DER ALTE INDIANER
 
Über die Savanne streicht ein Wind,
der alte Indianer mit seinem Kind,
heimatlos, ruhelos reiten sie hin,
sie suchen vergeblich verloren Sinn.
 
Die Sippe erloschen am Wounded-Knee,
wo Mutter gellend im Sterben schrie,
wo der Soldat mit dem Pferdegebiss,
ihren schwarzen Skalp vom Schädel riss.
 
Und den Vater traf, als er Feuer rieb,
ein wuchtiger englischer Kolbenhieb.
Bajonette knirschten im Baby-Gebein,
Wimmern erlosch unter Huah-Schrei‘n.
 
Längst verweht sind Bitten der Squaw,
als an den Weißdornbüschen geschah,
dass junge Geschöpfe in Frauennot,
geschändet wurden vor ihrem Tod.
 
Dem alten Indianer auf müdem Pferd,
ist keine Erinn‘rung bedenkenswert.
Er legt seine Hand auf den kleinen Kopf,
streicht seines Enkelkinds Nackenzopf:
 
„Was hat für uns Manitu auserseh’n,
wer könnte der Götter Urteil versteh’n,
ziellos sind wir, wie streichender Wind,
wenn unsere Völker erloschen sind.“
 
Worterklärungen: „Savanne“ = Steppe bzw. baumlose Gras- und Krautlandschaft, - „Wounded-Knee“ = Stätte des Indianer-Massenmords der US-Armee, - „Skalp“ = Kopfhautschwarte die als Siegestrophäe abgezogen wurde. Indianer und amerikanische Grenzsiedler skalpierten ihre Opfer. Einige Regierungen der englischen Kolonien in Nordamerika setzten Skalpprämien aus, um das Töten von Indianern zu fördern. Die Skalpe sollten als Beweis für den Tod eines Indianers dienen. - „Squaw“ = Bezeichnung der indianischen Frau,  - „Huah/ Hooah / Hooya/ Hooyah“ = Kampfruf von US-Soldaten, wahrscheinlich abgeleitet vom deutschen „Hurrah“, - Manitu = indianischer Gottes-Begriff.
 
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Verbrechen an den Indianern
 
 
1972, wenige Tage vor den US-Präsidentschaftswahlen, wanderten 1.500 Indianer der südlichen und westlichen Reservationen und Ghettos nach Washington, um konkrete Vorschläge zur Verbesserung ihrer Lage vorzulegen. Vernon Bellekourt, ein Angehöriger der Sioux-Oglala sagte: «Die größte Armut in den Vereinigten Staaten herrscht unter den Indianern. 85 Prozent leben in unzulänglichen, ständig weiter verfallenden Häusern. Die Arbeitslosenziffer beträgt 47 Prozent, die Lebenserwartung 42 Jahre».

Die Indianer besaßen im Jahre 1887 135 Millionen Morgen Land. Ihre Forderung war die Rückgabe von wenigstens 55 Millionen Morgen Land. Weiterhin verlangten sie von Washington die Bestätigung von 371 mit den Indianern während der letzten 200 Jahre abgeschlossene - aber nicht eingehaltene - Verträge. Die Regierung versprach den Indianern zu helfen, jedoch wurden 113.000 Dollar für indianische Schulen gestrichen. Im März 1973 drangen 200 Indianer im Morgengrauen in Wounded Knee ein und verbarrikadierten sich in einer kleinen Kirche und in fünf Häusern. Diese Aktion erregte großes Aufsehen in der ganzen Welt. Zur gleichen Zeit überreichten der Sioux-Häuptlinge bei der UNO einen Protest gegen die Unterdrückung ihres Volkes. Nicht einmal ihre Stammessprache wurde ihnen in den Reservationsschulen gelehrt.

Die Indianer waren mehr als früher entschlossen, um die Rechte ihres Volkes zu kämpfen. Wounded Knee wurde nicht zufällig als der Ort der Demonstration gewählt. Hier waren über 300 Sioux, die meisten waren Frauen und Kinder, in dem Massaker von 1890 ermordet worden. Jeder Widerstand der Sioux schien damals für alle Zeiten gebrochen zu sein. Aber im März 1973 erhoben sich die Stämme und machten auf sich aufmerksam.

Die Polizei hatte Wounded Knee mit Panzerfahrzeugen umstellt. Ihr Befehl lautete: Aushungern ! Die Behörden täuschten Nachgeben vor, aber die Soldaten schossen auf alles, was sich in Wounded Knee bewegte. Dies war Ausdruck ihrer Wut, da die Sioux auf Erfüllung ihrer Forderungen bestanden. Sie hatten sich mit 11 Geiseln verschanzt. In New York, vor dem UNO-Gebäude, demonstrierten Vertreter der Stämme der Sioux, Cherokee, Navaho und Winnebago zur gleichen Zeit. Die Besetzung dauerte 71 Tage. Am 8. Mai kapitulierten die Protestler, nachdem der besonders in den Nachtstunden vorgenommene Beschuss durch ein Großaufgebot von FBI-Agenten und Nationalgarde am 26. April 1973 zum Tod des Oglala Lakota Buddy Lamont durch einen Scharfschützen geführt hatte. Es gab weitere Opfer während der Aktion und etwa sechzig Tote in den Jahren danach. Nach dem Ende der Besetzung wurden viele der AIM-Aktivisten (American Indian Movement) und deren Unterstützer angeklagt und vielfach zu Haftstrafen verurteilt. -- In Sachen Volksmord haben die USA durchaus traditionelle Übung !