WEISHEITS-BRUNNEN

Tief im Weisheitsbrunnen-Grunde,
liegt der Wahrheit schönste Perle,
doch die ganze schwere Kunde
ist nur Kost für ganze Kerle.

Leichte Lügen sind zu finden,
überall im Staub der Gassen,
wo sich giftige Schlangen winden,
die nach Tölpel-Fingern fassen.

Falsches ist der Fraß der Vielen,
unerfahren, schwachen Sinnes,
die mit flachen Murmel-Spielen,
freuen sich des Kleingewinnes.

In der Tiefe schlummern Schätze,
wer sie sucht muss danach graben,
achtet nicht der Gegensätze,
drunter harren Wahrheits-Gaben.

Gleichnishaft sind uns die Bronnen,
Sinnbilder der Weisheits-Lehren.
Kommt ihr klarer Trank geronnen,
mag ihn Herz und Hirn begehren.

Aus dem Sinnbild wurde Wahres,
Brunnen fanden sich in Sachsen,
daraus hob man lehrhaft Bares,
dass uns bessere Bilder wachsen.

Funde unserer Steinzeit-Ahnen,
die aus Brunnen wir gewahren,
können jetzt die Wahrheit bahnen,
von vor siebentausend Jahren.
 
Foto: Altscherbitz bei Leipzig, ältester Brunnen der Welt und ältester Holzbau Europas - Alter: 7.000 Jahre

Funde aus Brunnen der Jungsteinzeit in Sachsen haben unsere Vorstellungen von den fernen Zeiten grundlegend korrigiert. Bezeichnenderweise lautete der Ausstellungstitel des Museums Leipzig, mit dem diese neolithischen Grabungsergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt wurden: „Funde, die es nicht geben dürfte“. Es fand sich beispielsweise ein Krug mit aus Birkenrinde aufgeklebten germanischen Runen-Schriftzeichen des späteren Buchstabens
„z“ -.

Die herrlichen Exponate stammen aus sechs bandkeramischen Brunnen. Dazu führt der Informationstext des Dresdener „Landesamtes für Archäologie Sachsen“ aus: „Die Funde aus Rinde, Bast, Fasern und Holz bestechen nicht nur durch ihren exzellenten Erhaltungszustand sondern auch durch die hohe Kunstfertigkeit, mit der sie hergestellt wurden. Praktische Taschen aus Bast, zierliche Rindenschachteln, feste Seile und fantasievoll dekorierte Gefäße, zeigen deutlich, dass unsere Vorfahren nicht nur hervorragende Handwerker waren, sondern auch einen ausgeprägten Sinn für Schönes hatten. Ja, es findet sich sogar die erste Verwendung von Porzellanerde (Kaolin) zum Zweck der Verschönerung von Keramikgefäßen - über 7.000 Jahre vor Böttgers Erfindung. Und nicht zuletzt blicken wir mit den hölzernen Brunnenkästen auf die ältesten Holzbauwerke Europas; in Blockbauweise und bester Zimmermannsarbeit ausgeführt, hat sich diese Technik bis heute kaum geändert.“ Das Holz des Kückhovener Brunnens wurde auf das Jahr 5.089 v.0 datiert. Zum Brunnenbau von Leipzig-Plaußig gehörte eine Siedlung von ca. 30 Häusern. Bei diesem Brunnenkasten handelt es sich um das zunächst älteste Holzbauwerk der Welt. Die dendrochronologische Datierung der verwendeten Eichen ergab, dass sie im Winterhalbjahr 5.259/58 v.0 gefällt und bald darauf verarbeitet wurden.