DER ODAL-RABE
 
Ich reiste als Rabe über den Fjord,
in meinem schwarzen Federkleid,
wie liebt‘ ich diesen Ort im Nord',
lang, lang vor jeder heut‘gen Zeit.
 
Mir ist als hätt‘ dereinst mein Flug,
mich um den Erdkreis rund geführt,
als hätt‘ ich damals Zug um Zug,
die Weisheit aller Welt erspürt.
 
Gedanken-Kraft - Erinnerung,
von einst und jetzt und irgendwann,
in meinem Raben-Flügelschlag
so zauberhaft zusammen-rann.
 
Die Hugin- und die Munin-Kraft,
war sie bei Gott, war sie bei mir ?
Des Heiles ganze Wissenschaft
kreiste im grenzenlosen „Wir“ !
 
Und Kreis für Kreis mein Leben flog,
in Schlingen reiht sich Sein an Sein,
ob sich's voran, ob rückwärts bog,
die gleiche Seele bleibt doch mein.
 
Der Odal-Rabe ist mein „Ich“,
das unzerstörbar lebt und schwebt,
mit immer neuem Flügelstrich
am Kleid der Ewigkeiten webt.
 
Abb. 2 - Raben-Fibel von Uppåkra (bei Lund) mit Odal-Schlingen
 
WODINS GEFIEDERTE HILFSGEISTER
 
„Hugin“ (Denken) und „Munin“ (Erinnern) sind in der germanischen Gotteslehre die beiden Attribut-Raben des Geist- und Seelengottes Wodin-Odin. Auf vielen Goldbrakteaten (germ. Mittelalter-Amulette) ist der Wodin-Kopf abgebildet mit seinem gefiederten Hilfsgeist oder den beiden Attribut-Raben „Hugin“ und „Munin“. Die Odal-Raben-Fibel (Abb. 2) stammt aus Uppåkra, dem eisenzeitlichen altgläubigen Tempel- und Kultzentrum Altschwedens in Schonen, das vor dem nicht weit entfernten christlichen Lund liegt. Lund wurde bewusst als christliche Alternative gegründet. Der Dom zu Lund wurde ab 1080/1103 als Bischofskirche errichtet und ist damit der älteste Dom Skandinaviens.
 
Uppåkra war der wichtige Kultplatz Skånes (Schonen), das damals nicht zu Svitjod (Schweden) gehörte, sondern Königssitz eines frühen schonischen Reiches war. Der Ort Uppåkra nahm eine Fläche von etwa 0,66 km² ein und bestand aus zirka 30 bis 40 Höfen mit einer Halle, Wohn- und Vorratsgebäuden, Werkstatthäusern und Ställen, was den Ort zu Reichtumszentrum macht. Bei dem Langhaus in Uppåkra (Größe: 13 m Länge / 6,5 m Breite), das etwa 200 n.0 gebaut wurde, handelt es sich um die ein­zieg er­hal­te­ne vor­christ­li­che Tem­pel­an­la­ge in Nord­eu­ro­pa. Hier fand man 120 Goldfigürchen, die zwischen 400- 800 n.0 hergestellt worden sind. Auch weitere wertvolle Funde zeugen von Reichtum und Macht der dortigen heidnischen Geschlechter. Bei Ausgrabungen im heidnischen Uppåkra sind mehrere tausend Gegenstände zutage gekommen. Es handelt sich um Beschläge, Münzen, ein Silberkelch, Schmuck, Fibeln, Goldgubber (Goldmännchen) usw.. Der Großteil des Materials gehört in die Epochen von der germ. Eisen- bis zur Wikingerzeit. Die kultischen Funde wie die Rabenfibel mit den Seelenschlingen und eine Figur Odins deuten auf die religiöse Funktion des Ortes hin.
 
DAS GENIE UNTER DEN VÖGELN
 
Rabenvögel gelten als besonders intelligent: Sie lernen schnell, benutzen Werkzeuge zielgerichtet - und begreifen auch versteckte Zusammenhänge. Deutsche Forscher haben erkannt, dass sich im Gehirn von Raben ähnliche Muster wie bei Primaten abspielen, wenn sie schwierige Entscheidungen treffen. Wissenschaftler um Lena Veit und Andreas Nieder von der Universität Tübingen haben die Raben Bilderrätsel machen lassen: Den Tieren wurde auf einem Bildschirm ein Bild gezeigt. Anschließend wurden ihnen zwei verschiedene Bilder vorgehalten, eines davon hatten sie gerade eben schon gesehen. Je nach Aufgabe mussten sie mit dem Schnabel entweder auf das zuvor eingeprägte Bild zeigen - oder genau auf das andere. Trafen sie die richtige Entscheidung, gab es Futter zur Belohnung. Nach einer Trainingsphase lag die Trefferquote bei annähernd hundert Prozent. „Das erfordert höchste Konzentration und eine geistige Flexibilität, die bei Weitem nicht alle Tierarten aufbringen können und die selbst für Menschen eine Herausforderung ist“. Außerdem stellten die Wissenschaftler fest, dass je nach Aufgabe andere Nervenzellen im Vogelgehirn aktiv waren, je nachdem, ob die Raben das zuvor eingeprägte Bild oder das andere auswählen sollten. Dies sei eine verblüffende Ähnlichkeit zu Primaten. Raben können Gesichter erkennen und identifizieren so zum Beispiel noch fünf Jahre nach einer Fangaktion „böse“ Menschen. Auch Raben, die das Ganze nur beobachtet hatten, hatten später Angst vor diesen Gesichtern. Sie geben sogar ihr Wissen weiter. Unbeteiligten Raben berichten sie, vor wem die sich in Acht nehmen müssen. Raben leben lebenslang mit dem gleichen Partner zusammen. Jedes Jahr zieht das Paar zwei bis fünf Junge heran, um die sie sich fürsorglich kümmern. Die Eltern sind stets in der Nähe, füttern und verteidigen ihren Nachwuchs. Raben scheinen sogar einen sechsten Sinn für schwache und kranke Tiere zu haben. Landwirte haben beobachtet: Tage bevor bei einem Nutztier eine Lungenentzündung oder eine Durchfallerkrankung diagnostiziert wird, wird es schon von Raben gepiesackt. So gesehen, könnte der Vogel auch eine Hilfe bei der Nutztierhaltung sein, betont der Zoologe und Raben-Experte Hans-Dieter Wallschläger von der Universität Potsdam. Unter den gefiederten Genies sind die Rabenvögel Spitzenreiter. Kolkraben können sogar sprechen, wenn ihnen einzelne Sätze lange genug vorgesprochen werden. Auch der Dialekt ihres Lehrmeisters ist dann noch zu erkennen. Den Sinn der menschlichen Worte verstehen Raben natürlich nicht. Noch nicht - zumindest wurde dies noch nicht nachgewiesen.