Die altgermanische Buchstabenreihe kann nach ihren ersten 6 linksstehenden (rechtsläufigen) Buchstaben als = „FUÞARK“, oder nach ihren ersten 3 rechtsstehenden (linksläufigen) Buchstaben als = „ODiNG“ bezeichnet werden. Un­zweifelhaft ist, dass der Systemschöpfer sein Ordnungsgefüge von rechts nach links aufbaute, denn nur unter dieser hypothetischen Voraussetzung ergibt sich eine Übereinstimmung von (mittelalter­lich überlie­ferten) Runenbegriffen, dazu passenden gema­trischen Ord­nungszahlen und den von mir nachgewiesenen Kalenderposi­tionen.
 
Mit der Runenreihe haben wir demnach eine bei rechts beginnende Gliederung vor uns. Es stellt sich die Frage nach einer Begründungsmöglichkeit für dieses Strukturprinzip. Die antike Rechts-Links-Theo­rie könnte eine Rolle gespielt haben. Schon die pythagoreische Gegensatztafel brachte die Antithese „rechts:links“ unmit­telbar vor dem Gegensatzpaar „männlich:weiblich“, wobei die Qualitäten „rechts“ und „männlich“ in der Reihe des „Vollkommenen“, Geordneten, also „Be­grenzten“ und damit Positi­ven stan­den, während die Gegenbegriffe „links“ bzw. „weiblich“ in den Bezirk des „Unvollkomme­nen“, „Un­be­grenz­ten“ und damit weniger gut Bewerteten gehör­ten. Solche Höherbewertungen von „rechts“ gehen wahr­scheinlich auf die im menschlichen Be­reich beobachtete überwiegende Rechts­händigkeit zurück, die eine höhere Leistungsfähigkeit der rechten Seite nahelegt.
 
Beim Schreiben auf rechter Seite zu beginnen und nach links hin zu arbeiten, gehörte aber zur ur­sprüngli­chen Verfahrensweise überhaupt. Die ältesten Alphabetinschriften sind linksläufig. Auf Kreta setzte sich diese Tradition bis ins 5. Jh. v.0 fort. Das älteste etruskische Schriftdokument (Schreibtafel von Marsilina, 8. Jh. v.0) zeigt eine linksläufige Alphabetanordnung, ebenso wie der älteste lateinische Schriftfund (Fo­rumstein, 6. Jh. v.0) linksläufig gehalten ist. Bei den Rö­mern wurde die Entwicklung zur rechtsläufigen Schreibrichtung erst im 3. Jh. v.0 abgeschlossen. Der Runenstifter hat sich dem­nach schlicht und ein­fach an altehrwürdige Tra­ditionen ange­lehnt.
 
Da das Buchstabengefüge des ODiNG eine Kalender-Kreissymbolik darstellt, steht es zwangsläu­fig mit dem Sonnenlauf in Beziehung. Für den zur Mit­tagssonne ge­wen­de­ten Nord­menschen kommt die tägli­che Sonne von links und geht nach rechts. Geradeso rechts­läu­fig scheint der gesamte Fixsternhimmel - auch die Wandelsterne (Planeten) mit dem Mond, also die „Wochentags­göt­ter“- täglich unsere Erde zu umkreisen. „Mit der Sonne zu gehen“, muss ein wichti­ges Gebot im Leben unserer Vorfahren ge­wesen sein; das Horn ging beim Festgelage „sonnenläufig“ (rechts­läufig) in der Halle um. Denn die Sonne (mitsamt den sieben Planeten) schuf nach traditioneller Vorstellung die Erdenzeit. In dieser Son­nentageszeit und ihrem Licht­raum wollte man sich, den großen Vorbildern gemäß, harmonisch mitbewe­gen.
 
Das Runen-ODiNG stellt aber einen Zeitweiser für das Mond-Sonnenjahr (luni-solares Jahresschema) dar. Da die jährlichen Sonnen- und monatlichen Mondbewegungen für den europäischen Beobachter als linksläufige Wanderungen - von West (rechts) nach Ost (links) - durch die Sternbilder des Tyrkreises (Zodiakalkreises) erscheinen, stimmt das linksspiralige ODiNG-Kalendarium mit den ersichtlichen kosmischen Gegebenheiten des Sonnen-Jahresverständnisses sinnvoll überein. Auch bei jeder Sonnenfinsternis sieht der Beschauer, dass sich der Mond von rechts nach links vor die Sonne schiebt. Man nahm an, das Himmelsgewölbe drehe sich wie eine riesenhafte Glocke linksläufig um Erde und Sonne, oder die Sonne wandere linksläufig durch die Sternbilder des Tyrkreises. In Wahrheit jedoch ist die Erde selbst für die Effekte verantwortlich, da sie sich linksläufig um die eigene Achse dreht und gleichzeitig linksläufig um die Sonne herumgeht - ebenso wie der Mond linksläufig um die Erde kreist. Heute wissen wir, dass sich auch das Energiefeld des Sonnenkerns in einer Linksdrehung befindet.