Copyright © Gerhard Hess - Juli 2015
 
Reiterstandbild des Obotriten-Königs Niklot am Schweriner Schloss
von Bildhauer Christian Genschow, 1855
 
 
OB-OD-RITEN - ODING-KULTLEITER-GRUPPE
 
Aus einer Vielzahl von Gründen ist die vermutete Landnahme im urgermanischen niedersächsischen Siedlungsraum Ostholsteins und Mecklenburgs durch einwandernde Fremdvöker (Slawen) im späten 7. Jh. zu bezweifeln, was einen gewissen Migrantenzustrom aus dem Ostraum nicht ausschließt. Zu beachten ist, dass ab dem Beginn des 5. Jh. große Teile der Angeln, Sachsen, Jüten und Warnen nach Westen in das von den römischen Invasoren verlassene Britannien abgewandert sind, ein Umstand der die archäologisch erkennbare Fundraumausdünnung des 5./6. Jhs. hervorrief. Der höchst bedauerliche heutige Trugschluss, es habe sich bei den Obodriten um fremdvölkische „Slawen“ gehandelt und nicht um „deutsch“-germanische Volksgeschwister, erwuchs aus der Fehldeutung des mittelalterlichen „Slawen“-Begriffs, worunter ursprünglich nichts anderes als „Götzen-Sklaven“ verstanden wurde. Die Schriftquellen sprechen von „sclaveni“, was Knechte, Leibeigene, Sklaven bedeutet. Die jeweiligen völkischen Eigenarten, d.h. im vorliegenden Falle die völkische Gleichartigkeit, war seit dem aufoktruierten christophilen Denken der karolingischen Gewaltmission von absolut nachgeordneter Bedeutung. Der Holsteiner Hel­mold von Bosau (1125-1179) beschrieb als Augenzeuge die 1156 erfolgte „Missions­reise“ des Oldenburger Bischofs durch die heidni­sch-sclavenischen Restgebiete Ost­holsteins, auf der mit Brand und Mord gegen dortige Einrichtungen gewütet wurde. Der Berichterstatter gibt den Ausspruch eines Augenzeugen wieder: „Ist es nicht unser Land, das wir verheeren, und unser Volk, das wir bekämpfen ? Warum benehmen wir uns denn wie unsere eigenen Feinde und vernichten unsere eige­nen Ein­künfte ?“ (Helm. I/68) Nirgends hört man bei Berichten über Begegnungen von Deutschen und „Slawen" von Sprachschwierigkeiten, man sprach links wie rechtsseitig der Elbe die gleichen niederdeutsch-germanischen Mundarten. Die ausgegrabenen sog. „Slawen-Gräber“ zeigen ohne auch nur geringste Abweichungen den hohen, langschenkligen germanischen Menschentypus. Dazu sind sämtliche überlieferte Fürstennamen aus der deutsch-germanischen Sprache zu deuten. Die Obodriten (auch Abotriten, Obotriten) waren ein elbgermanischer Stammesverband, der irrtümlich als slawisch bezeichnet wurde. Es muss sich um stehengebliebene Germanensiedlungen gehandelt haben, die sich den sächsischen Neuankömmlingen aus dem Norden nicht ohne weiteres unterwarfen und deshalb nicht dem altsächischen Großverband angehörten, den der Frankenkönig Karl im Zeitraum von 772 bis etwa 804 unterjochte.
 
Widukind von Corvey (um 925-973), der sächsische Geschichtsschreiber, verfasste die „Sachsengeschichte“ (Res gestae Saxonicae), wobei er die Stammessage der Sachsen verarbeitete. Er gibt an, dass die Altsachsen aus der Kimbrischen Halbinsel nach Süden in verwandte germanische Siedlungsräume vorstießen, zunächst ins südelbische Land Hadeln und von dort sich nach Süden, Südwesten und Südosten in Richtung Thürigen ausbreitend, um ihr Sachsenreich zu organisieren. Der nordost-elbische Raum der suebischen Warnen blieb weitgehend unberührt, was möglicherweise bei Betrachtung ihres Stammesnamen „die Wehrhaften“, aus germ, warjan = „wehren", verständlicher werden mag. Die Menschen aus den Siedlungsräumen der Warnen benannte man ab karolinischen Zeiten mit ihrem selbstgewählten Kultnamen Obodriten. Dass es sich hier um einen Kultgruppenbegriff handelt geht aus folgenden Überlegungen hervor: 
 
Träger der Od- oder Oding-Religion
 
Der Name der Ab- oder Obodriten begegnet uns literarisch erstmals für das Jahr 789 in den zeitgenössischen Reichsannalen als Abotriti. Ob Obodriten oder Abodriten ist gleich richtig, ebenso wie beispielsweise die unterschiedlichen Schreibungen von Oldenburg und Aldenburg. Einhard berichtet in der Vita Karoli Magni von Abodriti. Die Schreibweise Obodritos findet sich ab Mitte des 9. Jahrhunderts, zunächst in einem Brief des fränkischen Kaisers Lothar aus dem Jahr 851. Die Chronisten Adam von Bremen (Obodriti) und Helmold von Bosau (Obotriti) gebrauchten im 11. und 12. Jahrhundert dann durchgängig die Bezeichnung Obodriten. - Das althochdeutsche Verhältniswort ob- (germ. uba), war als Voranstellung (Präposition) für oben, oberhalb, auf, über, hinaus, hervor gebräuchlich, ahd. obanahtīg = oberste, höchste, ahd. obanahtīgēr = Gipfel des Berges, ahd. obadah = Oberdach, Dach, Schutz, Schutzdach, Unterkunft, oder auch nhd. Oberhaus, höher gelegenes Haus, Oberstock eines Hauses, oder ahd. obalinēn, obahlinēn = hervorragen, herausragen, oder ahd. obana = oben, von oben, früher, vorher. Der dritte Wortteil des Ob-od-riten-Begriffs könnte sich zwar erklären aus ahd. rītan = reiten, fahren, sich bewegen, doch eine Kennzeichnung „die Reiter“ stünde wegen der Beliebigkeit des Begriffes kaum in Frage. Viel eher kommt in Betracht ahd. rihtāri = Richter, Lenker, Herrscher, Herr, Weltenherrscher, Leiter (lat. administrari), mhd. rihtære = Lenker, Ordner, Oberherr, Richter -, aus ahd. rihten = gerade machen, lenken, ordnen, ausrichten, richten, beraten, Recht verschaffen, zurechtweisen, anweisen, bestimmen, legen, regieren, führen, beherrschen, einsetzen, bereiten, herrichten, aufrichten, aufstellen, darlegen, erklären, bessern, senden, unterrichten, berichten-über. Ahd. rihto = Lenker, Ordner, Richter erklären; ahd. rihtunga = Lenkung, Führung, Richtung, Gericht, Regel, Ordensregel, Regierung, Leitung, Anordnung, Anweisung. Zu beachten ist dabei auch ahd. rīhhituom =  Reichtum, Lohn, Herrschaft, Macht, Herrschsucht, Glück, Prunk. Aus dem Kultnamenbegriff - die Ober-Od-Richter/Führer - geht hervor, dass es sich um die ursprünglichen oder edelsten Od- bzw. Oding-Anhänger gehandelt haben muss. Der Stammes- oder Kultgruppennamen könnte entweder die Ober-Od-Leiter im geographischen Sinne die nördlichsten Odinger oder im qualitativ-ethischen Sinne die besten, edelsten Odinger bedeuten, letzteres ist anzunehmen. Die erste Möglichkeit schließt sich schon deshalb aus, weil im skandinavischen Norden die im 6. Jh. von dem Goten Jordanes („De origine actibusque Getarum“ bzw. „Getica“) bezeugte Kultgruppe der „Otingi“ saß.
 
Zum Obodriten-Namen schrieb Carl Conrad Hermann Burmeister (1807-1892): „Ueber die früher in Mecklenburg wohnenden Obodriten-Wenden, Kelten, Germanen, Slawen als Bewohner Mecklenburgs“, im Jahre 1840: „Die Erklärung des Namens der Obodriten ist, je nachdem man den Namen für deutschen oder griechischen Ursprungs hielt, seltsam genug ausgefallen. Der Erklärung Thunmanns (Untersuchungen über die alte Geschichte einiger nordischer Völker) von Ob und Oder, Anwohner der Oder, welcher Bulgarin Russland in historischer, statistischer, geographischer und literarischer Beziehung übersetzt von Brakel. Riga 4839. Geschichte I. S. 275 beitritt, steht entgegen, dass die Obodriten nie an der Oder wohnten. - Die Erklärung Frenzels vom slaw. obriti, die geputzten, sauberen, auserwählten (Westfalen monumenta inedita II. S. 2413) wird dadurch unhaltbar, dass die Obodriten in slawischer Sprache bodrici heißen (Palacky, Geschichte von Böhmen I. S. 95.) So bleibt denn wohl für den jetzigen Augenblick nichts befriedigender als mit Lelewel, kleine historische Schriften übersetzt von Neu, Leipzig 1836 S. 146 und 176 anzunehmen, dass die Obodriten in dem griechischen Namen Odrysen (Obdrysen) wiederzufinden sind. Bodrici heißt im Czechisch-Illyrischen (bodry) die kühnen, tapferen, (bodrs = serbisch: munter) und hat also ganz dieselbe Bedeutung, welche Lutici im Lechisch-Polnischen hat. (Daher ist Obodriten auch richtiger als Obotriten. Obodriten Abodriten ist gleich richtig wie Oldenburg und Aldenburg. Alfred in der Übersetzung des Orosius (Leo angelsächsische Sprachproben S. 21. 22 nennt sie apdrede.) Aus dem letzten Worte ist abaterensis gebildet. Hormayer Herzog Luitpold S. 14. Die Emmeraner Völkertafel Boczek codes diplomaticus Moraviae S. 67 nennt sie nortabtrezi und osterabtrezi.) Es werde hier kurz angeführt, was sich für diese Annahme sagen lässt, da ein vollständiger Aufschluss wohl nie gegeben werden wird.“ - Diese Ausführungen Burmeisters sind insofern zu korrigieren, als der angeblich slawische Obodriten-Begriff, welcher Bodrici gelautet habe, aus jüngeren slawischen Quellen stammt und ein echtalter diesbezüglicher Text dazu gar nicht vorhanden ist. Die Erklärung Frenzels, der slaw. obriti, die Auserwählten, Sauberen deutet, ist absolut nicht zu verwerfen und bestätigt meine eigene Namensdeutung, als einen germanischen Stammes-Kultnamen, welcher in altdeutsch-sclavenische Mundarten übernommen worden ist, ebenso wie eine Masse vermeindlicher Slawen-Wörter mit den altdeutschen Begriffen säuberlich übereinstimmen. Sie werden heute als Lehnwörter gedeutet. Um nur einige Beispiel zu nennen: Das polnische Wort „obcas“ stammt aus dem altdeutschen Wort für „Absatz / Obsatz / Aufsatz / Hochsatz“. „Uhr“ heißt im Polnischen „zegar“, abgeleitet von einem altdeutschen Wort aus dem der heutige deutsche „Zeiger“ wurde. Das polnische „bumelować“ kommt aus dem deutschen „Bummeln“. Aus dem Begriff der im Mittelhochdeutschen „râthûs“ (Rathaus) lautete, wurde das polnische „ratusz“, aus dem altdt. „gemeine“ (Gemeinde) wurde poln. „gmina“, das altdt. Wort für „Bürgermeister“ entspricht poln. „burmistrz“. - Ich bin überzeugt, dass wir in den Obodriten die treuen Träger der runisch-germanischen Od- oder Oding-Religion erkennen dürfen, die in beispielloser kämpferischer Zähigkeit bis zu ihrem tragischen Untergang an ihrem in den ODING-Runen kanonisierten Altglauben festhielten.
 
Das westliche Siedlungsgebiet der Abodriten, bestehend aus dem nördlichen Lauenburg mit Hauptburg in Hammer, dem Lübecker Becken mit Hauptburg in Pöppendorf und Ostholstein mit Hauptburg in Starigard grenzte im Norden an das Herrschaftsgebiet der Dänen, im Westen an das sächsische Nordalbingien und im Süden an das ebenfalls sächsische Ostfalen. Benachbart zum östlichen Siedlungsgebiet zwischen Wismar und Schwerin mit den Hauptburgen in Dorf Mecklenburg und Ilow (Il-Aue) befand sich das Stammesgebiet der Wilzen. Zwischen den beiden abodritischen Siedlungsgebieten erstreckte sich ein schwach besiedelter Streifen von der Ostsee über Grevesmühlen, Gadebusch und Wittenburg bis zur Elbe westlich von Boizenburg. Das Grenzgebiet zwischen Abodriten und Wilzen verlief vom Darß entlang der Recknitz über die Mecklenburgische Schweiz bis in das Müritzgebiet. Die Gemeinschaft siedelte im 8. bis zum 12. Jahrhundert in Mecklenburg und Holstein, mit Zentren um Wismar und Schwerin. Diesem gehörten zu unterschiedlichen Zeiten die Wagrier, Travnjanen, Polaben, Kessiner, Warnower, Zirzipanen, Smeldinger, Bethenzer und Linonen an. Trotz seiner weit nach Westen reichenden Grenzlage vermochte der Stammesverband seine politische, kulturelle und religiöse Eigenständigkeit gegenüber Franken, Sachsen und Dänen lange bewahren. Unter dem Fürstengeschlecht der Nakoniden erstreckte sich das Herrschaftsgebiet der Abodriten bis an Oder und Havel. Nach dem Tod des letzten Oberherrschers Knud Lavard begann das Abodritenreich Anfang des 12. Jhs. zu zerfallen. Den westlichen Teil mit Wagrien und Polabien gliederte Heinrich der Löwe ab 1138/39 in sein Herrschaftsgebiet ein. Im östlichen Landesteil etablierten sich die Nachkommen des abodritischen Fürsten Niklot dauerhaft als Herren von Mecklenburg.
 
Wenn wir davon ausgehen müssen, dass im Obodritenland eine wichtige Kultstätte des Oding-Glaubens - Wotan-Glaubens - unserer Vorfahren existiert haben muss, fragt man sich, wo könnte sie gelegen haben ? War es Wotenitz, ein heutiger Ortsteil von Grevesmühen, westlich von Wismar ? Die ostseeische Hafenstadt Wismar könnte ihren Namen möglicherweise „weit-glänzender Sumpf“ erhalten haben aus dem Begriff ahd. wiz, as. wit = weiß, licht, leuchten, glänzend, blond, wissend, ahd. wīzag = wissend, wahrsagerisch, oder/und ahd. wīt = weit, breit, groß, geräumig, umfangreich, ausgedehnt. Und im zweiten Wortteil gemeingerm. ahd. mer, meri, got. mari, engl. mere, schwed. mar = Meer; verwandt sind Moor, Maar und Marsch, deren ältere Bedeutung Sumpf bzw. stehendes Gewässer waren. Oder verstanden die Alten unter der Opferstätte Wismar vielleicht das „wissende Moor" ? Der ahd. wisunt, wisant = Wisent wird seinen Namen als Opfer- und mithin Orakeltier erhalten haben aus ahd. wīsunga = Wink, Deutung, Heimsuchung, Besuch, Opfer, Weisung, Anweisung, Führung. Die Mecklenburg (germ.-ahd. Michilin-/Michelin-/Mikelinburg = „große Burg“) wurde bereits von dem jüdischen Kauffahrer Ibrahim Ibn Jacub in zweiter Hälfte des 10. Jhs. als „Nakons Burg“ bezeichnet. Sie war der Hauptsitz des abodritischen Fürstengeschlechtes der Nakoniden. Die Stätte lag auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Dorf Mecklenburg südlich von Wismar. Von der nicht mehr erhaltenen Anlage zeugt heute noch ein Erdwall. Es heißt, ihr mutmaßlicher Name sei Wiligrad gewesen, aus germ. wili = Wille, religiöse Absicht (ein Beiname Odins) und dem altkirchenslawischen Wort grad das abgeleitet ist aus germ. gard = Garten, umhegter Ort, englisch yard = Hof;  to guard = schützen. Die Hauptstadt des Obodritenlandes war Schwerin, ihre frühe hohe Bedeutung geht aus ihrem Namen als Thingstätte hervor, an der die Rechtsübereinkünfte des Landes beeidet wurde. Der Ort wurde im 11. Jh.  Zuarina, im 12. Jh. Zvarin / Zwerin, seit dem 15. Jh. Swerin geheißen. Die Namensdeutung aus dem Altgermanischen ist Schwurstätte, aus swaran (verteidigen bzw. vereidigen, schwören). Die lateinischen Bezeichnungen waren Suerinum und Suerina. Grevesmühlen ist eine der ältesten Städte Mecklenburgs, deren erste urkundliche Erwähnung als Gnevesmulne / Gnewismolen (Gnev-Mühle) ist für das Jahr 1226 datiert; der Begriff kommt aus aus germ.-ahd. gnagan = nagen, zerreißen, verzehren, zernagen, zerstören. Der Name der Stadt Rostock hat sich im Laufe der Jahrhunderte nur leicht verändert: um 1165 Rozstoc, 1171 Urbs Rozstoc, 1182 Rostoch, 1189: Rotstoc und Rotstoch, 1218 Rozstoc, 1219 Roztoc und ab 1240 Rostok; lateinische Namen: Rhodopolis / Rostochium. Möglicherweise von ahd. rōz = Gewimmer, Wehklagen, Weinen, ahd. rōzēn = verwesen, zersetzen, rosten, aus germ. rutēn = verrotten, verfaulen, altnord. rostask = knapp werden. Dazu zweiter Begriffsteil ahd. stoc/stok = Stock, Stengel, Stumpf, Pfahl; Stockwerk = Balkenaufbau. Rozstoc könnte der mecklenburgische Gerichts- und mithin Bestrafungsort gewesen sein. Der Namen der altwanisch-obodritische Hafenstadt Lübeck an der Ostsee wurde erstmalig vom Chronisten Adam von Bremen als „civitas Liubice“ erwähnt, was „die Angenehme / Freundliche / Liebliche“ heißen mag, aus ahd. liublīh = lieblich, anmutig, schön, stattlich, angenehm bzw. ahd. liubī = Freude, Zuneigung, Liebe, Annehmlichkeit, Erfreuliches, Treue, Lieblichkeit bzw. ahd. liuben = lieben, lieb machen, lieben, empfehlen, begehren, angenehm machen, jemanden erhören, anvertrauen. Nach der wendisch-abodritischen Mundart - die man heute als slawisch bezeichnet - bedeutet selbstverständlich „liubice“ ebenfalls lieblich. Daraus wurde der Stadtnamen Lübice bzw. Lübek, Lübeek.
 
Obodriten-Könige Nako und Niklot
 
Die Nakoniden waren ein elbheidnisches Adels- bzw. Fürstengeschlecht, in Nachfolge des abodritischen Samtherrscher König (lat. „regulus“ = Kleinkönig), Nakon / Nako / Nakko / Nacco (954-965/67) mit dem sich von 960 bis 1129 die vereitelten Hoffnungen eines heidnischen Gemeinwesens verbinden. Die wichtigsten Quellen für diese Dynastie sind außer Helmold Thietmar von Merseburg, Adam von Bremen sowie der Däne Saxo Grammaticus. Der Namen Nakkon erklärt sich aus ahd. nakkot = unbekleidet, nackt, entbößt, aber möglicherweise auch aus ahd. nak = Nacken, Hinterkopf im Sinne von hartnäckig, halsstarrig. Von den Herulern wissen wir, dass ihre Vorkämpfer in kultischer, gewissermaßen gottergebener Nacktheit in die Schlacht zogen; war das auch Brauch des Fürsten Nakon ?
 
„Gottschalk der Wende“ (um 1000-1066), aus dem Adelsgeschlecht der Nakoniden, hatte eine klösterliche Unterrichtung bzw. Umerziehung in Lüneburg genossen und wurde abodritischer Samtherrscher. Zuvor wurde er in England ein Gefolgsmann von König Knut dem Großen von England und Dänemark, danach Gefolgsmann von Sven Estridsson, dem späteren König von Dänemark und heiratete dessen Tochter Sigrid. Schließlich wurde er 1066 während des heidnischen Adelsaufstandes der Obodriten wegen seines Glaubensverrats umgebracht. „Die Tochter des [christlichen] Dänenkönigs [Sigrid] wurde mit ihren Frauen in der Abodritenfeste Mecklenburg entdeckt und nackend davongejagt“ (Adam v. Bremen). Alle christlichen Geistlichen wurden vertrieben und die Kirchenbauten zerstört. Gottschalks Nachfolger wurde der heidnische Fürst Kruto aus dem Teilstamm der Wagrier. Dieser führte im gesamten Obodritenland das Heidentum wieder ein und machte es zur Pflichtreligion.
 
Wäre ebenso der Namen des Obodriten- und Wenden-Königs Niklot (1131-1160) aus dem Germanischen ableitbar ? Selbstverständlich ! Nickel ist der Name eines kleinen, aber auch eigensinnigen Menschen. Die Hexen gaben (vgl. Grimm, Mythologie, 1016) dem Teufel diesen Namen: Nickel oder Grossnickel. Zusammensetzungen mit Nickel sind: Filznickel (Geizhals), Giftnickel (galliger, zanksüchtiger Mensch), Gronickel (Murrkopf), Lausnickel und Nothnickel, der in Noth und Armuth steckt, Saunickel in der Schweiz (Gotthelf, Knecht, 82), ein schmuziger, geringer Mensch, in Baiern mit eingeschränkter Anwendung der Verlierende in einer Art von Kartenspiel, dem sogenannten Saunickeln. Ferner: Schiefernickel, ein verdriesslicher Mensch (Schiefer = Splitter); Schweinnickel (ein Unfläter), Pumpernickel (jemand, der klein ist, Kind). Odin bezeichnet sich in der Edda selbst mit einer Fülle von Namen (Gylfaginning, 20). Unter anderm sind seine Namen: Hnikar, Nikar, Nikud („der Ungestüme / Wilde“). Dass einer der im Volk tradierten Teufelsnamen Großnickel ist, weist allzu deutlich darauf hin, dass Nickel/Nikl einstmals in vorchristlich-heidnischer Zeit eine Bezeichnung für eine hochgestellte Persönlichkeit des Altglaubens gewesen sein muss. Der Konigsnamen setzt sich zusammen aus Nikl und Od, also der Ot/Od-Nikl, woraus zu entnehmen wäre, dass noch im Namen des letzten Obodriten-Herrschers die religionsbezogene Od-Ehrung zu Tage tritt. Mit dem monumentalen Reiterstandbild an der Fassade des Schweriner Schlosses haben wir meines Erachtens nach den ehrenwerten letzten König der althistorischen ODING'schen Volks- und Glaubensgemeinschaft vor uns !  
 
Zur Geschichte des König Niklots schreiben Anke und Hartmut Stein (leicht geändert): Um die neuen Siedlungen in Wagrien gegen Angriffe von außen zu schützen, schloss Graf Adolf von Holstein mit Niklot, dem Fürsten der in Mecklenburg wohnenden Obodriten, einen Freundschaftsvertrag ab. Den Wenden [germ. wandalische Nachkommen] blieben die Vorbereitungen für diesen Feldzug nicht verborgen. Fürst Niklot ließ deshalb die Feste Dobin am Nordende des Schweriner Sees zu einer Fluchtburg für die Bewohner des umliegenden Landes ausbauen. Unter Hinweis auf den zwischen ihnen geschlossenen Freundschaftsvertrag bat er gleichzeitig Graf Adolf um seine Vermittlung. Der Graf, der in Frankfurt ebenfalls das Kreuz genommen hatte, konnte ihm aber keine Neutralität zusichern. Er bat aber Niklot, selbst Frieden zu halten und ihn zu warnen, falls die Slawen [Götzen-Sklaven] von sich aus angreifen würden. Niklot hat dies zwar zugesagt, entschloss sich aber, den Kreuzfahrern durch einen Vorstoß nach Wagrien zuvorzukommen. Mit einer Flotte lief er in den letzten Junitagen in die Travemündung ein, sandte aber auch Boten nach Segeberg, um seinem Versprechen gemäß Graf Adolf zu warnen. Da dieser abwesend war, konnte man keine wirksamen Gegenmaßnahmen treffen. Die Bewohner Lübecks, die am 26. Juni trotz der Warnung durch die Besatzung der Burg sorglos das Fest der Märtyrer Johannes und Paulus mit einem großen Gelage gefeiert hatten, wurden von Niklots Truppen im Schlaf überrumpelt. Die im Hafen liegenden Schiffe gingen in Flammen auf. Aus der Sicht der Lübecker hörte es sich so an: „In dat Johr 1147, dor weer Lübeck graad veer Johr olt, hebben de Slaven de junge Stadt överfullen. All Scheep in'n Haben hebbt se verbrennt, 300 Mannslüüd doothaut. Dor sünd de Fruun so vergrätzt worrn, se hebbt allens grepen, wat dat geev; Bessen, Schüffel, Biel, den groten Sleev, se hebbt ut de Jakobi-Kirch en Fahn mitnahmen un hebbt so mit ,Hurra' de Slaven verjaagt. Disse Fahn stünn, so warrt dat vertellt, bet 1619 an den Predigtstohl, denn is se bi't Reinmaken wegkamen. - Utrekent bi't Reinmaken !”
 
Nur die Burg leistete erfolgreich Widerstand. Gleichzeitig zogen Niklots Reiterscharen durchs Land und zerstörten einen großen Teil der in den letzten Jahren angelegten Siedlungen. Lediglich die Burg Segeberg und einige andere Orte konnten sich halten. Als der Graf Truppen zu einem Gegenangriff aufbot, trat Niklot mit seiner Flotte, auf der er Gefangene und reiche Beute mitführte, den Rückzug an. Mit einer großen Mannschaft leistete Graf Adolf im Jahre 1151 dem Obodriten-Fürsten Niklot beim Kampf gegen die Kessiner und Zirzipanen im östlichen Mecklenburg Hilfe. Den ersten Heinrich der Löwe nimmt das Kreuz Vorstoß ins Slawenland unternahm Heinrich der Löwe im Sommer 1158. Vor seinem Aufbruch nach Italien war Heinrich bemüht, den Frieden im Grenzgebiet zu sichern. Er berief Niklot und die anderen Slawenfürsten zu sich und verpflichtete sie durch Eid, bis zu seiner Rückkehr mit den Sachsen und Dänen Frieden zu halten und ihre Schiffe in Lübeck an seine Beauftragten auszuliefern. Auch Graf Adolf ermahnte Niklot, während seiner Abwesenheit keine Feindseligkeiten zu unternehmen. Diese Maßnahmen hatten jedoch keinen Erfolg, da die Obodriten nur alte und unbrauchbare Schiffe ablieferten und nach dem Abzug des Herzogs ihre Angriffe auf die dänischen Küsten erneuerten. Nur mit aller Mühe konnte Bischof Gerold einen Waffenstillstand vermitteln und einen Vorstoß des Dänen-Königs nach Wagrien verhindern. Nach seiner Rückkehr nach Sachsen hielt der Herzog in den ersten Augusttagen des Jahres 1160 in Barförde an der Elbe nordöstlich von Lüneburg einen Landtag ab und traf auf der nahen Ertheneburg mit König Waldemar zusammen, der sich über die Wortbrüchigkeit der Slawen beklagte. Über die Slawenfürsten, die der Ladung des Herzogs nicht Folge geleistet hatten, sprach Heinrich die Acht aus und verabredete mit dem Dänen-König ein gemeinsames Unternehmen gegen die Obodriten, das während der Erntezeit beginnen sollte. Niklot wollte diesem Angriff wiederum wie beim Wendenkreuzzug des Jahres 1147 durch einen Überfall auf Lübeck zuvorkommen. Durch die Wachsamkeit eines Priesters - so berichtet Helmhold - gelang es aber, die Brücke über die Wakenitz zu sperren und dadurch eine Überrumpelung der Stadt zu verhindern. Im Spätsommer des Jahres drang der Herzog mit einem großen Heer ins Obodritenland ein, während gleichzeitig eine dänische Flotte unter Führung König Waldemars und Bischof Absolom bei der Insel Poel landete und von hier aus mecklenburgisches Küstengebiet verwüstete. Diesem doppelten Angriff war Niklot nicht gewachsen. Er mußte den größten Teil seines Landes preisgeben und setzte beim Rückzug die Burgen Ilow bei Wismar, Mecklenburg und Dobin in Brand. Nur in der durch die Warnow geschützten Feste Werle konnte er sich halten und führte von hier aus einen Kleinkrieg gegen das langsam vorrückende sächsische Heer. Als seine beiden Söhne Pribislaw und Wratislaw in der Nähe von Mecklenburg eine Schlappe erlitten, unternahm Niklot selbst einen Vorstoß und wollte die Troßknechte des Herzogs beim Futterholen in einen Hinterhalt locken. Dabei wurde er von sächsischen Rittern, die sich als Knechte verkleidet hatten, überlistet und im Kampf erschlagen. Dass die Sachsen Niklots Tod das Haupt ihres gefallenen Gegners als Beute mit sich führten, zeigt die ganze Härte der Kämpfe. Niklot war der letzte bedeutende Obodritenfürst.
 
Er versuchte, die politische Selbständigkeit des Obodritenlandes östlich der Lübecker Bucht zu wahren und dabei am alten Glauben festzuhalten. Dieses Ziel glaubte er durch ein Einvernehmen mit Graf Adolf von Holstein, an dem er auch nach dem Wendenkreuzzug festhielt, erreichen zu können. Als dieser Wille der Selbstbehauptung mit dem Herrschaftsanspruch des sächsischen Herzogs zusammenstieß, war er dessen militärischer Überlegenheit nicht gewachsen. Mit seinem Tode brach der Widerstand im Lande schnell zusammen. Seine beiden Söhne gaben auch Werle preis, steckten die Burg in Brand und zogen sich in das unwegsame Landesinnere zurück. Noch im gleichen Jahr schlossen sie mit dem Herzog Frieden, traten das ganze von ihm eroberte Land an ihn ab und behielten nur die Gebiete von Kessin und Zirzipanien mit der Burg Werle, die sie von Heinrich zu Lehen nahmen.
 
GOTT (W/G)ODO -„CHRODO“
 
Nach den Angaben Conrad Bothes (Cord Bote / Konrad, Bothe - um 1475-1501) „Sassenchronik“ („Cronecken der sassen“) von 1492 war Krodo ein germ. Gott der Sachsen (der dem „Sater“ bzw. dem röm. Saturnus ähnlich gewesen sein soll) und dessen Standbild 780 auf der Harzburg von Karl dem Frankenkönig im Verlauf der Besiegung der Ostsachsen niedergeworfen wurde. Alle örtlichen Überlieferungen sind sich einig, dass Tempel und Statue auf dem Großen Burgberg im genannten Jahre von den Truppen „Karls des Großen“ zerstört wurden. Die Überreste des Heidentempels dienten zum Bau einer kleinen Kapelle die man dem neuen Christengott weihte. Die „Sassenchronik“ enthält eine Darstellung des Krodo als altmännliche Gestalt, die mit bloßen Füßen auf einem großen Barsch steht und in der Rechten ein Gefäß mit Blumen, in der Linken ein emporgerichtetes Rad hält. Der Fruchtbarkeitsgott galt mithin als Spender von Sonnenlicht (Rad), Speise (Fisch) und Vegetation (Blumengefäß).
 
In Goslarer Stadtmuseum befindet sich noch heute der sogenannte „Krodo-Altar“ der wohl aus dem Jahre 1040 stammt. Aufgestellt war er ursprünglich im Goslarer Dom bzw. der „Stiftskirche St. Simon und Judas“ als Teil der Kaiserpfalzanlage. Er erscheint mir ein frühes kirchenchristliches Relikt, was meines Erachtens schon der Umstand beweist, dass die typischen vier knienden Eckenhalterfiguren heidnische Priester darstellen sollen, ebenso wie beim „Bremer Taufbecken“. Durchaus denkbar aber wäre die kirchliche Umarbeitung eines ursprünglich heidnischen Altars, denn als Reliquienkasten - wie wiederholt vermutet wurde - kann das Gerät keinesfalls gedient haben, weil, durch die einstmals in die Wandungen eingelassenen Schmucksteine, der „Altar“ von innen mittels einer Art von Befeuerung beleuchtbar gewesen ist. Die Erkennbaren massiven Zerstörungen am „Krodo-Altar“ können sich kaum durch christliche Attacken erklären, vielmehr werden sie durch das sächsische antikirchenchristlich gestimmte Bauernheer geschehen sein, das am 29.06.1073 von den aufständischen sächsischen Großen, unter Führung von Otto v. Northeims, gegen Kaiser Heinrich IV. vor die Kaiserpfalz Goslar geführt worden war. Im darauffolgenden Frühjahr wurde die von Goslar um 8 km entfernte Harzburg Kaiser Heinrichs IV. durch aufgebrachte Bauern geplündert und zerstört, wobei auch die Stiftskirche nicht verschont blieb.
Auf dem Rücken eines Fisches – wie der sächsische „Gott Krodo“ - steht ebenso die angeblich slawische „Göttergestalt“ des Reliefs in der Altenkirchner Waffenkammer auf Rügen. Der Stein wurde 1585 von dem aus Schwaben stammenden Rostocker Gelehrten David Kochhafe (Chytraeus) folgendermaßen erwähnt: „In Altenkirchen, einem sehr alten Dorfe, wurde mir in der Vorhalle zum Gotteshause ein in Stein gemeißeltes Bild des rügenschen Götzen Swantevit gezeigt, den die Rügener jetzt Witold nennen.“ Auch der Be­richt des gelehrten Johann Lüb­bekeaus Treptow an der Rega (1585) nannte ihn mit gleichem Wort, das in germa­ni­schen Sagen als Rie­senname vorkommt: Witold („older Wit“). Die Wittower (Bewoh­ner des Nordteiles Rü­gens) sa­hen in ihm ihren Schutzpatron.
 
In der Volkssage im Harz wurde die Erzählung vom „Götzen Crodo“ anscheinend als Motiv auf die Gegend der Dörfer Götzenthal und Grotenleide beim sächsischen Meerane übertragen. Da es sich bei dem Begriff Krodo (Kröte) um eine christenmissionarische Verballhornung einer echtheidnischen Gottesgestalt handeln muss, darf man davon ausgehen, dass der wahre altheidnische Begriff die Gottes-Silbe „od“ transportierte, also wohl die Lautung (G)odo oder (Ch)odo oder (W)odo umfasste.  Dass es sich tatsächlich um eine Verballhornung handelt, geht aus der „Sachsenchronik“ hervor. Danach soll der Frankenkönig in der Harzgegend die Bevölkerung gefragt haben, wer ihr Gott sei, worauf diese geantwortet hätte: „Krodo, Krodo ist unser Gott.“ (Wie die Harz-Bevölkerung in Wahrheit prononciert hat, blieb ja unbekannt !) Darauf der missionswütige König: „Heißt euer Gott Krodo, so heißt das fortan Krotendüwel [Krötenteufel]“. Die brachialmissionarischen Methoden der Christianisierung sind bekannt, die Hinabwürdigung altgläubiger Götter zu Teufel und Kröten bzw. zum „Krötenteufel“ waren übliche Dämonisierungen. Der auf älteren Quellen fußende Bericht von Conrad Bote ist also absolut glaubhaft. Der herzogliche braunschweigische „Forstschreiber zu Harzburg“, E.J.G. Leonhard, veröffentlichte 1825 die Schrift „Die Harzburg und ihre Geschichte“. Leonhard verfocht die These, dass einstmals auf dem Großen Burgberg im heutigen Bad Harzburg ein Abbild des „Gottes Krodo“ gestanden habe und zu seinen Füßen der „Krodo-Altar“. Auf dem Altar sollen Brandopferungen vollzogen worden sein, was aufgrund dessen Beschaffenheit unmöglich ist. Allerdings sind tastsächlich eine Menge von Pferde- und Rinderzähne, sowie größere Aschenreste aufgefunden worden, welche bei den von Leonhard vorgenommenen Ausgrabung 1820 ans Licht kamen. Eine heidnische Anbetungs- und Opferstätte mag also der Große Burgberg tatsächlich gewesen sein; möglicherweise auch des „Götzen Krodo“, dessen wahrer Namen in altsächsischer Mundart Wodo oder Godo gelautet haben wird. Die Entsprechung von „Krotto-Wotan“ ist bereits im 18. Jh. einmal im sogenannten „Gelübde des Artwakers“ von Erdwin von der Hardt vorgetragen worden, was sich allerding als Fälschung erwies. Eine Kopfplastik die in die nördliche Außenwand der Bündheimer Kirche eingemauert ist, wurde als Krodo-Kopf gedeutet. Bündheim ist ein Ortsteil von Bad Harzburg. Der dämonisierte, hässliche Kopf, mit übergroßen runden Krötenaugen, trägt den für Wodan-Darstellungen signifikanten Schnauzbart, so ist anzunehmen, dass es ein christenkirchliches Machwerk aus dem frühen Kapellenbau ist. In dem Büchlein von Heinrich Rohkam, „Sechs Märchen um Bad Harzburg“, 1971, handelt ein Märchen vom Krötenkönig Krodo, welcher beliebt bei seinen Untertanen war und als weiser und gerechter König galt. Äußerlich hatte Krodo die Größe und Gestalt eines erwachsenen Mannes, allein sein Kopf war krötengestaltig. Sollte der Erzählung tatsächlich eine echtalte Mythe zugrunde liegen, ist sie ein Zeugnis für die synkretistische Verflechtung von altheidnischen Erinnerungen mit Überlagerungen aus den kirchlichen Dämonisierungspredigten.
 
Es lassen sich weitere Hinweise auf einen „Gott Krodo“ finden, der Autor Mike Vogler hat sie in „Rätsel der Geschichte“, 2014, vorgeführt: „So soll sich auf einem Berg nahe dem erzgebirgischen Crottendorf ein Kultplatz des heidnischen Götzen Crodo befunden haben, von welchem der Ort auch seinen Namen bezog. Jenes unheimliche, dämonische Wesen soll in den Wäldern des Erzgebirges sein Unwesen getrieben haben. In einer volkstümlichen Überlieferung heißt es, dass der „teuflische“ Götze Crodo auch den Bau der Kirche in Crottendorf störte. … Auch aus dem heutigen Ruhrgebiet ist uns die mögliche Verehrung eines Gottes namens Krodo bekannt. Im Rauenthal am Fluss Ruhr nahe der Stadt Hattingen machte im Jahr 1803 der Heimatforscher Dr. Carl Arnold Kortum erstaunliche Funde. Neben Mauerresten und Unmengen Scherben entdeckten die Ausgräber jede Menge verbrannte Pferde- sowie Menschenknochen. Zudem fanden sich mehrere Urnen und ein Stein mit merkwürdigen, runenähnlichen Zeichen. Auf Grund dieser Funde deutete Kortum die Anlage als uralte germanische Grab- und Kultstätte. Darauf verweist auch eine örtliche Überlieferung von einem Götzenhaupt, welches ein Köhler im Rauenthal unter einer vermoderten Eiche ausgegraben haben soll. Schon seit Jahrhunderten geisterten unheimliche Legenden über das geheimnisvolle Tal durch den Volksaberglauben. So soll sich dort ein ehemaliger Opferplatz befunden haben, wo die Germanen ihrem Gott Krodo Menschenopfer dargebrachten. … Anscheinend hat es also einen altgermanischen Krodo-Kult gegeben, welcher sich auf einen großen Teil des heutigen Deutschlands erstreckte.“
 
RAFFUNG
 
Einen altdeutschen Krodo-Kult, wie M. Vogler vermuten möchte, hat es sicherlich nicht gegeben, für eine solche Annahme reichen die Quellenbelege nicht aus. Doch dass der germ. Gott Wodan in der zu missionierenden Germania kirchlicherseits zu einem Kröten-Götzen gestempelt wurde, ist naheliegend und durchaus glaubhaft. Der auf einem großen Fisch stehende Chrodo/Krodo ist von einigen Autoren der Vergangenheit auch als „Slawengott“ beansprucht worden. Ein englischer Reliefstein in der Oswaldkirche („Oswaldkirk“) in England / Yorkshire (North), der St. Oswald-Stein, stammt ersichtlich aus dem angelsächsischen Volksglauben des Wodan-Odin-Kultes, welcher in christianisierender Manier zum „Hl. Oswald“ avancierte. Das Relikt stammt - zusammen mit einem Flechtband-Bruchstück - aus dem Abbruch einer altheidnischen Kultanlage die von der Oswald-Kirche überbaut wurde. Das Oswald-Relief gleicht überzeugend genau dem angeblich slawischen Witold-Bildstein in der Altenkirchener Waffenkammer der Pfarrkirche auf Rügen (erbaut 1185), der in bewusst hinabwürdigender Weise waagerecht umgelegt eingemauert worden ist. Für seine Benennung als „Svantevitstein“ fehlt jegliche Begründung -; Svantovit wurde als vierköpfig beschrieben. So kann das ranische Witold-Relief als ebenso schlichte Volkskunstarbeit verstanden werden wie das altenglische, wobei beide ursprünglich den germ. Gott Wodan ins Bild zu setzen gedachten. Zum Wodankult gehörte der von seinen Anhängern gemeinschaftlich  eingenommene Rauschtrank, möglicherweise ist dieser Umstand mit ein Grund für das markante große Trinkhorn das die Gestalten in Händen halten.
 

Witold- und Oswald-Stein
 
Die von mir dargelegte Vermutung, dass das Rügener Witold-Relief eine Gestalt auf einem großen Fisch zeigt, eine Gestalt die auch von der sog. slawischen Mittelalterbevölkerung verehrt worden ist, könnte als argumentativer Hinweis für die Folgerung dienen, dass sächsische und wendisch-sclavenische - also die links- wie rechts-elbischen Bevölkerungen - die gleichen bzw. verwandten Gottheiten kannten -; ein Umstand der weitere Schlussfolgerungen im vorgetragenen Sinne aufnötigt. Zum weiteren Verständnis empfiehlt sich die folgende Abhandlung:
 
 
LITERATUR:
Konrad Bothe, „Cronecken der Sassen", 1492.
Johannes Pomasius, „Chronica der Sachsen und Nidersachsen“, 1588.
Julius Gottfried Eberhard Leonhard, „Die Harzburg und ihre Geschichte", 1825
Carl Conrad Hermann Burmeister (1807-1892), „Ueber die früher in Mecklenburg wohnenden Obodriten-Wenden, Kelten, Germanen, Slawen als Bewohner Mecklenburgs“, 1840
Ignac-Jan Hanus „Die Wißenschaft des slavischen Mythus im weitersten den altpreußisch-lithauischen Mythus mitumfaßenden Sinne“, 1842
Leonhard Franz, „Falsche Slawengötter“, 1941
Klaus Röttger, „Der Krodo-Mythos“, 2004
Mike Vogler, „Rätsel der Geschichte“, 2014