„Die wilde Jagd“, Gemälde von Peter Nicolai Arbo, 1872
 
„DIE WILDE JAGD“
(In der Jul-Zeit)
 
Nun runenring-reisende Rater habt acht,
da ihr weilt in der jährlichen Mitternacht.
Nie gären die Geister erwachter und wilder,
die Argen so arg und die Ahnen nie milder.

Schwach strich die Sonne, säumig, versehrt,
der Zeitmeister Mond ist müde verzehrt.
Es stehen die Stunden, es rastet das Rad,
hier endet erschöpft des Jahrganges Pfad.


MITTERNACHT - MÜTTERNACHT,
 
der Geister-, Gespenster-Umgang erwacht.
Julzeit ist Spukzeit,
weit dehnt sich die drohende Dunkelheit.

Jetzt tanzen die Trolle,
Schattenseelen entsteigen der Scholle;
sie streben zu Sternen,
durch alle finsteren Nähen und Fernen.

Sie schweifen geschwind,
sie jagen mit Wodin, dem Jäger, im Wind;
sein Ring und sein Speer,
die schimmern voran seinem Wütigen Heer.

In Raunacht und Regen,
da sendet er jungen Saaten den Segen.
Meidet Schande wie Schuld,
so gibt auch Frau Gode Hilfe und Huld.

Es ziehet ihr Zug,
wie Leuchtkäfer-Schwärmen und Immenflug;
mit Heimchen und Holden,
der fleißigen Frauen Werk zu vergolden.

Den Tross ihrer Toten,
den Göttin und Gott zur Fahrt aufgeboten,
den wollen wir ehren;
seine Rechte zu richten, nimmer verwehren.

Und die dumpfen Dämonen
Soll'n uns im saeligen Schutze verschonen.
Drum sei unsre Spende
für die Seelen der Ahnen zu Winters Wende.

Auf dem Seelen-Tisch
liegt der Brotzopf zur Zehrung so zauberisch.
Nehmt davon Besitz,
ein Zeichen der Minne nach Menschenwitz.

Gelöst ist der Bann,
die Schutzgeisterschemen ziehen heran.
Asen, Alben und Alfen,
die uns im Unheil erhielten und halfen,

den Fylgjen und Disen
dürfen wir danken, sie seien gepriesen.
All die guten Gewalten,
die sich aus Nächten der Weihe entfalten,

zu Nutz und zu Frommen,
sie tragen das Große, das glühende Kommen.
Das Licht ist geboren,
gewiß ist kein Leben für immer verloren.

Aus finsterster Frist
erfüllt sich, was heißeste Hoffnung uns ist.
Das sei Bürge und Bote,
der treueste Trost für Lebend'ge und Tote:

„Auch wir kehren zurück !“
war einstmals der Julzeiten jubelndes Glück.
So raunt es im Ring,
das reden die Ahnen im Urrunen-Thing.

Aus dem Jul-Runen-Heil
schlingen sich Schlange und Seelenseil.
In Erzmutters Nacht,
des Schicksals Gewebe, sie webet es sacht,
und der TAG ist entfacht !
 
PS: Die altgermanische Julzeit war eine Spanne - beginnend Mitte/Ende November mit dem Stieropfer ,  bis Mitte Januar (Mitwinter) mit den Fro-Spielen -  von zwei Monaten, in deren Mitte die sog. Mütternacht zur Wintersonnenwende gefeiert wurde. Danach ist der Tag  (Tag-Rune) entfacht d.h. der Jahrgang nimmt seinen Lauf.