DRACHENKÄMPFER
 
Das Sonnenhirschlein erklettert das Jahr,
die Winterschlange ward es gewahr,
in des Ostermondes Frühjahrszeit
stehn beide Gegner zum Kampf bereit.
 
Des Frohsinns Herr, der göttliche Frō,
stellt Beli, den Beller, grad’ ebenso,
und schlägt mit seinem Lichtgeweih,
des Winter-Thursens Macht entzwei.
 
Ob bellender Riese, ob Drachenwurm,
ob eisiger, fauchender Wintersturm,
Gleichnisse sind’s für die dunkle Macht,
die jährlich Hunger und Frost gebracht.
 
Und immer geht’s um der Erde Besitz,
mit jeglichen Waffen, Wagnis und Witz.
So lautet des Mythos uralter Kern,
sei er auch bronze- und steinzeitfern.
 
Der sonnige Held ist froh und jung,
ihn trägt zum Sieg der Sonnenschwung,
er überwindet den alten Dämon,
 er stößt den Winter von seinem Thron.  
 
Jegliche Schlangen- und Drachen-Mär,      
beschreibt den Jahrlauf so ungefähr,
oder abgewandelt, den irdischen Feind,
indem man den Sonnenfeind ebenso meint.
 
So ist jeder Apoll ein Gleichnis im Licht,
aus dem die kosmische Wahrheit spricht.
Und der hörnerne Siegfried lebt auch in dir,
ergreifst du der Sonne reines Panier !
 
Der altdeutsche Sonnengott war „Fō“ (daher „Frohsinn“) , was „Herr“ bedeutet“. Er besitzt im eddischen Mythos ein Hirschgeweih als Waffe, mit der er den Unhold „Beli“ niederschlägt. Die Sonne konnte bei den Indogermanen auch als Hirsch-Metapher geschaut werden. Dies ist aus den skandinavischen Felsbildern der Bronzezeit und der hethitischen Sakralkunst abzulesen. Diesen legendären Kämpfen liegt in der Regel der Jahreszeiten-Mythos zugrunde. Unter verschiedenen Namen treten in den diversen Kulturkreisen die Sonnenheroen zum siegreichen frühjährlichen Kampf gegen die Wintertitanen an. Sie alle kämpfen in den Mären und Sagas gegen Schlangenungeheuer, Drachen oder Riesen, die das Unholde darstellen, was sich für den Menschen ausdrückt in der Winterdunkelheit, der Lichtarmut, der Kälte des Hungers und des Todes.
 
Bild von dem russischen Maler Boris Olshansky