OSTARA

Es liegt in den Lüften ein Singen
und ein Rot wie von Mädchenlippen
will aus dem Morgen schwingen,
mit Fingern an Pforten tippen.

Die Göttin winkt ihr Erbarmen,
Winters Vermögen zu schmälern,
im großen verliebten Umarmen
tanzt sie den Schnee aus den Tälern.

Die Birken beginnen zu grünen,
sie wiegen die schlanken Gestalten;
auf blauen, himmlischen Bühnen,
obsiegen die linden Gewalten.

Und der Wanderer sieht über Auen,
bestaunt die erwachenden Fluren,
weit wird sein Herz im Beschauen,
es sputen sich Adern und Uhren.

Das ist die Zeit der Verkündung,
die Wonnen woll’n wieder werden,
die Frühe atmet die Lande jung,
Ostara geht über die Erden.

 
Aurora ist die lateinische Bezeichnung der oftmals personifizierten Morgenröte des Ostens. In lat. Werken erscheint der Name Aurora auch an Stelle der griechischen Göttin Eos. Diese ist Schwester des Sonnengottes Helios/Sol und der Mondgöttin Selene/Luna. In den arioindischen Texten des Verda heißt die vielbesungene Göttin der Morgenröte Uschas. Täglich fährt sie auf einem reichgeschmückten, von weißen Rossen oder Rindern gezogenen Wagen daher, sie erweckt alle Wesen und schafft überall neues Leben. Der gelehrte Beda Venerabilis (673-735) berichtete von den ursprünglich norddeutschen Angelsachsen, denen die Göttin Eostrae und ihr Monat Eosturmonath (April, ahd. ôstarmânôt) bekannt war. Die Ostara erscheint als die germanische Entsprechung zur Auroa/Eos/Uschas.

Bild von dem russischen Maler Boris Olshanskiy