Copyright Gerhard Hess / Februar 2017
 
Abb. 1 - „Nestor-Becher“ von Pithekoussai, Import aus Rhodos, 8. Jh. v.0
mit Welten-Säule in eckiger Spiral-Form, auf Weltenberg
 
Abb. 2 - Haithabu-Gold-Fibel mit Welten-Säule (unter Himmelskuppel)
in runder Spiral-Form, 7./10. Jh. n.0
 
Rhodos ist die Hauptinsel der griechischen Inselgruppe „Dodekanes“ in der Südost-Ägäis. Das Wappentier von Rhodos ist der springende Hirsch, der „Elafos“ genannt wird. Der Name Rhodos ist vorgriechisch und wohl philistrisch-phönizischen Ursprungs, als Begriff für den Granatapfel. Mythologisch wurde die fruchtbare Insel mit dem Sonnengott Helios in Zusammenhang gebracht. Es heißt, Göttervater Zeus hätte sie ihm zum Geschenk gegeben. Größere Ansiedlungen entstanden bereits während der frühen Bronzezeit (etwa 2800-2000 v.0). Ab dem 2. Jt. erreichten die kretischen Minoer das Land, die im 14. Jh. v.0 von den nordischen Frühgriechen, den Mykenern abgelöst wurden, worauf ihre zahlreichen dortigen Gräber hinweisen. Ab dem 11. Jh. v.0 ließen sich dorische Griechen auf Rhodos nieder. Sie gründeten die Städte Ialysos, Kameiros, Lindos, die nach den drei Söhnen des Helios benannt wurden. In Lindos befanden sich Tempel mit überregionaler Bedeutung. Rhodos lag an einem stark benutzten Seeweg von Griechenland in die Levante und konnte dank seiner guten Häfen vom Fernhandel profitieren. Von den rhodischen Städten wurden wiederum Kolonien gegründet, wie Gela auf Sizilien und Phaselis in Lykien. Die Ionier und Dorer brachten den Sonnenkult nach Rhodos, der schon im bronzezeitlichen Norden mit dem Hirsch verbunden war und als „Elafos“ zu einem der Sinnzeichen von Rhodos wurde. Auch des Apollon heiliges Tier ist u.a. der Hirsch. Das andere große Helios-Symbol war der „Koloss von Rhodos“, eine über 30/35 Meter hohe, monumentale Bronze-Statue des Sonnengottes, die etwa 292 v.0 nach zwölfjähriger Bauzeit vollendet und im Hauptheiligtum der Stadt, dem Helios-Heiligtum, aufgestellt wurde. Ihr Bau war derart erstaunlich und bedeutsam, dass sie zu den bekannten „Sieben Weltwundern“ der Antike gezählt worden ist. Im Jahre 226 v.0 stürzte der Koloss infolge eines Erdbebens um. Man hatte ihn aus dankbarer Verehrung für Helios errichtet, dem man die Errettung vor der Eroberung durch Demetrios I., einem der Nachfolger des „Großen Alexanders“, zuschrieb. Daraus ist zu entnehmen wie stark und unbestritten der Sonnengott-Kult auf Rhodos war. Nach diesem Erdbeben erhielt Rhodos Anteilnahme und finanzielle Unterstützung aus ganz Griechenland. Ein König soll Geldmittel versprochen haben, um den Koloss wieder aufrichten zu lassen. Die Rhodier ließen die Bronzeteile jedoch aus Furcht vor einem neuen Sturz liegen und setzten das Gerücht in Umlauf, der Grund sei ein Orakel mit dem Wortlaut „Was gut liegt, das soll man nicht von der Stelle bewegen.“ Laut einer Beschreibung Plinius’ des Älteren vermochten nur sehr große Männer den Daumen der Statue mit den Armen zu umfassen. Die Araber sollen nach ihrer Eroberung der Insel im Jahr 654 das Altmetall an einen Juden verkauft haben, der es mit 900 Kamelen hat abtransportieren lassen.
 
Abb. 3 - Nestor-Becher mit frühgriechischer Inschrift
 
Ein berühmter Fund, welcher ursprünglich aus Rhodos stammt, ist der spätgeometrische sog. „Nestor-Becher“ aus Pithekoussai, auf der Neapel vorgelagerten Insel Ischia (Grab Nr. 282). Anhand ähnlicher Funde war Ursprungsort Rhodos identifizierbar (aus ca. 750-725 v.0). Als Nestor-Becher bezeichnet man den mythischen Mischbecher des Griechen Nestor von Pylos, wie ihn Homer in seiner Ilias beschrieben hatte. Weil der Dichter nur unklare Informationen zum Aussehen des Bechers gibt, wurde seine Gestalt schon in der Antike diskutiert. Als Heinrich Schliemann 1876 in Mykene einen Goldbecher fand, der in seiner zweihenkligen Formung dem von Homer beschriebenen nahezukommen schien, glaubte man, das Vorbild des Nestor-Bechers gefunden zu haben. Dann fand sich im Jahre 1954 auf der Insel Ischia ein antikes Trinkgefäß mit einer Inschrift, die einen Bezug zu Nestor und seinem Becher herstellt. Die Inschrift ist von Bedeutung, weil es sich um eine der frühesten datierbaren griechischen Inschriften in Alphabet-Form handelt. Da die Schriftzeichen schon deutlich von den phönizischen abweichen, lässt sich schließen, dass die angenommene „Übernahme des Alphabets“ eine beträchtliche Zeit vor der Anbringung der Inschrift - und zwar erst in Pithekoussai - erfolgt sein müsste. Dieser Nestor-Becher-Fund in Italien könnte die Übertragung des Alphabets von den Griechen an die Etrusker sehr verständlich machen, die es bekanntlich wiederum an die Römer weitergaben. Das etruskische Alphabet erscheint etwa 700 v.0 und zwar im gleichen Schreibtypus der auch in Pithekoussai und Kyme benutzt wurde. Ebenso wie die ursprüngliche germanische Runenschrift des ODING-FUÞARK ist diese frühe Griechen-Inschrift linksläufig ! Mit aller nötigen Vorsicht sei auf die Nestor-Becher-Felder rechts und links der Spiral-Säule hingewiesen. Es könnte sich bei den dort abgebildeten Zeichen um Sonnensinnbilder handeln. Rechts von der Säule ist in geometrischer Manier eine Spirale zu erkennen und daneben, wie auch links der Spiral-Säule, eine Raute, wie sie noch im ODING-Runenverband als Sinnzeichen für den germ. Sonnengott Ingwi-Frô auftritt, nämlich mal als Kreischen, mal als als Raute (Ing-Rune ).
 
Der Nestor-Becher-Import aus Rhodos, der in einem aus dem Ende des 8. Jh.v.0 herrührenden reichen Grab eines ungefähr zehnjährigen Jungen entdeckt wurde (eigentlich war das Grab doppelschläfrig), hat außer der Inschrift eine weitere Besonderheit auf die bisher kein Untersucher einging, aber zu meinem speziellen Forschungsgebiet gehört. Zunächst die eingeritzte dreizeilige Inschrift, sie lautet: „Nestor besaß eine höchst trinkwürdige Schale, aber jeder, der aus der meinen trinkt, wird sogleich von Verlangen nach der schöngekrönten Aphrodite befallen werden.“ Die Wissenschaft geht - wie gesagt - davon aus, dass die Inschrift erst in Pithekoussai eingeritzt wurde. Die Wissenschaft deutet die Inschrift als in einem griechischen Alphabet chalkidischen Typus und in einem euböischen Dialekt geschrieben. Chalkis liegt in Mittelgriechenland, an der Westküste der Insel Euböa, also mit bester Seeverbindung nach Rhodos. Chalkis war ein Zentrum der ionischen Adelskultur, deswegen ist es als sehr verständlich zu bewerten, dass Verse des Ioniers Homer in einer ionischen Tochterstadt in Italien (Ischia/Pithekoussai) auftauchten. Eine Homer-Stelle die sich auf den Becher bezieht klingt so: „Welchen goldene Buckeln umschimmerten; aber der Henkel Waren vier, und umher zwei pickende Tauben an jedem, Schön aus Golde geformt; zwei waren auch unten der Boden. Mühsam hob ein andrer den schweren Kelch von der Tafel, War er voll; doch Nestor der Greis erhob ihn nur spielend.“
 
Die Inschrift des Bechers handele sich - so die allgemeine Auffassung - um eine scherzhafte Anspielung auf Homers Verse aus der Ilias, die ungefähr zum gleichen Zeitpunkt wie diese Inschrift entstanden ist. Die Geschichte um Nestors Becher war also weithin bekannt, ich komme noch auf Nestor zurück. Doch zunächst zu der Verbindung zwischen Ischia-Pithekoussai und Griechenland. Die antiken Schriftsteller Strabon und Livius berichten davon, dass der westmittelmeerische Fundort des Nestor-Bechers von Griechen besiedelt war. Strabon (V,5.9) schreibt: „Pithecussae war einmal von Bewohnern aus Eretria und Calkis bewohnt, die, obwohl sie dort aufgrund der Fruchtbarkeit des Bodens und dank der Goldminen zu Wohlstand gekommen waren, die Insel als Ergebnis von Streitigkeiten vernachlässigten; später wurden sie auch von der Insel durch Erdbeben vertrieben, sowie durch Ausbrüche von Feuer, Meer und heißen Wassern; (…). Daher rührt auch der Mythos, nach welchem Typhon unter dieser Insel liegt, und wenn er seinen Körper wendet, brechen Flammen und Wasser aus, und manchmal sogar kleine Inseln, die siedend heißes Wasser enthalten.“ Hier wird von Erdbeben bzw. Vesuv-Unruhen berichtet. Und Livius (VIII, 22.5-6) steuert bei: „Paleopolis lag nicht weit von der Stelle, wo jetzt Neapel liegt. In beiden Städten wohnte dasselbe Volk. Es stammte aus Cumae; die Cumaner führen ihren Ursprung auf das euböische Calkis zurück. Durch die Flotte, auf der sie aus ihrer Heimat herangekommen waren, besaßen sie große Macht an der Küste des Meeres, an dem sie wohnten; sie waren zuerst auf den Inseln Aenaria und Pithecussae gelandet und hatten dann gewagt, ihre Wohnsitze auf das Festland zu verlegen.“ Sicherlich waren an den Einwanderungen der Frühgriechen in den Süden der Balkanhalbinsel auch nordbalkanische nordite Stämme (Frühthraker) beteiligt, doch die Seegewaltigkeit der Mykenier und Dorer offenbart das genetische Erbe des hohen Nordens, wo aus den steinzeitlichen Ertebölle-Kulturen die nautischen Neigunen der Nachfolgevölker erwuchsen. 
 
Abb. 4 - Das Mykenische Löwentor, der ionischen Einwanderer,
demonstriert den nordischen Weltsäulenkult
 
Nestor war ein Held der griechischen Mythologie und sagenhafter Herrscher von Pylos. Die kleine Hafenstadt Pylos liegt am westlichen Teil des messenischen „Fingers“ im Südwesten der Halbinsel Peloponnes. Frühe mykenische Paläste sind hier aufgefunden worden. In Homers Ilias spielt Nestor eine der Hauptrollen unter den alten, erfahrenen und weisen Ratgebern des König Agamemnon. Er trat auf als Schlichter im Streit zwischen griechischen Führern im „Trojanischen  Krieg“ und ebenso nahm er teil an der „Argonautenfahrt“ des Jason mit dem Schiff „Argo“. Der weise Nestor - den Homer „göttlich“ nannte - soll eben auch trinkfreudig gewesen sein und vor Troja manchen Schluck aus seinem „Nestor-Becher“ getrunken haben.
 

Abb. 5 - Brillenspiralen-Frauenschmuck aus einem Grab bei Straubig / Niederbayern (1.700 v.0).
Abb. 6 - Mykenische Grabplatten zeigen die Sonnenweg-Brillenspirale (1650-1075 v.0)
Die Ionier-Mykener kamen nach Griechenland mit einem vorausgehenden oder frühen Schub der Urnenfelderbewegung aus dem Norden - mit Sicherheit aus Bayern - in die Balkanhalbinsel und die Peloponnes.
 
 
Das beweist die Chronologie des Brillenspiral-Schmucks.
 
Abb. 7 - Mykenisches Goldarmband (Schliemann-Fund) mit Brillenspriral-Oranametik
 
Die frühen mykenischen und dann dorischen Griechen der „Seevölkerbewegung“ und „Urnenfelderbewegung“ kamen zumindest in bedeutenden Gruppen aus Nord- und Mitteleuropa sowie dem thrakischen Nordbalkanraum, das beweisen die frühesten Aschenaltäre des Zeus im Donaubogen, sowie die aufgrund von Abwanderungen erzeugten Fundausdünnungen des 12./11. Jh. v.0 im deutschen Nordseeküstenbereich. Der Spiraldekorstil dieser frühen Griechen ist identisch mit jenem gleichzeitigen Spiralkunststil des mecklenburgischen Nordens, wie ihn z.B. das „Horn von Wismar“, das „Schwert von Tarnow“ und das „Diadem von Wittenmoor“ zeigen. Nicht nur der Atlantisforscher Jürgen Spanuth (1907-1998), auch der Altertumsforscher Günther Kehnscherper (1929-2004) war der Ansicht: „Die wichtigste Erkenntnis der vergangenen Jahre ist, daß Philister, Nord- und Seevölker und Urnenfelderleute denselben Koaltionsverband bezeichnen und einer bronzezeitlichen Kultur angehören, über die wir zahlreiche andere Nachrichten außer von Plato haben.“ Diese Südwanderer aus dem späteren deutschen Großraum brachten den Sonnenkult (Helios /Apollon) nach Griechenland, in die Peloponnes und auch nach Rhodos. Das markanteste Leitmotiv ihres Sonnenkultes war die Spirale, des jährlichen solaren Heilsweges, und das Symbol der den Himmel tragenden Spiralsäule, die die Altsachsen des 8. Jhs. n.0 „Irminsul“ („große Allsäule“) nannten.
 
Der „Nestor-Becher“ aus der Helios-Stadt von Rhodos, des 8. Jh. v.0, zeigt im Dekor die eckige Form der nordischen Spiral-Säule, während die norddeutsche Haithabu-Gold-Fibel des 7./10. Jh. n.0 die Spiral-Säule in gewöhnlicher runder Spiral-Form vorführt (siehe Abb. 1 + 2).
 
Mit diesem Becher-Dekor ist für mich der Nachweis erbracht, dass die nordeuropäische religiöse Vorstellung einer Sonnen-Spiral-Säule - der die Funktion einer Tragestüze für die Himmelskuppel zugeschrieben wurde - auch im dorischen Rhodos beheimatet war. Und weiter ist daraus ableitbar, dass eine bestimmte Form der frühgriechischen Säulenkapitelle, mit ihren ausgewogenen Spiralzieren, aus dem von mir vorgetragenen religiösen Verständnis heraus entwickelt worden sind.
 
Die Ionier rechnet man einer älteren und die Dorer einer jüngeren aus dem Norden andrängenden Einwanderungswelle nach Griechenland zu. Die Ionier seien vom griechischen Festland nach Osten auf die ionischen Inseln abgedrängt worden. Die ionische Einwanderung ist schon im 15. Jh. und die dorische etwa ab 12. Jh. v.0. in mehreren Schüben erfolgt. In ihrem Zuge drangen die Dorer auf die Peleponnes vor und in die Landschaften Argolis, Lakonien, Messenien sowie Gebiete am Isthmus von Korinth. Sie bemächtigten sich der vorbestehenden Burgen von Tiryns und Mykene. Das mykenische Löwentor - mit seiner Säule zwischen den flankierenden Löwen - demonstriert die hohe Bedeutung des Weltsäulenkultes und die mykenischen Grabplatten zeigen mit ihren Spiralornamenten die Wichtigkeit der religiösen Idee der Sonnenweg-Doppelspirale auf. Diese Funde erweisen, dass die beiden sakralen Ideen von Säule und Spirale für die Ionier-Mykenier schon vor ihrer Verdrängung durch die Dorer von Bedeutung waren, also die typische „ionische Säule“ mit den Spiralkapitellen nicht erst durch orientalische Kontakte auf den Inseln vor der kleinasiatischen Küste angeregt wurde. Die sog. „ionische Bauordnung“, mit den Voluten-Kapitellen, gilt als etwas jünger als die „dorische Bauordnung“, obwohl die Ionier vor den Dorern in Griechenland Fuß fassten. Genau besehen, entstanden die Baustile aber so gut wie gleichzeitig, nämlich im 7./6. Jh. v.0 -, davor war die Holzbauweise vorherrschend. Die ältesten Beispiele der „Dorischen Ordnung“ datieren um das Jahr 625 v.0.. Auf dem eigentlich ionischen Rhodos wurde, durch die spätere dorische Einwanderung, der Baustil der „Dorischen Ordnung“ gepflegt, ebenso wie in großen Teilen der Peleponnes, Kreta und Teilen Kleinasiens. Im Unterschied zur dorischen Säule steht die ionische Säule auf einer Basis, meist ein quadratischer Sockel und ersetzt gleichzeitig den Stylobat. Auf diesem Sockel liegen abwechselnd kreisrunde Wülste und Hohlkehlen, aus denen schließlich der Schaft stieg. Der Säulenschaft mit einer Länge von 8,5/9,5 war dabei wesentlich höher, als der dorische. Gleichzeitig vergrößerte sich der Säulenabstand auf 2 Durchmesser. Der Gegensatz beider Bauordnungen kann bei der vorliegenden Vermischung von Ioniern und Dorern keinesfalls als das Ausdrucksmittel eines religiösen Gegenparts gedeutet werden. Die Sonnen-Apollon-Verehrung hatte ganz allgemein Gültigkeit in Großgriechenland. Im Laufe der Entwicklung verlor sich diese strenge landschaftliche Bindung und beide Säulenordnungen wurden im ganzen griechischen Architektur- und Kulturkreis eingesetzt.
 
Spiral-Kapitell der Irminsul-„Christussäule“
der Fuldaer Michaelskapellen-Krypta
 
Ob die Sonnenspiralvoluten der ionischen Tempelsäulen als eine deutliche Preisung des Helios gedacht worden sind - wie sicherlich in alter Zeit - oder ob man nur den Traditionen unterschiedlicher Architektenschulen folgte, lässt sich nicht sagen. Die Heliosverehrung hatte in der gesamten griechischen Welt ihr Zentrum in Rhodos. Apollon war Schutzgott von Rhodos, seine Gleichsetzung mit Helios ist seit dem 5. Jh. belegt.