Am isländischen Hvalfjörður
 
Wal-Verarbeitungsfabrik am Wal-Fjord,
13. Juni 1985, um Mitternacht
 
WALFANG
 
„Seefahrt tut not !“, war allzeit Pflicht,
jedoch der Walfang tut es nicht !
Er war für Island lebenswichtig,
doch heute ist er nicht mehr richtig.
 
Walfang erscheint mir wie ein Mord,
auch hier an Islands Wal-Fjord.
Die Uhrzeit war schon mitternächtig,
trotzdem war das Licht noch prächtig.
 
Ein Finnwal-Weibchen wurd‘ geschleppt,
sodann begann das Schlacht-Konzept.
Das ging perfekt, in größter Eile,
man schnitt das Tier in Streifen-Teile.
 
Und warf des Wals zerstückten Speck,
durch Luken auf dem Arbeits-Deck,
hinunter zu der Kessel-Stätte -,
dort kocht' man aus, des Wales Fette.
 
Das Ganze ist ein Trauer-Spiel,
wie solch ein schönes Tier zerfiel.
Ein jeden Tierfreund muss es schmerzen;
wird der Mensch das Meer ausmerzen ?
 
Bald lag der Wal als Wal-Skelett,
aus Kellern dampf‘ gekochtes Fett,
noch schillerten des Blutes Lachen,  
schon war man fix am Reinemachen.
 
So morden Menschen gnadenlos,
Profit-Gier macht die Jäger groß.
Das ist der Menschheit Haupt-Verhängnis
und Urgrund aller Welt-Bedrängnis.
 
Wer schwächer ist der wird gejagt,
wird ausgebeutet und geplagt,
ob Mitmensch oder Tier-Geschwister,
steh‘n in der Killer Ziel-Register.
 
 
Der Hvalfjörður (Walfjord) liegt an der isländischen Südwestküste etwas nördlich von der isländischen Hauptstadt Reykjavík. Dort wurden bis in die 80er Jahre Wale verarbeitet. Der Fjord hatte im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit eine sehr hohe Bedeutung für Süd- und Westisland sowohl als Handelsplatz als auch als Fischereizentrum. Es gibt eine isländische Volkssage, die den Namen erklärt: Einige Kilometer hinter dem Ende des Fjords liegt der Hvalvatn. Es wird erzählt, in diesen See habe ein zauberkundiger Priester einen bösartigen Wal gelockt und daher rühre der Name des Fjords. Der Wasserfall Glymur (zu dt. Hall) führt seinen Namen auf dasselbe Ereignis zurück. Habe doch der Wal beim Hinaufklettern in den See über den Wasserfall fürchterliche Laute von sich gegeben. Die Geschichte hat auch ein alternatives Ende, in welchem der bösartige Wal ganz hinten im Fjord wegen der Zauberei des Priesters strandete. Der Wal wurde zur Halbinsel.
 
Die große Walfangsaison Islands ist zwar beendet, doch immer noch eingeschränkt im Gange. Der aus den Schloten der Fabrik aufsteigende Dampf kündete einstmals schon von weitem von den Aktivitäten der Walfänger. Zwei Finnwale waren die Tagesausbeute an einem Fangtag. Finnwale sind mit einer Länge von bis zu 25 Meter die zweitgrößten Tiere der Erde. Innerhalb von rund 30 Stunden müssen die Wale nach der Harpunierung geschlachtet werden. Als ich am 13. Juni 1985 vor Ort war begann die Verarbeitung von zwei großen Finnwalen gegen 22 Uhr, trotzdem war es bis Mitternacht so hell, dass die Verarbeitung auf dem Schlachtplatz des Fabrikgeländes ohne künstliches Licht auskam. Die Wale werden vom Fangschiff her über eine ins Meer führende Betonrampe heran- und hochgezogen. Die Zerlegung geschieht mittels großer sichelförmiger Messer an langen Stangen. Es ist ein trauriges Bild wie diese riesigen Säugetiere mit Schnelligkeit skelettiert auf dem Platz liegen. Die Walspeckstücke wirft man in Bodenluken wohl in die unterirdischen Kesselanlagen, wo der Tran herausgekocht wird. Die Verarbeitung erscheint dem Zuschauer barbarisch und archaisch. Wegen der Größe der Beute findet die Hauptverarbeitung unter freiem Himmel unter Einsatz von Haken, Spateln und riesigen Sägen statt. So gleicht dieses blutige Handwerk nicht der diskreten industrialisierten Massenabschlachtung mitteleuropäischer Großschlachthöfe. Bestimmt berührt das Schauspiel deswegen den Betrachter so belastend, da der Mord- bzw. der Mordopferzerlegungsprozess noch für den Beschauer erlebbar ist und nicht zu einer annonymisierten Produktkette in die Ferne rückte, von der wir in der Moderne nichts wissen und sehen. Wenn das Fleisch fertig abgepackt im Supermarkt liegt, ist das Grauen des Weges bis dorthin verblasst. Die Umweltschutzorganisation WWF schätzt, dass es ca. noch 40.000 Exemplare weltweit gibt. Island ist eines der Länder denen von der „Internationalen Walfangkommission“ (IWC) eine begrenzte Fangquote zugestanden wird. In der Saison 2010 wurden in Island je 200 Finn- und Zwergwale zum Abschuss freigegeben. 2009 tötete Island 81 Zwerg- und 126 Finnwale. Trotz des seit 1986 geltenden Walfangverbots werden laut WWF weltweit bis zu 2.000 Großwale pro Jahr erlegt.