Copyright © Gerhard Hess - 2004
Fantasiebild einer Kultsäule am Externstein von S. Schroeter -, die historische Irminsul schaute auf dem Felsensporn von Obermarsberg weit ins Land hinein.
 
IRMINSUL-NARREN und ihr NARREN-BAUM
 
Als Karl der Frankenkönig mit seinem Heer im Jahre 772 aufbrach, um gegen den sächsischen Nachbarn, der seiner Großraumpolitik auf Dauer gefährlich sein musste, einen Schlag zu versetzen, da tat er einen Schachzug, der bereits römischer Tradition entsprach. Er plante, das Heiligtum des gegnerischen Bundes zu zerstören, um das feindliche Heil, das seelische Kraftzentrum des Sachsenvolkes, außer Kraft zu setzen. Die Römer stießen bei ihren militärischen Operationen zielsicher auf die gegnerischen Heiligtümer vor, nahmen sie, wenn möglich, mit sich fort, um ihnen in Rom einen neuen Platz zuzuweisen. So wurde Rom ein Zentrum des alten Heiles, und die Blicke der unterworfenen Völker wurden nicht nur im Groll auf diese Stadt gelenkt. Als aber mit Einzug des Christianismus in Europa die geistige Freiheit in einem bis dahin nicht bekannten Maße dahinschwand, um jener neureligiösen Intoleranz das Feld zu überlassen, da wurden keine fremden Götter einverleibt, sondern erschlagen.
 
Das fränkische Heer marschierte auf die hoch am Berge gelegene starke sächsische Feste Eresburg zu, das heutige Obermarsberg, und berannte die Befestigungsanlagen, die auf dem südwestlichen Abhang lagen. Dies war der einzige notwendige Sperrgürtel vor dem eigentlichen Heiligtum, fällt doch nach den drei übrigen Seiten der Bergrücken schroff ab, so dass ein Sturm von hier aus aussichtslos sein musste. Als nach erbitterten Kämpfen die Bollwerke von den Franken niedergekämpft waren, gelang es diesen, zweifellos nur unter schrittweisem Vordringen, durch den Heiligen Hain zur höher gelegenen Irminsul zu gelangen. Die letzten Verteidiger werden um das heilige Standbild selbst gefallen sein.
 
Dort, wo die spätere Peterskirche auf dem höheren nordöstlichen Teil des Bergrückens errichtet wurde, stand der hohe sandsteinerne Stamm, den die Sachsen in ihrer Muttersprache Irminsul nannten, welche sinnbildlich das Weltall zu tragen hatte. Ihre Gestalt sei einer Säule ähnlich gewesen, heißt es. Ein Baumstamm war es demnach nicht.
 
Abb. 2
 
Hier wurde 1938 bei der Anlage eines Schießplatzes in 1 Meter Tiefe ein Gabelkapitell gefunden (Abb. 2), welcher entweder wirklich einstmals als Kopf der starken Kultsäule aufsaß, oder aber als Altarmitte im sächsischen Weihetum gedient haben mag. Heute steht dieser einzigartige Fund in der Vorhalle der Stiftskirche zu Obermarsberg, vor dem großen Bronzerelief auf dem die irrtumsträchtige „Kultsäule“ mit ihren Tragearmen ihre einstigen Gegner, Karl den Franken und Abt Sturmius vom Kloster Fulda, überragend überschirmt. Diese schlichte Arbeit kann keineswegs als Bekrönung der echten hochheiligen Säule des Hauptheiligtums angesehen werden, doch in irgendeiner Weise scheint sie zu den Baulichkeiten der Gesamtanlage gehört zu haben. Ein religiöses Symbol von solcher zentralen Bedeutung innerhalb eines Kultes hat niemals allein an einem einzigen Ort seinen Platz, sondern wird in ähnlicher, vielleicht kleinerer Ausführung mehrere Weihestätten gekrönt haben. Möglicherweise auf der Iburg bei Bad Driburg, an den Externsteinen usw. Ein Mönch des 9. Jhs., den man Poeta Saxo nennt, informiert uns über den kunstvollen Charakter der Kultsäule: „Irminsul; deren Bauweise war ähnlich einer Säule gewesen, von nicht geringer Kunst und gleicherweise Zierde. Diese zerstörte der Krieg und blieb selbst drei Tage in einem daneben errichteten Lager. Damals, als die Hitze des Sommers lange fortdauerte, und der Himmel heiter war, brannten die Felder und in den Quellen selbst war kein Wasser; von vielem Staub starrten die Flüsse.“ („Poetae Saxonis annalium de gestis Caroli magni imperatoris libri quinque”, in: MGH SS I  - Lib. I, 65)
 
Besonders seit dem zähen Engagement von Wilhelm Teudt (1860-1942) wird in der zweifelsfrei zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstandenen Großplastik der Kreuzabnahme Christi im lebendigen Fels des Externsteines das Abbild der Irminsul gesehen. Dies ist ohne den geringsten Zweifel falsch. Zu diesem Irrtum gelangte Teudt und seine Nachbeter durch die sich bei oberflächlicher Betrachtung geradezu aufdrängende Idee, der Künstler habe das baumähnliche Gebilde - auf welchem der bei der Kreuzabnahme helfende Nikodemus steht - weggetreten, weggebeugt, was klar einem Demütigungs- und Unterwerfungsgestus entspricht. Somit hätte das heidnische Sinnbild der Irminsul schon gekennzeichnet werden können. Wäre es in Richtung des Kreuzes geknickt worden, hätte man eine Huldigungs- und Anbetungsgeste darstellen wollen, das ist aber folgerichtig nicht geschehen. Das sächsische Heidentum sollte nicht zur Unterwerfung - wie ein eroberter Staat - gebracht werden, sondern zur Vernichtung !
 
DAS NEU-HEIDENTUM DES 12. JAHRHUNDERTS
 
Die oberflächlich ohne ausreichende Quellenkenntnis der - auch römisch-hellenistisch-orientalischen - Kunstgeschichte, ließ W. Teudt das Allzunaheliegende vermuten und ohne wissenschaftliche Redlichkeit und Vorsicht, wie einen Glaubens­satz verkünden, dem noch heute diesbezüglich ungebildete Leute anhängen, welche sich ohne dass sie es ahnen, zu „Irminsul“-Narren machen. Im 12. Jahrhundert, zur Zeit der Reliefentstehung, ging es längst nicht mehr um das Altheidentum, jedoch um eine neuheidnische Erscheinung, die dem Staat und der Kirche nicht weniger Sorgen bereitete wie die alten Heidenkulte es getan hatten. „Hildegard von Bingen“ (1098-1179), beginnt ihren Lebensbericht: „Im Jahre 1100 fing die Lehre der Apostel und das Feuer des Glaubens zu erkalten an, und um diese Zeit bin ich geboren…“ Ein Zeitgenosse von ihr, der Religionsphilosoph Abälard, beklagte sich über die „tausend Häresien“, die aufkeimten, und gegen die auch sein Rivale, der hl. Bernhard von Clairvaux, vergeblich ankämpfte. Auch durch die Kreuzzüge wurde den Menschen der Blick geweitet. Im Orient lernten sie andere Religionsformen, Brauchtümer, Sitten kennen, gerieten leicht in Widerspruch zu den enggezogenen Satzungen der Kirche und begehrten auf. Das ketzerische Neuheidentum erlebte eine ungeheuerte Belebung, Gruppen schlossen sich zusammen, übten zunehmend freiere Reden gegen die Unglaubwürdigkeiten und lebensfeindlichen Satzungen der Kirche. Mehr und mehr verlor sie an Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung. Angestachelt zur Abkehr vom Glauben wurden die Laien auch vom Verhalten der Würdenträger selbst, die sich mit Unzucht, Räubereien, Kriegen und der Ansammlung von Reichtümern befleckten. Der Klerus sah die Gefahr ebenso heraufziehen wie die weltlichen Machthaber. Die damaligen mönchischen Reformbewegungen versuchten gegenzusteuern, strengere Regeln einzuführen und ganz allgemein ihr Christentum zu reinigen und zu verinnerlichen. Der erklärte Feind dieser Reformchristen war die von den Laien angestrebte Verweltlichung schlechthin. Das alte Sinnbild des  orientalisch-mittelmeerischen Lebensbaumes wurde zunehmend zum Symbol dieser Weltgier die es zu bekämpfen galt. Folgerichtig griffen die Gewalthaber zum Mittel der Inquisition, um dem Druck aus den Bevölkerungen in Form des grausamsten Mordterrors zu begegnen. Das war das geistige Klima für die Entstehung jener gebeugten Lebensbaum-Ikone vom Externstein-Kreuzabnahmerelief. Die unmittelbare Veranlassung dazu wurde - wie ich sorgfältig ausgeführt habe - die Schlacht am Welfesholz am 11. Februar 1115, in welcher der „neuheidnisch Unhold“, Kaiser Heinrich V., geschlagen worden ist. - Ganz falsch lag der verunglückte „Irminsul“-Verkünder Wilhelm Teudt also nicht, das gebeugte Lebensbaum-Bildnis vom Externstein vertritt zwar damaliges Heidentum, mit der altsächsischen Irmisul hat es trotzdem nichts zu  schaffen.     
 
Dass diese Lebensbaum-Ikone vom Externstein von den Auftraggebern des Steinmetzkünstlers als etwas Heidnisch-Teuflisches betrachte wurde steht außer Frage. Verdeutlicht wird das in Metaphern die eindeutiger nicht sein könnten. Der geflügelte Drachen, welcher sich um die beiden unter der Bodenlinie befindlichen ebenfalls heidnischen Gestalten windet, trägt in seiner Dreispross-Schwanzquaste das gleiche Dreiwinkelzeichen wie des der Volutenbaum aufweist. Der Dreierwinkel ist ein uralt-heidisches - auch schon hethitisches und orientalisches - Glückszeichen. Der Drachen symbolisiert im 12. Jh. ganz allgemein die Figur des Satans. Über ihn erklärt „Hildegard von Bingen“: „Der Drache hat eine trockene, ungewöhnliche Hitze und ein unbezähmbares Feuer in sich …Dem Menschen ist er übel gesinnt. Weil er das Wesen und die Tücken des Teufels hat …“ („Physica, De Reptilibus“) Gerade die Übereinstimmung von Drachenschwanz und Volutenkopf des Lebensbaumes offenbart das demonstrierte Denken der Benediktinermönche von Cluny, die das Externstein-Bild in Auftrag gaben. Sie warfen die altheidnische Glaubensideologie - die durch den Dreispross (des Drachenschwanzes) gekennzeichnet wurde - zusammen mit dem herrschaftlichen Neuheidentum der kaiserlichen Heinriche (IV. + V.) auf dem abendländischen Thron, welcher durch die Palmbaum-Ikone bezeichnet werden sollte. Der Dreispross, in runischer Form als Algiz-Chiffre  (schon stein- u. bronzezeitlich) oder ganz gegenständlich als Dreiblatt dargestellt, ist ein nachweisbar altgläubiges - auch nordisch-europäisches - Lebenssinnbild ersten Ranges, während der heilige orientalische Dattenpalmbaum in ikonographierter Form aus dem Nahen Osten als Herrschaftszeichen in Zepterform übernommen worden ist.  
 
MODERN-HEIDNISCHE NARRENZUNFT
 
So können wir einerseits sicher sein, dass es sich bei den Externsteinbildern, um altheilige Sinnzeichen handelt, doch ebenso sicher darf man sein, dass sie davon weit entfernt sind, eine Irminsul darstellen zu wollen. Unter dieser verstanden die Alten - wie es die Quellen unmissverständlich ausdrücken - eben die allegorische Weltsäule und keine pflanzlichen Sinnbilder. Bei dem gebogenen Baum des Externsteinreliefs handele es sich, wie die beiden Blattranken es aufweisen, um einen Dattelpalmbaum. Wer die vielen derartigen Abbildungen des alten Orients nicht kennt, begreift es zunächst nicht. Im Externstein-Kreuzabnahmebild – das bekanntlich ein Geschehnis in Jerusalem darzustellen bestrebt ist – haben wir ein das Palmetten-Kultbaumgebilde der altorientalischen Mythologie vor uns, unzweifelhaft, mit den beiden Palmblattranken, den beiden nach unten gerichteten Röllchen als Symbole der Dattelfruchtgehänge und den angedeuteten Sprossen am Baumstamm selbst. Die Narrheit derer, die den Externstein-Palmbaum für die Irminsul (Säule des Himmelsgottes Tiu-Irmin) halten und an dieser Narretei festhalten, beruht darin, dass sie - als vermeintlich heidnische Puristen und Fundamentalisten - zum christlichen Kreuzzeichen eine Symbolalternative suchten und nichts besseres fanden als den uralten orientalischen Lebensbaum, die symbolisierte Dattelpalme. Es ist der Baum des Gottes Assur, und schon die Summerer hatten denGott des rechten Baumes, Nin-gis-zi-da, der in Gestalt der Dattelpalme Abbildung fand. Einige der bezeichneten Irminsul-Narren ergötzen sich an den sinnschweren Spiralen, übersehen jedoch völlig, dass die Volutenarme an ihren Unterseiten geriffelt sind, so wie man eben nur die Palmblätter darzustellen pflegte. Sonnenspiralen, im Zusammenhang mit einer echten Säule, sind tatsächlich wunderschöne uralt-megalithische Sinnbilder -, doch an ihren Enden aufgerollte Palmblätter sind nicht dazu angetan vom nordischen Sonnenkult Zeugnis abzulegen !  Wem diese Fakten nicht ins Hirn gehen, gehört zur neuheidnischen Narrenzunft, welche sich in weiteren Zeugnissen ihrer eklatanten Geistesschwäche kennzeichnet. Je nach weltanschaulichem Strandort ist es zu belächeln oder zu bedauern, womit Heidengruppen in Deutschland seit Jahrzehnten herumeiern, mit einer orientalischen Dattelpalme auf den Bannern und dem frei erfundenen 18er-Runen-Quark des Guido List im esoterischen Dünkel --, wahrlich keine überzeugenden Verstandesleistungen !  Und ein Ende des Ulks ist nicht absehbar.
 
Zu den fixierten Wahnvorstellungen deutscher Heidenkreise hinsichtlich einer „Externstein-Irminsul“, wie ebenso der „18er-esoterischen Runenreihe“ , lässt sich nur sinnieren: Die Axiomatik im Denken von Guido List, Rudolf John (Gorsle­ben), Friedrich Bernhard Marby und ihrer armanischen, godischen usw. Fantasten, also all der Blind­gläubigen an eine „Teudt’sche Irminsul“ und „esoterisches 18er Runensystem“, ist vergleich­bar, mit einer Gruppenpsychose, die in den Köpfen der von der Psychose erfassten Opfer eine virtuelle Realität erzeugt hat. Unter dem Einfluss der virtuellen Realität weigert sich das Opfer, auch nur irgendeinen Beweis für die Realität anzuerkennen, der nicht mit ihrer virtuellen Scheinrealität überein­stimmt. So verstanden, spielen diese axiomatischen Annahmen für die Anhänger der diversen neuzeitlich ausgedachten Ru­nenreihen und der darauf basierenden Fantastereien, dieselbe Rolle wie das Goldfisch-Aqua­rium für den typi­schen Populisten unter den Goldfischen, der sein Aquarium für das reale Universum hält. Konzilianter sind diese „Irminsul- und Runen-Narren“ nicht zu beur­teilen. Die für deutsche Forscher unwürdige, geradezu närrisch unvorsichtige Leichtfertigkeit - ohne ihr Arbeitsgebiet auch nur im Entferntesten ausgelotet und wahrhaft erschlossen zu haben - und zum Teil sogar, trotz Vorlage der orientalischen Vorbilder, eine „Irminsul vom Externstein“ zu postulieren, muss ins Erstaunen setzen und bleibt unerklärlich. Dass ein neu Hinzutretender eine Welt-Säule mit dem Lebens-Baum verwechseln könnte, wäre noch hinnehmbar, doch dass sich Fachtheoretiker die Narretei erlaubten, die beiden Mythologien durcheinander zu werfen und das Baumgebilde vom Externstein zur altsächsischen Weltsäule erklärten, das ist ein wissenschaftlicher Fauxpas erster Güte. Vom Ex-Pfarrer Wilhelm Teudt, über den Leiter der Externsteingrabung Julius Andree und dem Fachbuchautor Haye Hamkens - um nur diese Drei zu nennen - beteten alle den fatalen Irrtum nach, ohne der Fragestellung mit Forscherfleiß auf den Grund gehen zu wollen.
 
Im Orient, namentlich im ionischen Küstenraum, gingen tatsächlich die Dattelbaum-Lebensbaum-Sinnbilder mit den Weltstützen-Säulen-Sinnbildern zusammen und wurden von den Künstlern zuweilen verschmolzen, weil der Palmbaumstamm - oftmals einer hohen Säule gleichend - dazu einlud. Doch gleiche Prozesse für Nordger­manien, also im sächsischen Kulturraum, zu vermuten, wäre ganz und gar abwegig, weil hier die Kenntnis über die lebenserhaltende Bedeutung der Dattelpalme nicht angenommen werden darf. Wer trotzdem davon ausgeht - wie es die Irminsul-Narren tun - die Altsachsen hätten die  orientalische Dattelpalmen-Ikone am Externstein angebetet, hat - um es salopp und platt auszudrücken - eine Totalmeise !
 
LEBENSBAUM UND „LILIE“
 
Der uns übermittelte Begriff „Irmensul, welche sinnbildlich das All trägt“, weist uns unmissverständlich darauf hin, dass es sich hier nicht um den Lebensbaum handelt, sondern das Symbol des göttlichen Ordnungsgefüges, um das kosmogonische Prinzip der Welterhaltung, Weltstütze und Lebensbaum sind zwei zunächst absolut zu trennende Vorstellungskreise. Der Begriff des Lebensbaumes ist dem althebräischen Fabulierbuche, das nicht zuletzt durch Luther zu so großem Ansehen gekommen ist, der Bibel, nicht fremd. Wir alle kennen die Sündenfall-Geschichte, als das „erste Menschenpaar“ von der verbotenen Frucht des Lebensbaumes genoss und dann aus dem „Garten Eden“ vertrieben wurde. Der „Baum des Lebens“ ist keine jüdische Erfindung, sondern er lässt sich als heiliger Baum bereits bei den Sumerern feststellen, und zwar dort schon als heilige Dattelpalme. Der mystische Lebensbaum des Orients geht auf die für das Zweistromland und Ägypten wirtschaftlich ungemein wichtige Dattelpalme zurück, welche damals wie heute künstlich von Menschen befruchtet werden muss, wenn sie essbare Früchte liefern soll. So sieht man auf den assyrischen Reliefs die hilfreichen Dämonen am heiligen Dattelbaum, wie sie die männlichen Blütenstände unmittelbar auf die weiblichen legen. Diese Voluten-Palmettenarme der assyrischen Vorbilder gleichen denen sogenannten Irminsul am Externstein auf das genaueste. Deshalb ist es anzunehmen, dass dem Künstler des Externstein-Reliefs auch vorderasiatische bzw. ostmittelmeerische Vorbilder zur Vorlage dienten. Der Lebensbaum oder „heilige Baum“, wie ihn die moderne Forschung lieber nennt, hatte sich in einer großen Formenvielfalt über die Kulturwelt des Mittelmeeres verbreitet und fand schließlich in der Form der sogenannten heraldischen Lilie sein knappstes Bildkürzel. Das erkennt auch die christliche Forschung unumwunden an. (Romuald Bauerreiss, „Arbor Vitae: Der Lebensbaum und seine Verwendung in Liturgie, Kunst und Brauchtum des Abendlandes“) -- Das phönizische Relief einer Elfenbein-Büchse des 9. Jhs. v.0 aus Kalchu (Nimrud) zeigt Beter am Lebensbaum, des schematisierten Dattelpalm-Kultbaumes (Abb. 3). Schon die helladische, ionische, griechische (z.B. auf Lekythen, Terrakotten 5. Jh. v.0, ) und etruskische Kunst (z.B. Tomba Campana, 600 v.0) verband die Palmblattvoluten mit dem Säulengedanken auf Grabstelen und dem Tempel-gibelschmuck. Auf Zypern schätzte man das variirende Lebensbaum-Motiv geradezu hingebungsvoll. Ein Beispiel zeigt die Abb. 4 mit dem kyprischen Lebensbaum-Blütenkapitell 5. Jh. v.0 (im Louvre u. Antiken-sammlung d. Kunsthist. Mus. Wien) nach vorderasiatischen und ägyptischen Vorbildern. Abb. 5 ist das Bruchstück einer Goldplatte des 7. Jhs. v. 0 aus Ziwije / Iran, mit getriebenem fortlaufenden Dekor des Lebensbaumes  bzw. verschlungener stilisierter Palmetten mit sich abkehrenden Löwen --, aus der Luzerner Sammlung Kofler-Truniger.
 
Abb.3 4 5
 
Die Christenkirche, aus der Geisteskultur des Orients entwachsen und mittelmeerische Einflüsse unterschiedlichster Art in sich aufnehmend, gebrauchte schon früh das Lilien-Lebensbaumsymbol innerhalb eigener Glaubenskultur und Kunst. Die unendlich vielen Lebensbaum- bzw. Lilien-Darstellungen an christlichen Sakralbauten und sakralen Gegenständen sprechen dafür, dass es im urchristliches Gebrauch war. Davon abgesehen, dass es aber nichts rein Urchristliches gibt, weil diese Institution alles, was sie ihr Eigen nennt, bereits vorfand und lediglich neue, sinnentstellende Interpretationen dafür lieferte -, abgesehen davon hat diese geistesgeschichtliche Welle, die vom Nahen Osten über den europäischen Süden nach Norden hinaufbrandete, das lilienartige Lebensbaumsymbol bereits in verdauter, verchristlichter Weise mitgebracht. Sie muss es mitgebracht haben, denn wir finden es schon in deutlichster Lilienform auf mykenischen Siegelringen, flankiert von zwei anbetenden Tier- oder Geniengestalten. Man könnte angesichts dieses Umstandes mit größter Berechtigung vom christlichen Vampirismus reden. Die Kirche brachte dieses Zeichen als eines der vielen ihr bekannten Symbole der Kulturen, aus denen sie sich nährte, mit nach dem Norden und stand dort ganz offensichtlich einem ähnlichen Symbol gegenüber - nämlich dem Dreispross -, der nicht aus dem Dattelbaum hervorgegangen war wie die „Lilie“ des Orients. Auch auf heidnisch-römischen Schilden und Gerätschaften trat die Palmetten-Lilie bereits auf, ebenso wie auf Feldzeichen des german­isch­en Heidentums. So sind heidnische wie auch christliche Lilien-Schmucksym­bole festzustellen. Daraus wäre möglicherweise die früh einsetzende ambivalente Haltung der Kirche diesem Symbol gegenüber zu erklären. -- Die langobardische Kunst in Italien und die westgotische Kunst auf der iberischen Halbinsel strotzen nur so von diesem Symbol. Anzunehmen ist, dass die Westgoten es aufgriffen während ihrer Kontakte mit dem byzantinischen und persischen Kunstschaffen und die Langobarden römisch-byzantinisch beeinflusst wurden. Diese Völker behielten ihren ganz spezifischen Schmuck­stil, es waren keine Katholiken, lediglich in der Oberschicht ein wenig arianisch-christlich eingefärbt. Die Sachsen hatten solcherart Kontakte nicht -, Dattelbaum-Lilien kommen bei ihnen erst ab der kirchenchristlichen Ära vor. Aber das gänzlich heidnische Runengoldhorn von Gallehus/Nordschleswig (Beginn 4. Jh.) zeigt das lilien- oder dreisprossförmige Weltbaumzeichen, an dessen Wurzeln der Drache nagt. Hier ist erneut von Vereinfachungen zu warnen: Der (orientalisch-christliche) Lebensbaum, den Germanien nicht kannte - denn dort wuchs und wächst kein Baum von dem ganze Stadtkulturen buchstäblich lebten - ist zu unterscheiden vom Weltenbaum, der in der Edda-Mythologie Erwähnung findet. Doch der eddisch-germanische Weltenbaum war eine „immergrüne“ Eibe, aus der ein fehlerhafter Abschreiber versehentlich eine Esche gemacht hatte. Als Palme hat sich mit Sicherheit kein Germane seinen Weltenbaum denken können oder wollen.  Damit ist es ebenso nicht möglich, den gebogenen Kultbaum vom Externstein als germanischen Weltenbaum deuten zu können. -- Dieses ganze irrtumsbeladene Treiben solcher „Irminsul-Narren“, mitsamt ihrem kindisch-eitlen Stolz, etwas ganz Geheimes in Erfahrung gebracht zu haben und wie einen Wissensschatz in Händen zu halten, dazu auch „mutig“ den von Beginn an abwinkenden kunstsachverständigen Fachleuten hartnäckig und „erfolgreich“ widersprochen zu haben, mutet wie eine schauerlich-törichte Schmierenkomödie an, zu deren beschämenden Verständnis die Betroffenen selbst nicht die leiseste Ahnung zu entwickeln fähig sind. Ausführlich genau malen sie die gefächerten Palmblattranken ihrer „Irminsul“ aus, mit verzückten aber offenbar total verklebten Augen schauen andere diese Abbildungen an, die nicht selten an die Flügelchen von Weihnachtsengeln erinnern, und keiner dieser Armen im Geiste macht sich darüber ernsthafte Gedanken, was an einer die Welt erhaltenden bzw. den Himmel stützenden Säule derlei Firlefanz zu suchen haben könnte. 
 
 
Besonders schön-närrische Exemplare der modernen orientalischen Dattelbaum-Kultsäule.
(Als närrisch müssen sie allein deshalb gelten, weil sie von ihren Schöpfern als Irminsulen bezeichnet werden !)
 
WELTENSTÜTZE - HIMMELSSÄULE - IRMINSUL
 
Ein vom Lebensbaume zu unterscheidendes Symbol, in seiner Bedeutung verschwommen und keinesfalls ebenbürtig, ist der kosmische Baum, der Weltbaum oder auch der Sonnenspiral­baum, d.h. das synkretistische Mischgebilde eines Baumes in dem die Sonne gewissermaßen nistet. Klar und alt, schon megalithisch ist die Himmelstütze oder die Weltenstütze mit integrierter bzw. aufgelegter Sonnenspiralbahn, wie es das von mir vorgestellte bronzezeit­liche schwedische Felsbild von Kasen / Bohuslän vorführt (Abb. 6). Im Worte Irminsul, wie auch in der Erklärung des Rudolf von Fulda - dass es sich um die All-Stütze handele - liegt der Hinweis, dass wir es hier keineswegs mit dem „Baum des Lebens“ oder des „Weltenbaumes“, also mit Vorbildern aus der Pflanzenwelt zu tun haben. Dem Irmensul-Symbol liegt ein bautümliches, religiös-kosmologisches Denken zugrunde. Bekanntlich wurde der Himmel als das Dach über dem Erdboden angesehen, die Isländer nannten den Himmel fagra-röfr (schönes Dach) oder sal-þak (Erdboden-Dach). Noch im Alt- und Mittelhochdeutschen heißt der Himmelspol Gibel, wie der Giebel des Hauses, Giebel hat die gleiche Wurzel wie Gabel. Aus der Gerüstgeschichte des germanischen Hauses wissen wir, dass das Dach vom Firstbal­ken getragen wurde, welcher auf den Giebel- / Gabelstützen auflag. Die Gabelstütze als Weltenbaum, als Dachhaltesäule, ist bei den nordgermanisch beeinflussten Lappen noch im 18. Jahrhundert bezeugt. Wir können also sicher sein, dass die altsächsische Kultsäule am oberen Ende in irgend einer Art und Weise gabelförmig gebildet war, vielleicht sogar in der schlichten Form des Säulenhauptes das wir aus dem Fund von Obermarsberg her kennen, während der Schaft reich verziert gewesen sein muss.
 
Abb. 6 
 
Freilich gab es zu keiner Zeit in solchen religiösen Vorstellungen des Weltaufbaus Einheit­lichkeit. Fest steht lediglich, dass ein Stützpfahl angenommen wurde. So trägt auf dem Relief der alten Kirche von Bierstadt-Wiesbaden ein einzelner spitzer Pfeiler das Himmelszeltdach. Allgemein bekannt ist, die alten Völker dachten sich die Welt als Gebäudekonstruktion und ängstigten sich wohl auch, dass unter widrigen Gegebenheiten dasselbe einmal einstürzen könnte, dies wird von Missionaren die unter den Eskimos Anfang des 18. Jhs. wirkten, berichtet. Alexander dem Großen gegenüber traten z.B. die adrianischen Kelten recht großspurig auf, als sie sagten, sie fürchteten nichts anderes auf dieser Welt, als dass einmal der Himmel einfallen würde. Alexander hatte gehofft, eine andere Antwort zu hören, nämlich die Frucht vor seiner eigenen militärischen Machtballung
 
Vielfach belegt ist auch die Vorstellung, die Welt als mehrstöckiges Gebäude aufzufassen mit einigen etagenförmig übereinanderliegenden Himmeln. Unsere bis in die Neuzeit gepflegten mehrstufig gestutzten Dorflinden, in welchen oft richtiggehende Tanzböden eingezogen waren, stellen ein Herkommen dar, welches sich aus der genannten Weltauffassung ableitet. Man tanzte gewissermaßen in einem der unteren Himmelsböden. Die Kunst, besonders die langobardische, führt uns dieses Schema mit den mehrfach übereinander angeordneten Himmelstragarmen des Weltenbaumes bzw. der Weltenstütze deutlich vor Augen. Auch die isländische Edda weiß ja von dem vielfältigen Leben in den diversen Schichtungen der Welt­esche (die eigentlich eine immergrüne Eibe war) da gibt es die äsenden Hirsche, da gibt es die Ziege Heidrun, da gibt es schließlich ganz oben den Sonnenadler, über allem thronend. Unter dem Weltendach oder innerhalb eines Zwischendecks dachte man sich die Sonne ihre Bahn ziehend. Die Sonnenbahn als Doppelwirbel musste zwangsläufig auch zum Jahres- und Zeitensymbol schlechthin werden, sie ist für die nordische Bronzezeit gut belegt, scheint aber bereits in den atlantischen Megalithkulturen nachweisbar. Immer wieder wird das Motiv, dem wohl nach einstiger Vorstellung eine sensationelle wissenschaft­liche Welterkenntnis zugrunde lag, von den Künstlern skandinavischer Felsbildermotive aufgegriffen. Wenn nun dieser Sonnen-Doppelwirbel der Weltenstütze aufgelegt und schließlich zu einer Symboleinheit verschmolzen wird, so entsteht die Darstellung der kosmischen Sonnen­spiral-Säule bzw. der Irminsul (Säule des Himmelsgottes Tiu-Tyr-Eres / Irmin), wie sie im Felsbildabrieb der Abb. 6, mit dem davor vollzogenen Stieropfer, zu sehen ist.
 
Abb. 7
Eine derartig gestaltete Ur-Irminsul hat keine an ihren Spitzen aufgerollten Palmblätter wie der orientalische Lebensbaum vom Externstein, sondern Sonnen-Doppelspiralwirbel, so dass eine neuzeitliche Nachbildung des heidnischen Symbols aussehen könnte/müsse etwa wie es Abb. 7 demonstriert.
 
Dieses Symbol kann zwar auch dem Orient nicht völlig unbekannt gewesen sein. Wir finden Hinweise, dass es schon dem Weltbild der anatolischen Hethiter nicht unbekannt gewesen sein kann -, allerdings war deren Urheimat der westdeutsche Bezirk. Aber die autochthonen äquatornäheren Kulturen verstanden dieses Symbol nicht und griffen das Sinnzeichen der Doppelspirale deshalb nicht weiter auf. Die altjüdischen Spekulationen beachten es nicht und die Christenkirche kennt es deshalb nicht. Hierbei handelt es sich ursprünglich nordische bzw. westatlantisch-megalithische Anschauungsbilder. Nur wer Kunde von der Mittsommersonne hat, weiß, dass die Sonne echte Kreisbahnen um Erdscheibe oder Kugel oder Erdenhaus zieht. Die Weltenstütze ist aus überhöhter allegorisierter Sicht natürlich der Welterhalter. So ist es naheliegend, dass die Sonnenspiralsäule auch personifiziert geschaut werden konnte. Der Irmin-Gott, der Ätherurgott Taiwaz-Tiu, ist selbst die erhaltende Stützsäule, er selbst auch galt in  der Frühzeit als das gute, sonnenhafte Prinzip, seine ordnenden Arme werden zur heilenden Sonnenbahn. Das Kreuz ist von christlicher Seite ebenfalls früh - im Anklang an die heidnische Weltschau - zur Weltstütze erklärt worden und erhielt auf unendlich vielen frühen Darstellungen rechts und links am oberen Ende seiner Senkrechten einen Sonnenbahnwirbel angehängt oder wird von Sonne und Mond, wie die Weltsäule, umstanden. In weitergehenden ornamental-verspielten Formen schließlich tragen alle vier Kreuzenden die schnecken­förmigen Röllchen. Der gesamte Korpus des christlichen Erlösergottes wird schließlich in die Kreuzform, Weltenbaumform, hineinge­presst; die beiden Sonnenlaufbahnen ersetzen das Querholz des Kreuzes, aber das Gesicht trägt noch den vertrauten Schnauzbart Odins, der in spätheidnischer Zeit bekanntlich den alten Himmelsgott Tiu zunehmend verdrängte. Doch ist dieses Vorstellungsbild, auch ganz deutlich als heidnisches Symbol dargestellt, von anbetenden Ungeheuern umstanden. Dem heidnisch-christlichen Synkretismus im Denken und in der Kunst waren in merowingisch-vorkarolingischen Phasen alle Türen geöffnet.
 
Nun scheint aber die ursprünglichste Vorstellung der Indogermanen von zwei Säulen ausgegangen worden zu sein. Vielleicht im Nachvollzug des alten Ständerhauses mit den beiden Gabelstützen. Eine der Säulen dachte man dich im Norden, hoch über der alten Heimat des Volkes unter dem Nordstern. Und diese gewissermaßen heimatliche Säule wurde in der Regel abgebildet. Die hethitischen Königssigel zeigen unter dem Himmelszeichen (mit der Bedeutung „groß“) zwei spitze Pfeiler als Symbole für die welterhaltende Königsmacht. Die kosmischen Säulen in der Mehrzahl finden schon im Mithrashymnus des Avesta Erwähnung: „Mithra, der die Säulen der hohen Wohnung festigt.“ Auf einer römischen Münze sehen wir neben dem Zeus-Altar von Amaseia zwei Pfeiler mit gabeligen Enden, davor ein Stieropfer. Ebenso sind Darstellungen auf bronzezeitlichen Plattenfibeln, die in Bohuslän gefunden wurden, mit zwei Himmelssäulen versehen. Sophokles spricht von den Himmelssäulen als der Achse des Gestirnum- schwunges und dem Ruheplatz der Sonne (Strabo 7,2,2). Plato erwähnt die „Säulen des Herakles“. Einen weiteren Hinweis entnehmen wir der Glosse aus christlich-keltischer Zeit, wo es heißt: „So wie es zwei Säulen in der Welt gibt, so gibt es in Irland Brigit und Patrick.“ Die altägyptischen Hieroglyphen kennen das waagerechte Himmelsdachzeichen mit vier Gabelstützen darunter, also Stützen an allen vier Erdecken. Das von mir gefundene und gedeutete skandinavische Felsbild aus Bohuslän (Abb. 3) könnte möglicherweise die Hinweise auf die einstmals geglaubten zwei Weltstützen bestätigen. Auf zwei Pfählen scheint hier die Sonnenspirale aufzuliegen. Ebenso könnte jedoch auch eine einzige Säule gemeint sein, deren Außenkonturen stark hervorgehoben wurden ? Jedenfalls ist dies das Urbild der frühgermanischen Irminsul, cirka 1.500 vor der Zeitrechnung. Wir fassen zusammen: Die ikonographische Palmbaum-Lebensbaum-Darstellung im Externsteinbild hat bestenfalls grobvisuell entfernte Ähnlichkeit mit der germanischen Kultsäule. Der Künstler lehnte er sich allerdeutlichst an ostmittel­meer­isch-orientalische Vorbilder an.
 
DAS KOSMOGONISCHE UR-MODELL
 
Abb. 8
 
Uralt und bei vielen Völkern bis auf unsere Tage nachweisbar, bzw. als ganz selbstverständlich empfunden, ist die Vorstellung von der Dreigliederung der Welt in Himmel, Erde und Unterwelt/Hölle. Die germanische Mythologie nannte die drei Etagen des Weltaufbaues: Walhall/Asgard, Midgard und Hel. Auch von diesem Weltbegriff fand ich in der prägermanischen Felsbilderwelt Schwedens den Nachweis.  Er zeigt die Weltstütze als einfache Weltachse, deren unterste Plattform die unterweltlichen Bezirke meint, über denen sich als die mittlere Midgard-Welt der Lebendigen befindet, und darüber wölben sich die Tragearme, um die Himmelskuppel - bis zum Horizont hinabreicht - zu stützen. Darüber ist die Welt der Götter zu vermuten, flankiert von den beiden großen Gestirnen Sonne und Mond. Das bronzezeitliche Felsbild fand ich in Arendal / Tanum / Bohuslän (Abb. 8 Papierhandabrieb mit Fingerkraut und Kohlepapier - Länge der Senkrechten: 33 cm).
 

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Ein derartiges Weltbetrachtungsverständnis lässt sich schon in der nordisch-megalitischen Urzeit nachweisen. Eine trichterbecherzeitliche Urne aus Vesterby / Langeland / Dänemark ist mit dem Weltsäulenabbild verziert, welches hoch auf dem Weltenberg stehend, die beiden Gestirne unterhalb der Himmelstragearme placiert (Abb. 9). Ein weiterer  in Dänemark gefundener Kumpf von „Jättestue Svinö ved Vordingborg“, aus  3.200 v. 0, befindet sich im Museum von Roskilde (Abb. 10). Er zeigt die gestochene Bodenlinie der Menschenweltebene und die beiden Gestirne unterhalb des  gestützen Himmelsbogens. Auch die sogenannten „Folkton-Trommeln“ aus Kreide demonstrieren das kosmische Schema, sie stammen von einem spätneolithischen Kindergrab südlich von Folkton / Yorkshire / England (Abb. 11, Ø 14,6 cm).
 
Abb. 12 
 
 
 Und dieses Weltbildschema hat sich in Germanien über Jahrtausende erhalten, bis in die allerspäteste Zeit des Heidentums hinein, wie es chaukische und altsächsische Urnenbilder  des 3./5. Jhs. beweisen (Abb. 12).  Der Himmel, als Zelt oder Kuppel dargestellt, wird durch eine einfache Säule gestützt, aus der die Tiu-Rune des Himmelsgottes gebildet wurde. 
 
Abb. 13
 
Noch auf mehreren Kirchen-Bogeneingangsfeldern, sogenannter Tympani, hat das heidnische Weltbild in Stein gehauen überdauert. Es war in der Zeit der Romanik des 12. Jhs. üblich, an äußeren Kirchenmauern und über Eingangstüren heidnische Symbole anzubringen, um den Menschen damit zu sagen, was sie beim Eintritt ins „Gotteshaus“ hinter sich zu lassen hätten. Beispielsweise zeigt die Thüringer Kirche zu Griesheim (im Ilmtal) über der Nord- wie auch über der Südeingangspforte das altgläubige Weltbild des durch die Irminsul, die „universalis columna“, erhaltenen Himmelsbogen (Abb. 13 - Südeingang). Es handelt sich um einen der ältesten Kirchenbauten Thüringens, mit urkundlicher Ersterwähnung i.J. 1119. Doch das uralte vorchristliche Weltbild ließ sich nicht ausrotten, deshalb begannen die Propagandaexperten der Kirche schon bald dem Volk einen Ersatz anzubieten, nämlich das Kreuz, welches ja eigentlich als der jesuische Galgenbaum gepredigt worden war, wurde in Folge zunehmend zur Weltenstütze modifiziert und dementsprechend ins Bild gesetzt.