Copyright Gerhard Hess / Okt. 2015
 
 
ODING-EURYTHMIE
 
Die Betrachtung und damit die Verständniserweiterung des ODING vollzieht sich in mehreren Stufen. Die erste Erkenntnis ist jene von der Grundlage, dass sich die Linie der Runenreihung zum Kreisschluss transformieren muss, um ein kosmisches Anschauungsfenster zu bekommen. Je länger wir uns in dieses Kreislauf-Mandala vertiefen und darin gedanklich kreisen, umso klarer wird der Eindruck einer spiraligen Verständniserhöhung. Während der rundfahrenden Runenbetrachtung - von Hieroglyphe zu Hieroglyphe - schraubt sich unser Erfassungswille immer inniger und tiefer in die Runenaussage hinein -, und von Rundung zu Rundung spiralt sich unser Erkenntnisgewinn in zunehmend höhere feinstoffliche Dimensionen des ODING-Verständnisses. Die feststofflichen, zuweilen derb erscheinenden, runischen Ideenbilder treten dabei in der Urform ihrer Vermittlung in Form von Gleichnissen zurück und geben den Blick frei auf die dahinterliegenden Ideenmuster, die wohl im Sinne der großen Grundlage des platonischen Weltbildes zu verstehen sind, einem Denken dem die Wahrheit als etwas ewiges, zeitloses und unveränderbares galt, gleich den unverrückbaren Säulen des göttlichen Königreiches. Der Begriff des Zeitlos-Unveränderbaren heißt in diesem runischen Denken aber nicht das Eingefrorensein eines unentwickelbaren Zustandes, sondern die festgelegte Abfolge von gleichen Erscheinungswiederholungen, wie sie ein naturreligiöser Jahres- und Äonenkalender, Blatt für Blatt, den Menschen zu Gesicht bringt.
 
Wenn wir uns hineinzuleben versuchen in die Runengedankenwelt, gilt es, drei Verständnisebenen zu verknüpften: 1.) Der Kreischarakter der Gesamtordnung. 2.) Der Lautcharakter jedes Zeichens. 3.) Die mimische Gleichung der Zeichen im Sinne einer Deutungsfigur. Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass jedes Kultspiel sowie die Brauchtümer der Völker im Rahmen der verschiedenen Weltkulturen nichts anderes war und noch immer ist, als Beschwörungsversuche, mittels derer die jahreszeitlichen kosmischen Wahrnehmungen nachgespielt werden sollen, dann stehen wir vor der Vision, den ODING-Kreis als einen gesungenen und figurengestellten Reigentanz zu begreifen. Kultische Reigentänze sind uralt, wir finden derartige Darstellungen in der bronzezeitlichen Formenwelt skandinavischen Felsritzbilder, wie sie auch für die klassische Griechenzeit belegt sind. Platon (428-347 v.0) erklärte: „Tanzen ist von Natur himmlisch und ein Geschenk der Götter“. Der griech. Dichter Lucian von Samosata (um 120-180 n.0) schrieb: „Der Zweck der Tanzkunst ist die Darstellung einer Empfindung, einer Leidenschaft oder Handlung durch Gebärden.“ Offenbar war der hellenische Tanz eine Bewegungskunst der körperlichen Darstellung, um bestimmte Umstände und Ereignisse zu versinnbildlichen. Ebenso die indischen Bajaderen, sie traten als „Devadasis“, als tanzende Gottesdienerinnen bei den Gottesdiensten auf, um mit ihren festgelegten Ausdruckstänzen die Gottheit zu ehren, oder besser gesagt, getanzte Gebete vorzutragen. Der nordische Lichtgott Apollon führt im homerischen Hymnus im Tanzschritt die ihm folgenden Schiffer zu seinem Altar in Delphi. Ebenso tanzt seine Schwester, die lunare Artemis, mit ihren Nymphen. Das Wort von Friedrich Nietzsche kommt in Erinnerung: „Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde...“ Die Hellenen waren der Überzeugung, dass der Tanz die körperliche und seelische Gesundheit erhalten oder wieder herstellen könne. Er galt ihnen als Mittel zu einer ganzheitlichen harmonischen Ausbildung des Leibes und seiner Ertüchtigung. Die Tänze, zu den unterschiedlichen Anlässen, wurden von Musikanten begleitet, die auf Lyren, Gitarren, Hörnern, Flöten, Tamburine, Zimbeln, Becken und Kastagnetten die Tänzer einstimmten. Es heißt: „Der Tanz beschränkte sich keinesfalls auf die bloße Bewegung der Füße, im Gegenteil hatten Musik und Gestikulation einen starken Anteil an den griechischen Tänzen.“ Versteht man den Runenreigen als das Konzept einer zu tanzenden Figurenfolge, würden die Tänzer die runischen Formen als Ausdruckstanz, bei gleichzeitigem Intonieren des Runenlautes und der Konzentration auf den Runensinn, vorführen. Die Idee, dass Runen-Hieroglyphen durch Körperhaltungen nachgestellt werden könnten, hatte schon Gustav Thormod Legis, der darüber in „Fundgruben des alten Nordens“, 1829, Tafel II., dazu Abbildungen vorstellte. Im Jahre 1924 war es Friedrich Bernhard Marby (1882-1966) welcher in der von ihm herausgebrachten Zeitschrift „Der eigene Weg“ unter der Überschrift „Runen raunen richtig Rat“, mit der Besprechung germanischer Runen begann. Er bezeichnet sich selbst als Entdecker und Neubegründer der „Runen-Gymnastik“, die er vorgeblich bereits seit 1911 überdacht hatte und verfeinerte. Erst 1931 erschien sein Doppelband, durch welchen er mit seiner „Runen-Gymnastik“ in einigen ariosophischen Kreisen Begeisterung erntete. Leider folgte Marby dem nichtauthentischen 18er Runensystem des Guido List - welchem es nicht vergönnt war, das ursprüngliche 24er Runenwerk zu begreifen - wodurch Marbys Arbeit streng genommen wertlos blieb. Wertlos sind die Erörterungen und Vorschläge Marbys deshalb, weil sie nicht nur ein frei erfundenes System zugrunde legten, darüber hinaus den unwissenschaftlichen Runendeutungsfantasien von G. List und dessen Beeinflusser Friedrich Fischbach (1838-1908) anhingen, jenem Ornamentalisten und Fachmann für orientalische Teppiche, die er zum Jahr 1900 in seiner kleinen Schrift „Ursprung der Buchstaben Gutenbergs - Beitrag zur Runenkunde“ veröffentlicht hatte. Der Siebenbürger Gustav Arthur Gräser (1879-1958), den man „Vater der Alternativbewegungen“ genannt hat, begründete mit Geldgebern und seinem Bruder Karl, die Reformsiedlung „Monte Verità“ (Berg der Wahrheit) bei Ascona. Dort entwickelte Gusto Gräser einen ekstatischen Ausdruckstanz, den „German dance“, welcher von dem erosbesessenen Tanztheoretiker Rudolf von Laban (1879-1858) ausgefeilt wurde. Ihm ging es darum, das in der modernen Alltagsarbeit verlorene Körperbewusstsein wieder zu erwecken und zum künstlerischen Ausdrucksmittel zu steigern, auch als Teil einer „Gemeinschaft stiftenden Festkultur“ einzubringen. Gräsers Mondscheintänze im Wald von Arcegno beeinflussten auch die Amerikanerin Angela Isadora Duncan, die zur „Barfußtänzerin“ und ebenfalls zur Wegbereiterin des modernen sinfonischen Ausdruckstanzes wurde, der das altgriechische Schönheitsempfinden versuchte wiederzubeleben. In der Abgeschiedenheit der Waldungen über Ascona studierte Gräser und v. Laban mit ihren Schülergruppen ausdrucksstarke Nackttänze ein. Ein grandioser Höhepunkt auf dem „Monte Verità“ war im August 1917 die Freilichtaufführung „Sang an die Sonne“ im Rahmen einer Veranstaltung des „OTO“. Des „Orden des östlichen Tempels“ erklärtes Ziel war die Vervollkommnung des Menschen durch Ritualmagie. Die chorische Tanzdarbietung besaß drei Teilen: „Die sinkende Sonne“, „Die Dämonen der Nacht“ und „Die siegende Sonne“. Ab 1911 ließ sich auch der Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner (1861-1925) mitreißen und entwickelte die sog. Eurythmie, eine Gebärdensprache. Steiner entwickelte etliche Choreografien, also Eurythmie-Formen, zu Gedichten und Tonstücken, deren Verständnis und Beherrschung Ziel einer Eurythmie-Ausbildung ist. Unter dem griech. Begriff Eurythmie versteht man „gutes Maß“ der Bewegung bzw. Rhythmus als Ausdruck von „richtiges Verhältnis, Ebenmaß, Wohlklang“. Heute wird die Eurythmie als eine anthroposophische Disziplin im Rahmen von Bühnenaufführungen der darstellenden Bewegungskunst verstanden. Die Heileurythmie entstand im Entwicklungsprozess der anthroposophischen Medizin. Steiners Ehefrau, geborene Marie von Sivers, soll 1912 die Benennung Eurythmievorgeschlagen haben. Nach der Fertigstellung des Goetheanums, im schweizerischen Dornach bei Basel, wurde dieses die Hauptbühne für Eurythmie-Aufführungen. Ein anthroposophischer Text führt aus: „Eurythmie ist aus der Sicht ihres Erfinders die Kunst, in Sprache und Musik wirksame Gesetzmäßigkeiten und Beziehungen durch menschliche Bewegung sichtbar zu machen. Hierzu werden verschiedene Gestaltungsmittel, wie Gesten, Farben und Raumformen (Choreographie), eingesetzt. Dabei wird die Bewegung aus dem Bewusstsein der Beziehung von eigenem Leib zu dem ihn umgebenden Raum und der Zeit heraus gestaltet. Die eurythmische Gestaltung eines Musikstückes oder einer Dichtung soll deren künstlerische Gestalt und die sie hervorbringenden Bildekräfte sichtbar werden lassen.“
 
Man gibt an, dass Heileurythmie bei akuten, chronischen oder degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, des Herz-Kreislaufsystems, des Stoffwechselsystems und des Bewegungsapparates angewendet werden könne. „In der Heileurythmie wird eine Erkrankung als Störung der leiblichen, seelischen und geistig-individuellen Ebenen des Menschen betrachtet. Gezielte Bewegungsübungen sollen die gestörten Bereiche wieder in ein harmonisches Gleichgewicht bringen. Dabei zielen die heileurythmischen Bewegungen auf eine Beeinflussung der Empfindungen des Patienten von außen nach innen, also entgegengesetzt zu dem Vorgang menschlicher Gemütsäußerungen, bei dem sich Empfindungen von innen nach außen durch Mimik und Gestik äußern. Hintergrund ist eine ganzheitliche anthroposophische Betrachtung des Menschen, derzufolge körperliche Erkrankungen meist seelische Ursachen haben und seelische Störungen organisch bedingt sein können.“ Das Gesagte kann uneingeschränkt als richtig unterstrichen werden. Ich übernehme ebenso folgenden Text: „Der Eurythmiker arbeitet an seinem eigenen seelischen Erleben und Verständnis ebenso wie an seinem Bewegungsleib, wodurch Eurythmie zu ,beseelter sichtbarer Sprache‘ und ,sichtbarem Gesang‘ werden kann - wenn es dem Eurythmiker oder der Eurythmikerin gelingt, die persönlichen subjektiven Sympathien und Interpretationen zurückzunehmen und sich zu öffnen für den geistigen Gehalt, das Subjekt des Kunstwerkes, das er zur Darstellung bringen will. Die Idee, die prinzipiell dahinter steckt, ist, dass jeder Laut (jeder Ton, jede Stimmung) eine bestimmte Qualität hat. So hat beispielsweise der Laut ,A‘ im Gegensatz zum ,I‘ etwas Offeneres, während das ,I‘ eher etwas Aufrichtendes, Konzentrierendes hat. Der Eurythmiker empfindet diese Qualität und mit seinem Körper stellt er mittels Gesten und Formen diese nach: Das Hörbare wird sichtbar gemacht.“
 
Runengynastik.JPG
Beispiele der Runen-Körperstellungen aus Gustav Thormod Legis Buch „Fundgruben des alten Nordens“, Tafel II., 1829
 
Die Erarbeitungen und Erkenntnisse der Anthroposophen sind mit Einschränkungen zu übernehmen, wobei ihren langjährigen Bemühungen ein großer Dank entgegenbracht werden muss. Auf die ODING-Buchstaben übertragen, stehen wir lediglich vor der Aufgabe eine Runen-Choreographie zu entwickeln. Wer den Ur-Runen-Ring tanzen will, der sieht sich im kosmischen Endloskreis schwingen, der erfühlt die göttliche Harmonie der Sphären im pythagoreischen Sinne. Sphärenharmonie oder Sphärenmusik sind antike Vorstellungen aus der Begrifflichkeit der Himmelskörper von „sphaíra“ der Kugel. Dass mit dem Einzelmenschen als Mittelpunkt, rundum sich Schale für Schale der kugelförmige Raum ausdehnt, widerspräche auch den heliozentrischen Verständnissen heutiger Astrophysik nicht. Auch wenn wir im konkret astronomischen Schema nicht mehr die Erde als Mittelpunkt wissen, so ist doch jeglicher Ausgangspunkt im Kosmos ein Mittelpunkt, um den herum sich das Universum weitet. Die Gestaltenwandlung im Kreislauf der Erscheinungen lebt uns die Natur beständig vor, und die Grundidee des runischen All-Tanzes ist das Mitschwingenwollen in den Rhythmen der Weltenharmonie. In den naturgöttlichen Strukturwandlungen der Welt hat alles seine Ordnung, ist kein Raum für dauernden Widersinn, für Chaos, Krankheit und Tod. Die Konzentration der Tänzer auf das große Heil, das aus den Sphären in die Seele des Einzelnen fluten soll, ist angesagt. Begleitend zu den gestellten und getanzten Runenformen werden die Runenlaute intoniert. Auch ihnen ist die Aufgabe zugedacht, als selbsterzeugte Sphärenmusik autosuggestive therapeutische Effekte hervorzurufen. Es war der Mediziner Erwin Friedrich Karl Victor Georg Heinrich Schliephake (1894-1995) der die Idee der therapeutischen Nutzung der hörbaren Schallwellentherapie vortrug. Er entwickelte in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts das erste „Intra(Hör)schallwellengerät“, das mit 100 Hz. arbeitete. Die Schallwellen-Therapie wird in der Muskel entspannenden Schmerzbehandlung wirkungsvoll eingesetzt, ebenso wie bei verkrampfter Atemmuskulatur, welche Reizhusten hervorrufen kann. Die Schwingungen der Zellen wirken sich positiv auf den Zellstoffwechsel aus, ebenso wird die Wahrnehmungsschwelle für Berührung und Schmerz herabgesetzt. Es handelt sich gewissermaßen um eine normotonisierende feinstoffliche Massage am weichen Gewebe wie am Knochen. Ergebnisse der Fraunhofer-Studie (IBP- Bericht BS 113/84) belegen die Tiefenwirkung der Schallwellenbehandlung. Durch Gesang ist dem Menschen die  Möglichkeit geschenkt, sich selbst im positiven Sinne zu stimulieren. Die Deutschen waren bekanntlich in ihrer selbstbestimmten Zeit immer ein Volk der Sänger, keine andere Nation besitzt einen nur annähernd großen Liedgutschatz. Und die kraftvolle, robuste belastungsfähige Natur der Deutschen war geradezu sprichwörtlich. Dass Sänger eine höhere Lebenserwartung haben als Nichtsänger, ist erwiesen. Es bedarf amerikanischer Studien nicht, doch auch eine Untersuchung an Mitgliedern der New Yorker „City Opera Company“ zeigte, dass die Sänger im Alter zwischen 28 und 65 Jahren alle über ein mächtiges Lungenvolumen verfügten, vergleichbar etwa dem von trainierten Athleten. „Man kann sich den Weg zur gesunden Lungenfunktion im Alter freisingen", riet Dr. Kathleen A. McCormick. Ähnlich wie etwa durch Schwimmen, Rudern und Yoga-Übungen werde auch beim Singen die Brustmuskulatur gedehnt und gestärkt, was erklärt, „warum viele Berufssänger zwei Jahrzehnte länger leben als Nicht-Sänger“.
 
 
TANZWEIHE
 
Du bist aus Freude am
Werdenden, Tanz !
O ewiges Weltgeschehen
im Banne des Berührens
der Finger, Füße, Leiber,
Blätter, Blüten, Bäume,
der Wolken, des Wassers,
der Gesteine,
im Banne des Lichts !
 
Durch dich
wird jede Tat
heilig.
Im Banne des Lichts
weicht aller Über-Fluss:
Wie könnte man auch
den Schwung des großen Festes
hindern,
wie der Erde Kreisen ?
Wer kann den
Lauf der Sonne
unterbrechen ?
 
Der Hauch meines Werdens
atme Dank
durch den Tanz
für den Weg
zur Ewigkeit
zu dem,
der unaussprechlich ist.
 
Wilm Burghardt
 
 
TÄNZERISCHE ODING-GYMNASTIK
 
 
Eine anthroposophische Schrift führt aus: „Die Eurythmie-Figuren stellen eine ganz besondere Schöpfung Rudolf Steiners dar. Im Zusammenhang mit der Bewegungskunst Eurythmie schuf er 1922 diese aus flachem Holz geschnittenen und bemalten figürlichen Darstellungen der Vokale, Konsonanten und Seelenstimmungen. In ihren drei Farbgrundtönen bringen sie Bewegung, Gefühl und Charakter der Laute und Seelengesten zum Ausdruck.“ Dazu muss ernüchternd eingeschränkt werden, dass die Gesetzmäßigkeiten der Gliederbewegungen, des von R. Steiner entwickelten „eurhythmischen Alphabets“, absolut willkürlich sind, sie entziehen sich jeglicher Nachprüfbarkeit, sie wurden durch das berühmte unnachprüfbare „innere Schauen“ ihres Begründers erfunden. Die neue, von mir angeregte eurythmisch-künstlerische Aufgabe besteht aber darin, die runische Sprache als aussagewilligen, mythisch bestimmten Klangeffekt, mit tänzerischer Mimik, Kleingestik und Bewegungen, zu einer harmonischen kompositorischen Symbiose zu verbinden. Jeder Bewegungsablauf stellt einen bestimmten Runenbuchstaben des ODING dar. Dazu dient mein vorgeschlagenes „Bewegungs-ODING“, an dem sich die Willigen orientieren können, aber nicht in sklavischer Starrheit, vielmehr in kreativer individueller Weitergestaltung, unter der einzigen Voraussetzung, den Gesamtsinn des ODING verstanden zu haben. Nur wenn die Gebärdensprache der Tänzer die runische Bedeutung ihrer Bewegungen anstrebt, wird der tänzerische Ausdruck auch für die Zuschauer zum gewünschten Erlebnis gedeihen.
 
Die eurythmetische Runengymnastik beginnt mit der 1. Runenstellung, dem „o“ (). Der Oberkörper ist aufgerichtet, die Beine sind leicht überkreuzt, die Arme hängen etwas vom Körper abgespreizt nach unten, das langgezogene sich wiederholende oooooo wird geraunt. Dieser Laut wurde als der signifikanteste Seelenton bezeichnet, als der Ruf der Weltseele sowie der Individualseele. Das zugehörige geistige Vorstellungsbild ist die wurzelhafte Urschlinge, welche aus dem kraftdurchpulsten Allraum sich die nötigen Werdekräfte heran- und herauszieht. Bei der 2. Runenstellung, dem „d“ (), werden die Füßen aus der Verschränkung gelöst, sie stehen im sicheren Halt in kleinem Abstand auseinander, beide Arme heben sich zur Waagerechten, die wiederholte Intonation ddd-eeeeee erfolgt. Die zugehörige Assoziation ist die polare rechts-links-Gewichtigkeit der Weltschöpfung, welche sich auch im Symbol des Doppelhammers und der Doppelaxt ausdrückt. Bei dem „ng“ () der 3. Runenstellung werden die Füße noch einmal im Abstand voneinander erweitert, die Arme in Kopfhöhe zum etwaigen Kreis erhoben, so dass sich die Fingerspitzen in geringem Abstand gegenüber stehen, beide Hände sind gespreizt, als wollten sie einen darunter befindliche großen Ball umfassen. Es ist ein nnngggggg-hhhh im hohen Gaumen zu intonieren, während der konzentrierten Vorstellung einer heilsamen Licht- und Sonnengeburt im eigenen Stirnbereich. Die 4. Runenstellung, des „l“ () erfordert den Blick zur Höhe, den Zusammenschluss der Füße, während die aneinander gelegten Arme wechselweise nach rechts und links abgesenkt werden, so dass eine Hinundherwindung bzw. Torsion des Oberkörper vorgenommen wird. Die Raunung des llllll erfolgt mit der Vorstellung, dass Füße und Arme pflanzenwurzelgleich ihre Erdkräfte nach oben ziehen, zum aufstrebenden Wachstum ins Höhenlicht. Die 5. Runenstellung, jener des „m“ (), ist die der Menschwerdung, also des Ich-Runen-Geheimnisses, bei dem die gleichwertige menschliche Doppelwesigkeit, bestehend aus Weib und Mann, verinnerlicht werden sollte. Die Unterarme sind in Selbstversenkung auf der Brust gekreuzt, die Beine geschlossen, bei geschlossenen Augen wird das Kinn waagrecht gehalten. Der Laut mmmmmm wird gesummt, unter der Konzentrationsübung der geistig-körperlichen Selbsterweiterung, in der Weise, dass wir uns rundum ausdehnen, gleich einer bedächtig und allmählich aber unaufhörlich an Volumen zunehmenden gewaltigen Blütenknospe. Die 6. Runenstellung ist die des „e“ (), so dass eeeeee zu lauten ist, während bei leicht gegrätschten Beinen, der Thorax aufgerichtet ist und die Fingerspitzen beider Hände die ihr zugewandte Stirn berühren. Das Vorstellungsbild läuft auf das Wachstum der Gedankenkraft ins All hinaus, mit dem Willen beider Hirnhälften nach rechts und links wissenserweiternd Ausschau haltend auszugreifen. Die 7. Runenstellung betrifft das „b“ (). Bei geschlossen Beinen werden beide Hände schalenförmig von unten dem Brustmuskel aufgelegt, die Schulterhöhen nach hinten gedehnt, also der Thorax im tiefen Atemzug gebreitet, während das bbb-eeeeee ertönt und die Vorstellung des Schenkens, des Spendens erfolgt, im Sinne einer Stillung der Umwelt aus den mächtigen Nahrungsquellen unserer Brust. Wir werden zur Göttin, zur Weltenmutter, die sich an die kosmischen Wachstumskeime verschwenden möchte. Rudolf Steiner sinnierte: „Wenn wir dieses ,b‘ formen, so ist es immer die Nachahmung von etwas. Würde man nun festhalten können in der Luftgestaltung dasjenige, was da in dem ,b‘ sich bildet - es liegt darinnen, dass wir das b aussprechen -, so ist es immer etwas Umhüllendes. Es kommt eine umhüllende Form heraus. Es kommt dasjenige heraus, was man eine Hütte, ein Haus nennen kann.“ Tatsächlich ist die B-Mutter des März die noch Verhüllte, im Gegensatz zur P-Mutter des Maien. Die 8. Runenstellung meint das „t“ (). Der Himmelsvater ist gemeint. Er erhält, mittels der energetischen Kraftsäule, der Irminsul, sinnbildlich Himmel und Erde auseinander. Er ist der Garant für die große Ordnung, für den guten Weg, welcher allein eingehalten werden kann, wenn ein jeder sich dem Prinzip der rechten Ordnung verschreibt, denn der Widersacher versucht - vergeblich zwar - seine Störattacken. Füße und Beine sind fest zusammengeschlossen, ihre Muskeln in isometrischer Anspannung kontrahiert, die Spannung wird gehalten, die Ellbogen liegen dem Oberkörper an, die Unterarme sind emporgerichtet, die Handflächen nach oben offen, stützen eine fühlbare Last und zunehmende Belastung von oben, welcher sich der gesamte Stützkörper, muskelbewusst entgegenstemmt, wobei in stoßweisen Muskelkontraktionen te-te-te zu intonieren ist. Die 9. Runenstellung beschäftigt sich mit dem „s“ (), dem Zeichen der voll erblühten Sonne. Wir alle sollten versuchen, Sonnenmenschen zu sein oder zu werden. Das bedeutet die Lichtkräfte von „oben“ zu empfangen und nach „unten“ abzustrahlen. Dafür mimen wir die Antennen- oder Blitzhaltung der Rune, indem der linke Arm mit geöffneter Hand emporgesteckt wird und die pfeilartig geformte Hand des rechten Armes nach unten deutet. Dabei wird ein scharfes ssssss gesummt, und zwar in variabler Assoziation, nämlich des Sonnensegens auf die förderlichen Weltmächte oder des Sonnenbrandfluches auf die verderblichen Weltmächte. Die 10. Runenstellung meint die duale Weltvollkommenheit, die sich in sämtlichen arischen Religionsformungen in Gestalt der Alken-Gotteskräfte ausdrückt. Sie konnten als zwei Jünglinge, zwei Hirschlein oder Rösser geschaut werden (auf gotländ. Bildsteinen: Schimmel u. Rappe). Die Algiz-Rune „z / R“ () versinnbildlicht als einziger Buchstabe einen Endlaut im Germanischen. Ihre Urform ist als Doppelzeichen gedacht, mit dem Dreispross nach oben und ebenso unten. Sie steht für jene Heilsmächte wie den hellenisch-italischen Dioskuren-Zwillingen, den gegensätzlichen Helfern in Menschennöten -; der eine ist Mensch der andere Gott. Wir alle sind Mensch und Gott, haben menschliche und göttliche Anteile in der Brust. Wir wachsen aus der Erde und streben zum Himmel. Diesen scheinbaren Widerspruch, harmonisch zu verknüpfen, ist letztlich des Erdenmenschen herausfordernde Bewährungsaufgabe. Um sinnbildhaft die Kraftzonen des Oben und Unten zu verbinden, nehmen wir das Baumbild in uns auf, die weit nach oben auseinander gereckten Armen versinnbildlichen die Krone und die gegrätschten Beine das Wurzelwerk. Schweigend versuchen wir das All zu erfühlen, probieren ein Bewusstsein für die Endlosigkeit von Raum und Zeit zu entwickeln. Mit der 11. Runenstellung erreichen wir das „p“ () der Liebesmutter Freia, Aphrodite, Venus. Blühende Apfelbäume und weißhäutige, hellhaarige Maiden stehen in den Gedanken. Die Göttin will die ganze Erscheinungswelt umarmen, sie ist die Metapher für den kosmogonischen Eros, der in jeder Bestie zur rein fleischlichen Sexualität und in jedem höheren Menschen zur liebesdurchgeistigten Schöpfungstat drängt. Unser Energieempfinden konzentriert sich im Wurzelbereich der Kundalini-Schlange, also in den Sexualorganen. Kundalini ist eine Erscheinungsform der Devi, der Göttin, der Freia und Peratha im kelto-germanischen Kult. Wir sinken, mit aufrechtem Oberkörper, in die Hockstellung, dann in die Sitzweise mit gekreuzten Beinen oder den Lotossitz. Diese Haltung führt zur Dehnung der Oberschenkel, der gesteigerten Durchblutung des Beckenbodens, sie weitet den Querbeckendurchmesser und den Beckeneingang und korrigiert Neigung und Stellung des Beckens. Die Hände liegen den Innenseiten der Oberschenkel auf. Gedanklich sehen wir das Runenbild der spendenden Schale bzw. des Frauenschoßes und des männlichen Pendants. Erotische Empfindungen dürfen sich einstellen und werden in Richtung des Liebsten, mit sehnsüchtig animierenden oder dankbaren Gedanken, ausgestrahlt. In dieser Meditationshaltung raunen wir ein langgezogenes ppp-eeeeee. Mit 12. Runenstellung erreichen wir den „ei“-Buchstaben (), welcher als Zwischenlaut von „i“ und „e“ genutzt wurde. Die Rune versinnbildlicht das aufgerichtete vegetative Wachstum in Gestalt des Weltenbaums, die Tod und Leben einschließende immergrüne Eibe. Im Wechsel wird jeweils ein Knie bedächtig möglichst hoch nach vorne angehoben und gleichzeitig der gegenüberliegende Arm im Begrüßungsgestus angewinkelt erhoben, mit offener Hand. Angehoben werden demnach gleichzeitig rechter Arm und linkes Knie, dann linker Arm und rechtes Knie. Dabei wird der Oberkörper in den Hüften jeweils nach der Seite des erhobenen Armes gedreht, während dem eeeiiiiii zu intonieren ist. Das rhythmische Gedeihen und Verwelken durchpulst unsere Vorstellungswelten. Die 13. Runenstellung stellt den Höhepunkt des kosmischen Runen-Rundganges dar. Mit ihr, der Jahr-Rune des guten Ganges „j“ () endet der Aufstieg des lichten „Götterweges“ und gleichzeitig beginnt der Abstieg des „Manenweges“, in dessen Verlauf die Jenseitigen an Macht gewinnen. Es handelt sich um eine Zeit-Metapher. In langsamen Wechselübungen werden die Arme angewinkelt, indem die Hände zum Hinterkopf und zur Lende zu führen sind. Wenn die linke Handinnenfläche das Hinterhaupt umfasst, legt sich der Handrücken der rechten Hand oberhalb des Kreuzbeines der Lende auf -, und umgekehrt. Dabei windet sich wiederum der Oberkörper jeweils in Richtung der sich erhebenden Hand. Es sollte ein monotones kehliges jjjiiiiii erklingen, mit dem der Gleichklang von Wellenberg und Wellental der Ewigkeiten zum akustischen Ausdruck gelangt. Bei 14. Runenstellung handelt es sich um das „i“ ( ), der tödlichen Eis-Rune, denn Eis („Kaltmachen“) ist das nordische Symbol für den Tod. Der Abschwung beginnt, der Eispfeil, als Verursacher einer temporären Kräfteerlahmung, fand sein Ziel. Ob man die Opfergestalt naturreligiös Wachstumsgeist nennen mag, oder in Ausgestaltung von Personifikationen, Baldur, Attis, Adonis, ist Nebensache. Es handelt sich jedenfalls um eine Verletzung am Gottesleib der Allerscheinung, die durch ein scharfes langes Zischen des ssssss verdeutlicht wird. Die Körperhaltung ist die des Erstarrten, des unbeweglich Gebannten, möglicherweise des am Pranger oder gar am Marterpfahl stehenden Menschen. Zweierlei Empfindungsdimensionen sind währendem möglich: Entweder versenkt sich der Runenübende in das vielfältig auszumalende Weltenleid, um die Erfahrung der irdischen Übel auszuloten -, oder er versucht, in schadensmagischer Übung, Fluch und Unheil auf einen Gegner zu senden. Auch letzteres ist eine erlaubte Übung zum seelischen Überspannungs- bzw. Aggressionsabbau. Die 15. Runenstellung beschäftigt sich mit dem „n“-Sinnbild (). Nach dem Eispfeilangriff stabilisiert sich zunächst die Phase des Licht-Niedergangs, was in Gestalt der Notwende- oder Notwendigkeits-Hieroglyphe zum Ausdruck gelangt. Die befruchtend-männlich-senkrechten Mächte und die gebärend-weiblich-waagerechten Mächte finden sich in einer ausgewogenen Kreuzung. Im zögerlichen Wechsel werden die gestreckten Arme angehoben und die gesteckten Beine gleichzeitig nach außen abgewinkelt. Wenn der rechte Arm auf 2 Uhr erhoben wird, winkelt der Tänzer das linke Bein auf 20 Uhr ab. Erhebt der Tänzer den linken Arm auf 10 Uhr, winkelt er das rechte Bein auf 16 Uhr hinaus. Der beruhigende Summton nnnnnn ertönt. Die 16. Runenstellung „h“ () spricht nun in der Abstiegsphase - wie vorher in der Aufstiegsphase - von den hilfreichen Alken-Dioskuren-Zwillingen. Nur ihr Schwerpunkt hat sich verlagert. Jetzt in der gefährdeten Haupthagel- und heranrückenden Erntezeit gilt es vornehmlich den dominanten unholden Geist zu beschwören, ihn um Nachsicht zu bitten und den guten Geist zu aktivieren. Die Runentänzer intonieren kräftig den abschreckenden Rachen-Hauchlaut chchchchch. Die Körperstellung ist, ähnlich wie bei der „m“-Rune, die stehende Grundhaltung mit auf der Brust überkreuzenden Armen. Diese werden gelöst, weit in Richtung Rücken zurückgebreitet und wieder vor der Brust geschlossen. Die Konzentration liegt auf der Erspürung menschlicher Doppelwesigkeit des positiven und negativen Pols, wobei die Zwiespältigkeit zu begreifen ist und die Befriedung der Kontrahenten versucht werden soll. Entweder durch Kleinhalten des „blinden Höder“ oder durch Kraftzufluss für den „mildtätigen Balder“. Die 17. Runenstellung des Buchstabens „w“ () ist die der segnenden Gottesstandarte zur Erntezeit. Wechselweise wird die ausgesteckte Hand des abgewinkelten Armes, an die Stirn gelegt, wie im bekannten Soldatengruß. Intoniert wird wwwwww, wobei der Runensinn des Wohles, der Wunscherfüllung, der Wonne, des Erntewachstums in die Vorstellung genommen wird, untermalt von goldenen Farbtönen. Die 18. Runenstellung ist jene des Malkreuzes, mit auseinandergespreizter Beinstellung und nach außen- oben ausgestreckten Armen. Es ist die Gaben-Rune „g“ () die jetzt im Fokus der Betrachtung liegt. Zu summen ist die kürzere, zu wiederholende Lautung ggg-eeeeee. Das Schenken, das ausgewogene Geben, im ermahnenden Sinne von Geben-und-Nehmen, wird überdacht: „Habe ich immer gegeben, wenn mir gegeben wurde ? – Habe ich unausgewogen genommen ?“ Die 19. Runenstellung raunt vom Gang in die Nacht, vom raschen Lichtverlust zur Herbstgleiche. Das „k“-Zeichen () biegt gewissermaßen den Lichtleib des Jahres, so dass auch die Tänzer mitgehend, sich in der Hüfte weit nach vorne biegend bewegen, dann in den Hüften einknickend, nach den beiden Seiten, dann die geringe Biegespanne nach rückwärts andeuten. Der Kopf wendet sich jeweils nach der Seite der Körperbiegung mit. Bei jeder der beschriebenen Beugebewegung wird jeweils eine der Silben intoniert: ki - ka - kaun.  Die 20. Runenstellung bezieht sich auf die „r“-Rune (), der Begriffe Rad, Ritt, Reise, Wagen. Wir rollen ein langgezogenes rrrrrr, indem wir das Bewusstsein dafür zu erlangen suchen, dass wir alle auf einer ewigen Fahrt begriffen sind. Die Bewegungen des Wanderns zeigen die Tänzer, ohne ihren Standort zu verlassen, mit weitausgreifenden Schritten, vor und wieder zurück zur Ausgangsstellung, wechselweise mit rechten und linken Beinen. Die Arme auf Seiten der Schrittbeine schwingen dabei mit nach vorne und oben bis etwa Kopfhöhe. Die 21. Runenstellung zeigt das „a“ () des Weltgeistes, des Meister-Asen, der als „Schwarze Sonne“ immerwährende Lebendigkeit besitzt und als „Heiliger Geist“ der Urquell jeglicher Weisheit ist. Intoniert wird ein ausdauerndes aaaaaa, während beide Handflächen die Augen bedecken, um die Innenschau zu bestärken. Die Ober- und Unterarme liegen dabei eng dem Körper an. Gleichnisbilder von dichten, dunklen, weiten Fichten- und Tannenwäldern, in denen auch zur Winterstarre sich vielfältiges Leben retten und überdauern darf, holen wir ins Gedächtnis. Rudolf Steiner gab zu bedenken: „Wenn wir ,a‘ aussprechen, so müssen wir, wenn wir einigermaßen gesund empfinden, dieses „a“ als dasjenige empfinden, was aus unserem Inneren kommt, wenn wir in irgendeiner Art von Verwunderung, Erstaunen sind. Da, wo Sie am ,a‘ halten mit dem Sprechen, da liegt irgendwie eine Verwunderung zugrunde. Das große heilige Verwundern über den runischen Meistergeist ist wahrhaft angezeigt. Das hat man einmal gewusst.“ Die 22. Runenstellung stellt den Winterriesen und Thursen, den Antigott, den Titan, den Unhold dar, dem der linkisch-lispelnde Tiätsch-Laut zugehört: „ð / th“ (). Es ist eine Lautung die dem Zischen einer Natter gleichkommt. Die Runentänzer fügen ihre Hände an den geschlossenen Fingerspitzen zur dornförmigen Spitze zusammen, strecken dann ihre Arme weit vor sich aus und zischen ttt-zzzzzz. Oder sie stoßen damit in drei verschiedene Richtung vor ihrer Brust nach vorn und intonieren in kurzen, abgehackten Bell-Lauten thus, thus, thurs. Entweder geschieht das nach dem Verständnis von „Similia similibus curentur“ (Gleiches mit Gleichem bekämpfen/heilen), im Widerstreit mit dem Weltendämon, oder auch dem persönlichen Feind. Bei den Alten, noch in Wikingerzeiten, galt der Thursen-Galster als stärkstes Schadensritual. Die 23. Runenstellung beschreibt den „u“-Stab () des gewaltigen Auer-Rindes, des Urs, dem einstigen Herren der germanischen Urwälder. Er war ein Gottessynonym der Befruchtungskraft, und als solches zur winterlichen Lichtarmutszeit das große Opfersymbol. Die Tänzer beugen sich mit beiden Handspitzen bis zu ihren Füßen hinab, um damit die zur Erde gebeugten Hörnerspitzen des sterbenden oder getöteten Urstieres zu beschreiben, wie auch den kleinsten Sonnenbogen, zur Phase der Wintertiefe und erhofften baldigen Winterwende. Das tiefe urige uuuuuu wird gebrummt. Die 24. Runenstellung beendet den kosmischen Reigen mit dem „f“ (). Sie trägt die Runenbezeichnung „fehu“ also Vieh, womit materieller Reichtum, Geld, Überfluss gemeint war, denn am Herdenbesitz maß man den Umfang der Habe. Nach dem kultischen Urstier-Opfertod kann nur - ebenso wie es die Reliefs des Mithras-Kultes demonstrieren - als Ergebnis die weltliche Gabenfülle versprochen worden sein. Das ist schließlich erhoffter Sinn aller Opferriten. Das F-Zeichen setzt die aufgestellte Seiten-Silhouette des Nutzviehs ins metaphorische Bildkürzel. Der Runentänzer hebt seine beiden ausgesteckten Arme über den Kopf, um den Hörnerschmuck anzudeuten. Sicherlich schwingt in der gemimten Tiermaskerade auch ein karnevalistischer - also ein vegetations-ritueller Impuls - mit. Unter der Fehu-Hieroglyphe ist so eine Art Wohlstandsversprechen hinsichtlich des kommenden landwirtschaftlichen Ertragsjahres herauszulesen -, mithin drückt sie einen Jubel aus, den es gilt, nachzuempfinden. In der stoßweisen Lautung fffeeeeee, fffeeeeee muss mithin die Freudebekundung herauszuhören sein, über Erfüllung und Erfolg des runenkultischen Tanzes.
 
KURZFASSUNG DER ÜBUNGSFOLGE
 
1. Runenstellung - „o“ (). Der Oberkörper ist aufgerichtet, die Beine sind leicht überkreuzt, die Arme hängen etwas vom Körper abgespreizt nach unten, das langgezogene, sich wiederholende oooooo wird geraunt. - 2. Runenstellung - „d“ (), die Füßen aus der Verschränkung gelöst, sie stehen im sicheren Halt in kleinem Abstand auseinander, beide Arme heben sich zur Waagerechten, die wiederholte Intonation ddd-eeeeee erfolgt. - Bei dem „ng“ () der 3. Runenstellung werden die Füße noch einmal im Abstand voneinander erweitert, die Arme in Kopfhöhe zum etwaigen Kreis erhoben, so dass sich die Fingerspitzen in geringem Abstand gegenüber stehen, beide Hände sind gespreizt, als wollten sie einen darunter befindliche großen Ball umfassen. Es ist ein nnn-gggggg-hhhhhh im hohen Gaumen zu intonieren. - Die 4. Runenstellung, des „l“ () erfordert den Blick zur Höhe, den Zusammenschluss der Füße, während die aneinander gelegten Arme wechselweise nach rechts und links abgesenkt werden, so dass eine Hinundherwindung bzw. Torsion des Oberkörper vorgenommen wird. Die Raunung des llllll erfolgt. - Die 5. Runenstellung, jener des „m“ (). Die Unterarme sind in Selbstversenkung auf der Brust gekreuzt, die Beine geschlossen, bei geschlossenen Augen wird das Kinn waagrecht gehalten. Der Laut mmmmmm wird gesummt. - Die 6. Runenstellung ist die des „e“ (), so dass eeeeee zu lauten ist, während bei leicht gegrätschten Beinen, der Thorax aufgerichtet ist und die Fingerspitzen beider Hände die ihr zugewandte Stirn berühren. - Die 7. Runenstellung betrifft das „b“ (). Bei geschlossen Beinen werden beide Hände schalenförmig von unten dem Brustmuskel aufgelegt, die Schulterhöhen nach hinten gedehnt, also der Thorax im tiefen Atemzug gebreitet, während das bbb-eeeeee ertönt. - Die 8. Runenstellung meint das „t“ (). Füße und Beine sind fest zusammengeschlossen, ihre Muskeln in isometrischer Anspannung kontrahiert, die Spannung wird gehalten, die Ellbogen liegen dem Oberkörper an, die Unterarme sind emporgerichtet, die Handflächen nach oben offen, stützen eine fühlbare Last und zunehmende Belastung von oben, welcher sich der gesamte Stützkörper, muskelbewusst entgegenstemmt, wobei in stoßweisen Muskelkontraktionen te, te, te zu intonieren ist. - Die 9. Runenstellung beschäftigt sich mit dem „s“ (). Dafür mimen wir die Antennen- oder Blitzhaltung der Rune, indem der linke Arm mit geöffneter Hand emporgesteckt wird und die pfeilartig geformte Hand des rechten Armes nach unten deutet. Dabei wird ein scharfes ssssss gesummt, und zwar in variabler Assoziation, nämlich des Sonnensegens auf die förderlichen Weltmächte oder des Sonnenbrandfluches auf die verderblichen Weltmächte. - Die 10. Runenstellung meint die duale Weltvollkommenheit im Zeichen der Algiz-Rune „z / R“ (). Wir nehmen das Baumbild in uns auf. Die weit nach oben auseinander gereckten Armen versinnbildlichen die Krone und die gegrätschten Beine das Wurzelwerk. Schweigend versuchen wir das All zu erfühlen, probieren ein Bewusstsein für die Endlosigkeit von Raum und Zeit zu entwickeln. - Mit der 11. Runenstellung erreichen wir das „p“ () der Liebesmutter Freia. Unser Energieempfinden konzentriert sich im Wurzelbereich der Kundalini-Schlange, also in den Sexualorganen. Wir sinken, mit aufrechtem Oberkörper, in die Sitzweise mit gekreuzten Beinen oderden Lotossitz. Diese Haltung führt zur Dehnung der Oberschenkel, der gesteigerten Durchblutung des Beckenbodens, sie weitet den Querbeckendurchmesser und den Beckeneingang und korrigiert Neigung und Stellung des Beckens. Die Hände liegen den Innenseiten der Oberschenkel auf. Gedanklich sehen wir das Runenbild der Schale bzw. des Frauenschoßes bzw. des männlichen Pendants. Erotische Empfindungen dürfen sich einstellen und werden in Richtung des Liebsten, mit sehnsüchtig animierenden oder dankbaren Gedanken, ausgestrahlt. In dieser Meditationshaltung raunen wir ein langgezogenes ppp-eeeeee. - Mit 12. Runenstellung erreichen wir den „ei“-Buchstaben (). Im Wechsel wird jeweils ein Knie bedächtig möglichst hoch nach vorne angehoben und gleichzeitig der gegenüberliegende Arm im Begrüßungsgestus angewinkelt erhoben, mit offener Hand. Angehoben werden demnach gleichzeitig rechter Arm und linkes Knie, dann linker Arm und rechtes Knie. Dabei wird der Oberkörper in den Hüften jeweils nach der Seite des erhobenen Armes gedreht, während dem eeeiiiiii zu intonieren ist. Das rhythmische Gedeihen und Verwelken durchpulst unsere Vorstellungswelten. - Bei 13. Runenstellung, des guten Ganges „j“ (), werden in langsamen Wechselübungen die Arme angewinkelt, indem die Hände zum Hinterkopf und zur Lende zu führen sind. Wenn die linke Handinnenfläche das Hinterhaupt umfasst, legt sich der Handrücken der rechten Hand oberhalb des Kreuzbeines der Lende auf -, und umgekehrt. Dabei windet sich wiederum der Oberkörper jeweils in Richtung der sich erhebenden Hand. Es sollte ein monotones kehliges jjj-iiiiii erklingen, mit dem der Gleichklang von Wellenberg und Wellental der Ewigkeiten zum akustischen Ausdruck gelangt. - Bei 14. Runenstellung handelt es sich um das „i“ ( ), der tödlichen Eis-Rune. Der Abschwung wird durch ein scharfes langes Zischen des iii-ssssss verdeutlicht. Die Körperhaltung ist die des Erstarrten, des unbeweglich Gebannten, möglicherweise des am Pranger oder gar am Marterpfahl stehenden Menschen. Zweierlei Empfindungsdimensionen sind währendem möglich: Entweder versenkt sich der Runenübende in das vielfältig auszumalende Weltenleid, um die Erfahrung der weltlichen Übel auszuloten -, oder er versucht in schadensmagischer Übung Fluch und Unheil auf einen Gegner zu senden. - Die 15. Runenstellung beschäftigt sich mit dem „n“-Sinnbild (). Im zögerlichen Wechsel werden die gestreckten Arme angehoben und die gesteckten Beine gleichzeitig nach außen abgewinkelt. Wenn der rechte Arm auf 2 Uhr erhoben wird, winkelt der Tänzer das linke Bein auf 20 Uhr ab. Erhebt der Tänzer den linken Arm auf 10 Uhr, winkelt er das rechte Bein auf 16 Uhr hinaus. Der beruhigende Summton nnnnnn ertönt. - Die 16. Runenstellung „h“ (): Die Tänzer intonieren kräftig den abschreckenden Hauchlaut ch-ch-ch-ch-ch-ch. Die Körperstellung ist, ähnlich wie bei der „m“-Rune, die stehende Grundhaltung mit auf der Brust überkreuzenden Armen. Diese werden gelöst, weit in Richtung Rücken zurückgebreitet und wieder vor der Brust geschlossen. Die Konzentration liegt auf der Erspürung menschlicher Doppelwesigkeit des positiven und negativen Pols. - Die 17. Runenstellung des Buchstabens „w“ (): Wechselweise wird die ausgesteckte Hand des abgewinkelten Armes, an die Stirn gelegt, wie im bekannten Soldatengruß. Intoniert wird wwwwww, wobei der Runensinn des Wohles, der Wunscherfüllung, der Wonne, des Erntewachstums in die Vorstellung genommen wird, untermalt von goldenen Farbtönen. - Die 18. Runenstellung ist jene des Malkreuzes, der Gaben-Rune „g“ (). Mit auseinandergespreizter Beinstellung und nach außen- oben ausgestreckten Armen wird die kürzere, zu wiederholende Lautung ggg-eeeeee intoniert. - Die 19. Runenstellung des „k“-Zeichens () veranlasst die Tänzer sich in der Hüfte weit nach vorne biegend zu bewegen, dann in den Hüften einknickend, nach den beiden Seiten, dann die geringe Biegespanne nach rückwärts. Der Kopf wendet sich jeweils nach der Seite der Körperbiegung mit. Bei jeder der beschriebenen Beugebewegung wird jeweils eine der Silben intoniert: ki - ka - kaun. - Die 20. Runenstellung bezieht sich auf die „r“-Rune (). Wir rollen ein langgezogenes rrrrrr. Die Bewegungen des Wanderns zeigen die Tänzer, ohne ihren Standort zu verlassen, mit weitausgreifenden Schritten, vor und wieder zurück zur Ausgangstellung, wechselweise mit rechten und linken Beinen. Die Arme auf Seiten der Schrittbeine schwingen dabei mit nach vorne und oben bis etwa Kopfhöhe. - Die 21. Runenstellung zeigt das „a“ () des Weltgeistes. Intoniert wird ein ausdauerndes aaaaaa, während beide Handflächen die Augen bedecken, um die Innenschau zu bestärken. Die Ober- und Unterarme liegen dabei eng dem Körper an. - Die 22. Runenstellung stellt den Thursen dar, dem der linkisch-lispelnde Tiätsch-Laut zugehört: „ð / th“ (). Es ist eine Lautung die dem Zischen einer Natter gleichkommt. Die Runentänzer fügen ihre Hände an den geschlossenen Fingerspitzen zu dornförmigen Spitzen zusammen, strecken dann ihre Arme weit vor sich aus und zischen ttt-zzzzzz. Oder sie stoßen damit in drei verschiedene Richtung vor ihrer Brust nach vorn und intonieren in kurzen, abgehackten Bell-Lauten thus, thus, thurs. Entweder geschieht das nach dem Verständnis von „Similia similibus curentur“ (Gleichen mit Gleichem bekämpfen/heilen), im Widerstreit mit dem Weltendämon, oder auch dem persönlichen Feind. - Die 23. Runenstellung beschreibt den „u“-Stab (). Die Tänzer beugen sich mit beiden Handspitzen bis zu ihren Füßen hinab, um damit die zur Erde gebeugten Hörnerspitzen des Urstieres zu beschreiben, wie auch den kleinsten Sonnenbogen zur Phase der Wintertiefe. Das tiefe uuuuuu wird gebrummt. - Die 24. Runenstellung beendet den kosmischen Reigen mit dem „f“ (). Sie trägt die Runenbezeichnung „fehu“. Der Runentänzer hebt seine beiden ausgesteckten Arme über den Kopf, um den Hörnerschmuck anzudeuten. Die Rune drückt einen Jubel aus, den es gilt, nachzuempfinden. In der stoßweisen Lautung fff-eeeeee, fff-eeeeee, fff-eeeeee muss mithin die Freudebekundung herauszuhören sein, über Erfüllung und Erfolg des runenkultischen Tanzes.