägenden Frühzeit von hebräischen Männerköpfen ausgedacht, welche ihrem „Jüdischen Gesetz“, also der Thora, bedingungslos verbunden waren und deshalb als erstes Standbein ihrer Religion, neben dem zweiten, nämlich dem Evangelien-Standbein, erhalten bleiben sollte. Der fanatische, verschlagene, erfolgreiche Rabbiner Schaul-Paulus aus Tarsos stellte dazu die fragwürdigen Weichen (1. Kor. 9,19ff; Röm. 2,25; Röm. 3,1; Röm. 3,31). Auch der von ihnen in den Mittelpunt ihrer neuen Judensekte gestellte galiläische Zimmerman Jeshua-Jesus hatte es - nach ihrem Bekunden - ausgesprochen, er sei nicht gekommen, das „Gesetz“ aufzulösen (Matthäus 5/l7 - Johannes 4/22). So wie der Mosaismus bzw. Jahwe-Kult die alte Muttergöttin, mithin das Weiblich-Göttliche, abgeschafft hatte, so sollte es auch im Christianismus (der treffsichere Begriff wäre Christismus) ohne weibliche Vertretung bei den anbetungswürdigen hohen Mächten gehen, mit „Vater, Sohn und Heiligergeist“ wollte man auskommen. Das biedere Glaubensvolk war es, dem das nicht gefiel und  den vorchristlichen Mutterkult zurückverlangte, worauf der Klerus zähneknirschend den „Marienkult“, aus einer hebräischen Dienstmagd, der „Magd des Herren“, konstruierte und einführte. Die allernatürlichste menschliche Urerkenntnis, dass das Weib, berechtigt erhöht in Gestalt der lebensschenkenden Göttin, selbst als der Kessel zu verstehen ist, durfte keine Gültigkeit mehr haben, denn es ging den Christismus-Konstrukteuren um geistig-geistliche Macht, die in ganz reale mönchische Macht umgemünzt werden konnte und ja dann auch tatsächlich historischen Ausdruck fand, in den gewaltig-gewalttätigen Aneignungs- bzw. Beraubungsaktionen gegenüber nichtchristlich-paganen Herrschaften, im Zuge von Christianisierungen der betroffenen Völker und Nationen.  Der Veda (Satapatha Brahmana VII. 5,2) sagt es geradeaus: „Wahrlich, der Mutterleib ist wie ein Topf.“ Um vom naturgegebenen Lebenskessel des Mutterbauches, in dem die Lebenssuppe der Ewigen Selbsterhaltung reifgekocht wird, wegzukommen und damit das Natürlichheilige des Weibes vergessen zu machen, dachten sich die klösterlichen Fälschungs- und Täuschungsstrategen des Christismus das widerliche Märchen vom Kelch mit Blutstropfen eines Sterbenden aus, des sog. „Christi“.

Nach diesem Verständnis steht der „weibliche Kessel der Fruchtbarkeit“, des Grals, im schärften Gegensatz und Widerstreit mit der „männlichen Lanze“ und dem Todes-Kreuzzeichen, auch wenn der Geistspeer Wodan-Wodins ein heidnisches Sinnzeichen für den alles durchdringenden männlichen Logos darstellt. Der „heilige Longinus“ war nach dem apokryphen „Nikodemus-Evangelium“ (und „Legenda aurea“) der römische Centurio, also Offizier, welcher dem am Kreuz hängenden Jesus seinen Speer in die Seite gestochen haben soll, wodurch das profane Mordwerkzeug, geheiligt durch den legendären Sachverhalt, als heilwirksame „Heilige Lanze“ Verehrung fand. So wie die Lanze in der christistischen Männerreligion geheiligt wurde, wurde auch das römische Folter- und Tötungs-Kreuz in einem phantastischen Rausch freier Assoziationen zum Heils-Symbol, zur Weltstützen-Säule, ja zum „Baum des Lebens“ hochstilisiert. Der wodinische Geistspeer fand im altheidnischen Glaubenskonzept seine entschärfende Einbettung durch die gleichbedeutende Präsenz der geglaubten göttlich-weiblichen Heilkraftmächte, doch die christenkirchliche Einseitigeit ihrer männerreligiösen Übermacht, zerstörte die alte Ausgewogenheit und führte geradewegs in das christistische Zeitalter einer heillosen, aber von der Papst-Kirche geheilgten, bluttriefenden Intoleranz -, was vor Häretikern, Ketzern und Heidenvölkern, vornehmlich die Frauen, als erbarmungslos verteufelte Hexen, zu spüren bekamen.

Nachwort zum „Göttlich-Weißen Weib“

In der Mythologie und der Religionsphänomenologie wird zumeist - dem Tag-Nacht-Schema folgend - alles Lichte dem Göttlichen und das Dunkle dem Abgründigen zugeordnet. Dieser Regel wird natürlich auch in den Bezeichnungen von Göttinnen und Göttern gern Ausdruck gegeben. Baldur, altgerm. balđraz, altnord. baldr, ahd. Balder, Palter war der anmutigste, nordische Gott der Schönheit, des Lichtes, des Frühlings, der Fruchtbarkeit, des Guten und der Gerechtigkeit. In Britannien führen die Stammtafeln von Bernicia und Wessex einen „Bældæg“ („heller Tag“) als Wodans Sohn auf. Aus der indogerm. Vorsilbe bhel- (= glänzend, weiß, glänzen) bzw. der Vorsilbe bhõ- (= glänzen, leuchten, scheinen) entstanden über die germ. Vorsilben bala-, balla, balaz, ballaz, altgerm. Vornamen, wie z. B. Balas, Balan, Balamber, eben auch den des Balder/Baldur. Im eddischen „Gylfaginning“ (Gylfis Täuschung) 22 wird er beschrieben: „…Odins anderer Sohn ist Baldur. Von ihm ist nur Gutes zu sagen, er ist der Beste und wird von allen gelobt. Er ist so schön von Antlitz und so glänzend, dass ein Schein von ihm ausgeht. Ein Kraut ist so licht, dass es mit Baldurs Augenbrauen verglichen wird, es ist das lichteste aller Kräuter. [Gänseblümchen und andere weiße Korbblütler werden als heilige Pflanzen Baldurs angesehen und werden „Baldurs Braue“ genannt. Den Isländern gilt die Strandkamille dafür.] Davon magst du auf die Schönheit seines Haars und Leibes schließen. Er ist der weiseste, wortklügste und mildeste aller Asen. Er hat die Eigenschaft, dass niemand seine Urteile schelten kann. Er bewohnt im Himmel die Stätte, welche Breidablick [Breitglanz] heißt. Da wird nichts Unreines geduldet, wie gesagt wird…“. Als Baldur starb und zur Hel hinab musste, versuchten ihn die Asengötter wieder zurück zu holen. Nach dem „Gylfaginning“ wollte dies nur das Riesenweib „Thöck“ (Dock, Dunkel) nicht, das in einer Höhle hockte; das soll der verkleidete Götterfeind Loki gewesen sein. Baldurs mythologischer Tod und Feuerbestattung geschehen zur Sommersonnenwende, dem ca. 21.06., wenn die Sonnenkraft nachzulassen beginnt. Die aus dem Heidentum kommenden jährlichen „Johannisfeuer“ dieser Tage nannte man in Schweden „Balder's Balar“ (Balder-Feuer). Balder ist daraus erkennbar, als Jahreszeitengott zu verstehen und aus dem indogerm. Göttersöhne-Mythos zu begreifen. Gemeinsam mit Hödur, seinem blinden Bruder, kommt er aus dem Dioskuren-Mythos, der germ. Alken (mit ihrer Algiz-Rune-ODING-Nr. 10).

Von der nordischen Birkengöttin kündet in Bad-Bertrich die Inschrift der gallogerm. „Dea Verkana“ (Birkengöttin), aus den 2./3. Jh.. Im eddischen Skaldskaparmal (46, 12) ist die weißhäutige Birke ein Kennwort für Frau. Snorri Sturluson beschreibt die nordische Göttin Freyja (Gylfaginning 23, 34) als groß und schön, als wichtigste, schönste der Göttinnen. Dem Göttinnen-Namen aus den vielen Berichten der deutschen Sagenkunde, der Bechta, Bertha, Perchta, Peratha, liegen sämtlich der semantische Begriffskern „hell-glänzend“, zugrunde, wie beim Wort für die Birke, unserem ältesten Laubbaum des Nordens. Im kirchlichen „Muttergottesmonat März“ zeigte der ODING-Runenkalender Jahrhunderte vor der Christianisierung die Birkengöttin zur Tag-Nacht-Gleiche (23.03.) unter ihrer 7-Zahl. Auch die Griechen stellten ihre Göttin Athene in die Frühlingsgleiche. Die Quellen beschreiben Athenes ernste, majestätische Haltung, ihre großen blauen Augen, ihr blondes Haar. Sie galt als die „vernünftigste“ der Göttinnen des altgriechischen Pantheons. Die Römer verehrten sie unter dem Namen Minerva. Durch Diodor von Sizilien ist überliefert, dass der keltische Kriegsherr Brennos, der im frühen 4. Jh. v.0 nach Rom vorstieß, lachte, weil die Griechen den Göttern eine menschliche Gestalt zugemutet und sie in Holz und Stein hergestellt hatten. Ähnliche berichtete C. Tacitus im 1. Jh. n.0 von den Germanen. Andererseits berichtet Pompeius Trogus im 1.Jh. v.0 über eine Belagerung Massilias im 5. Jh. v.0 durch mehrere keltische Stämme, deren gemeinsames Oberhaupt König Catumarandus gewesen ist. Dieser König träumte von einer Göttin, die ihn bat, die Belagerung aufzuheben und Frieden zu schließen. Er wurde in die Stadt eingelassen und begab sich in das Heiligtum. Dort sah er eine Statue der Göttin Athene, deren Abbild dem Aussehen der Frau in seinen Träumen entsprach. Er beschenkte sie mit einer goldenen Halskette und löste die Belagerung auf. Er hat nicht gelacht, als er die menschlich gestaltete Abbildung dieser Göttin sah. Sie muss ihn in ihrer nordischen Schönheit überzeut haben. Ob man auch bei der sumerisch-babylonischen Göttin Inanna/Ishtar, die man zuweilen als „Urbild der Athene“ bezeichnet, blaue Augen vermuten darf?, wohl eher nicht, jedenfalls gehören als Kennzeichen zu der schlanken erotisch attraktiven Göttin u.a. eulenartige Vögel und der leuchtend blaue, hellblaue, azurblaue, grünblaue Edelstein Lapislazuli, mit dem die Sumerer mitunter die Augen ihrer Figurinen schmückten, was jedoch auf die bewundernde Kenntnis nordischer Blauaugen hinweisen könnte. Bei den hethitischen Göttinnen, wie der „Sonnengöttin von Arinna“, ließen sich schon eher Blauaugen vermuten, denn die Hethiter waren Westindogermanen die aus Europa nach Anatolien ausgewandert waren und dort die uns unbekannte Kultur der Hattier überlagerten.

Aphrodite wurde von den alten Griechen als Göttin der Schönheit, der Liebe und der Lust verehrt. Die Römer gaben ihr den Namen Venus. Homer (z.B. Ilias 3,84, Odyssee 19,54) und Hesiod („Werke u. Tage“, 65) sprechen von einer „goldenen Aphrodite“, worunter man sich nur eine blonde Schönheit denken kann. „Sie soll die schönste aller Göttin gewesen sein. Sie hatte blondes Haar das häufig zu einer Hochsteckfrisur frisiert war, ihr Mund war sinnlich geformt und rot“, liest man in einer Arbeit über „Die griechische Mythologie - Die Götter des Olymp“, S. 17. Der Aphrodite entspricht völlig die germ. Freya, die Göttin der Liebe, der Sinnlichkeit, der Sonne, der Schönheit und der Fruchtbarkeit. Freya ist wohl die bekannteste Göttin der germanischen bzw. der nordeuropäischen Völker. Nach ihr fand der röm. „Dies Veneris“, der Freitag, seine Benennung. Brigid-Birgid-Bridget, die keltische Himmelskönigin, die weise Tochter des guten Gottes Dagda, hat viele Namen; man könnte sie mit der klugen Athene vergleichen. In allen Bezeichnungen der Brigid schwingt das Leuchtende, das Helle, das Licht mit. Ihr Grundwort steckt auch im englischen Wort für „strahlend-hell“ = „bright“. Sie hatte zwei Schwestern, die ebenfalls Brigid hießen, was uns, als Kenner der „Matronensteine“ nicht erstaunt. Zusammen waren sie das tiefsinnige Symbol für die mütterlich-göttliche Dreifaltigkeit. Sie wurden die „Drei Mütter“ oder die „Drei gesegneten Herrinnen Britanniens“ genannt.

Die große keltische Kessel-Mutter war Cerridwen. Sie wird als Mutter von drei Kindern beschrieben, darunter das wunderschönsten Mädchens der Welt namens „Greirwy“. Das altirische und walisische Wort „cerdd“ bedeutet „weiß“, daher wird Cerridwen oft auch als weißhaarige Göttin verstanden. Ich gedenke des lesenswerten Buches von Robert Ranke-Graves, dem Mythenforscher. „The White Goddess“ erschien im Original 1948. Seine Schlussprognosen, dass die zukünftige Religion des Westens die Wiederbelebung des Glaubens an die „Weiße Göttin“ sein müsse, war und bin ich unbedingt zu teilen bereit. Die keltischen Eroberer der irischen Insel brachten den Glauben an die „Drei Brigitten“ mit nach Irland. Dort gab es bei Kildare ein Feuerheiligtum dieser dreigesichtigen Göttin, das die Einführung des irisch-gemilderten Christismus überdauerte. Aus den drei Brigitten wurde schließlich eine „Heilige Brigid“, zu deren Ehren man an der Stelle des alten Heiligtums ein Nonnenkloster errichtete, in dem, aus Heidenzeiten bis zum 12. Jh., weiterhin ein „Ewiges Feuer“ brannte. Ähnlich wie Cerridwen klingt der Name der röm. Göttin Ceres, deren fruchttragende schöne Statue im Pariser Louvre zu sehen ist. Die lateinischen Verben crescere = wachsen, creare = erschaffen, erklären ihren Charakter. Das Bild der Ceres vermischte sich in der Zeit bis zum 6. Jh. v.0 mit dem der griechischen Demeter. Als Attribute trug sie meist die Fackel, eine Schlage und einen Ährenkranz auf ihrem Haupt.

Étaín, Edain, Aideen, Etaoin oder Adaon sind die variierenden Namen einer - laut keltischer Mythologie - Nachfahrin des nordischen Danu-Volkes (Túatha Dé Danann) und die Hauptperson der Erzählung „Tochmarc Étaíne“ (Das Werben um Étaín). Der Sprachforscher T.F. O'Rahilly (1883-1953) hielt sie für eine alte Sonnengöttin. Sie trägt manchmal den Beinamen Echraide („Reiterin“) und hat damit Verbindung zur walisischen Rhiannon und zur festlandgallischen Göttin Epona, der Pferdeherrin. Möglicherweise galt sie in der Frühzeit als Lenkerin des Sonnenwagens ? Als sie nach einigen Verkörperungen als Mensch wiedergeboren wurde, heiratete sie schließlich Eochaid Airem, einen Hochkönig von Irland, der sie als „schönstes Mädchen in Irland“ so beschreibt: „Jedes ihrer Augen war blau wie die Hyazinthe, ihre Lippen verlockend rot, zart und weiß ihre Schultern. Ebenso zart, weich und weiß ihre Handgelenke, weiß auch ihre langen Finger, deren Nägel schön und rosa waren. Weich, weiß und zart waren ihre Schenkel, rund, klein, fest und weiß ihre Knie. Die Knöchel waren gerade, die Füße schmal und schaumweiß. … Sie war das schönste und lieblichste Mädchen, das je ein Männerauge gesehen hatte, …. (Helmut Birkhan, „Nachantike Keltenrezeption“, 200).