Die nordische Licht- und Seelengottheit (Apollon-Wodin) -
Malerei von Igor Evgenievich Ozhiganov
DER „HOHE VON OBEN“
Bist Du ein Hoher, ein Hyperboreer ?
Dann finde zu Deinem Glauben zurück,
dann wird der „Hohe von Oben“ kommen,
er wird Dich leiten ins seelische Glück.
Den „Hohen von Oben“ musst Du erwarten,
nicht aus der fernen himmlischen Front,
der Starke wird Dich errettend erlösen
aus dem eigenen geistigen Horizont.
In Deinem Kosmos sind Himmel und Erde
so wie im Größten, im Kleinsten auch.
Du als Geschöpf der artigen Schöpfung
lebst aus des OD-Gottes Seelen-Hauch.
Lass‘ Dich nicht länger betören, belügen,
von Luzifer, Luther, von Lenin und Co.
Die Eine-Welt-Sicht und Ein-Gott-Lehre
machen Imperialisten allein‘ nur froh.
Geschiedene Arten, Welten und Götter
weben und werben nach ihrem Sinn.
Die eigenen Wege und Ziele zu finden,
das ist des Menschen höchster Gewinn.
Du bist Hyperboreer, seh‘ in den Spiegel,
kein anderer gleicht Deiner Seelengestalt,
bist kein Troll-Kind und kein Tschandale,
find' hin zum eigenen göttlichen Halt !
Mit dem „Hohen von Oben“ ist die gemeinarische Licht- und Seelengottheit gemeint, die den Lebenshauch, den Odem schenkt, welcher identisch ist mit der menschlichen Lebenskraft -, denn arioind. Atman (menschliches Ich) bzw. Vaju (germ. Wodin) ist gleich mit Brahmans (Weltenseele und Menschenseele sind gleicher Natur) kosmischer Intelligenz. Der Mensch muss sich aber seiner artgemäß-göttlichen Seelenkraft bewusst werden, damit sie ihre Hilfs- und Schutzfähigkeit entfalten kann. Wer sich seiner Talente nicht bewusst wird und sie nicht schult, der bleibt ohne Fähigkeiten, obwohl er sie in sich trägt. So verhält es sich auch mit der arteigenen Gotteskraft im Menschen, die je nach Herkunft und Abkunft ganz unterschiedlich ausgestaltet ist. An einen einzigen Weltengott zu glauben ist so närrisch, wie die Gleichartigkeit aller Menschen, aus gleicher Stammeswurzel, anzunehmen.
Die Hyperboreer in Hyperborea („Die über dem Nordwind Wohnenden“) sind die sagenhaften, glücklichen Bewohner des weit im hohen Norden vermuteten, wunderbaren Landes, wo der dort ursprünglich heimische Licht- und Gerechtigkeitsgott Apollon verehrt wird. Unter Hyperborea sind die norddeutschen und skandinavischen Länder zu verstehen (nicht das auf dem Seeweg erreichbare England). Der Grieche Pinda (ca. 522-446 v.0) beschrieb die Hyperboreer als ein gesegnetes Volk, das weder Alter noch Krankheit kenne und sich mit Tanz, Gesang, Flöte und Leier ganz dem Dienst der Musen hingäbe. Allerdings sei es „weder zu Schiff noch zu Fuß“ möglich, dorthin zu gelangen, nur Göttern und Helden gelänge die gefahrvolle Reise. Bis in die Neuzeit wurde Hyperborea als Symbol für den hohen Norden verwendet. Der deutsche Kartograph A. Ortelius bezeichnete auf seiner Karte Europas 1572 den Nordatlantik zwischen Island und Grönland als „Oceanus Hyperboreus“.
Dem Seher Friedrich Nietzsche galten die Hyperboreer als Symbol der einsamen Erhabenheit und der geistigen Reinheit und Schöne. In seinem Werk „Der Antichrist“ benutzt er die Hyperboreer als Metapher, um seinen geistigen Standort jenseits der modernen Nieder- und Billigkeiten als „Unzeitgemäßer“ auszudrücken, der vom Bergesgipfel seiner Einsiedelei hinabschaut auf die Verworfen- und Verworrenheiten der modernen Welt. Im Vorwort zum „Antichrist“ sagt er: „Sehen wir uns ins Gesicht. Wir sind Hyperboreer - wir wissen gut genug, wie abseits wir leben. ,Weder zu Lande noch zu Wasser wirst du den Weg zu den Hyperboreern finden‘: das hat schon Pindar von uns gewusst. Jenseits des Nordens, des Eises, des Todes -unser Leben, unser Glück... Wir haben das Glück entdeckt, wir wissen den Weg, wir fanden den Ausgang aus ganzen Jahrtausenden des Labyrinths. Wer fand ihn sonst ? - Der moderne Mensch etwa ? - ,Ich weiß nicht aus noch ein; ich bin alles, was nicht aus noch ein weiß' - seufzt der moderne Mensch... An dieser Modernität waren wir krank – am faulen Frieden, am feigen Kompromiss, an der ganzen tugendhaften Unsauberkeit des modernen Ja und Nein. Diese Toleranz und largeur des Herzens, die alles ,verzeiht‘, weil sie alles ,begreift‘, ist Schirokko für uns. Lieber im Eise leben, als unter modernen Tugenden und andern Südwinden !... Wir waren tapfer genug, wir schonten weder uns noch andere: aber wir wussten lange nicht, wohin mit unsrer Tapferkeit. Wir wurden düster, man hieß uns Fatalisten. Unser Fatum - das war die Fülle, die Spannung, die Stauung der Kräfte. Wir dürsteten nach Blitz und Taten, wir blieben am fernsten vom Glück der Schwächlinge, von der ,Ergebung‘ ... Ein Gewitter war in unsrer Luft, die Natur, die wir sind, verfinsterte sich - denn wir hatten keinen Weg. Formel unsres Glücks: ein Ja, ein Nein, eine gerade Linie, ein Ziel...“
Tschandala/Chandala ist ein verächtlicher Begriff aus der Sanskrit-Literatur für als niederklassig Angesehene (Kretins, Pöbel, Plebs). Für Nietzsche ist das Christentum eine Tschandala-Religion, das eine „Gegenbewegung gegen jede Moral der Züchtung, der Rasse, des Privilegiums dar[stellt]: - es ist die antiarische Religion par excellence: das Christentum die Umwertung aller arischen Werte, der Sieg der Tschandala-Werte, das Evangelium den Armen, den Niedrigen gepredigt, der Gesamt-Aufstand alles Niedergetretenen, Elenden, Missratenen, Schlechtweggekommenen gegen die ‚Rasse‘, - die unsterbliche Tschandala-Rache als Religion der Liebe …“ Im Gegensatz zu Nietzsche sehe ich den Tschandala-Charakter des Christianismus nicht bereits aus den jüdischen Wurzeln begründet, sondern erst aus seinen Umformungen des 4. Jhs., unter dem Einfluss des alexandrinischen und stadtrömischen Großstadtproletariats und dessen verschlagenen Führern, die sich teils aus Patrizierkreisen rekrutierend, neue imperiale Möglichkeiten witterten und anderenteils, aus der Hefe des Volkes kommend, ihre Chancen auf Würden und Einfluss ergriffen.