...in der Gallo-Germanica
Volksmütter-Kultaltar von Nettersheim - mit Edda, 1988
 
DER MÜTTERKULT
 
Welch‘ segensvolle, gute Zeit,
als man noch an die Mütter glaubte,
als noch kein strenger Bibel-Gott,
erbarmungslose Rache schnaubte.
 
Die linden Mütter der Natur,
die Frauenwesen von den Quellen,
die Liebe, Wuchs und Fruchtbarkeit
gewährten in der Zeiten Wellen,
 
Da waren Hardt und Hain und Feld,
von heil‘gen Stimmen fein durchwoben,
die Torheit war noch unbekannt,
es gäb‘ nur einen Gott dort droben.
 
Der Fluch der Männer-Religion,
mit Glaubenszwang und Zehn-Geboten,
bedrängte noch kein freies Hirn
und Mutter Hel nahm auf die Toten.
 
Die Mütter waren und sie werden sein,
das Drei-Gestirn in Ewigkeiten,
so lange Liebe durch die Herzen zieht,
den Müttern Heimstatt zu bereiten.
 
Die Eifel-Gemeinde Nettersheim im Kreis Euskirchen / Nordrhein-Westfalen. Auf der nahen Görresburg befand sich ein Tempelbezirk in dem die Volksmütter („Matronen“), u.a. die Mutter Aufaniae verehrt wurden. Eine röm. Fernstraße Trier-Köln durchquerte die Gemeinde Nachdem sie einige hundert Meter westlich des „Grünen Pützes“ die Urft überquert hatte, verlief sie durch das Eichtertal – hier kann man Überreste der Trasse besichtigen – nach Schmidtheim, um sich bei den „Heidenköpfen“ (Dahlemer Wald) mit der anderen über den Steinrütsch geführten Trasse zu vereinigen. Empfehlenswert ist das Buch von Sophi Lange „Wo Göttinnen das Land beschützten“.
 
Liebevolle Huldigungen am Matronen-Stein
 
Der gallogermanische Mütterkult
 
Der germanische oder gallo-germanische Mütter-Kult ist bereits im 1. Jh. v.0 nachweisbar. Von der Bedeutung und Funktion der kimbrischen Priesterinnen berichtete der röm. Historiker Strabo (7,294). Der norddeutsch-suebische Volksführer Ariowist (? - 54 v.0) überschritt um das Jahr 71 v. 0 mit einem Gefolge von ca. 15.000 Mann den Oberrhein, um in Gallien den keltischen Sequanern und Arvernen zu Hilfe zu kommen, gegen die sich vom perfiden Rom abhängig gemachten Haeduer. Ariowist, mit seinen Germanen, huldigte dem Mütterkult, denn er befragte bei wichtigen Entscheidungen den „Rat der Mütter“. Ob er diese mutterkultische Einstellung aus seiner norddeutschen Heimat mitgebracht hatte, oder ihm möglicherweise durch seine keltische Frau nahegebracht worden ist, bleibt unbekannt. Eine seiner Frauen war die Schwester des norisch-keltischen Königs Voccio. Ariowists keltische Sprachkenntnisse waren hervorragend und seine Kontakte zu diversen keltischen Führern intensiv. Nur dort im Rheinland, wo seine Sueben mit Kelten zusammengingen, entwickelte sich später der Matronenkult. Im germ. und indogerm. Glauben spielten die drei Schicksalsweberinnen eine bedeutende Rolle: griech. „Moiren“, röm. „Parzen“, germ. „Nornen“. Ihre Namen lauten: Urd = Schicksal, Verdandi = das Werdende und Skuld = Schuld; das, was sein soll (woran des Menschen Taten schuld sind bzw. verursachen werden).
 
Zum Mutterkult schreibt Frau Sophie Lange sehr schön: Das Wort Matrone ist zwar heute noch in der deutschen Sprache bekannt, verschwindet aber immer mehr aus unserem Wortschatz. Im Allgemeinen assoziieren wir mit dem Begriff eine schwerfällige, herrschsüchtige alte Frau. Und doch schimmert bei dem Wort noch etwas von Macht und Magie der weisen Alten durch. Verschwunden aus unserem Sprachgebrauch ist die Bezeichnung Matrone für den Begriff Beschützerin. Die Schutzmatrone wurde während einer frauenfeindlichen Sprachentwicklung zur Schutzpatronin. Weit zurück führt der Weg in die Zeit, als Matronen noch Göttinnen waren. In Stein verewigt und unter dem Wort Matronae zusammengefasst wurden die Göttinnen von römischen Legionären [bzw. germanischen Legionären in römischen Diensten !]. Doch der Kult von drei segenspendenden weiblich-göttlichen Wesen ist viel älter und führt bis in graue Vorzeiten und zu den Naturreligionen zurück. Die Mutter Natur war den Urmenschen heilig. Sie war die Lebensspenderin, die Nahrungsgebende und die Schützerin. Aber auch Himmel und Unterwelt gehörten zu ihrem Reich. Neben der Großen Göttin und anderen bedeutenden Gottheiten wurden lokale Göttinnen und Götter verehrt, die für ein bestimmtes Landschaftsgebiet mit seinen Siedlungen zuständig waren. Mensch und Tier, Feld und Flur, Haus und Gut standen unter ihrem besonderen Schutz. Zu diesen lokalen Genien gehören die Matronen. In dem Gebiet zwischen Eifel und Rhein verdrängten sie fast alle anderen Götter. Sie waren die Mächtigsten, die das Land beschützten.

Wohl behütet im Mutterschoß

Aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen und unabhängig voneinander ist die Verehrung einer göttlichen Urmutter nachweisbar. Aus dem Schoß dieser Großen Göttin stammen alle Götter und Menschen und alles Sein im Himmel und auf Erden. Diese göttliche Urahnin gebiert aber nicht nur aus ihrer Lebensmitte das Leben, sondern behütet und beschützt es und nimmt es schließlich wieder in ihren Schoß auf. Sie ist Mutterschoß und Mittelpunkt, in dem Leben, Tod und Wiedergeburt zusammenfließen.

Das Sanskrit-Wort garbba-grha für Mutterschoß bedeutet gleichzeitig Tempel und Heiligtum und steht somit für die heiligen Orte, zu denen auch die Orakelplätze gehören. Das älteste griechische Orakel - der Großen Mutter Erde, dem Meer und dem Himmel heilig - befand sich in Delphi; delphos bedeutet Mutterschoß. Viele megalithische Gräber und jungsteinzeitliche Hügelgräber sind als Mutterschoß angelegt. In den dunklen Höhlen tief im Schoß der Mutter Erde beginnt und endet alles Leben.

Die matriarchalen Spuren des Mutterschoßes sind auch bei den Matronen zu erkennen. Als Zeichen ihrer Weiblichkeit ist besonders der Schoß betont, in dem die Göttinnen in Obstschalen die Gaben der Mutter Erde schützen. Zusätzlich beschirmen sie ihren Mutterschoß, der Kern des Lebens und Sitz der Weisheit ist. In der göttlich-weiblichen Mitte ruht wohl behütet das uralte Geheimwissen der Frauen, umhüllt von einem tiefen Schweigen.

Die Opfergaben

Die Kultplätze der Matronen liegen stets auf Anhöhen, manchmal sind diese Hügel kleiner, manchmal größer ausgeprägt. Besonders zu den Sonnen- und Mondfesten machten die Menschen sich auf den oftmals weiten Weg, um diese heiligen Stätten zu besuchen. Von Zuhause brachten sie Gaben für die Göttinnen mit. Diese "Mitbringsel" konnten als Geschenk gesehen werden, aber auch als Bitte an die Göttinnen, diese Gaben zu schützen und reichlich wachsen zu lassen. Den Matronen wurden vorwiegend Birnen und Äpfel (meist als Granatäpfel abgebildet) in den Schoß gelegt. Zusätzlich sind Ähren, Pinien, Kräuterkästchen und Schweinsköpfchen als Opfergaben dargestellt. Alle Attribute haben Fruchtbarkeitscharakter, wobei besonders Äpfel und Birnen weibliche Ursymbole sind, die Leben, Sterben und Wiedergeburt versinnbildlichen. […]

Reichen Erntesegen und paradiesische Zustände zeigen die Füllhörner, die auf Schmalseiten von Matronensteinen zu finden sind. Auch diese sind mit Obst gefüllt. Der Baum als Symbol des ewigen Lebens ist eng mit dem Matronenkult verbunden und in verschiedenen Stilen abgebildet. Im Heidentempel Nöthen/Pesch gibt es Hinweise auf ein frühes Baumheiligtum im späteren Matronentempel. Abgebildete Vögel, zum Beispiel Kraniche, geben der Hoffnung Ausdruck, dass der ewige Kreislauf in der Natur niemals unterbrochen wird.

Symbolik von Birne, Apfel und Pinienzapfen

Die häufigsten Attribute auf den Matronensteinen sind die Birne, der Apfel und der Pinienzapfen. Eiszeitliche Frauenstatuetten erinnern in der Üppigkeit des Körpers an die Form der Birne. So steht diese für Erotik und weibliche Fruchtbarkeit, die die Fruchtbarkeit nach dem Tod und damit die Wiedergeburt einschließt. Früher galt der Birnbaum als Heilbaum, dem man Krankheiten übertragen konnte. Außerdem war er Orakelbaum. In den Raunächten zwischen den Jahren verhieß er den Mädchen die kommende Liebe im Jahr.
 
Granatäpfel auf einer Obstschale
 
Der Granatapfel gilt im gesamten Orient als Fruchtbarkeitssymbol. Der rote Saft und die zahlreichen Samenkörner versinnbildlichen den weiblichen Schoß. Die Frucht verspricht jedoch nicht nur die Hoffnung auf zahlreichen Nachwuchs sondern auch Lebensfülle und Lebensfreude. In der Mythologie essen die Seelen der Unterwelt Granatäpfel, um ihre Wiedergeburt zu bewirken. […] Die Kultur des hiesigen Apfelbaumes lässt sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen. […]

Nachklänge des Matronenkults

Nach der Christianisierung lebten die heidnischen Matronen in der Volksfrömmigkeit weiter. Als die drei heiligen Bethen und die heiligen Schwestern Fides, Spes und Caritas - die legendären Töchter der heiligen Sophia - fanden sie Einlass in die Heiligenverehrung. In lokalem religiösem Brauchtum, zum Beispiel bei der Verehrung der heiligen Brigida, haben sich vorchristliche Vorstellungen erhalten. Die Kulte der Muttergöttinnen flossen in abgewandelter Form in die Verehrung der Gottesmutter ein. Die alten Matronen-Symbole wie Mond, Apfel und Schlange haben auch in Mariendarstellungen große Bedeutung.

Im frühen Christentum wurden die alten Kultplätze weiter von den Menschen besucht. So gab Papst Gregor der Große um 600 die Anweisung, die Heidentempel nicht zu zerstören sondern in christliche Kirchen umzuwandeln. So stehen manche Kirchen an den Kraftplätzen der Götter und Göttinnen. Auf dem Land haben Dorfkirchen, Kapellen, Bildstöcke und Wegekreuze die ehemaligen heidnischen Heiligtümer ersetzt, In der Geisterwelt leben die Matronen als drei unnahbare Juffern weiter. Als geheimnisvolle Lichtgestalten spuken sie an den alten Matronenplätzen, an Quellen und Flüssen.
 
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Es ist soweit richtig was Frau Sophie Lange über die Durchsetzungsfähigkeit des heidnischen Mütterkultes bis lange in die Zeit des hereinbrechenden Kirchenchristentums schreibt. Die altgläubigen Göttinnen und Mütter-Matronen wurden von der Kirche mit List und Tücke umbenannt und dem Glaubensvolk im geduldeten Gewande zur weiteren Verehrung überlassen. Doch gleichzeitig wurde gegen die authentischen altheidnischen mutterkultischen Glaubenszüge angekämpft, wie u.a. der Beichtspiegel von Bischof Burchard vom Worms (um 965-1025) bezeugt. Er, der Erbauer des Wormser Petrumsdoms hatte einen Beichtspiegel verfasst, welcher diesen Kampf gegen die drei Mütter anschaulich beschreibt und aufzeigt wie verwurzelt der Glaube an die sog. „Drei Bethen“ war. Eine Beichtfrage lautete: „Hast du, wie es manche Frauen zu bestimmten Zeiten des Jahres zu tun pflegen, in deinem Haus, den Tisch gedeckt mit Speis und Trank und drei Messer hinzugelegt, damit sich die drei Frauen daran erquicken können ?“ Der Bischof drohte allen mit Strafe, die diese Frauen, auch „Parcae / germ. Nornen“ genannt, anriefen. Das war ein Brauch, ein Ritual für die „Drei Bethen“, in der Nacht zum 6. Januar. So wurde ihnen damit gedankt, dass sie Segen ins Haus bringen. Schon 650 hatte der Hl. Eligius von Noyon die Franken wiederkehrend davor gewarnt, „Zur Nacht die Tische rüsten und für die Drei Speisen zurecht zu stellen....“ Etliche weitere Schriften und Aussagen berichten von diesem germanisch-altdeutschen Volksbrauch. Wie daraus zu entnehmen ist, bekämpfte das Christentum erbarmungslos diesen Glaubenskult, der sich nicht unterkriegen ließ. Eine Lösung musste gefunden werden, angetrieben vom Ausschließlichkeitsanspruch der Kirche. „Die Drei“ wurden umbenannt, in: Die heilige Katharina, die heilige Margarethe, die heilige Barbara. So konnte man den heidnischen Glauben mit dem Christlichen vereinen und hatte seinen Vorteil daraus. Diese drei Heiligen Frauen wurden dann auch bei den 14 Nothelfern aufgenommen, was eine große Verehrung darstellt. Die tatsächlichen Feiertage von jeher der „Drei Bethen“ sind: 16. September, 24. Dezember, 6. Januar. Als wäre die Umwandlung von heidnischen Göttern ins Christentum noch nicht genug - so schreibt ein gut informierter, namentlich nicht hervortretender Netzbetreiber - kam es zu einer der größten Lügen der Menschheit. Zwei der heiligen Feiertage der Bethen wurden in das Christentum, als deren heiligste Feiertage übernommen. Der 24. Dezember ist der Tag der Jungfrauen. Das bedeutet nicht das, was wir heutzutage unter Jungfrauen verstehen. Nein, dies steht für junge, starke Frauen, die durch etwas Außergewöhnliches ausgezeichnet waren. So konnte eine Jungfrau, auch eine verheiratete Frau sein. Gleichzeitig galt der Tag auch als Tag der Mütter, als modraneht, wie es der Angelsachse Beda Venerabilis bekundete. Ist der 6. Januar nicht auch der Drei-heilige-Königs-Tag ? Offiziell schon, aber diese Könige sind nachweislich frei erfunden ! Urspünglich sprachen die Christen von „Magiern“, also von persischen Wanderpriestern. Die „Bethen“ segneten am 6. Januar (zum Jahresbeginn) schon vor Jahrtausenden die Heimstätten der gläubigen Menschen.
 
Frühmittelalterliches Tympanon von Forchtenberg, eigenes Foto, 1988
 
Das Frühmittelalterliches Türbogenfeld an der Michaelskirche von Forchtenberg (Hohenloher Land) zeigt einen weiblichen bezopfter Kopf mit drei Gesichtern. Die langen Zöpfe sind von männlichen wie weiblichen germanischen Priester-Darstellungen her bekannt. Der darin zum Ausdruck kommende Haarkult stand in enger Beziehung zum damaligen Seele-Glauben (Haar als Spiegelbild der Seele). Da wir es hier mit einer Darstellung auf einem christlichen Kirchengebäudeeingang zu tun haben, ist dessen Aussage als Demonstrationsbildnis nicht schwer zu deuten. Es Stellt die matriarchale Trinität des germ. Mutterkultes dar. Das gewollt hässliche, abstoßende Bildnis soll die Triade der heidnischen Unholdin aufzeigen. Es handelt sich also um ein Zeugnis des Kirchenkampfes gegen „die Mütter“, „Drei Bethen“, „drei Schicksalsfrauen“ der hier ansässigen Alemannen. Man nannte sie auch „Heilrätinnen“ und althochdeutsch „Metten“, was die „Speiserinnen“ bedeutet, und „Schepfen“, denn sie schaffen/schöpfen nach altem Glauben den in die Körper geschlüpften Seelen ihr Verhängnis, ihr Schicksal.