Copyright Gerhard Hess / Februar 2021

1.) Das Sonnenluk der heiligen Kammer im Externstein-Agisterstein (Schreckensstein)
Beobachter der Sommersonnwend-Aufgangssonne im Turmzimmer von Felsen 2
2.) Sargstein am Agisterstein-Felsenfuß, mit Kopfnischen-Arkosol- bzw. Bogengrab
 
DER AGISTERSTEIN
 
Am Agisterstein, am Externstein
fährt eischer Schrecken ins Gebein.
Ein Pfaff‘ der diesen Ort betritt
den holt der Teufel zum Höllenritt.
 
Hier haust noch rechter Heidengeist,
der treu die eigene Gottheit preist,
auch gern die Kuttenträger neckt,
das Christenpack mit Spuk erschreckt.
 
Doch Menschen von der echten Art,
die sich fürs wahre Heil bewahrt,
die nimmt der Volksgeist bei der Hand
und führt sie durch ihr Heimatland.
 
Er lehrt die alte Religion,
noch frei von Kirchenlohn und Fron.
Er zeigt am Externstein die Spur
vom Heiligtum der Gott-Natur.
 
Die wahre Gottheit lebt im Licht,
wer ihrem Lichtdienst sich verspricht,
der fühlt und sieht, am Externstein
stand Urgermaniens Tempelschrein.
 
Zum Kopf des höchsten Felsenturms,
fernab des düsteren Tiefenwurms,
lädt eine Kammer hoch hinauf,
ihr Fenster schaut zum Sonnenlauf.
 
Ins Sonnen-Luk die Sonne strahlt,
kreisrund der Lichtmal das sie malt.
Das Haupt des Ewarts wird umflammt,
damit sein Sinn dem Licht entstammt.
 
Der höchste Lichtstand ziert das Jahr,
im Lida-Mond, jetzt wunderbar.
Die Sonnen-Zeugung muss geschehn,
dann mag das Licht zur Neige gehn.
 
Bald zeigt des Ewarts Schattenstab,
der Lichtherr Frō geht hin ins Grab.
Das liegt am tiefestem Treppenstock,
am Felsen-Fuß, als Sargstein-Block.
 
Dort liegt sein Od, schaut auf Nord-Ost,
trotzt Winter-Not und Nacht und Frost.
Und kehrt zum Siegblot-Fest zurück;
So heißt des Sonnenglaubens Glück !
 
 
Abb. A   Abb. B
 
 
Abb. A - Die Raumachse des Sacellums, mit Visierlinie des Sonnenluks, sind nach NNO ausgerichtet, zum höchsten Aufgangsort der Sonne zur SSW (21. Juni / lida).
 
Nach der gleichen altheidnisch-vorchristlichen Visierlinie ist das Kopfnischengrab im Sargstein eingerichtet.
   
Abb. B - Abbildungen aus Alois Fuchs „Im Streit um die Externsteine“, 1934, Abb. 8 + 11. - Wie man sieht sind auch die Höhlungen von Felsen 1, hinter dem Sargstein, nach NNO ausgerichtet, der altheidnischen Visierlinie.
 
Der älteste erhaltene Name des altgläubigen Externstein-Heiligtums
 
 
Der älteste uns bekanntgewordene Name des Externstein-Heiligtums bei Bad-Meinberg lautete Agisterstein, der sich zu Egesterenstein und Eggerstein usw. umformte. Da der altheidnische Name des Kultplatzes von den Mönchen - wie man zunächst annehmen müsste - festgehalten worden ist, sondern eher seine frühkirchliche Bezeichnung, wäre zu folgern, dass der Namen naheliegend „erschreckende Steine / Schreckenstein“ bedeutete, aus ahd. egislih = nhd. schrecklich, ekelig. Auf christliche Gemüter müsste dieser Naturtempel der alten Götter mit Sicherheit abschreckend gewirkt haben. Das niederdeutsche Wort eisch kommt aus dem Altsächsischen, dort hieß es noch egislik, das bedeutete „furchtbar, schrecklich“. Es wurde spekuliert, er könnte sich auf den Vogel Elster beziehen. Von Hermann Hamelmann (1526-1595), dem lutherischen Historiker Westfalens, stammt der erste bekannte Deutungsversuch zur Geschichte des Externsteins, in welcher er den lateinischen Begriff „rupes picarum“ gebrauchte, also „Felsen der Elstern“. In der germ. Mythologie war die unheilverkündende Elster der gefiederte Bote der Todesgöttin Hel. Etymologisch ist sie abgeleitet von germ. agatjō, got. agatja, ahd. agalstra / agalistro, mhd. agelster, mundartlich Egester. Wie eng die Elster mit der Hexe / Unholdin zusammengeschaut wurde, der ahd. āgenga, ist aus der Volkskunde bekannt. Verwandt ist sicher got. agei = Furchtsam, Ängstlichkeit. Eigentlich wäre als recht plausibel anzunehmen, dass sich aus dem germ. Begriff für Schrecken der Name des Hel-Vogels, des Todesvogels, nämlich der Elster, abgeleitet hat. Aus dem germ. agan, nhd. sich fürchten; agjan = erschrecken; agez / agiz / agisa(n) = Erschrecken und Furcht, kam es zu germ. agatjo(n), agalstro(n) = nhd. Elster und möglicherweise auch germ. agi = nhd. Schlange. Dass von diesen 13 nach dem erzwungenen Glaubensumbruch in Sachsen als unheilig und unheimlich geltenden gratigen Felsen (germ. agjo = nhd. Schärfe, Spitze, Ecke, Kante) etwas Bedrohliches, Angsteinflößendes, Düsteres ausging, dürfte jedermann ohne weiteres verständlich sein. Wahrscheinlich nähert sich dieses Deutungsangebot dem Namensrätsel des rätselschweren Externsteins.
 
Diskutanten: Teudt, Fuchs und Focke
 
Um die Bedeutung des Agistersteins/Externsteins wurde in den 30er Jahren ein Weltanschauungskampf geführt, der sich unter anderen Objekten auch dieser Steine annahm, wobei es bei dem Gezerre nur vordergründig scheinbar um die Sache ging, im Kern ging es beiden Seiten um ideologische Rechthaberei. Auf der einen Seite stand der evangelisch-deutschnationale Theologe Wilhelm Teudt (1860-1942), auf der Gegenseite stand der katholische Theologe Alois Fuchs (1877-1971), jeweils mit ihren Anhängern. Teudts Hauptinteresse beschrieb dieser schon in seinem Buch „Germanische Heiligtümer“ (1929), in dem er die Externsteine als eine germanische Kultstätte bzw. eine „Sonnenwarte“ definierte. Der engagierte Kirchenchrist Alois Fuchs bezog mit seinem Buch „Im Streit um die Externsteine - Ihre Bedeutung als christliche Kultstätte“ (1934) die Gegenposition. Ihm zur Seite stellte sich der neutal gebende Friedrich Focke (1890-1970) mit seinem Buch „Beiträge zur Geschichte der Externsteine“ (1943), worin er auf S. 42 argumentiert: „Unterhalb des Felsens am weitestens rechts liegt jener fast würfelförmig zurechtgehauene Felsblock, in dessen Nordwestseite die bekannte Grabnische eingearbeitet ist. Um ihn freizulegen, ist von dem umgebenden Gestein offenbar nicht wenig weggeschlagen, wohl auch deshalb, weil man Platz für gottesdienstliche Veranstaltungen schaffen wollte. Deutlich ist das besonders an der dem Block zugewandten Nordostseite des großen Nachbarfelsen, wo erhebliche Absprengungen stattgefunden zu haben scheinen, um eine Gemeinde von Andächtigen oder Zuschauer unterbringen zu können. Dazu stimmt, daß an der Rückseite des Grabfelsens zwei kleine Treppen übereck zu einem ebenen Standplatz auf der sonst nach vorn abfallenden Felsoberfläche führen. Eine Einzelperson konnte sich von dort gut sichtbar an die unten Versammelten wenden. Daß diese Anlage das Heilige Grab und nie etwas anderes hat darstellen sollen, halte auch ich für sicher. Sie bildet mit dem Kreuzabnahmebild und den beiden Kapellen einen dramatischen Sinnzusammenhang, dem der Gedanke einer Nachbildung der Grabesheiligtümer in Jerusalem zugrunde gelegen hat. Diese zuletzt von A. Fuchs eingehend begründete Deutung der Externsteinanlage ist in ihrem Kernbestand als gesichert zu betrachten.“ Mit dieser fantastischen Aussage ist die irrtumsbeladene vorgefasste Kirchenmeinung in Gänze umschrieben. Sie konnte nur deshalb im Brustton der fundiert scheinenden Überzeugung artikuliert werden, weil das Wesentliche der Anlage gar nicht in Augenschein genommen worden ist. Noch Klemens Honselmann salbaderte mit verklärtem Blick auf den Hochgelobten in „Westfälische Zeitschrift“, 100, 1950, S. 461ff, „Alois Fuchs 1877-1971“: „Im Streit um die Externsteine“ (1934) legte er gegenüber der phantastischen Inanspruchnahme des Naturdenkmals und der darin geschaffenen Räume als Stätte germanischen Götterkultus deren Bedeutung als christliche Kultstätte dar“. Dass der von diesen Übergläubigen herbeigedachte jüdische Reformer Jesus in seinem „Externsteingrab“ nach Nordnordosten geschaut hätte, was nie und nimmer eine christlich gewürdigte Himmelsrichtung war, und nicht nach seiner geliebten Wirkstätte Jerusalem, ist den Rabulisten völlig entgangen ! In einer modernen tendenziösen Enzyklopädie liest man:Der willkürlichen Interpretation germanischer oder angeblich germanischer Überlieferung trat Focke in seinen wissenschaftlichen Arbeiten entschieden entgegen.“ Die Lobhudelei ist unangebracht, denn Fuchs und Focke machten gegenüber den ihnen nicht ins Konzept passenden Fakten fest die Augen zu. Fuchs’ eigentlicher Arbeits- und Forschungsschwerpunkt lag im Bereich der Architektur- und Kunstgeschichte. Er hätte wissen müssen, dass ein Bauauftrag der mittelalterlichen Reichskirche, zur Errichtung einer Pilgerstätte in Gestalt des „Heiligen Grabes“ am Externstein, mit Sorgfalt ausgerichtet worden wäre. Schon zur karolingischen Zeit war die Architektur absolut in der Lage, einen sauberen Zirkelschlag vorzunehmen und mithin einen symmetrischen Rundbogen auszuschlagen, was die schier zahllosen Kirchen-Tympani unter Beweis stellen. Bereits der römische Architekt und Architekturtheoretiker Vitruv, aus des 1. Jh. v.0, schrieb von der „Mutter aller Künste und führte aus, die „Architectura“ beruhe im klassischen Verständnis auf den drei Prinzipien Festigkeit (Firmitas), Nützlichkeit (Utilitas) und Anmut (Venustas). Der Akosolbogen des Agistersteingrabes ist alles andere als anmutig-schön und korrekt. Nach links flacht der Halbbogen etwas ab, was den Eindruck einer archaischen Arbeit verstärkt. Die Bogenlinie ist nach Augenmaß und nicht nach exakten Anzeichnungen geschlagen worden. Ein „Heiliges Grab“ wäre seitens der finanzstarken Kirche jedenfalls einem Könner seines Fachs in Auftrag gegeben worden. Einen sauberen Rundbogen zu meißeln hat man ja bei der mittelalterlichen Abänderung der Sonnenfensternische im Turmzimmer des Felsens 2, dem so genannten „Sacellum“, sehr gut gekonnt; warum dann nicht ebenso am Sargfelsen, sollte der zeitgleich gedeutet werden ? Demnach sprechen Ausrichtung und Ausführung der Grabanlage für ihre uralte vorchristliche Errichtung, mit einer dementsprechenden kultischen Bedeutung.
 
 
Im Hinblick auf die ursprüngliche Bearbeitung des Sargfelsens durch Steinmetze schreibt Focke, S. 44f: „Ausgedehnte Spuren einer ziemlich grobschlächtigen ,Breitmeißeltechnik‘ können daher an jener Stelle nicht überraschen, wobei auch hier wiederum das Gröbste vorher mit dem Zweispitz erledigt, das übrige dann mit dem Meißel schlecht und recht abgearbeitet wurde.“ So hätte kein Auftaggeber der allmächtigen, „alleinseligmachenden Kirche“ im Hochmittelalter das „Heilige Grab“ abarbeiten lassen. Der Umstand bestätigt aber die Vermutung, dass es sich um eine Baumaßnahme aus der Frühzeit oder Vorzeit handeln muss, aus einer Kulturstufe die man wohl als früh- oder protogermanisch zu begreifen hat. Wie die christlich-heilige Grablege in Jerusalem ausgesehen hat weiß man nicht, die Stätte wurde im Jahre 1009 von den Arabern zerstört. Aber offene Arkosol-Kopfnischengräber, wie das vom Agisterstein, gehörten zu keiner Zeit zur hebräischen Grabbau-Architektur. Der letzlich unkundige Focke gibt auf S. 51 süffisant zu bedenken, „jedem Katakombenbesucher ist diese Grabform aus Hunderten von Beispielen bekannt“, als könnte und dürfte man die schlichten, flachen Rundbogennischen-Zeilen der Katakomben zum Vergleich mit dem megalithischen Grabbaublock im Teutoburger Wald heranziehen. Dass diese, wie beispielsweise nachweisbar auf der Insel Malta, bereits vorchristlich sind, entzieht dem Focke’schen Argument jedes Gewicht. Focke fährt fort, seine Fixation weiter auszumalen: „Die Bemühungen aber, diese ausgesprochen palästinensisch-christliche Begräbnisweise den Germanen als völkische Eigenart aufzudrängen, sollte man nachgerade aufgeben. Es fehlt dafür jede Spur eines Beweises, denn man wird auch nicht ein einziges urgermanisches Grab solcher Art aufzeigen können.“ Ein solcher Rundbogen-Grabbaublock ist aber sehr wohl gefunden worden, um 2000 km südlich, bei Tatul, im Land der ureuropäisch-indogermanischen Thraker-Daker und Geten. Die Thraker pflegten friedliche Beziehungen zu verschiedenen Stämmen der Germanen. Überliefert ist, dass u. a. ein Stamm des höchsten Nordens, als Hyperborea bezeichent, regelmäßig Opfergaben an Heiligtümer im Gebiet des nordgriechischen Epirus und ins Apoll-Heiligtum der Daker sandte. Die Wissenschaft geht davon aus, dass es sich dabei um eine sehr alte Route zwischen der Ostsee und den Thrakern handelt, die über die ostgermanischen Stämme führte. Eine baltische und an der Oder beginnende Bernsteinstraße führte nach Thrakien und wurde seit Urzeiten genutzt. Auch über die Rhein- und Donauroute sind immer neue Auswandererwellen aus dem herben Norden nach Süden an die Westseite des Schwarzen Meers gezogen. Ab ca. 200 v.0 tauchen hier die germanischen Bastarnen und Skiren auf, die laut Strabon im Siedlungsgebiet der Geten den Dakern benachbart waren. Später stießen Goten, Gepiden und Heruler über die Donau nach Süden. Im alten Germanenland fand sich zwar kein zweiter Grabbau wie am Agisterstein, aber in einer Region die seit Jahrtausenden die engsten kultischen Beziehungen zum germanischen Norden pflegte.
 
Rituelle Nutzungen des Naturtempels Agisterstein
 
Da die Objektfakten des Externstein-Heiligtums den vorchristlichen Gebrauch der Anlage hinreichend beweisen, erhebt sich die Frage nach ihrem konkreten Verwendungszweck. Die bis ca. 40 Meter hoch aufragenden verwitterungstrotzenden Quarzsandsteintürme der Felsformation im Teutoburger Wald bzw. im Tal der Wiembecke bei Horn-Bad Meinberg in Lippe, zählen zu den beeindruckendsten Natur- und Kulturdenkmälern Germaniens. Zweifellos haben wir hier den imposantesten Naturtempel Deutschlands vor uns. In der Höhenkammer, „Sacellum“ (lat: „einem Gott gehörend“) genannt, konnte die aufgehende Sonne zur Sommersonnenwende werden. Wer dort in ihrem Lichtkegel stand musste sich geweiht fühlen von der kraftvollsten Sonne des gesamten Jahrganges. Sicherlich stand in diesem Kultraum, zu den entsprechenden Feierzeiten, der Gildenvorstand, der Fürst, der Êwart oder Êsago (Gesetzeshüter, Richter), also der heidnische Gemeindepriester, um seine Riten des Sonnenkultes zu vollziehen. Denn alle hyperboräisch-nordische Religion war im Grunde ein Lichtkult. Zu allen Natureligionen gehört der Jahrgott, der aufersteht, lebt und wieder im natürlichen Jahreskreisschema, seinen Niedergang und sein vorübergehendes Sterben vollzieht. Der vom Juden Saul-Paulus erklügelte und künstlich historisierte Christianismus, der den galiläischen Zimmermann Jeshua-Jesus zur zentralen Kultfigur hochstilisierte, äffte mit dem „Kreuztod-Sterben“ und der „Himmelfahrt-Auferstehung“ die entsprechenden uralten Kultformen der diversen vorchristlichen Religionsgemeinschaften nur nach. Das war alles mitnichten neu !
 
So wie die Höhenkammer den Jubel im Lichtrausch über sicherlich mehrere Jahrhunderte der Glaubenskontinuität erlebt haben dürfte, so hat der düstere Grabsteinblock am äußersten nördlichen Ende und Fuße der Agistersteine, die düstere Kulisse für die Kartage der Altreligion abgeben müssen. Wer immer, dort im Steinbett liegend gedacht worden ist, es muss eine heidnische Wesenheit gewesen sein, sonst hätte ihr Blick nicht in die gleiche Richtung geschaut, wie die des Sonnenbeobachters in der Höhenkammer. Zu folgern ist, dass der Liegende im Steinsargbett den Sonnenaufgang zur hohen Sommersonnenwende mit sehnsüchtigem Verlangen erwartet haben muss, während der Beschauer im Sacellum das Erlebnis als die Erfüllung seiner naturreligiösen Hoffnungen verstand.
 
 
Das rituell aufgeführte hyperboräisch-kosmische Jahresdrama
 
Wenn, dem nordisch-empfundenen Jahresdrama entsprechend, der Sonnengeist im Nischengrab liegend gedacht wurde - wer könnte es anders sein ?! - dann sehen wir hier das kosmische Sonnen- und Jahresdrama ins rituelle Bild gesetzt, wie es in jährlich sich wiederholenden Kultspielen nachvollzogen worden ist. Schon ca. 14 Tage nach der grandiosen, segnenden Lichtfülle beginnt die Sonne ihren vermeindlichen Abstieg. Nach einer anzunehmenden tödlichen Verletzung, aufgrund von heroisch-kühnem bzw. leichtsinnigem Überschwang, beginnt ihr Gang in die Unterwelt, wie es der eddische Mythus um den solar-göttlichen Balder („Herr, Held, Leuchtender“) erzählt („Völuspá“, „Baldrs draumar“). Von Sonnengott Frôjo-Frō-Frodi-Fricco-Freyr muss es ähnliche Sagen gegeben haben. Er herrschte über Sonnenschein und Regen und wachte als Fruchtbarkeitsbringer über das Wachstum. Sein mit ihm identisches Rösslein „Blodoghofdi“ (Blutighuf, siehe „Kalfsvisa“) weist auf die gleiche Hufverletzung hin wie wir sie von Balder aus dem 2. „Merseburger Zauberspruch“ kennenlernten. Der Geist- und Heilgott Wodin-Odin, der „Psychopompos“ (Merkur) macht die Verletzungen heil und heilt sie, erweckt sie zurück ins Erdenleben, ebenso von der Verletzung die zum Todesschlaf führt. Doch die hinabgegangene Gottheit bewirkt als Heilbringer von der Unterwelt aus die Segnungen des Herbstes, den Erntesegen, die Fruchtreife. Die sich zu Teilen geschickt anbiedernde Christenkirche, zum anderen Teil mit Brachialmethoden ins Nordvolk einbrechende Gewaltmission, trug den herkömmlich-religiösen Anschauungen Rechnung, indem sie in die SSW (Sommersonnwend-Phase) die Kultfigur des „Johannes der Täufer“ (der sog. „Vorläufer“) setzte, dessen Hochfest man für den 24. Juni bestimmte. Die roten „Johannisbeeren“ und das rote „Johannisöl“, ein öliger Extrakt aus frischem „Johanniskraut“, dessen Blütenknospen in der Regel im Juni austreten, sollen vom mythischen Blut des geköpften jüdisch-religösen Eiferers Johannes Zeugnis ablegen. Aus dieser Sicht betrachtet, liegt es sogar nahe, dass der alte Begriff Agisterstein-Schreckensstein bereits aus heidnischer Zeit herrühren könnte, denn das Kultdrama des Sonnentriumphes und des fast gleichzeitigen Sonnentodes könnte mit tragischen Inszenierungen von Nachspielungen verbunden gewesen sein. Es wird berichtet, dass es zur Zeit des Schwedenkönigs Domaldi in Alt-Uppsala mehrere Jahre Missernten gab. Da keines seiner Tier- und Menschenopfer zur Verbesserung der misslichen Lage beitrug, opferte sich im letzten Heilmittelversuch der König selbst. Der König opferte sich, oder wurde geopfert, für ein gutes Jahr (Ynglinga Saga: „blóta til árs“).
 
Zum altheiligen Turmzimmer, dem von ihm sog. „Sazellum“, beschreibt der Astronom Rolf Müller in „Der Himmel über dem Menschen der Steinzeit“, 1970, S. 88-95, die Veränderung der Raumachse, zu einer christlichen Kapelle durch kirchenchristliche Baumaßnahmen. Müllers Vermessung der alten Raumachse ergab einen Azimut von 47,5°. Wenn ein Beoachter zum Visierloch blickte, schreibt er: „so sah er die an Mittsommer aufgehende Sonne nahezu mitten im kreisförmigen „Sonnenloch“. Es ergibt sich also von diesem Standort aus vorzügliche Möglichkeit, den Sonnwendtag recht genau zu fixieren. Hier möchte ich noch auf einen Besuch zu sprechen kommen, den ich an einem frühen Morgen um die Mittsommerzeit den Externsteinen abstattete. Blutrot war die Sonne aufgegangen, und ich erlebte das wirklich eindrucksvolle Schauspiel, als dann unser Tagesgestirn mitten im Sonnenloch stand und mit Strahlen das runde Fenster füllte.“ Etwas zuvor schreibt der Wissenschaftler: „Das Turmzimmer bot - völlig abgesehen von der Frage, ob und wie es ehemals gestaltet war - gerade wegen seiner natürlichen Lage in Richtung zum nordöstlichen Himmelsrand einzigartige Möglichkeit zur Beobachtung der Mitsommersonne und des alle 18,6 Jahre um, die  gleiche Zeit  wendenden Mitwintervollmonds (nördliches Mondextrem). Das kreisrunde Loch eignete sich dabei vorzüglich zur genauen Fixierung der Gestirnsstände.“ Sonnen- und Mondstände wurden am Agisterstein beäugt, also die beiden Gestirne der lunisolaren Jahrszeitenberechnung, wie sie uns die thüringische 7.000-jährige Nebra-Kalenderscheibe vom „Mittelberg“, oberhalb der Unstut, ebenso vorführt wie das über 2.000-jährige Runen-ODING-FUÞARK. ODING’s runischer Sakralkalender, aus einer Zeit vor der christlichen Zeitrechnung, gibt die gemeingermanischen, mythologisch bestimmten jährlichen Festzeiten wieder. Das Jahresdrama stellt sich im luni-solaren Runenkreis folgendermaßen dar:
 
- Erste Offenbarung (griech. Epiphanea) des Sonnengeistes im Jahr = 3. Ing-Rune (des Ng-Lautes) des Ingo-Frō - Mittel der Mondschwankungen liegt bei Mitte Januar - Fest „Jolablot“ (Julopferfest) - Nach der „Saga von Hakon dem Guten“ (Kap. 14-18) fand das Julfest „at midjum vetri“ (Mittwinter) statt, also ca. 14. Januar – In „Haraldskväde“ (Gedicht auf Harald) des Skalden Thorbjörg Hornklofi heißt es in Strophe 6: „Auf See will er Jul trinken, der kühne König, und das Spiel Frejs vollziehen“ - Der solare ahd. Ingo-Frō, an. Ingvi-Freyr war demnach Hauptjulgott - Zum Julspiel der Gottheit gehörte die Juleber-Schlachtung und -Speise, also eine Opferung des verehrten „Gullinborsti / Sliðrugtanni“ (der mit den goldenen Borsten), dem Attribut des Ingvi-Freyr.
 
- Die zweite runische Offenbarung des Sonnengeistes Ingo-Frō geschieht zum 4. Neumond nach der Neumond-WS (Wintersonnenwende) in Gestalt der 9. Rune der Bezeichnung Sowilo = Sonne, mit dem S-Laut, welche auf zahlenmythische Weise die potenzierte, voll erblühte Sonnenkraft darstellen will (3X3) - Man feierte hier das „Sigrblot“ (Sonnen-Siegfest) - sein kultischer Sinn war „at fagna sumri“ (den Sommer begrüßen) und „til sigrs“ (für den Sieg) - Üblich war es zu der Feier seine Schwurfinger auf das Fell des Eber-Opfers zu legen und einen Eid bezüglich einer gepanten Unternehmung zu leisten - Mittel der Mondschwankungen liegt auf Mitte April - in diesem Zeitraum wurde von der Christenkirche das Osterfest als Lichtsiegefeier platziert: Ostern ist am 1. Sonntag nach dem 1. Vollmond nach der Tagundnachtgleiche, am 23. März.
 
  - Die Tageslänge zum Julfest betrug ca. 8 Stunden, zum Siegfest ca. 14 Stunden, zur Sommersonnwende des 21. Juni ca. 17 Stunden und schon zu Anfang Juli einige Minuten weniger, der Lichtrückgang hat am 16. Juli eine volle halbe Stunde erreicht. Der von genauen Beobachtern der Sonnenaufgangspunkte schon Ende Juni, Anfang Juli erkannte Sonnen-Rückgang führte zur Annahme einer möglichen Schussverletzung des Gestirns. Der Schuss auf den Sonnenheros Balder ist durch die eddischen Texte zum Schießspiel, das zu seinem Tod führte, belegt. Die isländische Mythologie lastete die Tat dem „blinden Bruder Hödur-Höðr“ (Kämpfer) an, der vom antigöttlichen Loki (Endiger, Beschließer) dazu angestiftet wurde, mit einem Mistelholzpfeil auf seinen Bruder zu schießen (Gylf. 48, Skaldsk. 13) - In der Version des dän. Geschichtsschreibers Saxo Grammaticus (1160-1208) streiten Hötherus und Baldur um die Göttin Nanna (an. Mutter / Kultname der Erdmutter ?) - Hötherus besiegt dabei den Balder mit einem Zauberschwert der höllischen Mächte namens „Mistiltein“ („Historia Danica“, 3. Buch) - Andere verwandte Sagen sprechen von einem bösen Zufall des Pfeilschusses, der zu Balders Tod geführt habe (aengl. Beowulfsage) - Im 7. Vollmond des Jahres steht die Is-Eis-Rune, des I-Lautes, zu Ende Juni - Sie erscheint deutlich als ein Synonym für „Kaltmachen, Töten“, an diesem Kalenderort kann nur der sterbende Sonnengott gemeint sein. Hinsichtlich der Zahlenmystik ist auffällig, dass die von der Christenkirche erfundenen „14 Stationen des Kreuzwegs Jesu“, zur 14. und letzten Station die Grablege des Leichnams Jesu erfolgen ließen.
 
 
- Eine Steigerung des jährlich-kosmischen Sterbe-Szenario ergibt sich mit Winterbeginn, wenn das Sternzeichen des „bösen“ Skorpions die Zeit bestimmt und der heliakische Plejaden-Untergang erfolgt. Heliakisch (auch Morgenerst u. Morgenletzt) sind Begriffe der Astronomie, sie bedeuten „zur aufsteigenden Sonne gehörend“. Abenderst und Abendletzt gelten als Begriffe für die mit bloßem Auge mögliche Erkennbarkeit von Planeten oder hellen Sternen in der Abendämmerung. Im Frühjahr zeigen sich die Plejaden (oder Siebengestirn) letztmalig am Abend am Westhorizont. Bei mehreren jungsteinzeitlichen Gestirnskreisgrabenanlagen Mitteleuropas liegt eines der Eingangstore in Richtung des Frühaufgangs (heliakischer Aufgang) der Plejaden, also in Richtung in der sie erstmals in der Morgendämmerung sichtbar werdrn, nachdem sie einige Monate lang, von der Sonne überstrahlt, unsichtbar blieben. Mehrere Jahrtausende vor unserem heutigen Zeitrechungsbeginn galt dieser Frühaufgang der Plejaden als astronomischer Frühlingsbeginn Ende März und diente als Hinweis, mit der Aussaat zu beginnen. Das Abendletzt der Plejaden trat z.B. in der frühen Bronzezeit, um 1.600 v.0, europaweit 10 Tage vor dem Frühlingsäquinoktium ein. Ihr Morgenletzt fand 15 Tage nach dem Herbstäquinoktium statt. Die Plejaden und ihre Phasen wurden auch von Hesiod, um 700 v.0 in „Werke und Tage“, als wesentlich für den Bauernkalender beschrieben. Auf der Himmelsscheibe von Wangen-Nebra, die auf etwa 1.600 v.0 datiert wird, ist dieser Sternhaufen abgebildet, der wahrscheinlich das Morgenletzt der Plejaden in symbolhafter Form anzeigt. Man kann deshalb aufgrund der Quellen- und Fundlage von einer wichtigen kalendarischen Funktion der Plejaden ausgehen. Die germanischen Nordlandbewohner betrachteten zur Zeit der Antike den plejadischen Frühaufgang, Ende April/Anfang Mai, den Sommerbeginn und den Frühuntergang des Siebengestirns, Anfang bis Mitte November, als das Zeichen des Winterbeginns.
 
Im 11. Schwarzmond-Neumond nach Jahresbeginn in der WS (Solstitium) steht die 23. Rune, das Ur-Urstier-Zeichen, dessen Stierkopf-Gestalt - mit beiden Hörnerspitzen nach unten - auf den Opfertod des Sonnen-Stieres deutlich hinweist. Die Mondschwankungen ergeben für den U-Runenstand ein Mittel von Mitte November. Das Stieropfer an der Säule des Poseidon ist aus dem Atlantisbericht des griech. Philosophen Platon bekannt, aber ein bronzezeitliches Hellbild (Felsgravur) aus der Region Kasen in Bohuslän/Schweden zeigt das Stieropfer vor der Welten- bzw. Sonnenspiralsäule ebenso. Dass auch der Stier, der gewaltige Auerochse nordischer Wälder, ein Sonnen-Herr-Gleichnis gewesen ist, erweisen die vielen Stierbilder schwedischer Hellbilder aus der Bronzezeit, wo z.B. die Hörner zum Sonnenkreis geformt wurden. Älter sind die Stieropfer-Funde vom Mittwinterheiligtum bei Goseck in Thüringen. Dort fand man am Pallisadenkreis insgesamt 19 Stiergehörne, am nördlichen Ausrichtungstor 6, am östlichen Sonnenaufgangstor 2, am westlichen Sonnenuntergangstor 9. Das Stieropfer gehörte demzufolge zum Mittwinterbrauchtum, einer sog. Jul-Festzeit, die zwei synodische Monate umfasste (wie Beda Venerabils angab, in „De temporum ratione“, vom Jahr 725), die im ODING-Kalender von > bis >, also von der Tauroktonie bis zur Frō-Begrüßung, währt (etwa Mitte November bis Mitte Januar).
 
Die uralten Kalender-Heiligtümer Nordeuropas
 
Das berühmte megalithische Monument, der Steinkreis von Stonehenge im südenglischen Wilsthire, hatte nach neuen Erkenntnissen einen Vorläufer im 200 km entfernten „Waun Mawn“ in Wales, dessen Kreis exakt den gleichen Durchmesser hat wie der äußere Graben von Stonehenge (110 m). Archäologen halten es für das „erste Stonehenge“. Die aus Wales stammenden Blausteine wurden vor rund 4.000 Jahren in Stonehenge verbaut, dessen Errichtung um 1.000 früher begonnen hatte. Beide Ringheiligtümer weisen eine auf den Sonnenaufgangspunkt zur Mitsommersonnenwende ausgerichtete Konstruktion auf. Als sog. „deutsches Stonehenge“ wird das südlich von Magdeburg freigelegte und rekonstruierte große Ringheiligtum von „Pömmelte“ (Durchmesser 115 m) angesehen, ein Kultplatz vom Ende des dritten Jahrtausends vor Ztr., also die Nachlassenschaft einer mehr als 4.000 Jahre alten frühbronzezeitlichen Siedlung, mit zahlreichen Langhäusern. Eine zweite ähnliche Anlage der gleichen Kultur, die von „Schönebeck“, liegt 1,3 km nordwestlich von Pömmelte, sie besteht aus einem Doppelgraben mit einem Durchmesser von etwa 80 m. Beide Heiligtümer gehören zur „Aunjetitzer Kultur“ (ca. 2.300-1.600 v.0). Deren Verbreitungsgebiet umfasste Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Böhmen, Mähren, Schlesien, Slowakei bis Niederösterreich, nördlich der Donau. Um 200 derartige Ringheiligtümer wurden bisher aufgefunden. Südlich von Pömmelte zeigen Luftbildaufnahmen eine 6.000 Jahre alte Grabanlage aus der sogenannten Baalberger-Kultur. Das nahe Naumburg, bei Goseck, gelegene Ringheiligtum (Durchmesser 75 m) ist eine vor etwa 6.900 Jahren errichtete astronomische Anlage der Stichbandkeramischen Kultur; sie wird als „ältestes Sonnenobservatorium der Welt“ bezeichnet. Nicht weit davon entfernt (25 km) erhebt sich der „Mittelberg“ (252,2 m) bei Wangen-Nebra, über der Unstrut. Dort wurde die berühmte 3.700 bis 4.100 Jahre alte bronzene Himmelsscheibe - ein Sonnenkalender - gefunden. Von der Bergkuppe aus, die in der Bronzezeit keinen Baumbewuchs aufwies, konnten die Kalenderweisen mittels der Sichtachse zum Brocken (1141,2 m), dem höchsten Berg im Mittelgebirge Harz, die Sonne zur Sommersonnenwende (21.06.) untergehen sehen. Man darf annehmen, dass der Mittelberg, mit seinen Wallanlagen, die Funktion einer kultischen Sternwarte besaß. Die seitlich der bronzenen Himmelsscheibe (Durchmeser ca. 32 cm) angebrachten goldenen sog. Horizontbögen beschreiben die Strecke der Sonnenauf- und -untergangspunkte im Jahresverlauf. Verbindet man die vier Endpunkte der beiden Horizontbögen entsteht ein Malkreuz, dessen Winkel - zwischen SS und WS - Pendelwinkel (innerhalb dem, je nach Breitengrad, der jährliche Sonnenweg pendelt) heisst.
 
1. - Das uralt-urgläubige Kultgrab am Agisterstein
(anthropomorphe u. kopfnischengräber)
 
Die Körperformgrabaushöhlung im Agisterstein-Grabblock ist ein sog. Kopfnischengrab (diese haben eine besondere Ausformung für die Aufnahme des Kopfes) das nach bisherigem Forschungsstand in das 12. und 13. Jh. n.0 datiert wird. Der Inaugural-Dissertation von Tanja Potthoff „Die Godesburg - Archäologie und Baugeschichte einer kurkölnischen Burg“, 2009, entnehme ich auf Seite 37 Angaben zum Thema der Kopfnischengräber: „Anthropomorphe Grabgruben, in der Literatur in der Regel als Kopfnischengräber bezeichnet, lassen sich auf vielen Friedhöfen nachweisen und vom 8./9. bis 12. Jahrhundert datieren“, siehe dazu: Morken: HERRNBRODT 1957, 456. Lürken: PIEPERS 1981, 78-84. Während HERRNBRODT die Gräber von Morken zeitlich auf das 10. Jahrhundert beschränken möchte, merkt HINZ mit Verweis auf die dem spätromanischen Chor der Abteikirche Montmajour bei Arles (Frankreich) zuzuordnenden Gräber an, dass sich diese Grabform chronologisch nicht so eng begrenzen lässt: HINZ 1969, 110. Vgl. PIEPERS 1981, 78-84, der die Grabform allgemein vom 9./10. bis zum 12. Jahrhundert datiert. Für Ostfriesland, wo die Grabform ebenfalls verschiedentlich belegt ist, vgl. BÄRENFÄNGER 1997, 55-57.“ Diese Angaben sind aber der Weisheit  letzter Schluss leider nicht ! Spanischen Angaben zufolge werden die u.a. auch anthropomorphen Felsgräber zeitlich meist zwischen dem 9. und 11. Jh. eingeordnet, allerdings werden sie von dem Geschichtswissenschaftler Alberto del Castillo Troncoso bereits in das 7. Jh. datiert. Sie müssen aber noch bedeutend älter sein, was - wie ich meine - der Verwitterungszustand etliche dieser Gräber zu erweisen scheint. Die Gretchenfrage bei der Beurteilung des Agisterstein-Kultgrabes bezieht sich auf das Alter der Anlage, die von kirchenchristlicher Seite in mehreren Publikationen als christlich und hochmittelalterlich beschrieben wird. Auf diese Schriften muss eigentlich nicht detailliert eingegangen werden, weil sie keinen Altersbeweis für ihre These beizubringen fähig sind. Ihr Argument lautet stereotyp, es handele sich beim Externsteingrab, um eine Nachbildung des Jesusgrabes in Jerusalem. Ein typisches Beispiel für die dreiste Verstiegenheit christlicher Interpreten sind die Ausführungen des römisch-katholischen Theologe und Kunsthistoriker Alois Johannes Fuchs, welcher in seinem Buch „Im Streit um die Externsteine - Ihre Bedeutung als christliche Kultstätte“, 1934, schrieb: „Das Felsengrab an den Externsteinen wurzelt als Bogennischengrab vollkommen in der christlichen Tradition.“ Das ist absolut falsch ! Der Agisterstein-Grabsteinfelsen weist in keinem wesentlichen Detail Gleichheit mit den in Frage kommenden Jesus-Gräbern (Grabeskirche, Golgata, Gartengräber) in Jerusalem auf. Die aufwendigen Gräber in Judäa waren mit Verschlusssteinen versehen, sie besaßen keine anthropomorphen Vertiefungen, sondern bankartige oder wannenartige Ablagen im Vorgrab.
 
Weder die Arkosolien also Rundbogen- noch die Kopfnischengräber des Hochmittelalters sind typisch christliche und kirchenchristliche Grabanlagen, sie beginnen erst - nach heutigem Kenntnisstand - sich bei wenigen Vermögenden aus den privilegierten Schichten nach der fränkischen Eroberung Sachsens einzuführen. Der Gedanke ist zwar überraschend und scheint recht gewagt, aber was spräche dagegen, das Agisterstein-Grab als den für diese Grabform vorbildgebenden Prototypen anzusehen ? Die altheidnische Tempelstätte hat mit Sicherheit, nach ihrem grandiosen, trimphalen Umbau zur christlichen Turmkapelle, Aufsehen erregt und Pilger wie Neugierige von weit her herbeigelockt. Dadurch könnte die bis dahin unbekannte, attraktive Form des Kopfnischengrabes in die damals eng vernetzten Klerikerkreise Europas gelangt sein. Man muss sich die Zeitläufe genau anschauen, um zu verstehen, dass mein vorgetragener Gedanke nicht völlig irreal ist: Im Jahre 776 zwang König Karl einen Teil der frankenfreundlichen Edelinge der Sachsen, mit ihm einen Vertrag zu schließen, danach wurde Sachsen als Reichsmark dem christianisierten Frankenstaat einverleibt. Nach dem Sieg der fränkischen Berufsarmee gegen die Bauernkrieger aus Sachsen mussten sich die Sachsen, unter Androhung von Todesstrafen, allesamt taufen lassen, sie huldigen aber noch lange zu einem großen Teil insgeheim ihren alten Göttern. In den Jahren 841-843 erhoben sich die unteren Stände des Sachsenvolkes im sogenannten „Stellinga-Aufstand“ und verlangten ihre alten heidnischen Rechte und Freiheiten zurück. Daraufhin ist im Jahre 843 das Reich „Karls des Großen“ im Vertrag von Verdun aufgeteilt worden und das Ostfrankenreich entstand, aus dem Deutschland hervorging. Schon der sächsische Verfasser der „Sachsengeschichte“, Widukind von Corvey (um 925-973), bekannte sich in vollem Stolz zum Heldentum seines Sachsenstammes. Der rasche Zerfall des Karolingerreiches, nach Kaiser Karls Tod, brachte schon im Jahre 911 dem Herzog von Sachsen, Otto der Erhabene, das Angebot, das Reich zu leiten und im Mai 919 - unter Zustimmung der Franken und Sachsen - wurde der sächsische Fürst Heinrich (876-936), aus dem Geschlecht der Liudofinger, zum ersten ostfränkisch-sächsischen König Heinrich I. ausgerufen. Die die politischen Reichs- und Kirchenangelegenheiten bestimmenden Oberschichten im Ostfrankenreich waren, trotz ihrer oft allzu groben und machtwilligen Weltlichkeit, christlich ideologisiert, was sie nicht hätte abhalten können, sächsische Vorfahren und Einrichtungen der Altväter zu achten und zu loben. Schamhaft verteufelt wurde die vorchristliche Vorzeit keinesfalls, denn man war stolz auf die Reichsleitung durch die sächsischen Liudolfinger, welche nach der Kaiserkrönung von Otto I. der Große (912-973) und dessen Sieg 955 über die Ungarn in der „Schlacht auf dem Lechfeld“, die gradiose Zeit der Ottonen-Kaiser einläutete, vom Jahr 919 bis 1024 (Otto I., Otto II., Otto III.). Nicht unbeachtet darf auch bleiben, dass es sich bei dem altsächsischen Vornamen Od-Odo-Otto (Urbedeutung: Seele, Stammgut) um keinen biblisch-jüdischen Namen, sondern um einen uralten zentralen Heilsbegriff aus der germanischen Eigenreligion handelt. Doch die große Anzahl von Kopfnischengräbern die wir auf der Iberischen Halbinsel finden, lässt unseren Blick und unser Sinnen über weitere europäische Räume gleiten. Und dazu gibt es eine absolute Berechtigung, denn schon zu megalithischen Zeiten gab es außerordentliche Völkerwanderungen von Haplogruppen, wie z.B. die Besiedelung Asturiens, Kantabrien, Galicien, also Nordwestspaniens, durch Nordmenschen. Dort siedelten auch viele Germanen, Westgoten (seit dem maurischen Sieg im Jahre 711) und von hier aus - einem Hort rein europiden Menschentums - hat sich dieReconquista, die Rückeroberung Iberiens gegen den islamisch-maurisch-afrikanischen Ausgriff erfolgreich vollzogen.   
 
Die anthropomorphen (menschenkörperangepassten) Felsengräber Spaniens und andeswo, der oftmals größeren Begräbnis- und Weihestätten, werden zumeist in feiester Willkürlichkeit als „mittelalterlich“ (9. und 11. Jahrhundert) und „christlich“ definiert, obgleich eine Datierung, beim Fehlen von Grabbeigaben und Knochenresten, unmöglich ist. Offiziell heißt es in der jüngeren Netz-Enzyklopädie: „Trotz diversen Zweifeln an der Chronologie ist heute klar, dass die meisten in der Spätantike und im Mittelalter verwendet wurden.“ Die Nekropole „de Saelices-Castrillo de la reina“ (Burgos) besteht aus etwa dreißig Gräbern, die alle auf derselben felsigen Plattform ausgegraben wurden. Alle Gräber sind mehr oder minder deutlich von Südwesten (Kopflage) mit Blick nach Nordosten ausgerichtet. Sie werden - ohne dass man das ernst nehmen müsste - auf das 9.-11. Jh. geschätzt. Mehrere aus Fels gehauene Kopfnischen-Sarkophage finden sich bei der Nekropole „La Nava“ (südl. Burgos, Spanien), des angeblich 14. Jhs. Die Nekropole von Santiuste (Provinz Palencia, Kastilien-León) ist eine kleine Grabstätte, angeblich des 8. Jhs., bestehend aus fünf in den Sandsteinfelsen gehauenen Gräbern, die erwachsenen Personen entsprechen. Die Gräber sind symmetrisch und haben eine anthropomorphe Form, im Allgemeinen mit einem abgerundeten Kopf, einer Trapzoidbox und abgerundeten Fußenden. In einigen Fällen ist die Spitze mit dem Kopf wie ein Hufeisen geformt. Wie an vielen anderen Orten schien ein Felsvorsprung mit Blick auf das Ciruelos-Tal angemessen, um einen Toten in La Covacha de las Monjasoder de los Moros, einem kleinen Bauerndorf, zu Zeiten von Alfons III. (866-910), zu begraben. An diesem Ort, unter den Mulden und Leisten der Gesteinsmasse befinden sich ein Dutzend Gräber, die das einzige Überbleibsel einer ansonsten spurlos verschwundenen Siedlung sind. Keiner kann überzeugend sagen, wie alt die Gräber wirklich sind. Die Spanier nennen diese alten in den Fels oder aus Felsgestein gehauenen Grabtröge „Tumbas antropomórficas“ oder auch „Tumbas Olèrdolana“ (nach einer Ortschaft bei Barcelona) oder „Tumbas visigoticas“ (Westgoten-Gräber). Die kleine Nekropole, im Volksmund „Tumba del Moro“ genannt, östlich von Segovia (La Cabrera, Madrid) aus westgotischer Zeit, weist zehn Gräber auf, neun einfache und eines mit einem anthropomorphen Profil. Letzteres allein ist direkt aus dem Felsen herausgehauen und fast genau mit dem Kopf nach Norden ausgerichtet. Nach den Funden wurden die Gräber zwischen dem 6. bis 9. Jahrhundert datiert. Sie weisen eine ungefähre Länge von 1,85 Metern auf, eine Breite von 0,48 und eine Tiefe von 0,40 Metern. Darin wurden menschliche Skelettreste gefunden. In den Jahren von 494-506 erfolgt die Eroberung großer Teile der Iberischen Halbinsel durch die Westgoten. In mehreren Schüben wanderten sie in Spanien ein und siedelten sich in Innerspanien an, wie die großen Reihengräberfelder in Segovia, Madrid und Burgos zeigen. Diese Gräber - es sind etliche Kopfnischengräber darunter - lassen eine exaktere Datierung zu. Ich zitiere die Inaugural-Dissertation von Antonel Jepure, „Das westgotenzeitliche Gräberfeld von Madrona (Segovia)“, Textband, Würzburg / Madrid, 2006, wo über die in Madrona vorkommenden Varianten folgende Beurteilung gegeben wird; S. 50f: „Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass etwa eine anthropoide Innengestaltung, d.h. mit Kopfnische und Schulterbereich, für Bestattungen in Madrona sehr geschätzt waren, womit also der Innengrundriß ausschlaggebend für die Sarkophagwahl gewesen sein könnte.“ Der der Arbeit zugrunde liegende Fundstoff stammt aus den rund 660 Bestattungen des Gräberfeldes von Duratón, welches sich auf der kastilischen Hochebene befindet, unweit der Stadt Segovia gelegen. Auf den Seiten 53 bis 55 werden als Kopfnischengräber vorgestellt: Grab 137, 151,154, 198, 226 und weitere abgeschwächte Formen. Auf S. 78 weist der Autor darauf hin, dass Gräber zum Vorschein kamen, die teilweise quer zu ihren benachbarten Gräbern lagen, wobei es sich um es sich um SW-NO-orientierte (wie Agisterstein-Grab) und NO-SW-orientierten Bestattungen handelte. Wir haben hier die gesuchten Gräberform bereits aus dem 5. und 6. Jahrhundert vorliegen. Zumindest bei den in SW-NO-Gräbern Liegenden dürfte es sich um bewusste westgotische Heiden gehandelt haben. Das Ergebnis meiner Untersuchungen ist die Feststellung vom Fehlen einer wissenschaftlichen Monographie über Ursprung und Alter der Kopfnischengräber, wobei beispielsweise der Verwitterungsszustand einzelner Grabsteine geprüft werden müsste. Sind sie möglicherweise auf bedeutend frühere Enstehungszeiten zu datieren ? Sicher ist hingegen jetzt schon, dass diese Grabsteinformung bereits zur Westgotenzeit nachweisbar ist und nicht erst im Hochmittelalter.  
 
Westgoten-Zeit-Grab - Zeichnung von Antonel Jepure, Seite 53
 
2. - Das uralt-urgläubige Kultgrab am Agisterstein
(Arkosolien - Rundbogengräber)
 
Der Kopfnischencharakter des Agisterstein-Grabbaues ist das eine Beurteilungskriterium, ein zweites ist der Rundbogen der sich über der Gablege spannt und damit ein Arkosolium/Arkosol (lat. arcus „Bogen“, solium „Grab“) hervorruft. Rundbogengräber - ähnlich dem vom Externstein-Grabstein - sind in den Nekropolen mehrerer vorchristlicher bzw. heidnischer Kulturen anzutreffen, und zwar in der maltesischen (Salina), thrakischen (Tatul), helladisch-frühgriechischen (Milet), in der griech.-hellenistischen (Termessos), sowie in der römisch-kaiserzeitlichen (Abrittus/Moesia). Die Arkosolien von Malta sind in der Vergangenheit gern als frühchristliche Beispiele für Rundbogengrabformen vorgezeigt worden, doch das war ein Trugschluss. Heinz Warnecke bewies, dass der sog. „Völkerapostel Paulus“ (Apostelgeschichte 28,1) im Jahre 59 n. 0 nicht auf Malta, vielmehr auf der westgriechischen Insel „Melite“ (Kephallenia) gestrandet ist, das bedeutet, die Insel Malta ist nicht wie die Mehrzahl der römischen Provinzen in vorkonstantinischer Zeit christianisiert worden, sondern erst während der Mitte des 4. Jahrhunderts, in dem keine Katakomben mehr angelegt wurden. Die dortigen Katakomben-Akrosolgräber können keine christlichen Erzeugnisse sein, sie sind urmaltesisch-phönizisch-römischer Natur (s. dazu „Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus“, 1987). Die maltesische Siedlung Salina liegt nahe der „St Paul’s Bay“, gehört aber zum „Local Council“ von Naxxar. Die Region von Naxxar war, wie Funde in den Höhlen von Tal-Qattara und Ta’ San Brinkaw und Reste megalithischer Bauten in Tal-Qadi und Qaliet Marku zeigen, bereits in Stein- und Bronzezeit besiedelt. Im Bereich der Stadt finden sich Gräber aus Zeiten der Phönizier und die Katakomben von Salina und Magħtab. Auch die Salina-Gräber weisen die für die Steinzeitkultur Maltas typischen Spiral- und Doppelspiralbilder (z.B. Katakomben von Abbatija) auf, welche - wie im hyperboreischen Norden - den jährlichen Sonnenweg symbolisieren. Diese Gräber mögen eventuell noch in christlicher Zeit genutzt worden sein, doch wurden sie nicht in ihr geschaffen. Auch die Gräber an der „Salina Bay“ werden irrtümlich als „römisch-frühchristlich“ bezeichnet. Wären sie durch frühe Christen gebaut worden, ließen sich christliche Motive finden, das ist nicht der Fall. Damit ist gesichert, dass die Spiralornamente vom maltesischen Salina keinesfalls von Christen herrühren können. Die altgläubige Sonnenjahr- bzw. Zeit-Metapher der Doppelspirale ist nachweisbar ein religiöses megalithisches Leitmotiv von Schottland bis nach Sardinien und Malta. Damit sind die Rundbogennischengräber - die sog. Arkosolien - als eine uralte vorchristliche Bauform wahrscheinlich gemacht.
 
Perperikon
 
Perperikon-Sonnen-Heiligtum im Rhodopen-Gebirge - zerstörtes Rundbogen-Grab
 
Sicher können wir hinsichtlich der Einordnung des Agistersteins als Lichtkultstätte sein, wo insbesondere Auferstehung, Höchststand und Niedergang der Sonne beobachtet und dem Brauchtum folgend, gefeiert -, wo ebenso auch, resultierend aus dem Sonnenkult, die ewigen Rätsel des Werdens und Vergehens, sowie das Geheimnis um den Glauben an die menschliche Unsterblichkeit umsonnen wurden. Geradezu elektrisierend verwandt erscheinen uns jene heiligen Orte die sich bei dem norditen Kulturvolk der Thraker am Unterlauf der Donau, an der Schwarzmeerwestküste und im nordbalkanischen Osten des Rhodopen-Gebirges finden lassen. Da ist zum einen der Kultberg „Perperikon“, zum anderen das um 40 km südlich gelegene „Orpheusgrab von Tatul“. Die gefühlte genetische Verwandtschaft zwischen den Menschen des europäischen Nordens und des Nordbalkans ist nachweisbar. Die Y-Haplogruppe I1a ist typisch für Nordeuropa. Wir finden sie in Skandinavien, Dänemark, Norddeutschland und England, ebenso im Unterlauf der Donau und Nordbalkan, dem Thrakergebiet, und bei den blonden Skythen der asiatischen Steppen, auch in den Megalithzentren Nordwestiberiens und von Sardinien. Das Zentrum dieser Haplogruppe muss Doggerland und die norddeutsche Tiefebene gewesen sein. Die Hamburger-/Ahrensburger-Kultur, die Maglemose-, Kungmose- und Ertebölle-Kulturen sind aus gleichem Urraum erwachsen. Das ist eine vereinfachte Darstellung, denn die Rassenbestimmung anhand der Haplogruppen-Definition allein über das männliche Y-Chromosomist problematisch.
 
Perperikon ist ein jahrtausendealter Kultberg, der schon vor 8.000 Jahren, als steinzeiliches Felsenheiligtum, die Menschen anzog und bei den Thrakern zur felsigen Hauptstadt, mit Festung und Königspalast, gestaltet wurde. Noch heutige Überreste der behauenen Steine stammen aus der Jungsteinzeit und Kupfersteinzeit, also von Ende 6. bis Anfang 5. Jahrtausend v.0. Ein interessanter Fund aus dieser Jungsteinzeitsiedlung ist ein Nephrit-Amulett in Form einer Swastika. Bis in die Bronzezeit wurden auf dem Hügel dem Sonnengott Opfer dargebracht. Eines der dortigen Symbole war der fünfstrahlige Sonnenkreis, dessen Strahlen in einem Flammenkranz enden. Das Fragment eines Keramikgefäßes aus mittlerer Bronzezeit, des 15.-12. Jh. v.0, gibt darüber Auskunft. Ein hakenkreuzförmiges Sonnenzeichen fand sich an einem anderen Gefäß des 18. Jh. v.0, wo sechs menschliche Gestalten, es sind  Männer und Frauen, um die Sonne herum tanzen. Ihre Gliedmaßen sind als Blätter, ihre Köpfe als kleine Sonnen dargestellt. Eine gefundene Steintafel belegt den Austausch zwischen dem östlichen Rhodopen-Gebirge und der bronzezeitlichen kretischen, minoischen Kultur, denn auf der Tafel aus dem 15./14. Jh. vor Ztr. sind Zeichen der sog. Linear-A-Schrift eingeritzt. Sie wurde auf der Insel Kreta zwischen 1850-1400 vor Ztr. verwendet. In der Eisenzeit war es schließlich möglich, den Fels mit Werkzeugen zu bearbeiten und es entstanden die ersten in den Stein gehauenen Nischen und geebneten Opferplätze. Bereits im 12. Jh. v.0 hat man auf dem stattlichen Gipfel (470 m), inmitten berückender Landschaften, ehrende Riten für den Sonnengott vollzogen. Dazu wurde nahezu der gesamte Berg mit Treppen, Mauern, Türmen, Höhlungen, Kanälen und Altären ausgekleidet. Die Anhöhe haben die Gläubigen zum städtischen Zentrum und religiösen Mittelpunkt erkoren; um 1.500 v.0 erbaut und bis zum 14. Jh. v.0 besiedelt. Dann wieder vom 6. bis 5. Jh. v.0. war hier das Palastheiligtum, die befestigte Residenz und Familiengrüfte der thrakischen Herrscher in den Rhodopen. Auf dem Perperikon befand sich das in der Antike berühmte Heiligtum und Orakel des Dionysos. In der letzten Phase erhoben sich dort um 50 Hallen, Treppen und Korridore sowie Wohn- und Wirtschaftsräume. Hier waren Wohnstatt, Herrschersitz und Heiligtum für die Priesterkönige vereint. Einzelne Räume sind bis zu sechs Meter tief in den Fels hineingearbeitet. Man darf von einer thrakischen Akropolis sprechen. Damals gaben sich die Menschen dem Kult des Dionysos hin, der tiefsinnige Erklärungen zur Weltordung gab. Aus ihm war schon um 900-800 v.0 der Orphismus als Philosophie und Glaube hervorgegangen, mit den orphischen Mysterienkultriten an geheimen Orten, die das ewige Leben versprachen. Ein in den Fels gehauener Thron ist getreu dem Sonnenkult der Thraker nach Osten ausgerichtet, um alltäglich die ersten Strahlen der Morgensonne zu empfangen. Und nicht anders als wie am germanischen Agisterstein, wurde hier im Zuge der Christianisierung eine Bischofskanzel gebaut, von der aus die Geistlichen ihre Missionspredigten hielten. Zudem blieb an der höchstgelegenen Stelle des Berges eine aufwendige einschiffige Basilika bis heute erhalten. Nach der orphischen Mythologie war Zagreus, der männliche Natur-Gott, verwandt mit der weiblichen Mutter-Gottheit, deren Begattung die ergänzende Vereinigung himmlischer und irdischer Kräfte versinnbildlichte. Insbesondere sollte das harmonische Gleichgewicht zwischen den fünf chaotischen Elementen der Welt - wie sie die Thraker sahen - bewerkstelligt werden. Neben Erde, Feuer, Wasser und Luft, galt das Pferd als fünftes heiliges, verehrungswürdiges Urwesen. Das den Ariern heilige Ross hat auch an 6. ODING-Runenposition Eingang ins germanische Glaubenskonzept gefunden. Für den Orphismus waren die Ahnen-Könige von zentraler Bedeutung, sie galten als Anthropodemonen, als Unsterbliche, als Untote die des Landes und Volkes Fruchtbarkeit und Wohlstand garantieren können. Mit den vergöttlichten germanischen Asen-Vorfahren wurden die gleichen hohen Hoffnungen verknüpft. Der Höhepunkt des orphischen Rituals galt dem symbolhaften Nachvollzug der mythischen Zerstückelung des Dionysos durch die Titanen und die Kommunion, also den Genuss des Dionysos-Opfers als heilige Speise. Zur Darstellung wurde das Blutopfer eines Stieres, eines Pferdes, einer Ziege und manchmal sogar eines Menschen verwendet. Exakt diese Tiere erscheinen auch auf den mittelalterlichen sakralen Goldbrakteatenbildchen der Germanen, wo das einknickende Reitpferd - der aufgesessenen anthropomorphen Gottheit - mit Stiergehörn und Ziegenbart abgebildet werden konnte. Wir haben keinen Grund erstaunt zu sein, denn der Paulinische Christianismus basiert im Kern auf den gleichen ursprünglich steinzeitlichen Vorstellungen, dass aus einem Gottmenschen-Opfer ein allgemeines Volksheil erwachsen würde.
 
Tatul
 
Tatul-Sonnen-Heiligtum im Rhodopen-Gebirge - „Rundbogengrab des Orpheus“
 
Auf dem Bergheiligtum Perperikon gibt es einen wuchtigen Felsblock in den das hineingearbeitet wurde, was man als ein halbzertrümmertes Akosol-Nieschengrab zu erkennen glaubt. In Vollendung erhalten ist ein solches aber im wohl erhabensten der megalithischen Denkmäler überhaupt, in dem aus zahlreichen Felstreppen und Felsnischen bestehenden thrakische Heiligtum in der Nähe des Dorfes Tatul, im heutigen Südbulgarien, nahe der Gemeinde Momchilgrad. Das eigentliche Heiligtum zeigt sich als ein auf West-Ost ausgerichteter quadratischer Gesteinsklotz auf einer Felsenkupppe, von der aus ein weiter Blick ins umliegende Land genossen wird. Ein zweites, aber nicht überdachtes, konisch gestaltetes Felsengrab ist in den Stein eingetieft. Der Komplex existiert seit Ende des 5., Anfang 4. Jahrtausends v.0, davon zeugen die im Umfeld gefundenen Tongefäße. Die Felspyramide und die Gruft in ihrer Nähe, wurden im 18.-11. Jahrhundert v.0 aufgebaut. Zu dieser Zeit erlebte das Heiligtum seinen ersten großen Frühling. Ringsum existierte ein Kreis aus Tonaltären, wo Opfergaben dargeboten wurden. Hunderte von Kultgegenstände wurden geborgen, Gegenstände aus Ton und Bronze, z.B. Abbildungen des Sonnengottes, Teil einer goldenen Maske, drei Tonräder für Modelle von einem Himmelswagen, die sich auf den Kult um die Sonne beziehen. In dem Felsengrab wurde die Wurzel eines Weinstocks gefunden, deren Alter auf 3.000 Jahre bestimmt werden konnte. Es ist zu vermuten, dass hier einst ein berühmter Thraker-Herrscher bestattet wurde und nach seinem Tod göttliche Verehrung erhielt. Für gewöhnlich wurden die vornehmen Toten der Thraker und Germanen in einem Hügelgrab beigesetzt, Berggipfelbegräbnisse bzw. Steinblockgräber, wie das von Tatul und dem Agisterstein, sind ganz außerordentliche Bauten. Beim thrakischen König Rhesos, der im trojanischen Krieg für die Trojaner kämpfte, und bei Orpheus, einem Sänger und Dichter aus der griechischen Mythologie, von einem derartigen Begräbnis gesprochen. Die vor ca. 4.000 v.0 entstandene Anlage ist älter als die ägyptischen Pyramiden, die etwa 2.500 v.0 erbaut wurden. Tatul umfasst ein urgläubiges Felsheiligtum sowie mittelalterliche Festungsreste. Es wird u.a. vermutet, dass es sich hier um das Heiligtum des Orpheus als auch um seine letzte Ruhestätte handeln könnte, also um das „Opheus-Grab“. Freigelegt wurde eine sehr schöne 10 cm hohe Orpheus-Statuette aus der Römerzeit, die den mythischen Sänger des Ewigen Lebens in aufrechter Haltung verkörpert. Seine linke Hand stützt sich auf eine Lyra, in seiner Rechten hält er ein Zupfplättchen. Auf einer gefundenen röm. Münze ist Orpheus umgeben von Waldgetier abgebildet, eine andere zeigt ihn hoch auf einem Fels. Auf einer dritten ist eine Maid dargestellt, die die Königin Rodopa verkörpert. In ihrer Hand hält sie eine einzigartige einheimische Blume, eine „Haberlea rhodopensis“, die die außergewöhnliche Eigenschaft besitzt, 31 Monate im Scheintod zu verharren, um dann unter geeigneten Bedingungen zu neuem Leben zu erwachen. Der Legende nach soll sie aus dem Blut des Orpheus entsprossen sein. So wie die vielen schon stein- und bronzezeitlichen Ringheiligtümer und der Agisterstein in Deutschland, war auch Tatul eine Sonnenbeobachtungsstätte. Von den hervorragenden astronomischen Kenntnissen der Thraker zeugen die archäoastronomische Untersuchungen des Felsheiligtums. Es wurden zwei Terrassen mit mehreren amphitheatralischen Halbkreisen in den Felsen gehauen, die offensichtlich der Bestimmung des Jahreskreislaufs und der Frühjahrs- und Herbstsonnenwende dienten. Im 13.-12. Jh. v.0 wurde das Heiligtum durch Erdbeben beschädigt. Während der Antike wurde eine massige Steinmauer aus rießigen Blöcken mit der Form eines Parallelepipeds aufgebaut. Während der ersten Jahre nach Ztr. wurde in der Region des Heiligtums erneute Bauaktivität registriert. Das erneute Heiligtum existiert bis zu den Fünfzigern - Sechzigern des 1. Jahrhunderts. Es wird vermutet, dass der hellenistische Tempel und die Gebäude in seiner Nähe schließlich zur Römerzeit in ein befestigtes Landhaus umgebaut wurden. Im Landhaus residierte wohl ein einheimischer Aristokrat. Schon 250-51 drangen Skythen und Goten in den Nordbalkan ein, waren also in Moesien und Thracien und dem Rhodopen-Gebirge. Ab 257 durchfuhren Goten erstmals den Bosporus und nahmen kleinasiatische Städte ein. Im Frühjahr 268 befanden sich Kriegerscharen der Goten und Heruler auf ihrem Weg nach Makedonien und eine große gotisch-herulische Armada, im Verband mit starken Landstreitkräften, zog gegen Byzanz.Im Verlaufe dieser kriegerischen Turbulenzen wurde das Landgut offenbar in den Jahren 267-269 n.0 niedergebrannt.
 

Der Tatul-Komplex als Luftaufnahme im ca. gleichalten Ringheiligtum von Goseck.
Das Tatul-Arkosolium ist auf den Untergangspunkt der WSW gerichtet.
 
Tatul (bulgarisch: Татул), 14 km östlich von Momtschilgrad, ist auf dem google-Satelitenbild etwas unscharf zu orten, wodurch wir trotzdem in die Lage versetzt werden - bei Kenntnis seiner Baustruktur - seine Gebäudeausrichtungen zu bestimmen. Majestätisch auf dem Gipfel ruhend, inmitten bewaldeter Hügellandschaft, ragt ein ca. 6 m hoher Felsquader empor. Der Arkosol-Grabbogen schaut nach Südwesten, also etwa zum Untergangspunkt der Wintersonnenwende, dem in Form von einer Vielzahl von Stieropfern, deren Gehörne man fand, im mittelneolithischen Sonnenringheiligtum Goseck (Sachsen-Anhalt) die meiste Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Errichtet wurde es vor etwa 6.900. Dem Sonnenuntergangsraum im Südwesten schenkten die alten priesterlichen Himmelsweisen also eine erhöhte Beachtung, in Mitteldeutschland wie im Nordbalkangebiet. Denn der siechen, schwachen Wintersonne sollte auf ihrem Abwärtsgang in die westlichen Totengefilde frische Opferblutkraft zugeführt werden, damit sie ihre Auferstehung erleben könne. Zum Bergheiligtum von Tatul führen acht steinerne Treppen empor. Auf der Gipfelkuppel ist ein leicht konisches Grab von 1,70 m Länge in den Fels gehauen, dessen Kopfteil im Nordwesten liegt, mit Blick des Toten nach Südosten. Ein Abflussloch in der Mitte des oberen Sargopharges findet seinen Ablauf hinter der Akrosolwölbungsschale des vorderen Grabes, möglicherweise, um das sich in der Grabwanne sammelnde Regenwasser abzulassen; andere Betrachter munkeln von einer Opferblutrinne. Doch einen Opferstier wird man kaum dort oben hintransportiert haben, obschon eine dortige Plattform für gewisse Riten ausreichend Platz anbieten könnte. In den Stein gemeißelte Treppenstufen führen zur „Opferplatte“ hinauf. Handelt es sich dabei tatsächlich um das „Grab des Orpheus“, dann schaute der Darinliegende jedenfalls nach Südosten, zum Aufgangsort der kraftarmen Wintersonne. Unterhalb dieses Gipfelgrabes, von der zu den Füßen schmaler werdenden Form, wie man sie als angebliche Christengräber, zumindest vom 7. bis 12. Jahrhundert, in Menge findet, liegt das attraktive Rundbogengrab. Es gleicht dem Rundbogengrab des deutschen Agisterteins sogar darin, dass beide Kopfnischen, wenn auch von unterschiedlicher Form, auf der rechten Seite sind. Die exakten Vermessungen der Anlage sind mir bisher noch nicht gelungen, doch einige Erkenntnisse dürfen jetzt schon als sicher gelten, nämlich: 1.) Die Fels-Sargopharge sind keine mittelalterlich-christliche Erfindung. Sie könnten sogar von den Goten in Tatul gedanklich aufgegriffen und von ihnen nach Spanien als Idealkonzept mitgebracht worden sein, wo wir so viele davon finden. 2.) Das steinzeitliche Rundbogengrab von Tatul beweist das Alter des Rundbogengrab-Typhus, so dass auch das Rundbogengrab des Agistersteins durchaus steinzeitlich sein könnte.