KINDERSEELENGEIST
 
Ich bin ein armer Kindergeist,
kenn’ keine Heimat, bin verwaist,
ich irre ziellos durch das All -;
bin meiner Eltern Sündenfall.
 
Es war mir nicht erlaubt zu werden,
ein frohes Menschenkind auf Erden,
ich weiß kein Leben und kein Lieben,
ich wurd’ als Fötus abgetrieben.
 
Ganz vage hab’ ich ein Vermuten,
von heißen, guten Mutterfluten;
ich lag in einem weichen Raum,
und hört’ ein zartes Pochen kaum.
 
Doch grauenhaft des Traumes Rest,
ich wurde jäh hinaus gepresst,
mit einem Schmerz ging es vorbei,
mein Ende war ein langer Schrei.
 
Viel’ Geister wirren um mich her,
die Wiegen bleiben drunten leer;
ein ganzes Volk gibt sich den Rest
und feiert es als Freiheits-Fest.
 
Ich bin, wie meine Geistgeschwister,
ein Opfer schlimmer Wert-Register,
weil Menschen frei am wählen sind,
ob Auto, Urlaub -, oder Kind.
 
Ein Wahnsinn überzieht das Land,
die geile Jagd nach totem Tand;
der einzige Wert, des Lebens Pracht,
der wird vom Zeitgeist ausgelacht.
 
Das Gut das sich von selbst vermehrt,
des Volkes Blut wird nicht geehrt -;
man schafft und häufelt ohne Scham,
wertlosen, toten Klimperkram.
 
Ein Plunder der nach kurzer Frist,
verbraucht, verpönt, vergammelt ist,
wird als erstrebenswert geglaubt,
drum ward das Leben mir geraubt.
 
Die Todes-Torheit wird gepriesen,
des Lebens Sinn sei das Genießen -;
doch nur die Wahrheit kann uns heben:
des Lebens Zweck ist Leben geben !
 
Die Abtriebskinderseelen rings,
sind alles deutsche schlechterdings,
kein anderes Volk ist derart toll,
woanders steh’n die Wiegen voll !
 
So greift die gleiche Todeshand,
die mich aus meiner Mutter wand,
nach meinem ganzen Artenstamm,
und wirft die Zukunft in den Schlamm.
 
Ich bin ja nur ein Blatt im Sturm,
ein abgewürgter Seeelenwurm,
doch hält man Torheit nicht im Zaum,
stirbt baldigen Tags der ganze Baum !