„Der Irrtum ist leichter zu erkennen, als die Wahrheit zu finden; jener liegt auf der Oberfläche, damit lässt sich wohl fertig werden; diese ruht in der Tiefe, danach zu forschen ist nicht jedermanns Sache.“ J. Wolfgang v. Goethe

 

 
 
 
DIE RUNENFOLGE
 
Der verdiente Germanist Otto Höfler schreibt in seiner Besprechung des Runenbuches von Heinz Klingenberg, „Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur“, Wiesbaden, 54. Band, Heft 1, 1975, S. 52: „Die Reihenfolge der Runen selbst, so starr sie gewahrt worden ist, konnte bisher von niemandem einleuchtend erklärt werden, weder nach Gesichtspunkten der graphischen Form noch des Lautwertes noch der mit den einzelnen Runen verbundenen Begriffssymbole, welche letztere nicht ganz so konstant sind wie die Reihenfolge des ÄF. Gerade deshalb aber, weil diese Reihung in keiner Weise nahe zu liegen scheint, ist der Schluss erlaubt, dass sie nicht allmählich zustande gekommen ist, sondern dass ein Mann die Reihe festgesetzt hat und alle seine Nachfolger dieses Vorbild in strenger Überlieferung gewahrt haben.“
 
Dass dieser Mann, möglicherweise ein Runenschöpfer namens Erul, das Buchstabensystem als linksläufigen Kreis erdachte, ist zwar erst 1993 durch die veröffentlichte ODING-Wizzod-Recherche erwiesen, doch schon durch die Funde der Runenbrakteaten von Vadstena und Motala aus Östergötland / Schweden wahrscheinlich gemacht worden. Dazu kommen die unvollkommenen Runen-Brakteaten von Lindkær und Over Hornbæk. Die runden, goldenen Amulettscheiben von Vadstena und Motala zeigen die kreisförmig-linksläufige Runenreihe, beginnend mit den Buchstaben, welche im allgemeinen für die letzten angeschaut werden.
 
Der Runologe Heinz Klingenberg schreibt in „Runenschrift, die älteste Buchstabenschrift der Germanen“, Sonderdruck aus „Studium Generale“, Jg. 20, Heft 7, Berlin-Heidelberg-New York 1967, S. 442: „Die Mehrzahl der Forscher hat sich für die ursprüngliche Folge d/o ausgesprochen, die die Kylver-Reihe, als ältestes Futhark-Denkmal, zeigt: ergibt sich doch damit eine inhaltliche Entsprechung zwischen der letzten Rune mit Namen othala 'Land(besitz)' und der ersten Rune mit dem Namen fehu 'Vieh(besitz)'. Dann aber hätte der Meister von Vadstena geneuert mit der Folge o/d, und wir dürfen fragen: aus Vergeßlichkeit, aus lokaler Schultradition oder aus runenmeisterlicher Absicht (,d' ist unsichtbar, durch eine Öse verdeckt).“ Der Grund für die Vertauschung der beiden letzten Runen auf dem Vadstena-Anhänger wird also spezielle Ursachen haben, die durch die technischen Gegebenheiten dieser Handwerksarbeit zu erklären sind. Die Originalendfolge d - o zeigt der inselgotländische Kylver-Stein. Somit zeigt der Runenkranz des Vadstena-Amulettes die ODiNG-Systematik in der kalendarisch richtigen Gestalt, bis auf die vertauschten beiden Endrunen.
DIE RECHTSBEGINNUNG
 
Die Runen-Buchstabenreihe kann nach ihren ersten 6 linksstehenden Buchstaben als - „FUÞARK“ oder nach ihren ersten 3 rechtsstehenden Buchstaben als = „ODiNG“ bezeichnet werden. Un­zweifelhaft ist, dass der Systemschöpfer sein Ordnungsgefüge von rechts nach links aufbaute, denn nur unter dieser hypothetischen Voraussetzung ergibt sich eine Übereinstimmung von (mittelalter­lich überlie­ferten) Runenbegriffen, dazu passenden gema­trischen Ord­nungszahlen und den von mir nachgewiesenen Kalenderposi­tionen.
 
Mit der Runenreihe haben wir demnach eine bei rechts beginnende Gliederung vor uns. Es stellt sich die Frage nach einer Begründungsmöglichkeit für dieses Strukturprinzip. Die antike Rechts-Links-Theo­rie muss eine Rolle gespielt haben. Schon die pythagoreische Gegensatztafel brachte die Antithese „rechts:links“ unmit­telbar vor dem Gegensatzpaar „männlich:weiblich“, wobei die Qualitäten „rechts“ und „männlich“ in der Reihe des „Vollkommenen“, Geordneten, also „Be­grenzten“ und damit Positi­ven stan­den, während die Gegenbegriffe „links“ bzw. „weiblich“ in den Bezirk des „Unvollkomme­nen“, „Un­be­grenz­ten“ und damit weniger gut Bewerteten gehör­ten. Solche Höherbewertungen von „rechts“ gehen wahr­scheinlich auf die im menschlichen Be­reich beobachtete überwiegende Rechts­händigkeit zurück, die eine höhere Leistungsfähigkeit der rechten Seite nahelegt.
 
Beim Schreiben auf rechter Seite zu beginnen und nach links hin zu arbeiten, gehörte zur ur­sprüngli­chen Verfahrensweise. Die ältesten Alphabetinschriften sind linksläufig. Auf Kreta setzte sich diese Tradition bis ins 5. Jh. v.0 fort. Das älteste etruskische Schriftdokument (Schreibtafel von Marsilina, 8. Jh. v.0) zeigt eine linksläufige Alphabetanordnung, ebenso wie der älteste lateinische Schriftfund (Fo­rumstein, 6. Jh. v.0) linksläufig gehalten ist. Bei den Rö­mern wurde die Entwicklung zur rechtsläufigen Schreibrichtung erst im 3. Jh. v.0 abgeschlossen. Der Runenstifter hat sich dem­nach schlicht und ein­fach an altehrwürdige Tra­ditionen ange­lehnt.
 
Da das Buchstabengefüge des ODiNG eine Kalender-Kreissymbolik darstellt, steht es zwangsläu­fig mit dem Sonnenlauf in Beziehung. Für den zur Mit­tagssonne ge­wen­de­ten Nord­menschen kommt die tägli­che Sonne von links und geht nach rechts. Geradeso rechts­läu­fig scheint der gesamte Fixsternhimmel - auch die Wandelsterne (Planeten) mit dem Mond, also die „Wochentags­göt­ter“- täglich unsere Erde zu umkreisen. „Mit der Sonne zu gehen“, muss ein wichti­ges Gebot im Leben unserer Vorfahren ge­wesen sein; das Horn ging beim Festgelage „sonnenläufig“ (linksbeginnend - rechts­läufig) in der Halle um. Denn die Sonne (mitsamt den sieben Planeten) schuf nach traditioneller Vorstellung die Erdenzeit. In dieser Son­nentageszeit und ihrem Licht­raum wollte man sich, den großen Vorbildern gemäß, harmonisch mitbewe­gen.
 
Das Runen-ODiNG stellt aber einen Zeitweiser für das Mond-Sonnenjahr (luni-solares Jahresschema) dar. Da die jährlichen Sonnen- und monatlichen Mondbewegungen für den europäischen Beobachter als linksläufige Wanderungen - von West (rechts) nach Ost (links) - durch die Sternbilder des Tyrkreises (Zodiakalkreises) erscheinen, stimmt das linksspiralige ODING-Kalendarium mit den ersichtlichen kosmischen Gegebenheiten des Sonnen-Jahresverständnisses sinnvoll überein. Auch bei jeder Sonnenfinsternis sieht der Beschauer, dass sich der Mond von rechts nach links vor die Sonne schiebt. Man nahm an, das Himmelsgewölbe drehe sich wie eine riesenhafte Glocke linksläufig um Erde und Sonne, oder die Sonne wandere linksläufig durch die Sternbilder des Tyrkreises. In Wahrheit jedoch ist heutzutage bekanntlich die Erde selbst für die Effekte verantwortlich, da sie sich linksläufig um die eigene Achse dreht und gleichzeitig linksläufig um die Sonne herumgeht - ebenso wie der Mond linksläufig um die Erde kreist. Heute wissen wir, dass sich auch das Energiefeld des Sonnenkerns in einer Linksdrehung befindet.
 
DIE OTINGIS
 
Wenn - wie wir nachweisen - die Runen-Reihe ursprünglich als rechtsbeginnendes-linksläufiges weltanschaulich-religiöses Verständnis-  bzw. Codierungssystem verstanden wurde, müsste es in alter Zeit Kultgruppen in Nordeuropa gegeben haben, die sich dazu bekannten und sich danach auch bezeichneten. Auch das erscheint nachweisbar: Die im Jahre 551 verfasste „Goten-Geschichte“, von dem Goten Jordanis geschrieben, stellt eine der wichtigsten Quellen für unsere ohnehin mangelhafte Kenntnis der Geschichte der Völkerwanderung dar und bleibt als eine Zusammenfassung der bekanntesten zeitgenössischen Geschichtsschreibungen von unschätzbarem Wert. Die Gotengeschichte bleibt für die wissenschaftliche Erforschung unserer Frühgeschichte unentbehrlich, weil die bedeutendsten der Vorlagen über die Goten, die Jordanis benutzte (die Schriften des Ablabius und des Kassiodorus), uns verlorengegangen sind. Es ist dem Jordanis zu verdanken, dass ihr Inhalt für die Nachwelt gesichert blieb.
 
In seinem Kapitel III (§ 16-24 der Mommsen'schen Ausgabe) beschreibt Jordanis die verschiedenen Völker der „Insel Skandza“, die wir heute Skandinavien nennen. Bei dieser Aufzählung handelt es sich, wie wir heute wissen, nicht immer um Völkernamen im ethnischen Sinne, sondern um die Namen von Kultverbänden, d.h. von Volksgemeinschaften, die einer sie verbindenden religiösen Idee anhingen. So verhält es sich auch bei den Herulern, von denen man auch lange Zeit glaubte, es handele sich um einen germanischen Volksverband; heute wissen wir, dass es eine kultische Gemeinschaft von Runenanhängern war.
 
Jordanis berichtet nun, dass eine Volksgruppe des Namens „Otingis“ in Skandinavien ansässig war. Hier fassen wir in dieser wichtigen Quelle der Gotengeschichte den Begriff einer kultischen Gemeinschaft die den Namen des urgermanischen Runensystems trägt. Unter den „Oting-is“, von denen unser Gewährsmann gehört haben muss, dürfen die damaligen nordgermanischen Oding-Anhänger verstanden werden. Die unwesentliche Lautdifferenz von „t“ und „d“ ist nicht weiter beachtenswert, vielmehr als eine geringfügige mundartliche Übertragungsunschärfe einzustufen. Bei der Endlautung „-is“ handelt es sich um eine bekannte pluralbildende Form einer Gruppenbezeichnung. Wir dürfen also davon ausgehen, dass die Urahnen des heutigen ODING-Forschungs-, -Interessen, oder -Kultverbandes, der (auch der jetzigen G-O-D) bereits vor über anderthalb Jahrtausenden bekannt waren und ihre Bezeichnung an das Ohr der griechisch-römischen Welt gedrungen ist.
 
DIE WIEDERBELEBUNG DER EIGENRELIGION
 
Für jeden der danach verlangt ist die urdeutsche Religion nach einem Fastvergessen von über 1.000 Jahren wieder­er­standen, sie bietet einen tragfähigen Grund an, sie hat wieder einen Namen, man kann sie erfassen, kann sie erfahren, man kann daraus Genugtuung, seinen Stolz und seine Lebenskraft ziehen. Denn das ist der tiefste Sinn aller Religionen: Kraftschöpfungsangebote zu liefern. Wir müssen nicht nach fremden Tempeln suchen, müssen nicht in fremden Tempeln stehen, brauchen zu keinem Hebräergott, Indergott, Arabergott beten, welche, letztlich mehr oder minder deutlich ausgesprochen, die Nordländer verachten. Wer seine arteigene Seele unangekränkelt erhalten will, kehrt sich ab von all den fremden Götzen, der kehrt heim in’s Gotteshaus seiner keltisch-germanischen Ahnen. „Christentum ist Juden­tum für Nichtjuden“, verriet der Benjamin Disraeli (Romanschriftsteller, Finanz­minister und britische Premierminister). Man muss die biblischen Juden nicht unbedingt verachten, aber sie als Religionsvermittler zu achten ist ebenso nicht nötig.
 
Unsere gallo-germanischen Ahnen hatten eine wunderbar modern anmutende, reife Religion, sie drücken die göttlich gedachten Kraftmächte der menschlichen Erscheinungswelt in Zahlen aus, nicht anders wie die hohe Bruderschaft der Pythagoreer. Das unfassbar Heilige, das Numinose wagten sie nicht in primitiver gegenständlicher Form nachzubilden, vielmehr gebrauchten sie für dessen Erfahrbarkeit bestimmte Metaphern in Gestalt von Zeichen und Zahlen. Ein besonders begnadeter Geist koordinierte diese Chiffren zu einem heiligen Mandala aus 24 Runenstäben bzw. runischen Buchstaben. Dieser Runenring ist sozusagen ein Kosmosspiegel, ein minimiertes, auf das Wesentliche reduzierte Raum- Zeit-Kontinuum. Dieser gallo-germanische Runenkreis der sog. ODING-Wizzod-Systematik ist - nach heutigen Erkenntnisstand - um 2.000 Jahre alt. Er spiegelt das reife Welt- und Gottesverständnis der Hochantike, deren religionsgeschichtlichen Impulse und Initialzündungen auch anderwärts bis auf unsere Tage wirksam geblieben sind. Die feine, tiefsinnige Geistigkeit dieser Menschheitsepoche wurde abgelöst durch furchtbare politische Umwälzungen in deren Folge eine Primitivreligion wie der Christianismus leider die Oberhand gewann, nicht etwa wegen seiner geistigen Überlegenheit, ganz im Gegenteil, wegen seines schrecklichen, blindwütigen Fanatismus, mit dem er den niedergerassten römischen Großstadtpöbel zu befeuern vermochte. Grauenhafte Heidenverfolgungen geschahen mit der Machtergreifung des entfesselten Gesindels. Die Christenkirche wurde von „Konstantin dem Großen“ seit etwa dem Jahre 313 privilegiert, er selbst aber blieb zeitlebens der alten Religion verbunden, er glaubte an den Sonnengott Sol. Doch aus Staatsräson ließ er die aufbegehrenden christlichen Unterschichten scheinbar gewähren, er brauchte sie schließlich für seine Stabilisierungspolitik und seine Kriege. Doch in dem von ihm einberufenen Konzil (Versammlung der Kirchenagenten) von Nicäa bog er mit harter Hand die gegeneinander wütenden Eiferer zusammen zu seiner gewollten Einheitskirche. Die christliche Proletenreligion begann üppig zu wuchern und alles Hohe, Noble, Feingeistige in ihren Strudel des intellektuellen Niederganges hinab zu ziehen. Ein galiläisch-saduzäischer Zimmermann sollte von nun an bei Strafandrohung für gottgleich gehalten werden, eine missbrauchte „Jungfrau“ sollte eine Geistschwängerung erfahren haben und was der christlichen Tollheiten mehr waren -, und noch immer sind.
 
Die europäischen Religionsformen in vorchristlicher Zeit waren sensibler, gedankentiefer, vergeistigter und gleichzeitig ehrfurchtsvoller vor den realen Gegebenheiten der Allnatur. Den ganzen Spannungsbogen der kosmischen Erscheinungen zu erfassen, zu überblicken, das war das höchste Ziel eines jeden Adepten der keltischen, germanischen, thrakischen, eranischen, arioindischen, ägyptischen, griechischen Kulte. In unserem aus diesen fernen Ahnenzeiten herrührenden urdeutschen Runenkanon steckt verborgen – und nur für Eingeweihte mittels eines bestimmten von mir offengelegten Schlüssels lesbar – ein mythischer Weltenbauplan bzw. eine Art theosophische Weltenuhr. So wie die reale Welt polar geordnet ist, sollte auch ihr runisches Abbild den Weltgegensatz ausdrücken. Kein Zweifel ist möglich, der schöpferische Runenphilosoph drückte sein Weltverständnis in mathematizierter Form aus: Die Drei galt ihm als Chiffre des göttlichen Lichtes und des Geistes -, die Vier war ihm das Synonym für die typisch rein irdischen Dinge, wie beispielsweise das Wassers und die Pflanzen, und in gesteigerter Folgerichtigkeit für die widergöttliche Macht der Materie. Es stehen sich die Drei und die Vier wie Kontrahenten in Gestalt des Geist-Seelengottes Wodin und des Widerparts, in Gestalt des Winterthursen-Reifriesen, gegenüber.
 
Die Verkörperung der Ahnengesamtheit, in Gestalt des göttlichen Asen Wodin, trägt im Runenkreis die Ziffer 21, mit Quersumme 3. Sein kosmischer Gegenspieler, der im hochmittelalterlich-isländischen Runengedicht als „Saturnius“ entschleiert wird, steht an 22. Stelle und weist somit die Quersummenzahl 4 auf. Der Thurse - der germanische „Teufel“ - erweist sich mithin als Saturn, welcher den Astrologen als der winterliche, kalte Tötende, aber auch als Schätzversprecher, ähnlich dem unterirdischen Pluto, gilt. Er steht im ODING-Jahresring im 8. Haus, dem „Haus des Todes“, wo schon die antiken Sternkundigen den Typhon-Seth, den Satan platzierten. Es handelt sich hierbei um Gleichnisse: Saturnverehrer galten als Synonyme der Materievergötzung, dieser Denkschule ist der germanische Runenschöpfer unverkennbar gefolgt und verankerte sie in seinem / unserem Runenkanon ODING. Nehmen wir nun die Runen als religiöses Zeugnis unserer Vorfahren ernst, dann sind wir aufgerufen sie zu studieren, sie als Medium zum Gott unserer Empfindungsveranlagung zu nutzen und ihren Weisungen zu folgen --; nicht anders wie es Völker halten, insbesondere die Israeliten mit ihren alten Glaubensschriften.
 
Wer die Runen-Religion ernst nehmen will, muss ihre Sprache kennenlernen wollen, muss das ODING begreifen wollen, denn dessen Begriff besagt nichts anderes als „Seelen-Kind“ des Wodins-Wodans-Odins -; der Od-Ing ist sprachlich der „Abkömmling des Od“, welcher noch in der Edda als der alte Gott namhaft gemacht wird. Od und Wodin-Odin sind natürlich eins. Das ODING erweist sich also als Seelenkind unseres gallo-germanischen Volksgeistes.
 
DIE RUNENLEHRE IM ALLTAG LEBEN
 
Es gibt keine allgemeingültigen Gebrauchsanweisungen oder Patentrezepte, wie unsere germanische Runenlehre in die eigene Lebensführung eingebaut werden könnte. Neueinsteiger sind immer wieder erstaunt über die vielseitigen und konkreten Antworten der ODING-Botschaft auf unterschiedlichste Lebensfragen. Jeder wird - seiner Neigung entsprechend - ganz persönliche Schwerpunkte setzen. Einen Verhaltenskodex kann und will das Runen-ODING natürlich nicht anbieten. Das einzige „Dogma“ des ODING bezieht sich auf die Richtigkeit seines Strukturprinzips; daraus ableitbare Vorschriften, wie mit der Lehre umzugehen sei, gibt es nicht ! Man darf sie unterschiedlich interpretieren, kann sie annehmen oder ablehnen.
 
Die Frage drängt sich auf: In welcher Weise können uns die Runen in Alltagsleben und Lebenskampf hilfreich sein ? Dazu wäre eine ganzheitliche Erfahrung des germanischen ODING-Glaubenssystems vonnöten. Es reicht nicht aus, die runisch vorgegebenen Feierzeiten und Hochkultfeste zu gestalten, vielmehr müsste die mögliche Runenhilfe den Zugang ins normalbürgerliche Tagesgeschehen finden. Für viele von uns Heutigen bedeutet Alltag stressintensive, globalisierte und hyperflexibilisierte Arbeitswelt, d.h. zermürbender Trott und Kampf zugleich. Deshalb wäre es wichtig, dass jeder von uns die Runenlehre gezielt zu seinem persönlichen Schutz- und Trutzschild auszubauen fähig wird. Gerade in den jetzigen Sturm- und Wolfszeiten sollte sie unerschütterliche Zuversicht, Halt und Seelenstärke vermitteln.
 
Basiert sie doch auf altheidnischer Lebensauffassung, und diese war - sinnbildhaft gerundet wie der ODING-Ring - ganzheitlich angelegt. Das hat die Christenkirche bei ihrer „Germanenmission“ mit einerseits geschmeidiger Durchtriebenheit und andererseits brutalem Machtwillen des orientalischen Despotismus wohl auch erkannt und ihre Strategie vor allem darauf abgestellt, die ihrer Lehre zuwiderlaufende freiheitliche Lebensauffassung nach und nach aufzufasern. Für den germanischen Menschen aber bedeutete diese einstige Niederlage der eigenen Religion den Gesamtverlust seiner Identität.
 
Als Folge davon keimte zunehmend fremder religiöser Samen in den letzten 1.500 Jahren auf germanischem Boden nur allzu gut und trug vielfach giftige, verderbliche Früchte. So kam es, dass wir heute erst wieder mühselig lernen müssen, in den Bahnen runischer Denkkategorien zu leben. Der beste Weg zum Wiederaufbau einer ganzheitlich-heilen germanischen Lebensauffassung führt sicherlich über die ursprüngliche Religion, wie sie in vernehmbarer Sprache aus dem ODING-Kanon heraushörbar ist !
 
Wer sich ernsthaft mit dieser Botschaft unserer Runen auseinandersetzt und ehrlich bemüht ist, in ihre Tiefen vorzudringen, wird früher oder später feststellen, dass sie ihn mit freundschaftlicher Hand zu einem das ganze Universum umfassenden Verständnis hinführen kann. Dann wird er sich befreit fühlen von Schmach und Unterwerfung durch fremde Unheilsgötter und deren dogmatischen Fesseln. Eine perfekte, ja, man kann sagen, harmonische (sich gegenseitig Halt schenkende) Übereinstimmung unserer Lebensnotwendigkeiten mit den ewigen kosmischen Gesetzen wird wieder möglich sein.